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LG Hamburg, Urteil vom 08.10.2015 - 314 O 2/13

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand € 999,60 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 17. August 2012 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte für ein Klageverfahren, das eingeleitete Güteverfahren in K., und für das außergerichtliche Tätigwerden der Bevollmächtigten der Kläger für den Sachverhalt gemäß Leistungsnummer ... den Klägern Deckungsschutz gewähren muss.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand € 238,-- nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30. Juli 2015 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind Erben der am 18. Oktober 2011 verstorbenen Frau G. K.. Sie nehmen die Beklagte aus einem zwischen der Erblasserin und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzvertrag auf Deckungsschutz in Anspruch.

Am 13. Juni 1992 unterzeichnete Frau G. K. den als Anlage K 1 zur Akte gereichten Antrag auf Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Für den Text des Antrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Die Beklagte stellte den als Anlage K 12 zur Akte gereichten Versicherungsschein vom 24. Juni 1992 aus. Versicherungsbeginn war der 1. Oktober 1992. Der Versicherungsschein lautet auszugsweise:

„Verkehrsrechtsschutz für den privaten Fuhrpark gemäß § 21 ARB mit Fahrer- und Fußgängerrechtsschutz, Privatrechtsschutz gemäß § 25 ARB und Wohnungsrechtsschutz gemäß § 29 ARB. Nur für den Versicherungsnehmer/Single Erläuterungen umseitig.“

Für den Text der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 1992 wird auf die Anlage K 8 Bezug genommen.

Für den Text der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 2004 wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.

Am 30. Dezember 2004 unterzeichnete Frau G. K. nach einem Gespräch mit dem Zeugen A. S. die Anlage B 8. Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit der Unterzeichnung der Anlage B 8 eine Änderung der Rechtsschutzbedingungen dergestalt einherging, dass anstelle der Rechtsschutzbedingungen 1992 nunmehr die Rechtsschutzbedingungen 2004 Gültigkeit haben sollten.

In der Folgezeit veräußerte Frau G. K. ihre Eigentumswohnung und tätigte am 27. November 2007 eine Kapitalanlage. Wegen dieser Kapitalanlage beabsichtigen die Kläger – als Rechtsnachfolger von Frau G. K. – das Bankhaus M. sowie den Zeugen A. S. auf Schadensersatz gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Für den Text des Klagentwurfs wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.

Der zwischen Frau G. K. und der Beklagten geschlossene Rechtsschutzversicherungsvertrag endete am 20. Dezember 2009. Am 18. Oktober 2011 verstarb Frau G. K.. Der Erbschein wurde den Klägern unter dem 15. Februar 2012 erteilt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Juni 2012 begehrte der Klägervertreter für die Kläger Deckungsschutz für eine Inanspruchnahme des Bankhauses M. und des Zeugen A. S. auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der getätigten Kapitalanlage. Für den Text des Schreibens wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.

Die Kläger machen geltend, die Beklagte sei zur Gewährung von Deckungsschutz und zur Tragung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten des Güteverfahrens gegenüber dem Zeugen A. S. verpflichtet. Maßgeblich für den beanspruchten Deckungsschutz seien die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1992 (Anlage K 8).

Frau G. K. sei nicht über eine Verschlechterung des Deckungsschutzes im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Anlage B 8 beraten worden.

Deckungsschutz sei im Übrigen auch im Falle einer Geltung der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 2004 zu gewähren, denn die entsprechende Ausschlussklausel sei intransparent und damit unwirksam.

Eine Spätmeldung sei nicht gegeben. Frau G. K. hätte von etwaigen Ansprüchen im Zusammenhang mit der Kapitalanlage keine Kenntnis erlangt. Sie sei innerhalb der zwei Jahre nach Ende des Rechtsschutzversicherungsvertrages verstorben. Die Kläger selbst hätten sich nach Erteilung des Erbscheins um die Klärung der Ansprüche aus dem Nachlass bemüht.

Die Kläger beantragen,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand einen Betrag von € 999,60 nebst Verzugszinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus diesem Betrag von € 999,60 brutto seit dem 17. 08. 2012 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte für ein Klageverfahren, das eingeleitete Güteverfahren in K. und für das außergerichtliche Tätigwerden der Bevollmächtigten der Kläger für den Sachverhalt gemäß Leistungsnummer... den Klägern Deckungsschutz erteilen muss.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Kläger aus Gründen des Aufklärungs- und des Beratungsverschuldens berechtigt sind, gemäß Leistungsnummer..., durch die Beklagte so gestellt zu werden, dass Deckungsschutz für außergerichtliche Tätigkeiten, Güteverfahren und im Klageverfahren von der Beklagten zu erteilen ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag von € 238,00 zur gesamten hand an Gerichtskosten für das eingeleitete Güteverfahren bei er Gütestelle in K. nebst Rechtshängigkeitszinsen aus diesem Betrag zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, maßgeblich für den Umfang des Rechtsschutzes seien die Allgemeinen Bedingungen der A. Rechtsschutzversicherung (ARB 2004). Gemäß § 3 Abs. 2 f bb ARB 2004 bestehe Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit der Anschaffung, der Inhaberschaft oder der Veräußerung von Wertpapieren im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes, Bezugsrechten oder Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren solle.

Mit dem als Anlage B 8 zur Akte gereichten Antrag vom 30. Dezember 2004 hätte Frau G. K. anstelle von Verkehrs-, Privat- und Wohnungsrechtsschutz nunmehr lediglich Privat- und Wohnungsrechtsschutz beantragt. Die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 2004 seien diesem Vertrag wirksam zugrunde gelegt worden. Frau G. K. sei durch den Zeugen A. S. über den geänderten Umfang des Versicherungsschutzes aufgeklärt und beraten worden.

Die Ausschlussklausel sei auch hinreichend transparent.

Hilfsweise werde geltend gemacht, dass Versicherungsschutz auch im Falle einer Geltung der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 1992 nicht zu gewähren sei. Gemäß § 4 dieser Rechtsschutzbedingungen sei Versicherungsschutz ausgeschlossen für Versicherungsfälle, die dem Versicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis gemeldet würden. Die Kläger hätten den Versicherungsschutz auch nicht unverzüglich nach Erhalt des Erbscheins begehrt.

Für den weiteren Parteivortrag wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. S.. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 30. Juli 2015 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger haben als Rechtsnachfolger von Frau G. K. Anspruch auf Deckungsschutz aus dem zwischen Frau G. K. und der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag. Maßgeblich für den Umfang des Anspruchs auf Rechtsschutz sind die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 1992. Diese wiesen keinen Leistungsausschluss für Klagen auf Schadensersatz aus getätigten Kapitalanlagen auf. Ein solcher Leistungsausschluss findet sich erst in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 2004 (Anlage B 1).

Die Beklagte kann sich auf den Leistungsausschluss in den Rechtsschutzbedingungen 2004 nicht berufen, weil die damalige Versicherungsnehmerin, Frau G. K., im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Antrags vom 30. Dezember 2004 (Anlage B 8) nicht über die Einschränkung des Versicherungsschutzes durch Einführung weiterer Leistungsausschlüsse beraten worden ist. Eine genauere Beratung und Aufklärung über die mit der Änderung der Rechtsschutzbedingungen einher gehende Einführung weiterer Leistungsausschlüsse schuldete die Beklagte bei der Umstellung des Versicherungsschutzes, der wegen des nicht mehr benötigten Verkehrsrechtsschutzes erfolgte.

Das Gericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Zeuge A. S. die Erblasserin nicht auf die Ausschlussklausel in § 3 Abs. 2 Ziffer f bb hingewiesen hat. Der Zeuge hat soweit angegeben, er habe auf die Ausschlussklausel in § 3 ARB 2004 wortwörtlich mit Sicherheit nicht hingewiesen. Er habe darauf hingewiesen, dass es Veränderungen gebe, das heißt dass sich was ändere zum Positiven oder zum Negativen. Die konkrete Ausschlussklausel in § 3 Abs. 2 Ziffer f bb hätte er nicht erläutert, das sei zum damaligen Zeitpunkt nicht relevant gewesen, da die Versicherungsnehmerin damals in dem Bereich nicht aktiv gewesen sei. Nach diesen Bekundungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge S. die Versicherungsnehmerin nicht über die neu vereinbarte Ausschlussklausel informiert hat.

Nach Auffassung des Gerichts hängt die Verpflichtung zur Beratung über den geänderten Umfang des Rechtsschutzes nicht davon ab, ob und in welchem Umfang die Versicherungsnehmerin im Zeitpunkt der Vertragsumstellung bereits Kapitalanlagen getätigt hatte. Da das Anlegen von Kapital jederzeit möglich ist und die Versicherungsnehmerin bislang für Schadensersatzprozesse aus solchen Kapitalanlagen Versicherungsschutz hatte, hätte sie über den Wegfall dieses Versicherungsschutzes nach Auffassung des Gerichts beraten werden müssen.

Die Beklagte kann sich nicht auf die Versäumung der Meldefrist des § 4 Abs. 4 ARB 1992 berufen, weil die Kläger an der Versäumung dieser Frist kein Verschulden trifft. Im Zeitpunkt des Verstreichens der Zweijahresfrist war Frau G. K. bereits verstorben und hatten die Kläger mangels Erteilung des Erbscheins noch keine Möglichkeit, über den Nachlass zu verfügen. Damit trifft weder die Erblasserin noch die Erben ein Verschulden am Verstreichen der Frist. Der Versicherer kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Versäumung der Frist nicht berufen, soweit den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 15. April 1992, IV ZR 198/91, NJW 1992, S. 2233).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Lukas Jozefaciuk