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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.03.2018 - 8 A 1247/16

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 15. April 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall, da das Zulassungsvorbringen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (dazu I.) noch tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (dazu II.) oder einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (dazu III.), aufzeigt.

I. Das Zulassungsvorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 23. April 2015 und Verpflichtung der Beklagten zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über seinen Antrag auf Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Durchgreifende Bedenken an der Richtigkeit dieser Entscheidung hat der Kläger nicht dargelegt. Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23. April 2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, weil bereits die ermessenseröffnenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 bzw. 5 i. V. m. Abs. 9 StVO nicht vorliegen.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO in der Fassung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2938), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Dasselbe Recht haben sie gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 5 StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen sowie hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO verlangt für Beschränkungen des fließenden Verkehrs - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach Satz 4 bis 6 - eine Gefahrenlage, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.

Ob diese Vorschrift für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs abschließend ist oder zusätzlich die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zu prüfen sind,

vgl. zum Verhältnis von Satz 1 und Satz 3: BVerwG, Beschluss vom 1. September 2017 - 3 B 50.16 -, juris Rn. 6 f., sowie zu Satz 2 a. F.: Urteile vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 -, juris Rn. 23, und vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 -, BVerwGE 138, 21 = juris Rn. 25,

kann vorliegend dahinstehen. Denn schon die Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO sind nicht gegeben.

Die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne dieser Norm setzt nicht voraus, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke der Straße eine das allgemeine Verkehrsrisiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter (z. B. Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm) darstellt und die Befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrenvermindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten werden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 -, NJW 1980, 1640 = juris Rn. 18, und vom 5. April 2001 - 3 C 23.00 -, NJW 2001, 3139 = juris Rn. 23 bis 28; OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2006 - 8 A 4840/05 -, VRS 112, 223 = juris Rn. 52 f.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ist insbesondere, wenn hochrangige Rechtsgüter betroffen sind, ein behördliches Einschreiten bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässig und geboten. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit wird daher von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Diese Vorschrift setzt nur - aber immerhin - eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung der Verkehrssituation ist zu ermitteln, ob eine konkrete Gefahr vorliegt, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 -, BVerwGE 138, 21 = juris Rn. 27, 31.

Die Gefahrenlage bestimmt sich neben der Verkehrsdichte im fraglichen Bereich anhand einer Gemengelage verschiedener Faktoren, so unter anderem der Breite und des Ausbauzustands der für den Fahrzeug- und den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Flächen, den Ausweichmöglichkeiten, der Inanspruchnahme von Flächen durch parkende Fahrzeuge und deren Auswirkungen auf den Verkehr, der Übersichtlichkeit der Streckenführung sowie der Verteilung des Verkehrs über den Tag.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 - 3 B 59.12 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 50 = juris Rn. 9.

Gemessen an diesen Maßstäben legt das Zulassungsvorbringen eine qualifizierte Gefahrenlage für den Kläger gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO weder aufgrund der örtlichen Verkehrsverhältnisse (dazu 1.) noch aufgrund von Lärmbeeinträchtigungen (dazu 2.) dar.

1. Aus den örtlichen (Verkehrs-)Verhältnissen folgt keine für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs erforderliche qualifizierte Gefahrenlage (dazu a); auf straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen einer anderen Gemeinde an einer anderen Stelle der Straße kommt es für das vorliegende Verfahren nicht an (dazu b).

a) Eine qualifizierte Gefahrenlage ist selbst an Tagen mit erhöhtem Verkehrsaufkommen, etwa bei Veranstaltungen oder Trainingseinheiten auf dem Sportplatz J. , zu verneinen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des nach Aktenlage zutreffenden klägerischen Vorbringens, dass die J1. Straße lediglich eine Breite von 3,0 m bis 3,2 m aufweist und die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit dort 100 km/h (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c) StVO) beträgt.

Auch falls die von dem Kläger zitierten "Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt 06) aus dem Jahr 2006 vorliegend heranzuziehen sein sollten, weil die ihrer Bezeichnung nach eher einschlägigen "Richtlinien für den ländlichen Wegebau" nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen sollten, handelt es sich bei den darin enthaltenen Empfehlungen für Raumbedarfe in definierten Begegnungsfällen um solche aus verkehrsplanerischer Sicht, die beim Straßenbau Berücksichtigung finden. Für die tatsächliche Verkehrssituation an Bestandsstraßen besitzen sie hingegen keine unmittelbare Aussagekraft, sondern nur eine Indizwirkung.

Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht auf, weshalb es in der vorliegenden Fallkonstellation nicht möglich und den Verkehrsteilnehmern nicht zumutbar sein sollte, bei Begegnungen mehrerer Kraftfahrzeuge bzw. eines Kraftfahrzeugs mit Radfahrern auf den unbefestigten Randstreifen auszuweichen oder an breiteren Stellen der Straße (z. B. Hofzufahrten) zu warten. Nach den unbestrittenen Erkenntnissen der Beklagten bestehen hierfür hinreichend gute Sichtbeziehungen entlang der J1. Straße.

Dass die Verkehrsteilnehmer sich dort grundsätzlich auch entsprechend verhalten und der Verkehrsablauf auch bei Begegnungsverkehren in der Vergangenheit nicht beeinträchtigt wurde, wird durch die unauffällige Unfallstatistik der vergangenen Jahre bestätigt. Die Angaben in den Stellungnahmen des Polizeipräsidiums C. vom 5. Oktober 2009, vom 11. Juli 2011 und vom 17. Juli 2012 können nach der- vom Kläger nicht bestrittenen - Auskunft der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch auf die Jahre 2012 bis 2015 entsprechend übertragen werden; auch in dieser Zeit sei es auf der J1. Straße nur zu wenigen Bagatell- und Wildunfällen gekommen, und zwar insbesondere an der Einmündung zur H. Straße. Für einen Unfall im Verlauf der J1. Straße im Jahr 2014 wurde nach gesonderter Prüfung bereits im Verwaltungsverfahren festgestellt, dass dieser mit großer Wahrscheinlichkeit maßgeblich durch einen unter Alkoholeinfluss stehenden Fahrer verursacht wurde.

Ungeachtet der fehlenden Häufung von Unfällen trotz der geringen Straßenbreite und der hohen zulässigen Höchstgeschwindigkeit sind keine Anhaltspunkte für eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass es ohne verkehrsrechtlichen Eingriff der Beklagten künftig zu Schadensfällen kommen wird. Denn es ist zu erwarten, dass die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung auch ohne eine verkehrsbeschränkende Maßnahme, z. B. Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung, eingehalten werden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO ist die jeweilige Geschwindigkeit unter anderem den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen; nach dem dortigen Satz 5 muss zudem bei Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten - wie hier unstreitig gegeben -, so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

Eine besondere Gefahrenlage liegt auch nicht deswegen vor, weil Kraftfahrzeugführer in der J1. Straße regelmäßig schneller führen, als es die örtlichen Verhältnisse zulassen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dort nicht gesondert beschränkt und beträgt nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c) StVO 100 km/h für Pkw und andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t. Nach den im Auftrag des Klägers durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen vom 1. bis 7. Juni 2010 und den übereinstimmenden Erkenntnissen der Beklagten aus verkehrspolizeilichen Stellungnahmen in den Jahren 2010 bis 2012 liegen die tatsächlich gemessenen Geschwindigkeiten in dem hier streitgegenständlichen Teilabschnitt im Bereich des klägerischen Wohngrundstücks deutlich unterhalb von 100 km/h. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums C. ist die J1. Straße für überhöhte Geschwindigkeiten wegen der geringen Fahrbahnbreite und der Gegebenheiten nicht geeignet und sind solche Geschwindigkeiten im Zuge der Überwachung auch nicht festgestellt worden. Den vom Kläger beauftragten Messungen ist sogar zu entnehmen, dass mehr als die Hälfte sämtlicher Verkehrsteilnehmer den Messpunkt mit einer Geschwindigkeit von weniger als 30 km/h passiert hat; Geschwindigkeiten von mehr als 50 km/h (bis zu 70 km/h) wurden in dem Auswertungszeitraum von etwa einer Woche nur bei 84 von insgesamt 2213 Fahrzeugen gemessen. Anhaltspunkte, dass diese Feststellungen aus den Jahren 2010 bis 2012 heute keine Gültigkeit mehr besitzen, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.

Eine Gefahrenlage i. S. d. § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse liegt auch nicht deswegen vor, weil die J1. Straße - nach den unbestrittenen Angaben des Klägers - vorrangig durch den An- und Abfahrtsverkehr der Sportplatzbesucher frequentiert wird. Dieser Verkehr wäre auch dann zulässig, wenn der Straßenverkehr - dem Begehren des Klägers entsprechend - auf den Anliegerverkehr beschränkt würde.

Da das Straßenverkehrsrecht den Anlieger nicht definiert, ist insoweit der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich. Hiernach werden ohne weiteres diejenigen Verkehrsteilnehmer vom Anliegerbegriff erfasst, die - wie der Kläger - Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks sind, welches an der Straße "anliegt". Darüber hinaus sind zur Vermeidung von Nachteilen alle Personen erfasst, die zu einem Anlieger(-grundstück) Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121 = juris Rn. 20 f.

Diese Voraussetzungen sind bei dem An- und Abfahrtsverkehr der Sportplatzbesucher gegeben, da die Sportplätze an die Verlängerung der J1. Straße angrenzen.

Das Zulassungsvorbringen zeigt schließlich nicht substantiiert auf, dass die J1. Straße vermehrt vom Durchgangsverkehr als Abkürzung genutzt wird. Hiergegen spricht - wie bereits in der Stellungnahme der Polizeiwache Süd in C. vom 1. Oktober 2009 festgestellt wurde -, dass die von der J1. Straße auf die H. Straße (B 61) einbiegenden Fahrzeuge beim Abbiegevorgang regelmäßig Schwierigkeiten wegen des dortigen hohen Verkehrsaufkommens haben. Dem entspricht es, dass nach den weiteren polizeilichen Erkenntnissen von einem geringen Verkehrsaufkommen auszugehen ist. Diese Annahme, die nach Auffassung der Beklagten ein Überwiegen des Anliegerverkehrs einschließlich der Besucher des Sportplatzes einschließt, wird durch die Ergebnisse der Verkehrszählung anlässlich der vom Kläger beauftragten Geschwindigkeitsmessungen im Jahr 2010 (etwa 2.200 Fahrzeuge in der Woche, d. h. etwas mehr als 300 Fahrzeuge täglich) bestätigt.

b) Welche straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen an anderen Stellen derselben Straße - hier im Bereich der Fortsetzung "An der Lutter" auf dem Stadtgebiet der Stadt H1. - getroffen wurden, hat für das vorliegende Verfahren keine Relevanz. Denn die Anordnung von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen zum Zwecke des Lärmschutzes im Einzelfall gebietet eine Betrachtung der konkreten Örtlichkeit. Nach Auskunft der Stadt H1. gegenüber der Beklagten beruht die dortige Einstufung als Fahrradstraße mitsamt der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h auf dem Umstand, dass dort ein Sportplatz vorhanden ist, den insbesondere viele jüngere Besucher per Rad aufsuchen. Diese Situation lässt sich auf den streitgegenständlichen Abschnitt der J1. Straße nicht übertragen. Trotz des zum Teil leicht erhöhten Fahrradverkehrsaufkommens an Wochenenden kann nach Aktenlage insbesondere nicht von einer ähnlich regelmäßigen Frequentierung durch Fahrradfahrer und damit von einer vergleichbaren Bedeutung für den Fahrradverkehr die Rede sein.

2. Für das Wohngrundstück des Klägers besteht auch keine qualifizierte Gefahrenlage aufgrund von Lärmbeeinträchtigungen (zu den Maßstäben allgemein siehe a) durch den Verkehr auf der J1. Straße (dazu b).

a) Ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrsimmissionen setzt nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht voraus, dass gesetzlich bestimmte Schall- oder Schadstoffgrenzwerte überschritten werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die Verkehrsimmissionen Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 36.

Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung; im Folgenden: 16. BImSchV) dienen bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelastung der Wohnbevölkerung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungshilfe, ab welcher Schwelle regelmäßig von einer erheblichen Immissionsbelastung auszugehen ist, die dem Einzelnen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über straßenverkehrsbeschränkende Maßnahmen einräumt. Werden die in Nr. 2.1 der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23. November 2007 aufgeführten Richtwerte überschritten, kann sich das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben. Maßgeblich sind die Besonderheiten des Einzelfalls.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993 - 11 C 45.92 -, NJW 1994, 2037 = juris Rn. 30; OVG NRW, Urteile vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, VRS 105, 233 = juris Rn. 10 und 16 a. E., und vom 1. Juni 2005 - 8 A 2350/04 -, juris Rn. 32, 34; Bay. VGH, Urteil vom 12. April 2016 - 11 B 15.2180 -, juris Rn. 21 ff.

b) Gemessen an diesen Maßstäben zeigt das Zulassungsvorbringen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür auf, dass das geringe Verkehrsaufkommen auf der J1. Straße unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen für den Kläger zur Folge hat. Auch wenn zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass die J1. Straße vermehrt zur An- und Abfahrt zwischen dem J1. Sportplatz und der H. Straße in Anspruch genommen wird, ist nicht erkennbar, dass die von der Nutzung der J1. Straße verursachten Lärmemissionen geeignet wären, den vorhandenen Verkehrslärm der B in einem rechtlich relevanten Maße zu erhöhen. Die Lärmbelastung am Wohngrundstück des Klägers ist vielmehr maßgeblich - worauf die Beklagte hingewiesen hat - durch den Verkehrslärm der nahe gelegenen H. Straße geprägt. Dies lässt sich den in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Schallplänen für die B 61 - ohne gesonderte Berücksichtigung der J1. Straße - entnehmen, die im Wesentlichen mit den im Auftrag des Klägers gemessenen stündlichen Spitzenwerten von 60,1 dB(A) tags und 56,0 dB(A) nachts übereinstimmen.

Ungeachtet dessen sind die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schallimmissionsmessungen mit den vorgenannten Messergebnissen nicht ausreichend, um eine abweichende Prognose für die J1. Straße anhand der Mittelungspegel nach der 16. BImSchV und den Lärmschutz-Richtlinien-StV zu ermöglichen.

Deren maßgebliche Beurteilungspegel sind nicht durch örtliche Schallmessungen zu ermitteln, sondern nach Maßgabe der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV bzw. gemäß den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, Ausgabe 1990 (RLS-90) entsprechend dem allgemeinen Rundschreiben des Bundesministers für Verkehr vom 10. April 1990 (VkBl. 1990, S. 258) in der Fassung der Berichtigung vom 18. März 1992 (VkBl. 1992, S. 208) zu berechnen. Die Berechnung der Beurteilungspegel kann nicht durch Lärmmessungen ersetzt werden. Ein direkter Vergleich rechnerischer Werte mit gemessenen Werten ist nicht möglich.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Dezember 2006 - 8 A 4840/05 -, VRS 112, 223 = juris Rn. 87 f. m. w. N., und vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, VRS 105, 233 = juris Rn. 24.

Die Berechnung trägt darüber hinaus dem Umstand Rechnung, dass direkte Lärmmessungen vor Ort abhängig von der Witterungslage, den konkreten Verkehrsströmen und anderen Einflussfaktoren unterschiedliche und nicht repräsentative Ergebnissen hervorbringen können. Nur die Anwendung eines einheitlichen Berechnungsverfahrens führt insoweit zu aussagekräftigen und vergleichbaren Werten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2003 - 8 A 4230/01 -, VRS 105, 233 = juris Rn. 28.

Zöge man trotzdem zum Vergleich aus den im Auftrag des Klägers gemessenen stündlichen Immissionswerten die Mittelwerte in Höhe von 57,1 dB(A) tags und 53,9 dB(A) nachts heran, würden sowohl die Orientierungswerte in § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV (64/54 dB(A) tags/nachts) als auch die Richtwerte in Nr. 2.1 der Lärmschutz-Richtlinien-StV (72/62 dB(A) tags/nachts), unterschritten. Diese sind jeweils ebenfalls als getrennte Mittelungspegel zur Tages- (6.00 bis 22.00 Uhr) und zur Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) für den Außenbereich bzw. für diesem vergleichbare Kern-, Dorf- oder Mischgebiete ausgewiesen (vgl. § 3 i. V. m. Anlage 1 zur 16. BImSchV bzw. Fn. 7 zu Nr. 2.1 der Lärmschutz-Richtlinien-StV).

Eine qualifizierte Gefahrenlage in Bezug auf Straßenverkehrslärm folgt auch nicht daraus, dass die J1. Straße durch den Verkehr funktionswidrig in Anspruch genommen würde.

Im Rahmen der Prüfung, welcher Verkehrslärm dem Einzelnen zuzumuten ist, ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. das Fehlen einer Lärmvorbelastung abzustellen. Von Bedeutung für die Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms ist insbesondere auch, ob der ihn auslösende Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch nimmt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2005 - 8 A 2350/04 -, ZUR 2006, 28 = juris Rn. 53 f., vom 6. Dezember 2006 - 8 A 4840/05 -, VRS 112, 223 = juris Rn. 64 f. und vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 50 f., jeweils m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteile vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 13, und vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121 = juris Rn. 15.

Ein Anlieger hat nämlich grundsätzlich nur den Verkehr zu dulden, der der funktionsgerechten Inanspruchnahme der Straße dient.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121 = juris Rn. 15 a. E.; OVG NRW, Urteile vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 52, und vom 6. Dezember 2006 - 8 A 4840/05 -, VRS 112, 223 = juris Rn. 66.

Der auf einer Straße ablaufende Verkehr ist nicht mehr funktionsgerecht, wenn er sich nicht im Einklang mit dem Straßen- und Straßenverkehrsrecht befindet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 56.

Um die funktionsgerechte Nutzung einer Straße zu ermitteln, bedarf es - anders als vom Kläger angenommen - keiner förmlichen Widmung im Sinne von § 6 StrWG NRW. Die straßenrechtliche Funktion einer im Eigentum einer Gemeinde stehenden Straße, der nicht die rechtliche Qualität einer öffentlichen (d. h. gewidmeten) Straße im Sinne des Straßenrechts zukommt (vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW), bestimmt sich nach der Reichweite des mit Wissen und Wollen der Gemeinde als Eigentümerin zugelassenen Verkehrs. Der Planungswille der Gemeinde umfasst notwendig ihren Willen als Eigentümerin der Straße, den entsprechenden Verkehr zuzulassen, begrenzt diesen allerdings auch. Nur das von einem mit dem Planungswillen der Gemeinde nicht mehr zu vereinbarenden Betrieb hervorgerufene Verkehrsaufkommen ist als straßenrechtlich funktionswidrig anzusehen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 8 A 3743/06 -, DVBl. 2009, 458 = juris Rn. 59.

Gemessen hieran läuft der Verkehr im Bereich der - auf dem Stadtgebiet der Beklagten gelegenen und nach Aktenlage in ihrem Eigentum stehenden - J1. Straße nicht den straßenrechtlichen Vorgaben zuwider. Die Beklagte hat als zuständige Gemeinde keine Verkehrsart von der Benutzung ausgeschlossen, sondern hat sich durch das Aufstellen des Verkehrszeichens 253 (vgl. Nr. 30 in Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) mit dem Zusatzzeichen "Anlieger frei" dazu entschlossen, ein Zufahrtsverbot nur für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t, einschließlich ihrer Anhänger, und für Zugmaschinen, jedoch ausgenommen Personenkraftwagen und Omnibusse, anzuordnen und hiervon Anlieger auszunehmen. Dieser Beschilderung lässt sich im Sinne einer Zwecksetzung der Straße entnehmen, dass nicht nur der Anliegerverkehr oder land- und fortwirtschaftliche Fahrzeuge für die funktionsgerechte Nutzung zugelassen sind, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer mit Kraftfahrzeugen bis zu einem Gesamtgewicht von 3,5 t.

Dass der tatsächliche Verkehr auf der J1. Straße (in nennenswertem Umfang) gegen diese Zwecksetzung der Straße verstößt, zeigt der Kläger nicht auf. Nicht nur Besucher des Sportplatzes, die unter den Anliegerbegriff fallen (s. o.), sondern auch ein eventueller, wenngleich geringfügiger (s. o.) Durchgangsverkehr zählen zum funktionsgerechten Verkehr auf der J1. Straße. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Straße - wie von dem Verwaltungsgericht angenommen - nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung als gewidmet anzusehen ist.

II. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten liegen dann vor, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2011 - 8 A 2066/11 -, juris Rn. 4 m. w. N.; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 106.

Dies lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Die von dem Kläger behaupteten erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten betreffen Fragen, die sich - wie unter I. ausgeführt - ohne Weiteres im Berufungszulassungsverfahren beantworten lassen, soweit sie entscheidungserheblich sind.

III. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht verstoßen, weil es versäumt habe, den Sachverhalt - hier die tatsächliche Nutzung der J1. Straße in dem für die Annahme einer Widmung nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung maßgeblichen Zeitraum - aufzuklären. Dieser Frage muss schon deshalb nicht weiter nachgegangen werden, weil sie nicht entscheidungserheblich ist (siehe oben zu I.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk