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FG Münster, Urteil vom 07.10.2015 - 13 K 347/15 Kfz

Tenor

Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 16.10.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 22.12.2014 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung einer Zugmaschine.

Der Kläger ist Halter einer Zugmaschine vom Typ Hanomag Perfect 400. Für dieses Fahrzeug beantragte er unter dem 30.9.2014 eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge nach § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG). Zur Begründung führte er an, dass das Fahrzeug ausschließlich zum Pflügen, Mähen und Mist aufladen verwendet werde. Dies geschehe im Rahmen der Pflege einer Streuobstwiese und der Pflege und Instandhaltung seines ererbten Resthofes. Von der Hoffläche sind ca. 1,5 ha als Weideland verpachtet. Die Einnahmen hierfür liegen bei ca. 400 EUR pro ha pro Jahr. Eine weitere Fläche von 1 ha besteht zu ca. 700 qm aus Ackerfläche und aus einer Streuobstwiese. Auf der Wiese sind in den letzten acht Jahren 28 Bäume zum Teil im Wege der Ersatzpflanzung und zum Teil als Neuanpflanzungen nachgesetzt worden. Weiter befinden sich auf dem Grundstück noch acht Johannisbeersträucher, acht Stachelbeersträucher, vier Heidelbeerbüsche, zwei Himbeersträucher, drei Brombeersträucher und drei Walnussbüsche. Die Restfläche des Hofs wird gebildet von einer Waldfläche, über die auch ein Bach verläuft. Die Besitzung ist laut Einheitswertbescheid vom einen 20.7.1998 als Betrieb der Land und Forstwirtschaft - Stückländerei - festgestellt. Der Kläger ist Mitglied der Landwirtschaftskammer und wird zu einer Umlage von 22,20 € herangezogen. Für eine Forstfläche von 0,13 ha ist er bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Höhe von 62,92 € jährlich beitragspflichtig.

Den Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 13.10.2014 ab. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der Pflege der Streuobstwiese und des Resthofes um nicht begünstigte Zwecke im Sinne des §§ 3 Nr. 7 KraftStG handele. Er setzte die Kraftfahrzeugsteuer mit Bescheid vom 16.10.2014 auf 210 € fest. Er ging dabei von der Fahrzeugart "Zugmaschine" aus.

Gegen den Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das Fahrzeug ausschließlich zum landwirtschaftlichen Gebrauch eingesetzt werde. Ihm als älterem Menschen sei die Pflege der Ländereien ohne Maschineneinsatz kaum noch möglich. Die Pflege des alten Obstbestandes, die Auffrischung der Obstbäume und das Mähen der Wegeränder an den verpachteten Flächen geschehe in enger Zusammenarbeit mit der biologischen Station X., S.. Die Flächen würden auch bewirtschaftet. Das geerntete Obst werde ausschließlich selber verzehrt oder bei großer Ernte an Freunde und Verwandte verschenkt. Weitere Äcker seien an die biologische Station S. verpachtet. Insoweit müssten die Wegränder ebenfalls mehrmals jährlich gemäht werden. Das sei im Handbetrieb nicht mehr zu bewältigen. Im Laufe des Einspruchsverfahrens teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der Einspruch keine Aussicht auf Erfolg habe, weil das Fahrzeug auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens nicht ausschließlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werde.

Mit Entscheidung vom 22.12.2014 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte aus, dass der Kläger angegeben habe, diverse Gemüsesorten zum ausschließlichen Eigenbedarf anzubauen. Das Einbringen der Ernte ohne Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Marktverkehr falle jedoch nicht unter den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 7 KraftStG.

Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage führt der Kläger aus: Die beschriebenen Tätigkeiten dienten der landwirtschaftlichen Arbeit. So sei das Mulchen der Streuobstwiese drei bis viermal im Jahr erforderlich. Ferner beteilige er sich auch am allgemeinen Marktgeschehen. Er habe sich verpflichtet, Kartoffeln und Äpfel zu liefern und erhalte dafür die vereinbarten Gegenleistungen im Tausch. Gurken, Brombeeren, Zwiebeln, Porträt, Stachelbeeren und Bohnen gebe er gegen Entgelt an Endverbraucher ab (hinsichtlich des Umfangs dieser Geschäfte wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 13.8.2015 Bezug genommen). Der Kläger weist ferner darauf hin, dass die Erntemengen im letzten Jahr außerordentlich gering gewesen seien. Auch habe er sich aufgrund eines Herzinfarkts nicht mehr so richtig um die Flächen kümmern können. Jetzt gehe es ihm wieder besser. Außerdem sei sein Sohn wieder zuhause. Daher werde auch eine deutliche Steigerung der Apfelernte erwartet.

Der Kläger beantragt,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 16.10.2014 in Gestalt der Einspruchsent- scheidung vom 22.12.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung vertieft und ergänzt er sein bisheriges Vorbringen. Er weist insbesondere darauf hin, dass nach Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers kein landwirtschaftlicher Betrieb vorliege. Die Nutzfläche sei so gering, dass nur Erträge erzielt werden könnten, wie sie ein privater Gartennutzer in der Regel für Eigenbedarfszwecke erziele. So werde auch für einkommensteuerrechtliche Zwecke ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nur dann vor angenommen, wenn die bewirtschafteten Grundstücksflächen größer als 3000 m² seien. Auch die Art der Bewirtschaftung lasse keinen mit einem Haupterwerbsbetrieb vergleichbaren Ertrag bzw. keine Erhaltung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit erkennen.

Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 25.8.2015 erörtert. In dem Termin haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Hinsichtlich des Verlaufs wird auf das gefertigte Protokoll Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 16.10.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 22.12.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat gemäß § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG Anspruch auf die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer. Nach dieser Vorschrift ist das Halten u.a. von Zugmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.

Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb i.S. des § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG ist eine Wirtschaftseinheit, in der die Produktionsfaktoren Boden, Betriebsmittel und menschliche Arbeit zusammengefasst sind und, aufeinander abgestimmt, planmäßig eingesetzt werden, um Güter zu erzeugen und zu verwerten oder Dienstleistungen bereitzustellen. Da keine Anhaltspunkte für eine spezifisch kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bestimmung des Begriffs "landwirtschaftlicher Betrieb" bestehen, können insoweit die Vorschriften des Bewertungsrechts herangezogen werden. Die bewertungsrechtlichen Festlegungen sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich zwar nicht bindend; es können aber auch für die Auslegung des § 3 Abs. 7 Buchst. a KraftStG die allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung des bewertungsrechtlichen Begriffs eines Betriebes der Landwirtschaft zugrunde gelegt werden (BFH-Urteil vom 6.3.2013 II R 55/11 BFHE 240, 418, BStBl II 2013, 518, m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass das Fahrzeug zu dem Betriebsvermögen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes gehört oder verkehrsrechtlich für ein solches Unternehmen zugelassen ist (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.2001 VII R 79/99, BFHE 194, 473, BStBl II 2001, 424). Der erforderliche land- und forstwirtschaftliche Betrieb setzt weder eine Mindestgröße noch ein Betreiben mit Gewinnabsicht voraus. Er braucht auch keinen Mindestrohertrag abzuwerfen. Deshalb können auch Liebhabereibetriebe bewertungsrechtlich als landwirtschaftliche Betriebe in Betracht kommen. Erforderlich ist aber eine tatsächliche nachhaltige Nutzung von Grundstücksflächen und deren Zweckbestimmung durch den Eigentümer (BFH-Urteil vom 22.09.1992 VII R 45/92, BStBl II 1993, 200). Ferner muss der Steuerpflichtige erkennbar am Markt mit seinen land- und forstwirtschaftlichen Produkten und/oder Dienstleistungen auftreten, da nur so eine Abgrenzung dieser Betriebe von der privaten Vermögensverwaltung möglich ist und der vom Gesetzgeber für die Steuerbefreiung beabsichtigte Gesetzeszweck erreicht werden kann.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Tätigkeit des Klägers nach dem Gesamtbild der Verhältnisse grundsätzlich der Landund Forstwirtschaft zuzuordnen. Die Instandhaltung und Ernte einer Streuobstwiese mit 58 Bäumen geht über das normale Maß einer gärtnerischen Nutzung von Grundstücken hinaus. Dass der Kläger neben den Pflanz- und Erntearbeiten auf der Wiese nur drei bis viermal im Jahr mit der Zugmaschine tätig werden muss, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Es ist gerichtsbekannt, dass Obstbäume weniger bewirtschaftungsintensiv sind als etwa Viehzucht oder klassischer Ackerbau. Bestimmte Mindesterntemengen sind, wie sich aus dem bereits Ausgeführten ergibt, nicht erforderlich. Sofern der Kläger die Zugmaschine auch benutzt, um Wegrandflächen der verpachteten Ländereien zu mähen und zu pflegen, ist diese Tätigkeit gleichfalls der Landwirtschaft zuzuordnen. Denn die Verpachtung von Teilen eines Resthofes führt im Regelfall ebenfalls zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des §§ 13 EStG, sofern nicht - wofür hier keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - eine Betriebsaufgabe erklärt worden ist. Im Übrigen bestehen, wodurch sich der Fall von einer Vielzahl anderer Fälle von Nebenerwerbslandwirten, in deren Betrieb ältere Zugmaschinen verwendet werden, unterscheidet, keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger das Fahrzeug zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken verwendet.

Der Kläger bietet seine Produkte auch am Markt an. Er verwendet die jährliche Ernte nicht ausschließlich zu privaten Zwecken, sondern erlangt- was im Klageverfahren unstreitig geworden ist - im Rahmen von Tausch- und gelegentlichen Verkaufsvorgängen Gegenleistungen. Er hat damit seine Produkte am Markt verwertet. Denn auch Tauschvorgänge sind eine Form der Marktteilnahme. Erforderlich für eine solche ist lediglich, dass der Kläger seine Produkte Dritten gegenüber im Rahmen einer Gegenleistung angeboten und verwertet hat. Auch wenn der Kläger diese Verwertung offenbar nur in so geringem Umfang betreibt, dass er bei Antragstellung noch von einem vollständigen Eigenverbrauch ausging, verlässt er mit dem Anbieten der Produkte an einen beschränkten Kundenkreis aus seinem persönlichen oder räumlichen Umfeld die private Sphäre der eigenen Erzeugung und nimmt insoweit am Marktgeschehen teil. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Direktvermarktung von eigenen Erzeugnissen im räumlichen Umfeld des Hofes, insbesondere bei kleinen landwirtschaftlichen Produktionsbetrieben, seit jeher ein Bestandteil der landwirtschaftlichen Vermarktungskultur ist.

Unerheblich ist, dass der Kläger mit den von ihm gelieferten Produkten nur geringe Umsätze erzielt. In dem von ihm überreichten Schriftsatz sind Barverkaufswerte von insgesamt 82 € angegeben. Auch die vom Kläger mitgeteilten Gegenwerte der Tauschgeschäfte, wie Apfelkuchen, selbstgestrickte Socken und Holzbriketts sowie Hand- undund Spanndienste, deuten auf einen wirtschaftlich eher bescheidenen Umfang der Geschäfte hin. Jedoch liegt es gerade im Wesen des landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs, dass - wie dargelegt - weder eine Gewinnerzielungsabsicht noch bestimmte Mindestbeträge zu fordern sind. Daher steht der geringe Umfang der erzielten Umsätze der Teilnahme am Markt nicht entgegen (ebenso: Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 8.1.2014 - 14 K 164/12 -, juris).

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Lukas Jozefaciuk