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VG Berlin, Beschluss vom 07.10.2015 - 1 L 224.15

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt seit 2013 das Restaurant E... in der M... in Berlin-Schöneberg. Zuletzt wurde ihr mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 eine bis zum 31. Oktober 2014 gültige Ausnahmegenehmigung zum Herausstellen von Tischen und Stühlen auf einer Fläche von 8m Länge x 3m Tiefe links und 7m Länge x 4m Tiefe rechts neben dem Eingang ihres Restaurants erteilt. Ergänzend wurde ihr mit Bescheid vom 8. August 2014 aufgegeben, die Grenzen der genehmigten Nutzflächen blau zu markieren und den behördlichen Lageplan an gut sichtbarer Stelle im Schaufenster oder der Eingangstür anzubringen.

Mit Schreiben vom 28. August 2014 beantragte die Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung zum Herausstellen von Tischen und Stühlen für den Zeitraum ab dem 1. November 2014.

Mit Bescheid vom 24. April 2015 lehnte der Antragsgegner die Erteilung ab. Zur Begründung führte er aus, dass der im behördlichen Ermessen stehenden Genehmigungserteilung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden, denn die Antragstellerin habe kontinuierlich gegen straßenrechtliche Vorschriften und die Ausnahmegenehmigung vom 17. Oktober 2013 verstoßen. Hiergegen legte die Antragstellerin am 21. Mai 2015 Widerspruch ein.

Am 15. Juli 2015 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ihr Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 zurückgewiesen, dagegen hat sie 31. August 2015 Klage mit dem Az. V...erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Zur Begründung ihres Eilantrages trägt die Antragstellerin vor, dass ihr ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung für die Nutzung einer Stellfläche vor ihrem Restaurant zustünde. Die Versagung sei unverhältnismäßig, da die vom Antragsgegner behaupteten Verstöße geringfügig seien und die zu befürchtenden Umsatzeinbußen existenzbedrohlich. Dieser Umstand und die Tatsache, dass Ordnungskräfte des Antragsgegners regelmäßig versuchten, die Nutzung der Wegfläche vor dem Lokal zu unterbinden, begründe auch das für die einsteilige Anordnung notwendige Eilbedürfnis.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig das Herausstellen von Tischen und Stühlen vor dem Lokal E... in der M... Berlin im Umfang der Genehmigung vom 17. Oktober 2013 zu gestatten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig sei. Zudem sei die Ablehnung der erneuten Genehmigung rechtmäßig. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handele es sich nicht lediglich um geringfügige Zuwiderhandlungen, vielmehr verstoße die Antragstellerin beharrlich immer wieder gegen das Straßenrecht und sorge trotz entsprechender behördlicher Hinweise nicht für Abhilfe. Es begründe keinen Ermessensfehler, der Antragstellerin die Genehmigung zu versagen, denn sie biete nicht die Gewähr dafür, dass sie die Grenzen und Modalitäten der zu begebenden Genehmigung zuverlässig und unaufgefordert einhalte und den gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt respektiere. Ihr Verhalten in der Vergangenheit habe gezeigt, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze und ihre Geschäftsinteressen uneingeschränkt über ihre rechtlichen Bindungen stelle. So nutze sie beispielsweise das öffentliche Straßenland seit Ablauf ihrer Genehmigung am 31. Oktober 2014 und selbst noch nach Erlass des streitigen Versagungsbescheides fortwährend unerlaubt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die damit vorliegend verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist ausnahmsweise statthaft, wenn dem Antragsteller ansonsten allein durch Zeitablauf unzumutbare Nachteile entstehen würden. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Genehmigung der von ihr begehrten Sondernutzung.

Der Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung der Genehmigung zur Nutzung der Fläche vor ihrem Restaurant richtet sich nach § 46 Abs. 1 Nr. 8 der Straßenverkehrsordnung – StVO – i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 13 des Berliner Straßengesetzes – BerlStrG –. Aufgrund der in § 13 BerlStrG vorgesehenen Zuständigkeitskonzentration bedarf es für eine Straßenbenutzung, für die bereits nach der Straßenverkehrsordnung eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, keiner gesonderten straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis. Die in Betracht kommenden straßenrechtlichen Belange sollen jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers bei der straßenverkehrsrechtlichen Entscheidung Berücksichtigung finden, so dass sich vorliegend der Prüfungsumfang auch auf die Genehmigungsfähigkeit der Straßenbenutzung nach § 11 Abs. 1 BerlStrG erstreckt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – OVG 1 S 174.11 –, VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2014 – VG 1 K 162.13 –). Gemäß § 46 StVO steht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Ermessen der zuständigen Behörde.

14Die Antragstellerin benötigt vorliegend eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO. Denn das von ihr begehrte Herausstellen von Tischen und Stühlen stellt ein Hindernis auf der Straße im Sinne dieser Bestimmung dar. Zur Straße gehören gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 b) BerlStrG außer der Fahrbahn unter anderem auch Rad- und Gehwege, mithin auch der verfahrensgegenständliche Gehwegbereich. Ein Hindernis liegt vor, wenn der Verkehr nicht unmaßgeblich erschwert, d.h., behindert oder gar (abstrakt) gefährdet wird (vgl. Burmann/Heß/ Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 32 StVO Rz. 6). Ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Fotografien steht der vorhandene Gehwegbereich infolge des Aufstellens von Tischen und Stühlen vor dem Grundstück in der M... in seiner Breite nur noch deutlich eingeschränkt zur Verfügung. Dadurch wird der Verkehr durch verkehrsfremde Sachen nicht unmaßgeblich behindert.

Die Versagung der Genehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 8 StVO erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Der Antragsgegner hat dem privaten, gewinnorientierten Interesse der Antragstellerin ermessensfehlerfrei ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Abwehr künftiger Gesetzesverstöße und Gefahren für die Verkehrssicherheit, insbesondere für den Fußgängerverkehr, entgegengehalten.

16Indem der Antragsgegner die begangenen Verstöße gegen straßen- und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften in sein Ermessen einstellt, stellt er eine sachgerechte Erwägung an (vgl. VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2014 – VG 1 K 162.13 –). Denn es ist seine Aufgabe, die Sicherheit der Bürger im Straßenverkehr zu gewährleisten und das öffentliche Straßenland von rechtswidrigen Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs freizuhalten. In diesem Zusammenhang darf er auch die Rechtstreue von Erlaubnisnehmern prüfen. Bei jemandem, der – wie die Antragstellerin – häufig gegen straßen- und straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen verstößt, besteht nämlich die Befürchtung, dass er sich auch in Zukunft nicht an die gesetzlichen Regelungen halten und die Verkehrssicherheit gefährden wird, um auf Kosten öffentlicher Interessen seine Privatinteressen durchzusetzen. Ein solches Verhalten, das die straßen- und straßenverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit eines Erlaubnisnehmers in Frage stellt, kann bei Entscheidungen über die Erteilung einer Genehmigung und deren Dauer grundsätzlich Berücksichtigung finden kann. Dieser Gedanke liegt auch Nr. 4 der Verwaltungsvorschriften zu § 46 StVO (abgedruckt in Burmann/Heß/Jahnke/ Janker, StVR, 23. Aufl. 2014, § 46) zu Grunde, wonach dem Inhaber einer Ausnahmegenehmigung, der die Nichtbeachtung von Bedingungen und Auflagen zu vertreten hat, grundsätzlich keine neue Ausnahmegenehmigung erteilt werden soll.

Die Beurteilung der straßen(verkehrs)rechtlichen Zuverlässigkeit der Antragstellerin durch den Antragsgegner begegnet keinen Bedenken. Entgegen ihrem Vortrag handelt es sich bei den im Verwaltungsvorgang dokumentierten Verstößen weder um solche geringfügiger Natur noch war die Antragstellerin in besonderem Maße kooperativ oder abhilfebereit. Ungeachtet der Frage, wie die in dem Eilverfahren V... streitgegenständliche Einhausung des Schankvorgartens der Antragstellerin materiell rechtlich zu beurteilen war, hat die Antragstellerin über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren hinweg gehäuft gegen das Straßen(verkehrs)recht verstoßen. Wegen der Einzelheiten der Verstöße, die durch Fotografien und Berichte der Mitarbeiter des Antragsgegners im Verwaltungsvorgang hinreichend belegt sind, wird zunächst auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015, die Auflistung der Verstöße auf Blatt 98, 99 des Verwaltungsvorgangs (2.Teil) und den Tätigkeitsbericht vom 1. Juli 2015 (Bl. 151 VV, 2. Teil) Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat zu Recht ausgeführt, dass die Antragsstellerin die Aufstellflächen vor ihrem Restaurant seit Ablauf der Ausnahmegenehmigung am 31. Oktober 2014, mithin seit etwa einem Jahr, vollumfänglich formell illegal nutzt. Eine Erlaubnisfiktion begründete ihr Antrag vom 28. August 2014 zu keiner Zeit. Denn aufgrund der Erforderlichkeit einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung entzieht sich die auch als Sondernutzung zu qualifizierende Aufstellung von Tischen und Stühlen gemäß § 13 Satz 1 BerlStrG dem straßenrechtlichen Verfahrensregime des § 11 BerlStrG. Für die Anwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Bestimmungen in § 11 Abs. 2 Satz 3 bis 5 BerlStrG ist danach kein Raum (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2011 – OVG 1 S 174.11 – S. 3 amtl. Entscheidungsumdruck). Dies hätte die anwaltlich vertretene Antragstellerin auch wissen müssen. Zumal sie vom Antragsgegner im Rahmen einer Vor-Ort-Überprüfung am 26. Februar 2015 auf die Rechtslage hingewiesen wurde (vgl. Tätigkeitsbericht Bl. 78 VV, 2.Teil). Es hätte ihr oblegen, – unter Ausnutzung der gegebenen prozessualen Möglichkeiten – auf eine Bescheidung ihres Antrags hinzuwirken oder die Nutzung des öffentlichen Straßenlandes einstweilen einzustellen. Stattdessen hat sie die illegale Nutzung noch ausgeweitet und beispielsweise im März diesen Jahres einen Eisstand vor ihrem Lokal aufgestellt. Jedenfalls seit der Ablehnung ihres Antrages am 24. April 2015, vor etwa fünf Monaten, war für Fehlvorstellungen hinsichtlich einer Erlaubnisfiktion keinerlei Raum mehr und die andauernde illegale Nutzung des öffentlichen Straßenlandes durch die Antragstellerin ist als vorsätzlich anzusehen. Hinzu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verstöße als konkret verkehrsgefährdend einzustufen sind, so war der Fußgängerverkehr ausweislich der (fotografischen) Dokumentation des Antragsgegners teilweise so stark behindert, dass jedenfalls ein Begegnungsverkehr kaum möglich war. Dieser Gehwegzustand wird auch durch diverse Anwohnerbeschwerden bestätigt (vgl. Bl. 120, 123 und 157 VV, 2.Teil).

Nach alledem durfte der Antragsgegner die Erteilung der Genehmigung versagen. Die Versagung ist zum jetzigen Zeitpunkt auch verhältnismäßig, wodurch nicht ausgeschlossen ist, dass eine Korrektur der Zuverlässigkeitsprognose bei künftigem rechtstreuen Verhalten der Antragstellerin über einen längeren Zeitraum geboten sein kann. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auf Seiten der Antragstellerin ein erhebliches Interesse an der Erteilung der Ausnahmegenehmigung besteht, wenngleich sie sich auf eine Einschränkung ihrer Grundrechte nicht berufen kann. Denn die Möglichkeit eines Gastwirtes, den Gehweg vor seinem Lokal für Gäste zu nutzen, ist verfassungsrechtlich weder dem Eigentum noch dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zugeordnet, sondern stellt eine bloße Gewinnchance dar (vgl. u.a. VG Berlin, Urteil vom 14. Mai 2009 – 1 A 417.08 –, juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt den §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes – GKG –.

Lukas Jozefaciuk