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VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.12.2017 - 9 L 3257/17

Liegt ein für den Kraftfahrer negatives medizinischpsychologisches Gutachten vor, kommt es auf die Berechtigung der Anordnung nicht mehr an (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 - 7 C 69/81 -, juris Rn. 20 m.w.N., = BVerwGE 65, 157). Aus dem vorgelegten Gutachten auf die Nichteignung des Kraftfahrers zu schließen, ist jedoch nur möglich, wenn das für ihn negative Begutachtungsergebnis nachvollziehbar und schlüssig ist.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 11479/17 wird hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung, den Führerschein abzuliefern, wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der wörtlich auf Wiederherstellung der Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 14. September 2017 gerichtete Antrag hat Erfolg.

Das Gericht legt ihn gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund des in der Antragsgebegründung zum Ausdruck kommenden Begehrens des Antragstellers dahingehend aus, dass nur gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und die Zwangsgeldandrohung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht wird, nicht aber auch gegen die Gebührenfestsetzung. Da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Justizgesetz NRW (JustG NRW) eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung entfaltet, ist insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sachgerecht. Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung entfällt die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO und müsste daher angeordnet werden. Ein darauf gerichteter Antrag wäre aber unzulässig, da der Antragsteller vor der Antragstellung bei Gericht keinen Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO gestellt hat. Eine Auslegung, die zu einem unzulässigen Antrag führte, widerspräche dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG).

Der in dieser Auslegung zulässige Antrag ist auch begründet.

Allerdings kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht in Betracht.

Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist die zu beurteilende Interessenlage in der großen Mehrzahl der Fälle gleich gelagert. In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Die Teilnahme eines zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten Kraftfahrers am Straßenverkehr führt zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer; ein solcher Verkehrsteilnehmer ist deshalb zur Vermeidung der von ihm ausgehenden Gefahren durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheides schnellstmöglich von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen.

Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 13. Oktober 2006- 11 CS 06.1724 -, juris Rn. 13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 -, juris Rn. 10.

Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung - die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse dringend geboten, weil der Antragsteller durch die unzureichende Aufbereitung seiner Problematik keine Gewähr mehr dafür biete, den hohen Anforderungen, die an einen Kraftfahrer im heutigen Straßenverkehr zu stellen seien, zu genügen und befürchtet werden müsse, dass er als Kraftfahrer im öffentlichen Verkehrsraum einen erheblichen Risikofaktor darstelle - jedenfalls noch gerecht.

Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt ferner ab von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. An der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme besteht kein öffentliches Interesse. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht - für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits - vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen - mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits - die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden -, dass dem Interesse des Antragstellers Vorrang einzuräumen ist. Denn die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin wird sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig erweisen.

Gesetzliche Ermächtigung für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist §§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. Die Eignung bestimmt sich nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG. Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist danach, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und konkretisiert in Satz 2, dass dies insbesondere gilt, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Dabei darf die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 3, §§ 11 bis 14 FeV die Beibringung eines (medizinischpsychologischen) Gutachtens anordnen.

Im Fall des Antragstellers sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht erfüllt.

Dabei, kommt es nicht darauf an, ob die an den Antragsteller gerichtete Anordnung, ein medizinischpsychologisches Gutachten zu den Fragen

1. "Besteht noch Alkoholmissbrauch? Liegen als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellen?" und

2. "Ist aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial zu erwarten, dass der untersuchte zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?"

nach §§ 46 Abs. 3, 13 Satz 1 Nr. 2b FeV ("wenn zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht") und §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV ("bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen") zu Recht ergangen ist.

Die erste Frage hat der Gutachter zugunsten des Antragstellers verneint: Körperliche Zeichen, die für einen gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch oder alkoholbedingte Auswirkungen eines Langzeitkonsums sprechen könnten, seien in der medizinischen Beurteilung nicht nachweisbar gewesen. Die Ergebnisse der Leberfunktionsproben hätten im Referenzbereich gelegen und stünden damit in Übereinstimmung mit den Angaben des Antragstellers zu einem zuletzt moderaten Alkoholkonsum. In der Vergangenheit sei er durch mehrfache Straftaten unter zum Teil hohe Alkoholisierung aufgefallen. Eine Beurteilung der zukünftigen Verhaltensprognose hinsichtlich der Straftaten unter Alkoholeinfluss, die eine nachvollziehbare Darstellung früherer Trinkgewohnheiten und Strategien zum zukünftigen Umgang mit Alkohol erforderlich machen würden, sei nicht Gegenstand der behördlichen Fragestellung. Der Antragsteller habe nun angegeben, seit Anfang 2016 vollständig im Sinne einer Abstinenz auf Alkoholkonsum zu verzichten. Hinweise, die diese Angabe widerlegen könnten, hätten sich in der psychologischen Untersuchung nicht gefunden. Da die Angabe zum Alkoholverzicht jedoch nicht durch verwertbare Abstinenzbelege gestützt werde, könne von einer auf Dauer angelegten Abstinenzentscheidung bisher nicht ausgegangen werden. Hinweise darauf, dass aktuell Alkoholmissbrauch bestehe, hätten sich aber nicht gefunden. Derzeit bestehe kein Alkoholmissbrauch. Es lägen als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel keine (psychophysischen) Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellten.

Damit enthält das Gutachten, soweit es die Frage 1 beantwortet, unabhängig davon, ob es insoweit zu Recht angeordnet worden ist, keine hinreichenden Anhaltspunkte, um zulasten des Klägers auf einen Alkoholmissbrauch oder eine (sonst) rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit zu schließen.

Die zweite Frage hat der Gutachter zu Ungunsten des Antragstellers beantwortet: Der Antragsteller sei jeweils unter teilweise erheblichem Alkoholeinfluss mit Straftaten im Bereich der Körperverletzung aufgefallen. Eine ausreichend selbstkritische Auseinandersetzung mit dem früheren Fehlverhalten sei nicht erkennbar gewesen. Verantwortung für sein zum Teil brutales Verhalten habe er kaum übernehmen können. Vielmehr habe er die jeweiligen Situationen im Sinne eines "zurfalschen-Zeitamfalschen-Ort"-Geschehens geschildert und noch nicht herausgearbeitet, dass die Häufung der aggressiven Verhaltensweisen nicht zufällig zu Stande gekommen sei. Zudem habe er die Ursache der Aggressionsdelikte eher in der Unbeherrschtheit anderer Personen begründet gesehen als in einem eigenen Fehlverhalten. Ohne eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Hintergründen des früheren Verhaltens könne nicht ausgeschlossen werden, dass er bei einer zukünftigen Verkehrsteilnahme nicht über eine ausreichende Verhaltenskontrolle verfüge. Somit sei das Risiko für verkehrsrechtliche Auffälligkeiten als erhöht zu bewerten. Bezüglich der strafrechtlichen Auffälligkeiten habe keine problemangemessene Auseinandersetzung mit dem früheren Fehlverhalten deutlich gemacht werden können. Die Wahrscheinlichkeit für weitere Aggressionsdelikte - auch gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr - bestehe somit weiter fort. Aufgrund der dargestellten Eignungszweifel könne daher derzeit bezüglich der strafrechtlichen Fragestellung keine günstige Prognose erfolgen. Aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten mit Anhaltspunkten für ein erhöhtes Aggressionspotenzial sei zu erwarten, dass der Untersuchte zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.

Liegt ein für den Kraftfahrer negatives medizinischpsychologisches Gutachten vor, kommt es auf die Berechtigung der Anordnung nicht mehr an. Die Berechtigung der Prüfungsanordnung ist nur rechtserheblich, wenn der Betroffene die Prüfung verweigert hat und die Bedeutung dieser Weigerung als Kennzeichen der Ungeeignetheit des Kraftfahrers zu beurteilen ist. Hat sich jedoch der Kraftfahrer der angeordneten Prüfung gestellt, so hat sich dadurch die Anordnung in einer Weise erledigt, dass von einer seitens der Behörde rechtswidrig erlangten Begutachtung nicht mehr gesprochen werden kann. Zudem schafft ein eindeutig negatives Ergebnis einer durchgeführten Begutachtung eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Einem Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, stünde das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 - 7 C 69/81 -, juris Rn. 20 m.w.N., = BVerwGE 65, 157; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 9 K 2495/13 -, juris Rn. 52 f.

Aus dem vorgelegten Gutachten auf die Nichteignung des Kraftfahrers zu schließen, ist jedoch nur möglich, wenn das für ihn negative Begutachtungsergebnis nachvollziehbar und schlüssig ist. Daran fehlt es hier. Dem Gutachten fehlt eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum der Gutachter aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten, die jeweils unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen worden sind, zu dem Schluss kommt, dass der Antragsteller künftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, obwohl nach der gutachterlichen Feststellung, es lägen keine Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs als Folge eines unkontrollierten Konsums berauschender Mittel in Frage stellten, mit einer alkoholbeeinflussten Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr nicht zu rechnen ist. Dass in der Vergangenheit unter der enthemmenden Wirkung einer erheblichen Alkoholisierung begangene Straftaten dafür sprechen, der Betroffene werde künftig ohne erwartbaren Alkoholeinfluss gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen, bedürfte zumindest der näheren Darlegung.

Da der Entzug der Fahrerlaubnis nach derzeitiger Sach- und Rechtslage einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält, fehlt es an einer Pflicht des Antragstellers gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV, den Führerschein abzuliefern. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV besteht diese Verpflichtung für die Dauer eines laufenden gerichtlichen Verfahrens nur bei einer (wirksamen) Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erlaubnisentziehung. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit ist daher auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Soweit sich der vorläufige Rechtsschutzantrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,- richtet, ist er ebenfalls zulässig und begründet, da die Androhung voraussichtlich rechtswidrig ist. Mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verpflichtung des Antragstellers, den Führerschein abzuliefern, fehlt es schon an einem unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt im Sinne des § 55 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht orientiert sich in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Streitwertbemessung in die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis betreffenden Hauptsacheverfahren am gesetzlichen Auffangwert (§ 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GKG).

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, juris, Rn. 2.

Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse, aufgrund dessen der Streitwert zu verdoppeln ist, ist in Fällen beruflicher Nutzung der Fahrerlaubnis anzunehmen. Hierfür ist jedoch nicht ausreichend, wenn ein Kraftfahrzeug lediglich, wie es bei einem großen Teil der Fahrerlaubnisinhaber der Fall ist, als Transportmittel zur Arbeitsstätte benötigt wird. Da der Antragsteller eine berufliche Nutzung der Fahrerlaubnis nicht vorgetragen hat - er macht eine Ausbildung zum Elektriker - bleibt es vorliegend bei einem Streitwert in der Hauptsache von 5.000,- €, der im gerichtlichen Eilverfahren auf die Hälfte zu reduzieren ist (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Lukas Jozefaciuk