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OLG Hamm, Beschluss vom 28.03.2018 - 9 U 180/17

1.

Der Geschädigte muss substantiiert zu Art und Umfang des Vorschadens und dessen Reparatur vortragen. Hierzu genügen nicht die Angaben, das Fahrzeug habe einen Seitenschaden in Form eines Streifschadens über die gesamte rechte Seite erlitten, der nicht die Fahrzeugsubstanz betroffen habe, wobei leichte Eindellungen teilweise herausgezogen und gespachtelt worden seien und das Fahrzeug anschließend lackiert worden sei.

2.

Die Darlegungslast des Geschädigten im gerichtlichen Verfahren entfällt nicht deshalb, weil der beklagte Haftpflichtversicherer diesen Vorschaden als Kaskoversicherer bei einem Voreigentümer reguliert hat. Der Anspruchsteller muss im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungslast dem Gericht diese Tatsachen vortragen, damit dieses ausreichend informiert ist.

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend, der sich am 31.10.2013 auf dem B Tankstellengelände an der C Straße in F ereignet haben soll. Der Fahrer des bei der Beklagten krafthaftpflichtversicherten Fahrzeugs VW Caddy soll während der Rückwärtsfahrt gegen das rechte Seitenteil des klägerischen Fahrzeugs gefahren sein. Der Kläger beziffert den entstandenen Sachschaden mit 16.137,94 €, den er neben einer Nutzungsentschädigung iHv 1.666,00 €, Sachverständigenkosten iHv 1.683,00 € sowie einer allgemeinen Unkostenpauschale iHv 25,00 € und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten iHv 1.171,67 €, jeweils nebst Zinsen, geltend macht.

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen am 20.05.2003 erstmals zum Straßenverkehr zugelassenen Ferrari 360 Modena Spider, für den der Listenpreis im Jahr 2003 ca. 150.000,- € betrug (http://www.autobild.de/markenmodelle/ferrari/360/1/). Unstreitig hatte das Fahrzeug bei dem vorherigen Eigentümer im Jahre 2007 einen Schaden erlitten, der sich über die gesamte linke Seite erstreckte. Der Schaden wurde dem Kaskoversicherer gemeldet. Bei diesem handelt es sich um die jetzige Beklagte. Der Kläger erwarb das Fahrzeug in beschädigtem Zustand für 46.000,- € (SS v. 02.02.2017, Bl. 96) bzw. 55.000,- € (SS v. 21.09.2017, Bl. 196). Die Schadensbeseitigungsarbeiten in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang soll nach Behauptung des Klägers die Firma V "sach- und fachgerecht" durchgeführt haben, worüber sich deren Bescheinigung v. 16.01.2017, Bl. 99, verhält.

Der Kläger verkaufte mit schriftlichem Vertrag das mit einem Saisonkennzeichen für April bis Oktober zugelassene und äußerlich instandgesetzte Fahrzeug am 05.05.2015 unter Ausschluss der Gewährleistung an einen Herrn X für 43.000,- €. In der Rubrik betreffend Unfallschäden in der Eigentümerzeit des Klägers wies dieser auf einen instandgesetzten Seitenschaden rechts hin. Im Übrigen erklärte der Kläger wahrheitswidrig ausdrücklich, dass das Fahrzeug in der übrigen Zeit - soweit ihm bekannt - keine sonstigen Beschädigungen erlitten habe, Bl. 218.

Das Landgericht hat den Kläger mit Beschluss vom 18.08.2017 dezidiert unter Hinweis auf einschlägige Fundstellen darauf hingewiesen, dass er den Unfallschaden mit Blick auf die unstreitige Vorschadensproblematik im deckungsgleichen Bereich nicht schlüssig dargelegt habe. Der Kläger hat hierauf einen die gesamte rechte Seite betreffenden Schaden eingeräumt. Dieser sei aber sach- und fachgerecht beseitigt worden. Näheres könne er nicht vortragen, stelle die Art und Weise der Reparatur aber in das Zeugnis des Herrn V. Zu Art und Umfang des Vorschadens könne die Beklagte aus eigener Sachkunde etwas beitragen, weil das Fahrzeug bei ihr seinerzeit kaskoversichert gewesen sei.

Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO Bezug genommen wird soweit sich aus dem Nachstehenden nichts anderes ergibt, hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe trotz entsprechenden Hinweises den behaupteten Schaden nicht substantiiert dargelegt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Sachanträge in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei er hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nunmehr Zahlung statt Freistellung verlangt. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger rügt die Übergehung seiner Beweisanträge, insbesondere die unterbliebene Vernehmung des Zeugen V. Jedenfalls hätte das Gericht die Beklagte zur Vorlage ihrer Kaskoschadensakte auffordern müssen. Es sei unbillig, von ihm Vortrag zu verlangen, wenn die Beklagte doch wisse, worum es gehe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den damit überreichten Unterlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug von denen abzuweichen kein Grund besteht.

Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu der nachstehenden ergänzenden Stellungnahme.

1.

Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, welcher Schaden ihm durch den Verkehrsunfall vom 31.10.2013 entstanden ist.

Wird ein Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut (= deckungsgleich) beschädigt und ist die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, muss der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist. Der Geschädigte muss dementsprechend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass der aktuell geltend gemachte Schaden bereits durch den Vorschaden entstanden war. Dazu muss er darlegen und ggf. nachweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden an dem Fahrzeug vorhanden waren und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen diese zeitlich vor dem streitgegenständlichen Unfall fachgerecht beseitigt worden sind - in diesem Zusammenhang muss er im Einzelnen zu Art und Umfang der Vorschäden und den durchgeführten Reparaturmaßnahmen (also dazu, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorbeeinträchtigungen durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen) vortragen (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 247ff).

2.

Hier hat der Kläger bereits substantiierten Vortrag zu Art und Umfang des Vorschadens aus dem Jahr 2007 vermissen lassen. Die Angaben des Klägers erschöpfen sich in den wenig griffigen Formulierungen, die er zur Beschreibung der Vorunfallschäden verwandt hat und dies erst, nachdem er vom Gericht darauf hingewiesen worden ist, dass er für die Schlüssigkeit zum Vorschaden und dessen fachgerechter Reparatur vortragen müsse. Danach habe ein Seitenschaden in Form eines Streifschadens über die gesamte rechte Seite hinweg vorgelegen, der nicht die Fahrzeugsubstanz betroffen habe. Leichte Eindellungen seien teilweise herausgezogen und teilweise gespachtelt worden. Anschließend sei das Fahrzeug lackiert worden.

3.

Es ist schlechterdings nicht glaubhaft, wenn der Kläger behauptet, er könne zu Art und Umfang der Vorschäden nicht weiter vortragen. Solcher Vortrag ist aber erforderlich, weil der bisherige Tatsachenvortrag des Klägers eine zuverlässige Einschätzung der Vorschäden nicht zulässt. Der Senat nimmt es dem Kläger nicht ab, dass er das Fahrzeug im Jahre 2007 ohne Vorlage eines Schadensgutachtens betreffend die Vorschäden aus dem Jahr 2007 und damit "die Katze im Sack" erworben haben will. Immerhin hat der Kläger nach seinen Angaben 46.000,- € oder 55.000,- € für das beschädigte Fahrzeug bezahlt. Angesichts des Listenpreises von ca. 150.000,- € 3 Jahre zuvor deutet dies darauf hin, dass das Fahrzeug nicht nur ganz unerheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass der Erwerber in einer solchen Situation genau wissen will, wie tiefgreifend die Beschädigungen sind und welche Kosten für die Reparatur aufzuwenden sind. Dass es ein solches Schadensgutachten gegeben hat, ergibt sich daraus, dass der Vorschaden bei der Beklagten seinerzeit als Kaskoschaden angemeldet und wohl auch abgerechnet worden ist.

4.

Entgegen der Ansicht des Klägers durfte das Gericht nicht die Beklagte zur Vorlage der bei dieser geführten Kaskoschadensakte betreffend den Vorunfall auffordern, um den Kläger von seiner Darlegungslast zu befreien. Der Umfang eines Vorschadens fällt nicht in den Risiko- und Verantwortungsbereich des Schadensersatzpflichtigen und rechtfertigt daher keine Änderung der Darlegungs- und Beweislast. Der Kläger ist und bleibt im gerichtlichen Verfahren darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ihm der geltend gemachte Schaden entstanden ist, wozu Vortrag zu der Vorschadensproblematik im deckungsgleichen Bereich erforderlich war. Die Beklagte muss ihm diesen Vortrag nicht liefern. Dass die Beklagte mehr weiß, als sie bisher vorträgt, entlastet den Kläger nicht von seiner Darlegungslast (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 255).

5.

Es war dem Kläger allerdings unbenommen , die Beklagte um Vorlage des Schadensgutachtens zu ersuchen, wenn ihm dieses selbst nicht (mehr) zur Verfügung stand. Der Kläger kann sich nicht darauf zurückziehen, dass die Beklagte bestens im Bilde sei und er deshalb von weiterem Vortag im gerichtlichen Verfahren entbunden sei.

6.

Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass der Vorschaden aus dem Jahr 2007 vollständig und fachgerecht beseitigt worden ist.

6.1

Der Vortrag des Klägers zu den Einzelheiten der Reparatur der Vorschäden ist substanzlos.

6.2

Auch aus dem vorprozessual eingeholten Privatschadensgutachten ergibt sich nicht, dass die Vorschäden vollständig und fachgerecht beseitigt worden sind. Eine solche Aussage konnte der Schadensgutachter schon deshalb nicht treffen, weil er nicht wusste, welchen Vorschaden das Fahrzeug aufgenommen hatte. Unabhängig davon hat der Schadensgutachter die Reparatur der Vorschäden, auf die er durch Spachtelauftrag unterhalb der Lackabplatzungen im erneut betroffenen Bereich aufmerksam geworden ist, ersichtlich nicht als fachgerecht angesehen, da er anderenfalls eine Wertverbesserung durch den Austausch des rechten hinteren Seitenteils nicht bejaht hätte.

6.3

Vom Kläger benannte Zeugen sind zum Beweis einer vollständig und ordnungsgemäß ausgeführten Vorschadensreparatur nur dann zu vernehmen, wenn das klägerische Vorbringen zu Art und Ausführung der Vorschadensreparatur ausreichend substantiiert ist; denn anderenfalls handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Insbesondere nicht ausreichend ist die unter den Zeugenbeweis gestellte pauschale Behauptung, die Vorschäden seien gemäß den (hier zudem nicht bekannten) sachverständigen Vorgaben sach- und fachgerecht beseitigt worden. Es bedarf jedenfalls konkreter Angaben dazu, wann, von wem und unter welchen Umständen in Kenntnis der sachverständigen Vorgaben die Reparaturen durchgeführt worden sein sollen. Werden auch zum Beleg der Reparaturen keine Reparaturrechnungen, Rechnungen über benötigte Ersatzteile oder ähnliches vorgelegt, obwohl es Rechnungen gegeben haben müsste, fehlt es an konkretem Sachvortrag, der eine Verifizierung durch Zeugenbefragung und keine unzulässige Ausforschung ermöglichte (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 251).

6.4

Eine Schätzung der durch den Unfall entstandenen Schäden ist dem Senat verwehrt. Die Schadensschätzung nach § 287 ZPO dient nicht dazu, vor Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten einen Schaden durch Schätzung zu bemessen. Dass die zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen noch nicht ausgeschöpft sind, liegt nicht am Gericht. Es ist es auch nicht Aufgabe des Gerichts, den technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln. Vielmehr bedarf es bei nur teilweise deckungsgleicher Vorschädigung Vortrags dazu, welche konkreten Reparaturmaßnahmen erforderlich sind, um nur diejenigen Schäden zu beseitigen, die dem Unfall zweifelsfrei zugeordnet werden können (Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn. 253).

7.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich der Kläger auf eine Abrechnung nach den Kosten einer freien Werkstatt verweisen lassen müsste. Der Senat sieht den Nachweis, dass das Fahrzeug scheckheftgepflegt war, nicht als geführt. Es gibt lediglich zwei Eintragungen aus den Jahren 2007 und 2010. Eintragungen für eine Jahresinspektion 2004 finden sich nicht. Das mangelnde Integritätsinteresse des Klägers hat sich zudem in der sicherlich nicht fachgerechten Reparatur des Vorschadens manifestiert.

8.

Weiterhin kann der Kläger keinen Nutzungsausfall verlangen. Der Kläger hatte keine Nutzungsmöglichkeit. Denn das Fahrzeug verunfallte am letzten Tag der Saison am 31.10.2013. Danach war es nicht mehr haftpflichtversichert. Bereits Anfang Januar 2014, und damit vor Saisonbeginn, war das Fahrzeug jedenfalls nach den Vorstellungen des Klägers wieder repariert.

9.

Mangels Hauptanspruchs bestehen die weiteren Ansprüche auf Ersatz der Sachverständigenkosten, der allgemeinen Unkostenpauschale und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

redaktionelle Anmerkung: Die Berufung des Klägers ist mit Beschluss vom 25.05.2018 zurückgewiesen worden.

Lukas Jozefaciuk