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VG Köln Urteil vom 15.12.2017 - 19 K 7797/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am 00.00.1946 geborene Kläger ist als Ruhestandsbeamter des beklagten Landes zu einem Bemessungssatz von 70 % seiner krankheitsbedingten Aufwendungen beihilfeberechtigt. Mit seiner Klage begehrt er die Bewilligung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für ein Elektromobil Trendmobil Voyage. Dieses Elektromobil kann eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h erreichen. Für das Elektromobil besteht eine straßenverkehrsrechtliche Betriebserlaubnis gem. § 21 StVZO. Diese Betriebserlaubnis ist für die Teilnahme des Elektromobils am Verkehr auf öffentlichen Straßen gem. § 16 Abs. 2 StVZO erforderlich, weil seine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt.

Der Kläger erwarb das genannte Elektromobil mit Kaufvertrag vom 31.08.2014 zu einem Kaufpreis in Höhe von 1.700,00 €.

Unter dem 10.12.2014 beantragte der Kläger beim beklagten Land unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung seines behandelnden Orthopäden Dr. H. die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen für das Elektromobil. Er wies darauf hin, dass er wegen einer Lähmung seiner beiden Füße nur noch wenige Schritte zu Fuß mit seinem Rollator gehen könne. Er sei zur Fortbewegung mit seinem vorhandenen Rollstuhl auf fremde Hilfe angewiesen, weil er seine Arme aufgrund einer Schulterverletzung nicht mehr einsetzen könne.

Das beklagte Land lehnte mit Bescheid vom 10.02.2016 die Bewilligung einer Beihilfe ab. Zur Begründung führte es aus, eine Beihilfe könne nicht gewährt werden, weil das Elektromobil nicht im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten sei. Angemessen seien nur die Hilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalten seien. Im Übrigen seien die in der ärztlichen Verordnung genannten Diagnosen auch nur vorübergehend und rechtfertigten nicht die Anschaffung eines Elektromobils.

Der Kläger legte am 23.03.2016 gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch ein. Das beklagte Land wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2016 zurück.

Der Kläger hat am 06.09.2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er sei zwingend auf einen Elektrofahrstuhl angewiesen. Er könne sich mit einem handbetriebenen Rollstuhl nicht ohne fremde Hilfe fortbewegen. Die Kraft seiner Arme reiche hierfür nicht aus, weil er einen dreifachen Schulterbruch und einen Sehnenabriss am rechten Bizeps erlitten habe. Im Übrigen leide er an Polyneuropathie und könne mit seinen Händen keine Fäuste ballen. Das Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalte keine abschließende Auszählung erstattungsfähiger Hilfsmittel. Das in Rede stehende Elektromobil sei für ihn geeigneter als ein Elektrorollstuhl mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h. Mit ihm könne er die Strecken zu seinen behandelnden Ärzten schneller zurücklegen. Das beklagte Land sei auch unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BehKonV) zur Kostenübernahme verpflichtet. Art. 9 UN-BehKonV verpflichte die Unterzeichnerstaaten dazu, behinderten Menschen eine unabhängige Lebensführung zu ermöglichen. Nach Art. 20 UN-BehKonV solle behinderten Menschen die Anschaffung von Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Kosten ermöglicht werden.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2016 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 1.190,00 € zu bewilligen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es meint, dass ein Elektrorollstuhl aufgrund der nunmehr vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen für den Kläger medizinisch notwendig sei. Das in Streit stehende Elektromobil sei aber nicht angemessen, weil es nicht im Hilfsmittelverzeichnis der GKV enthalten sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe.

Maßgeblich ist das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendung geltende Beihilferecht, also hier § 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung (BVO NRW 2014).

Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind krankheitsbedingte Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW 2014). Die beihilfefähigen Aufwendungen umfassen dabei unter anderem nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW 2014 schriftlich verordnete Hilfsmittel. Aufwendungen von mehr als 1.000,00 € für Hilfsmittel - die wie das vorliegende Elektromobil - nicht in dem Positivkatalog des § 4 Abs. 1 Nr. 10 Satz 8 BVO NRW 2014 benannt sind, sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 Satz 9 BVO NRW 2014 nur beihilfefähig, wenn die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit vorher anerkannt hat. Bei Aufwendungen von mehr als 2.500,00 Euro ist danach darüber hinaus die Zustimmung des Finanzministeriums erforderlich.

Der Kläger kann einen Anspruch auf eine Beihilfe zu den Aufwendungen für das Elektromobil nicht unmittelbar auf § 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW 2014 stützen, weil er das Elektromobil bereits am 31.08.2014 erworben hat, ohne die Voranerkennung nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 Satz 9 BVO NRW 2014 zu beantragen und den Abschluss des Voranerkennungsverfahrens abzuwarten.

Er kann die begehrte Beihilfe auch auf der Grundlage der Vorschrift des § 13 Abs. 9 BVO NRW 2014 nicht verlangen. Nach dieser Bestimmung wird die Beihilfe dennoch gewährt, wenn eine nach dieser Verordnung erforderliche vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit ohne Verschulden des Antragstellers unterblieben ist. Ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift liegt immer dann vor, wenn sich der Beihilfeberechtigte über das Erfordernis der vorherigen Anerkennung vorsätzlich oder fahrlässig hinwegsetzt, obwohl ihm die Einhaltung des Verfahrens zugemutet werden konnte,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.02.2013 - 1 A 522/12 -, juris; Beschluss vom 23.04.2013 - 1 A 2617/12 -, juris.

Dem beihilfeberechtigten Beamten obliegt es, sich über die rechtlichen Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen zu informieren. Sind ihm die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit im Einzelfall unbekannt, ist er grundsätzlich gehalten, sich durch eine Nachfrage bei der für ihn zuständigen Beihilfestelle vor Entstehung der Aufwendung Kenntnis über die Voraussetzungen ihrer Beihilfefähigkeit zu verschaffen. Dies hat der Kläger vor dem Kauf des Elektromobils nicht getan.

Das beklagte Land hat das Elektromobil im Übrigen zu Recht nicht als beihilfefähig angesehen. Es stellt kein beihilfefähiges Hilfsmittel im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW dar. Für die Auslegung des beihilferechtlichen Begriffs des Hilfsmittels kann auf den wortgleichen Rechtsbegriff für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgegriffen werden, weil der Beihilfevorschriftengeber mit der Verwendung des wortgleichen Rechtsbegriffs erkennbar die der gesetzlichen Krankenversicherung obliegenden Verpflichtungen in das Beihilferecht übernehmen wollte,

vgl. VGH BW, Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11, juris.

Hilfsmittel sind deshalb Gegenstände, die zum Zweck der Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse auf den unmittelbaren Ausgleich von Körperschäden gerichtet sind, indem sie die Ausübung natürlicher Körperfunktionen ermöglichen, ersetzen, aufrechterhalten oder erleichtern. Nicht vom Hilfsmittelbegriff umfasst sind demgegenüber solche Gegenstände, die nicht bei der Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen auf beruflichem, gesellschaftlichem oder auch nur privatem Gebiet ansetzen oder Gegenstände, die auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung benutzt werden oder die einen Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung ersetzen können.

Der Schwerpunkt der Nutzung des in Rede stehenden Elektromobils besteht vorliegend nicht in einem unmittelbaren Mindestausgleich der nur eingeschränkten Gehfähigkeit des Klägers, wie dies etwa bei einer Mobilitätshilfe in Form eines Elektrorollstuhls mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h der Fall ist. Mit dem Elektromobil soll nach dem Vorbringen des Klägers in erster Linie die Fortbewegungsmöglichkeit des Klägers erweitert und beschleunigt werden, damit er die Entfernungen zu seinen behandelnden Ärzten schneller eigenständig zurücklegen kann. Im Vordergrund steht damit die Nutzung des Elektromobils als Fortbewegungsmittel im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung. Beihilfefähig ist nur ein Elektrorollstuhl, der es dem gehbehinderten Menschen erlaubt, im fußläufigen Bereich ähnlich wie gesunde Menschen im Alltag möglichst mobil zu sein. Über diesen fußläufigen Bereich hinaus besteht beihilferechtlich kein allgemeiner Anspruch auf Mobilität,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.03.2015 - 1 A 2270/13 -, juris- in Bezug auf die Beihilfefähigkeit der Kosten für Inspektion und Ersatzteile eines behindertengerecht umgerüsteten Kraftfahrzeugs.

Der Kläger kann einen Anspruch auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), namentlich aus Art. 9, 20 UN-BRK nicht herleiten. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen völkerrechtliche Verträge wie die UN-BRK, denen die Bundesrepublik beigetreten ist, zwar im Range eines Bundesgesetzes. Die unmittelbare Anwendbarkeit völkervertragsrechtlicher Bestimmungen setzt voraus, dass die Bestimmung alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um Einzelne berechtigen oder verpflichten zu können. Dafür muss ihre Auslegung ergeben, dass sie geeignet und hinreichend bestimmt ist, ohne dass es einer weiteren normativen Ausfüllung des nationalen Gesetzgebers bedarf,

vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2012 - B 1 KR 10/11 R -, juris.

Die hier einschlägigen Vorschriften der Art. 9 und 20 UN-BRK sind nicht bestimmt genug, um unmittelbar beihilferechtliche Kostenübernahmeansprüche zu begründen. Sie haben den Inhalt unbestimmter Programmsätze, indem sie die Vertragsstaaten auffordern, durch "geeignete" Maßnahmen die Mobilität behinderter Menschen zu gewährleisten. Sie bedürfen noch der Ausfüllung durch den nationalen Gesetzgeber. Unmittelbare Leistungsansprüche für den behinderten Menschen begründen sie nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Lukas Jozefaciuk