VG Minden, Urteil vom 29.02.2016 - 11 K 757/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 11.11.2013 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-82 E2 mit jeweils 138,38 m Nabenhöhe und einer Leistung von 2.300 kW auf den Grundstücken C. , Gemarkung I. , Flur 10, Flurstück 83, und Flur 12, Flurstück 36.
Die Beigeladene beantragte am 10.01.2014 unter Hinweis auf das laufende Verfahren zur Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplans "Windenergie" die Zurückstellung des Antrags. Nach Anhörung der Klägerin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2014 die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens für die Dauer von 12 Monaten aus.
Mit Schreiben vom 14.01.2015, eingegangen am 15.01.2015, beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Verlängerung der Zurückstellung um ein weiteres Jahr. Hinsichtlich der Begründung ihres Antrags wird auf die dem Antrag beigefügte Anlage (Bl. 165 und 166 BA I) verwiesen. Die Klägerin nahm zu dem Antrag mit Schreiben vom 06.02.2015 Stellung.
Der Beklagte verlängerte mit Bescheid vom 11.02.2015 die mit Bescheid vom 18.02.2014 erfolgte Zurückstellung für die Dauer von acht Monaten und zwei Wochen und ordnete die sofortige Vollziehung an.
Die Klägerin hat am 13.03.2015 Klage gegen den Zurückstellungsbescheid erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29.07.2015 - 11 L 279/15 - hat die Kammer den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage abgelehnt.
Nachdem am 24.09.2015 der sachliche Teilflächennutzungsplan "Windenergie" der Beigeladenen in Kraft getreten war, hob der Beklagte den Zurückstellungsbescheid vom 11.02.2015 mit Bescheid vom 28.09.2015 auf.
Die Klägerin, die ihren Klageantrag unter dem 18.12.2015 in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt hat, hält an ihrer Auffassung fest, zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides hätten keine besonderen Umstände i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB vorgelegen. Die Grundsätze der Konzentrationsflächenplanung seien seit langem von der Rechtsprechung konkretisiert worden und müssten den Kommunen bekannt sein, ohne sie vor große Anwendungsprobleme zu stellen. Auch das Urteil des OVG NRW vom 01.07.2013 im Normenkontrollverfahren betreffend die Ausweisung von Konzentrationsflächen durch die 77. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen habe hinsichtlich der Frage der offenzulegenden und anzuwendenden harten und weichen Tabukriterien keineswegs völlig Neues gebracht. Bereits seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2002 sei klar, dass eine wirksame Konzentrationsflächenplanung die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts erfordere und was in diesem Rahmen im Einzelnen zu berücksichtigen sei. Die Beigeladene befasse sich seit 1995 mit der Konzentrationsflächenplanung; dass es ihr bislang nicht gelungen sei, Windvorrangzonen wirksam auszuweisen, beruhe auf Fehlern, die vermeidbar gewesen seien, und sei daher von ihr verschuldet. Soweit sie besondere, eine weitere Zurückstellung rechtfertigende Umstände darin sehe, dass im Stadtgebiet der Flughafen Q. -M. und ein Segelflugplatz vorhanden seien, überzeuge dies nicht. Dieses Problem bestehe seit Jahren und sei immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren gewesen. Entsprechendes gelte für die artenschutzrechtliche Problematik. Durch die zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen seien die Fragen, die sich im Rahmen der Konzentrationsflächenausweisung stellen würden, bereits vor der Entscheidung des OVG NRW aufbereitet und größtenteils beantwortet gewesen. Im Übrigen habe die Beigeladene nach der Feststellung der Unwirksamkeit der 77. Änderungsfassung ihres Flächennutzungsplans auf die in jenem Verfahren bereits durchgeführten Arbeiten zurückgreifen können, insbesondere auf die flächendeckende Potentialflächenuntersuchung inklusive artenschutzrechtlicher Untersuchung und Umweltbericht.
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei gegeben, da die beantragte Feststellung der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses diene. Ohne die Zurückstellung hätte ihr vor Inkrafttreten des sachlichen Teilflächennutzungsplans eine Genehmigung erteilt werden müssen, die sich gegenüber der nunmehr bestehenden Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB am Vorhabenstandort durchgesetzt hätte. Aus dem genehmigten Anlagenbetrieb hätte sie erheblichen Gewinn ziehen können.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Zurückstellungsbescheid des Beklagten vom 11.02.2015 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie beziehen sich auf die Gründe des Eilbeschlusses der Kammer vom 29.07.2015 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.10.2015 - 8 B 974/15 - in einem parallel gelagerten Verfahren. Der Zurückstellungsbescheid vom 11.02.2015 genüge den im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB zu stellenden Anforderungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des zugehörigen Eilverfahrens 11 L 279/15 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter) verwiesen.
Gründe
Nach §§ 87a Abs. 2 und Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende als Berichterstatterin entschieden werden, weil die Beteiligten damit ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die von der Klägerin geltend gemachte Absicht, einen Schadensersatzprozess gegen den Beklagten zu führen, stellt ein berechtigtes Feststellungsinteresse dar.
Die Klage ist aber unbegründet. Der die Entscheidung über den Antrag der Klägerin vom 11.11.2013 auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-82 E 2 für die Dauer von acht Monaten und zwei Wochen erneut zurückstellende Bescheid des Beklagten vom 11.02.2015 war rechtmäßig.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine weitere Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB lagen entgegen der Auffassung der Klägerin vor.
Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB kann die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung nach Satz 1 um höchstens ein weiteres Jahr aussetzen, wenn besondere Umstände es erfordern.
§ 15 Abs. 3 BauGB ist entsprechend anwendbar, wenn es - wie hier - um die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Vorhabens geht,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25.11.2014 - 8 B 690/14 -, juris Rn. 6 f., und vom 18.12.2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 5 ff. m.w.N.
Die formalen Voraussetzungen für die weitere Aussetzung der Entscheidung über den Genehmigungsantrag der Klägerin lagen vor, da die Beigeladene am 15.01.2015 beim Antragsgegner einen entsprechenden Antrag gestellt hatte und bei Erlass des nunmehr streitgegenständlichen - weiteren - Zurückstellungsbescheides vom 11.02.2015 ein verlängerungsfähiger Zurückstellungsbescheid vorlag, nämlich der bestandskräftige Bescheid des Antragsgegners vom 18.02.2014.
Besondere Umstände, die eine weitere Aussetzung des Genehmigungsverfahrens erforderlich machten, waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 11.02.2015 gegeben.
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB reicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift allein nicht aus, um die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens ein zweites Mal auszusetzen. Der Gesetzgeber ist vielmehr weiterhin davon ausgegangen, dass eine Gemeinde die Konzentrationszonenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bei Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB durchaus innerhalb des in § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die erste Zurückstellung vorgesehenen Zeitraums von längstens einem Jahr bewältigen kann. Eine Verlängerung nach § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB kommt daher nur beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht.
Die Formulierung "wenn besondere Umstände es erfordern" ist identisch mit der Formulierung in § 17 Abs. 2 BauGB für die zweite Verlängerungsmöglichkeit bei Veränderungssperren, sodass es naheliegt, die hierzu ergangene Rechtsprechung auf § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB entsprechend zu übertragen. Danach ist ein Planverfahren durch besondere Umstände gekennzeichnet, wenn es sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Das ist der Fall, wenn das Planverfahren Besonderheiten des Umfangs, des Schwierigkeitsgrades oder des Verfahrensablaufs aufweist. Auch im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB ist Vergleichsmaßstab der allgemeine Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit, nicht lediglich die sonstige Konzentrationsflächenplanung.
Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB andere, etwa strengere Anforderungen an die Verlängerungsmöglichkeit stellen wollte als bei § 17 Abs. 2 BauGB.
Notwendig ist ferner, dass die Aufstellung des Plans gerade wegen dieser Besonderheiten mehr als die übliche Zeit erfordert. Schließlich darf die Gemeinde die Verzögerung nicht zu vertreten haben. Vertreten muss eine Gemeinde insbesondere jedes ihr vorwerfbare Fehlverhalten, wobei im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass Mängel, die in der Sphäre der Gemeinde auftreten, auf deren Fehlverhalten zurückzuführen sind. Dies ist allerdings eine widerlegbare Regel. Der Gemeinde kann dann nicht der Vorwurf eines Fehlverhaltens gemacht werden, wenn sie darlegen kann, dass sie sich im jeweiligen Zeitpunkt objektiv vernünftig verhalten hat.
Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 25.11.2014- 8 B 690/14 -, a.a.O. Rn. 8 ff. m.w.N.
Dies zugrunde gelegt wies das Planaufstellungsverfahren der Beigeladenen betreffend die Ausweisung von Windvorrangzonen Besonderheiten auf, die eine Verlängerung der Zurückstellung des Genehmigungsantrags der Beigeladenen bis Ende Oktober 2015 gerechtfertigt haben.
Umstände, die Anlass zu Zweifeln am - weiteren - Vorliegen einer hinreichend konkretisierten, sicherungsfähigen Planung zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Zurückstellungsbescheides vom 11.02.2015
- vgl. zum für die Beurteilung maßgeblichen ZeitpunktOVG NRW, Beschluss vom 18.12.2014 - 8 B 646/14 -,a.a.O. Rn. 17 f. m.w.N. -
geben könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch nicht sonst ersichtlich, zumal der sachliche Teilflächennutzungsplan "Windenergie" am 10.06.2015 vom Rat der Beigeladenen beschlossen worden und am 24.09.2015 in Kraft getreten ist.
Auch wenn - wie bereits dargelegt - die Planung von Windvorrangzonen nicht ohne Weiteres als besonderer Umstand i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB zu werten ist mit der Folge, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine weitere Zurückstellung erfüllt sind, kann nicht außer Betracht bleiben, dass sich Planungen für Windvorrangzonen häufig sowohl qualitativ als auch quantitativ von der normalen Bauleitplanung unterscheiden. Konzentrationszonenplanungen für Windenergieanlagen begründen daher zwar nicht schon für sich einen besonderen Umstand im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB. Sie weisen aber häufig die - auf der ersten Stufe zu prüfende - Besonderheit auf, dass sie sich ihrem Umfang und Schwierigkeitsgrad nach von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abheben. Gerade Windkraftkonzentrationszonen erfordern nach den Vorgaben der Rechtsprechung eine Vielzahl aufwändiger und vielschichtiger Planungs- und Verfahrensschritte einschließlich der Beteiligung der Öffentlichkeit und anderer Behörden sowie einer umfassenden Abwägung aller Belange vor der Beschlussfassung. Bei dieser Sachlage ist die Zeitspanne von einem Jahr, innerhalb derer eine solche Windenergieplanung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB gesichert werden kann, auch nach der Einschätzung des Gesetzgebers sehr knapp bemessen und in der Regel für eine ausgewogene Planung zu kurz.
So OVG NRW, Beschluss vom 25.11.2014 - 8 B 690/14 -, a.a.O. Rn. 17.
Diese für die Planungsdauer relevanten Besonderheiten der Windenergiekonzentrationszonenplanung waren im Aufstellungsverfahren der Beigeladenen in verstärktem Maße gegeben und für den erhöhten Zeitbedarf von achteinhalb Monaten kausal.
Das von der Beigeladenen betriebene Verfahren zur Aufstellung des sachlichen Teilflächennutzungsplans "Windenergie" war von Besonderheiten geprägt, die weit auch über das hinausgingen, was allgemein bei der Ausweisung von Windvorrangzonen zu berücksichtigen ist. Die Beigeladene hat zur Begründung ihres Zurückstellungsantrags u.a. darauf verwiesen, dass sie zahlreiche sog. Altstandorte berücksichtigen muss, die infolgedessen entstanden sind, dass die zuvor erfolgten Ausweisungen von Vorrangzonen für unwirksam erklärt wurden. Darüber hinaus befinden sich in ihrem Gemeindegebiet sowohl der Flughafen Q. -M. als auch ein Segelflugplatz, was Aspekte der Luftverkehrssicherheit besonders berücksichtigungsbedürftig macht.
Die hiergegen gerichtete Argumentation der Klägerin greift nicht durch. Soweit sie geltend macht, den Entscheidungsgründen des Urteils des OVG NRW vom 01.07.2013 - 2 D 46/12.NE -, mit dem die im Mai 2011 bekannt gemachte 77. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen für unwirksam erklärt wurde, hätte ohne Weiteres entnommen werden, nach welchen Kriterien eine Vorrangzonenausweisung zu erfolgen habe, wird verkannt, dass dieses Urteil den Abwägungsvorgang beim Plangeber weder vorgeben noch ersetzen kann. Dies gilt umso mehr, wenn man die seitdem vergangene Zeit und die seitdem im Plangebiet weiter genehmigten Anlagen berücksichtigt. Die aus vergangenen Planungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sind insoweit zwar in ein neues Aufstellungsverfahren einzubringen. Ob diese in tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht nach wie vor Gültigkeit beanspruchen können, ist jedoch zu überprüfen; die Beigeladene hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen geltend gemacht, dass es nach der Planbegründung zur 77. Änderung des Flächennutzungsplans Ende 2010 im gesamten Stadtgebiet 33 Windenergieanlagen gab, heute seien es mehr als 70 Anlagen. Außerdem hindern "alte" Planungsergebnisse und die ihnen zugrundeliegenden Feststellungen den Plangeber nicht, seine Planungsabsichten zu ändern, auch wenn dies mit neuen Prüfungserfordernissen und daraus resultierendem zusätzlichem zeitlichen Aufwand einhergeht.
Vor diesem Hintergrund steht der Annahme eines von besonderen Umständen nach § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB geprägten Planungsprozesses nicht entgegen, dass die Flächennutzungsplanungen der Beigeladenen Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen waren. Diesen ist nichts zu entnehmen, was die Beigeladene "1:1" in den Planungsprozess hätte einbringen können oder gar müssen. Mit Ausnahme des Urteils des OVG NRW im Normenkontrollverfahren betreffend die 77. Änderung des Flächennutzungplans - das eine neue Flächennutzungsplanung in tatsächlicher Hinsicht ebenfalls nicht determiniert - betrafen die Entscheidungen jeweils einzelne immissionsschutzrechtliche Genehmigungsvorhaben. Für die im Rahmen einer Flächennutzungsplanung anzustellenden Erwägungen ergeben sich allenfalls in Bezug auf die entsprechenden Vorhabengebiete, nicht aber umfassend in Bezug auf das Planungsgebiet verwertungsfähige Erkenntnisse. Dies gilt auch mit Blick auf die vom OVG NRW mit Urteilen vom 09.04.2014 - 8 A 430/12 u.a. - aufbereiteten luftverkehrsrechtlichen Belange. Für das Urteil der Kammer vom 22.09.2010 - 11 K 445/09 - gilt nichts anderes, ebenso wenig für die die artenschutzrechtliche Problematik betreffenden gerichtlichen Entscheidungen, auf die die Klägerin verwiesen hat.
Soweit die bereits im Verfahren zur 77. Änderung des Flächennutzungsplans vorgenommene Inventarisierung des Artenbestandes im nunmehr durchgeführten Flächennutzungsplanänderungsverfahren nutzbar zu machen war, bedurfte es ungeachtet dessen einer Fortschreibung und evtl. Neubewertung, auch unter dem Gesichtspunkt des im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu berücksichtigenden Einwirkungsbereichs. Dies wirkte sich auch auf eine mögliche Verwendung bereits vorhandener Potentialflächenanalysen aus, wobei es der Beigeladenen aber unbenommen gewesen ist, diese aufgrund der von ihr ermittelten Tabukriterien ggf. zumindest einer aktualisierenden Überprüfung zu unterziehen.
Schließlich rechtfertigt es insbesondere die Notwendigkeit, dem öffentlichen Belang der Luftverkehrssicherheit ausreichend Rechnung zu tragen, der Flächennutzungsplanung der Beigeladenen "besondere Umstände" i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB zu attestieren. Auf dem Gebiet der Beigeladenen befindet sich sowohl der Flughafen Q. -M. als auch ein Segelflugplatz. Bereits daraus resultieren besondere Anforderungen bei der Planung von Vorrangzonen, die sich nicht nur auf den Bauschutzbereich nach § 12 LuftVG, sondern auch darüber hinaus erstrecken.
So ausdrücklich OVG NRW, Beschluss vom 27.10.2015- 8 B 974/15 -, n.v., S. 3 unten des Entscheidungsabdrucks.
Weitere Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass die Höhe der derzeit gängigen Windenergieanlagen auch außerhalb des Bauschutzbereichs häufig dazu führt, dass sie Luftfahrthindernisse darstellen und damit dem Regelungsregime der §§ 14 ff. LuftVG unterliegen. Insoweit kommt der großen Zahl der nach dem Scheitern der 77. Änderung des Flächennutzungsplans auf dem Gebiet der Beigeladenen errichteten Windenergieanlagen auch unter dem Aspekt der Hindernisverdichtung eine besondere, die Komplexität des Planungsprozesses weiter erhöhende Bedeutung zu. Daran ändert der Umstand nichts, dass die von der Beigeladenen zwischenzeitlich im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen mit Ausnahme von fünf Altanlagen die bereits vorhandenen Anlagenstandorte erfassen; dies ist vielmehr lediglich das Ergebnis des von der Beigeladenen durchgeführten Verfahrens,
so erneut auch OVG NRW, Beschluss vom 27.10.2015,S. 4 oben des Entscheidungsabdrucks,
das den Schluss, es habe im Verfahren keine diesbezüglichen Probleme gegeben, jedenfalls nicht ohne Weiteres zulässt. Dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheides vom 11.02.2015 im Unterschied zur schließlich beschlossenen Planänderung noch zahlreiche Altstandorte außerhalb der ermittelten Potentialflächen lagen, zeigt vielmehr, dass auch im fortgeschrittenem Planungsstadium noch nicht verlässlich absehbar war, welche Vorrangzonen schließlich ausgewiesen werden würden. Im - nicht entscheidungsrelevanten - Rückblick belegt dies die im Verfahren zu bewältigenden besonderen Probleme in der oben dargelegten Hinsicht eher, als es sie in Abrede stellt.
Dass und inwiefern die über den zeitlichen Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hinausgehende Verzögerung der Planung auf einem vorwerfbaren Fehlverhalten der Beigeladenen beruhen könnte, ist mit Blick auf die oben beschriebenen, im Planungsprozess zu berücksichtigenden Gegebenheiten nicht ersichtlich. Die Mängel der bisherigen Vorrangzonenausweisungen beruhen insbesondere nicht auf einer schuldhaften Unkenntnis oder Missachtung der von der Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe für eine ausgewogene Konzentrationszonenplanung; Derartiges ist auch dem Urteil des OVG NRW vom 01.07.2013 im Normenkontrollverfahren betreffend die 77. Flächennutzungsplanänderung nicht zu entnehmen.
Da die von der Klägerin benannten Anlagenstandorte zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen weiteren Zurückstellungsbescheides vom 11.02.2015 außerhalb der als Vorrangzonen in den Blick genommenen Flächen lagen, stand ihr Vorhaben der Flächennutzungsplanung der Beigeladenen - weiterhin - entgegen.
Die Befürchtung, dass die Flächennutzungsplanung mit dem Ziel der Ausweisung von Konzentrationszonen für Vorhaben u.a. nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, besteht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der gemeindlichen Planung - nach dem jeweiligen Stand des Planungsverfahrens und gemessen an der Planungskonzeption und den Planzielen - widerspricht oder dass ein solcher Widerspruch zumindest möglich ist. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die künftige Nutzung des Grundstücks, auf dem das Vorhaben durchgeführt werden soll, noch nicht geklärt ist. Um eine Sicherung schon in einem möglichst frühen Planungsstadium zu ermöglichen, sind an den Nachweis des Sicherungserfordernisses keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Bloße Vermutungen reichen allerdings nicht aus.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2014 - 8 B 646/14 -, juris Rn. 21 unter Hinweis auf OVG NRW, Beschluss vom 26.02.2014 - 10 B 139/14 -, juris Rn. 10, sowie Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Band 2, Stand Mai 2014, § 15 Rn. 78 und 24 ff.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band 2, Stand 01.04.2014, § 15 Rn. 71k und 31; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2009, Rn. 435; Scheidler, ZfBR 2012, 123; Rieger, ZfBR 2012, 430; Frey, DÖV 2013, 547, und Hinsch, NVwZ 2007, 770.
Dabei sind die Besonderheiten, die Windkraftkonzentrationsflächenplanungen in der Regel gegenüber Bebauungsplänen aufweisen, zu berücksichtigen. Konzentrationszonenplanungen zielen konzeptionell neben der positiven Vorrangwirkung der Darstellung von Konzentrationsflächen insbesondere auf die den übrigen Außenbereich betreffende negative Ausschlusswirkung. Eine Flächennutzungsplanung, die diese Ausschlusswirkung entfalten soll, setzt daher die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts voraus, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt und dessen Entwicklung sich abschnittsweise vollzieht. Der schließlich zu durchlaufende Abwägungsprozess ist durch eine Offenheit gekennzeichnet, die häufig zu einer Veränderung der Konzentrationsflächenplanung führt, sei es, dass die Flächen verkleinert, vergrößert, verschoben oder geteilt werden, sei es, dass sie ganz aufgegeben oder neu gebildet werden.
Die Zulassung von Windenergieanlagen vor Abschluss einer solchen Planung kann die wirksame Umsetzung des planerischen Gesamtkonzepts in Frage stellen. Die Entscheidung des Plangebers, bestimmte Teile des Außenbereichs langfristig von der Windkraftnutzung freizuhalten, wird durch die Errichtung von Windenenergieanlagen dann unterlaufen, wenn sie auf Grundstücken erfolgt, die außerhalb der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationsflächen liegen. Dies gilt auch dann, wenn sich dort oder in der Umgebung - in Einklang mit der bisherigen Flächennutzungsplanung der Gemeinde - bereits andere Windenergieanlagen befinden. Eine Gefährdung der gemeindlichen Flächennutzungsplanung hinsichtlich des negativen Planungsziels ist deshalb schon dann zu befürchten, wenn es nach dem jeweiligen Stand der Planung aufgrund objektiver Anhaltspunkte - wie hier - möglich erscheint, dass das Vorhabengrundstück außerhalb der Konzentrationsflächen liegen wird.
Vgl. dazu erneut OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2014- 8 B 646/14 -, a.a.O. Rn. 23 ff. m.w.N.
Das ihm nach § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB eingeräumte Ermessen hat der Beklagte erkannt und in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, indem er die Interessen der Beigeladenen als Trägerin der Planungshoheit einerseits und das private Interesse der Klägerin sowie das öffentliche Interesse an der Erzeugung regenerativer Energien andererseits gegeneinander abgewogen hat.
Die mit Bescheid vom 11.02.2015 erfolgte Zurückstellung ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Bei Erlass des Bescheides war ein Abschluss des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens vor Ablauf des Monats Oktober 2015 nicht zu erwarten. Dass dies realistisch war, bestätigt die Tatsache, dass der sachliche Teilflächennutzungsplan "Windenergie" der Beigeladenen am 10.06.2015 beschlossen und danach die dreimonatige Frist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BauGB zur Genehmigung durch die Bezirksregierung Detmold zu laufen begann. Wie bereits ausgeführt, trat der Plan dann tatsächlich am 24.09.2015 in Kraft.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen. Namentlich hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Anforderungen, die an das Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. § 15 Abs. 3 Satz 4 BauGB bei der Konzentrationsflächenplanung zu stellen sind, sind durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25.11.2014 - 8 B 690/14 - präzisiert worden.