OLG Köln, Urteil vom 23.08.2018 - 15 U 156/17
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12.10.2017 (12 O 259/16) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin betreibt ein Autohaus und nimmt die Beklagte nach einem Verkehrsunfallgeschehen auf Schadensersatz in Anspruch, wobei die Parteien lediglich noch um eine Detailfrage der Restwertverwertung streiten.
Die Klägerin holte ein außergerichtliches Schadensgutachten ein und ließ den Sachverständigen unter Berücksichtigung von Angeboten regionaler Anbieter den Restwert des Fahrzeugs schätzen. Dieser ermittelte unter dem 10.3.2016 einen Restwert in Höhe von 9.500 Euro brutto. Die Beklagte legte der Klägerin am 24.3.2016 ein Restwertangebot der Fa. A über 17.030 Euro brutto vor, welches die Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2017 unter Hinweis auf eine bereits erfolgte Veräußerung zu einem Preis von 9.500 Euro ablehnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit Urteil vom 12.10.2017 hat das Landgericht dem auf Basis des Restwertes von 9.500 Euro ermittelten Schadensersatzanspruch der Klägerin stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt, indem sie das Fahrzeug zu demjenigen Preis verwertet habe, welches der Sachverständige durch Vergleichsangebotes des regionalen Marktes ermittelt habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, darüber hinaus Marktforschung zu betreiben, Angebote räumlich entfernter Interessenten einzuholen, den Sondermarkt für Restwertankäufer im Internet in Anspruch zu nehmen oder der Beklagten eine Stellungnahme zu dem Gutachten einzuräumen. Auch wenn die Klägerin über besondere Kenntnisse im Bereich des Automobilmarktes verfüge, dürfe sie sich - wie jeder andere Geschädigte auch - auf die Angebote regionaler Restwertverwerter beziehen. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Wagen tatsächlich zu dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert von 9.500 Euro erworben worden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie macht geltend, die Klägerin müsse das von ihr - der Beklagten - übermittelte (höhere) Restwertangebot anrechnen lassen. Bei der Frage, ob der Geschädigte das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachtet und ob er die Obliegenheit zur Schadensminderung eingehalten habe, seien die individuellen Möglichkeiten des konkreten Geschädigten im Sinne einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu berücksichtigen. Die Klägerin, ein Tochterunternehmen der B C-Gruppe verfüge über umfassende Kenntnisse im Bereich der Veräußerung von unfallbeschädigten Fahrzeugen; sie wisse ganz genau, wo und wie man für ein solches Fahrzeug einen möglichst hohen Restwerterlös erzielen könne.
Weiter ist die Beklagte der Ansicht, das Landgericht sei jedenfalls hilfsweise verpflichtet gewesen aufzuklären, welche Internet-Restwertangebote der Sachverständige eingeholt und an die Klägerin übermittelt bzw. pflichtwidrig nicht übermittelt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12.10.2017 (12 O 259/16) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Ansicht, eine Verpflichtung ihrerseits zu selbständigen Recherchen am Markt für Restwertaufkäufer bestehe nicht. Sie sei als Geschädigte aus wirtschaftlichen Gründen an einer raschen Abwicklung des Unfallereignisses interessiert und habe das vom Bundesgerichtshof vorgegebene Prozedere der Einholung eines Gutachtens mit drei Angeboten des regionalen Marktes eingehalten. Dürfe sie sich aber - der Argumentation der Beklagten folgend - auf ein solches Gutachten und die darin genannten Werte nicht verlassen, sei sie jeder Möglichkeit beraubt, das beschädigte Fahrzeug vor Vorlage eines (höheren) Angebots durch die Beklagte zu veräußern, weil sie andernfalls immer das Risiko einginge, in einem späteren Rechtsstreit mit einem solchen (höheren) Angebot konfrontiert zu werden.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben, da die Klägerin der Schadensabrechnung den im Gutachten des Sachverständigen D ausgewiesenen Restwert von 9.500 Euro zugrunde legen kann.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 27.9.2016 - VI ZR 673/15, MDR 2017, 84; BGH, Urt. v. 13.1.2009 - VI ZR 205/08, juris; BGH, Urt. v. 13.10.2009 - VI ZR 318/08, juris; BGH, Urt. v. 1.6.2010 - VI ZR 316/09, juris) leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung des Fahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in seinem Gutachten auf dem regionalen Markt ermittelt hat. Dabei ist von einer korrekten Wertermittlung auszugehen, soweit der Sachverständige drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt eingeholt hat. Der Geschädigte ist weder verpflichtet, über die Einholung des Gutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt im Internet in Anspruch zu nehmen, noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger vor der Veräußerung des Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, bessere Restwertangebote vorzulegen. Dem Geschädigten verbleibt im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht nur dann ein Risiko, wenn er den Restwert ohne hinreichende Absicherung durch ein eigenes Gutachten realisiert und dieser sich dann im Nachhinein als zu niedrig erweist (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2009 - VI ZR 318/08, juris; BGH, Urt. v. 12.07.2005 - VI ZR 132/04, juris).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Landgerichts auch im Lichte der mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen der Beklagten nicht zu beanstanden.
a. Die Beklagte kann zunächst einen Verstoß der Klägerin gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) nicht daraus herleiten, dass diese vor Veräußerung des Unfallfahrzeugs keine Preisrecherche in einschlägigen Internetbörsen vorgenommen oder aber das Fahrzeug initiativ in einer solchen Preisbörse angeboten hat.
Zwar handelt es sich bei der Klägerin nicht um den von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführten "Otto Normalverbraucher", sondern vielmehr um ein Unternehmen, welches sich unter anderem mit dem An- und Verkauf von (auch gebrauchten) Kraftfahrzeugen befasst und damit im Hinblick auf die Bewertung der konkreten Preissituation eine höhere Kompetenz als eine durch einen Verkehrsunfall geschädigte Privatperson innehaben dürfte. Jedoch ist eine solche bei der Klägerin vermeintlich vorhandene Fachkompetenz schon kein zulässiger Anknüpfungspunkt dafür, ihr im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bei der Verwertung des Fahrzeugs eine weitergehende Pflicht zur Recherche bzw. Preisermittlung aufzuerlegen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
aa. Der Bundesgerichtshof hat in den oben genannten Entscheidungen eine Pflicht des Geschädigten verneint, über die Einholung des Gutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben oder einen Sondermarkt im Internet in Anspruch zu nehmen. Zwar ist diesen Entscheidungen allein vom Wortlaut her nicht eindeutig zu entnehmen, ob dem Bundesgerichtshof dabei auch die Konstellation vor Augen stand, dass es Geschädigte gibt, die über eine höhere Sachkunde im Segment "Autohandel bzw. -verwertung" verfügen, als dies bei der breiten Masse der Bevölkerung der Fall ist. Jedoch ergibt sich nach dem Dafürhalten des Senats aus Sinn und Zweck der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, dass insofern keine Differenzierung im Hinblick auf eine vermeintlich vorhandene Fachkenntnis des Geschädigten beabsichtigt war:
Ein Geschädigter leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung des Fahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in seinem Gutachten auf dem regionalen Markt ermittelt hat. Wird damit auch im Falle des geschädigten "Otto Normalverbrauchers" - an dessen Fachkenntnisse wenn überhaupt, dann nur sehr geringe Erwartungen gestellt werden können - die Preisermittlung nicht durch diesen selbst durchgeführt, sondern vielmehr durch einen Sachverständigen als Fachkundigen, so ist schon nicht erkennbar, warum im Fall eventuell vorhandener eigener Fachkenntnisse des Geschädigten dieser nunmehr eigene Bemühungen zur Preisermittlungen vornehmen muss bzw. warum der Sachverständige in solchen Fällen einen anderen Prüfungsmaßstab im Rahmen der Preisermittlung anlegen sollte. Dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt der Geschädigte bereits durch die Auswahl des Sachverständigen, der in der Folgezeit eine entsprechend fachkundige Preisermittlung unter Berücksichtigung der Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchführt. Ist damit aber der Einsatz individueller Fachkenntnisse im Rahmen des wirtschaftlich vernünftigen Vorgehens vom Geschädigten schon nicht geschuldet, so kann ein vermeintliches - hier von der Beklagten gerügtes - Unterlassen des Einsatzes solcher Fachkenntnisse durch die Klägerin auch nicht zu deren Lasten gewertet werden.
bb. Darüber hinaus ist es nach Ansicht des Senats auch durchaus zweifelhaft, ob die Klägerin als im Autohandel gewerblich tätiges Unternehmen tatsächlich über eine solche spezifische Fachkunde verfügt, die gerade dem in der Berufungsbegründung angeführten "Otto Normalverbraucher" im Regelfall fehlt. Denn die von der Beklagten geforderte Recherche im Internet oder auf anderen Spezialmärkten für Unfallfahrzeuge wäre einer Vielzahl von Privatpersonen aufgrund des zunehmenden Einzugs der Technisierung und speziell der Internetnutzung in das tägliche Leben ebenso in gleicher Weise möglich. In jedem Fall könnte eine solche Suche - bei entsprechendem Auftrag des privaten Geschädigten - ohne weiteres durch den beauftragten Sachverständigen durchgeführt und der Restwertermittlung zugrunde gelegt werden. Gerade eine solche Pflicht des Sachverständigen, die Ermittlungen des Restwertes auf räumlich entfernte Interessenten oder Sondermärkte bzw. das Internet auszudehnen, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.9.2016 (VI ZR 673/15, MDR 2017, 84) jedoch trotz entsprechenden Vorbringens der dortigen Revision, welche eine Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung gefordert hatte, weiter abgelehnt. Darf sich der fachunkundige Geschädigte damit darauf beschränken, einen Sachverständigen zu beauftragen, der weder auf Sondermärkten noch im Internet, sondern allein auf dem regionalen Markt eine Preisermittlung durchführt, so käme es nach Ansicht des Senats zu einem nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch, wenn von einem im Kfz-Handel tätigen oder erfahrenen Geschädigten der Einsatz eigener Fachkenntnis bzw. eine weitergehende Recherche (auch) im Internet gefordert würde.
cc. Zwar lassen die vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich die Möglichkeit zu, dass besondere Umstände vorliegen, die dem Geschädigten Veranlassung geben, im Sinne seiner Schadenminderungspflicht günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Bejaht hat der Bundesgerichtshof solche "besonderen Umstände" bisher in denjenigen Fällen, in denen der Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hatte, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag überstieg (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2010 - VI ZR 232/09, MDR 2010, 983) oder in denen dem Geschädigten eine erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit unterbreitet wurde, die dieser ohne weiteres wahrnehmen konnte und deren Wahrnehmung ihm auch zumutbar war (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2010 - VI ZR 316/09, juris Rn. 10; BGH, Urt. v. 6.3.2007 - VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287; BGH, Urt. v. 7.12.2004 - VI ZR 119/04, juris; vgl. auch Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 254 BGB Rn. 51). Zwar ist auch in diesem Falle die Dispositionsfreiheit berührt, weil nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger über die Person entscheidet, an die das Unfallfahrzeug veräußert werden soll. Allerdings reduziert sich der Eingriff hier auf die Wahl des Veräußerungspartners und lässt die Handlungsfreiheit im Übrigen unberührt.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch in diesem Zusammenhang auch betont, dass derartige Ausnahmen in engen Grenzen gehalten werden müssen und insbesondere nicht dazu führen dürfen, dass dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die vom Schädiger bzw. dessen Versicherer gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden. Unter Berücksichtigung dieses engen Anwendungsbereichs sind die betreffenden "besondere Umstände" im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn wie bereits dargelegt, ist die gewerbliche Beschäftigung der Klägerin mit dem An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen - angesichts der erfolgten Einschaltung des Sachverständigen D - kein Faktor, der sie im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu weiteren Recherchemaßnahmen über den Restwert des Unfallfahrzeugs verpflichtet hätte.
dd. Der Senat verkennt ausdrücklich nicht, dass sich in den letzten Jahren die Nutzung moderner Medien, insbesondere auch die alltägliche und selbstverständliche Nutzung des Internets durch einen Großteil der Bevölkerung sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Bereich signifikant weiterentwickelt hat. Aus diesem Grunde ist auch in Erwägung zu ziehen, dass es durchaus Geschädigte geben wird, die nicht mehr bei Händlern und Aufkäufern im regionalen Bereich, sondern eher im Internet nach attraktiven Angeboten für das beschädigte Fahrzeug suchen und in diesem Zuge auch möglicherweise auf Angebote solcher Anbieter zurückgreifen, die außerhalb des regionalen Marktes tätig sind. Diese geänderte Verhaltensweise bei der Verwertung von Unfallfahrzeugen könnte möglicherweise ein Anlass sein, die Suche des Sachverständigen nach Restwertangeboten nicht mehr auf den allgemeinen regionalen Markt zu begrenzen (vgl. dazu Huber, NZV 2017, 153; Figgener, NJW 2017, 95; Wenker, jurisPR-VerkR 2/2017 Anm. 1). Allerdings hat der Bundesgerichtshof noch in seiner Entscheidung vom 27.9.2016 (VI ZR 673/15, MDR 2017, 84) - und damit vor gerade einmal knapp zwei Jahren - die Beschränkung der Recherche auf den regionalen Markt als Grundlage für die Ermittlung des Restwertes ausdrücklich überprüft und als "nicht überholt" bezeichnet. Er hat dies damit begründet, dass vorrangiger Grund für das Abstellen auf den regionalen Markt die Überlegung gewesen sei, dass es einem Geschädigten möglich sein müsse, das Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben. Zwar hat es vorliegend eine solche Inzahlunggabe von Seiten der Klägerin nicht gegeben. Dies lässt jedoch die Rechtfertigung der Beschränkung auf den regionalen Markt nicht entfallen. Denn es ergibt sich weiter aus der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ("unabhängig davon, ob er im Einzelfall nach Einholung des Gutachtens dann auch entsprechend verfährt"), dass die konkrete Abwicklung des Schadensfalles insofern gerade keine Rolle spielt.
b. Die Klägerin war entgegen der mit der Berufung weiter geltend gemachten Einwendungen der Beklagten auch nicht gehalten, mit der Verwertung des Unfallfahrzeugs zuzuwarten, bis ihr von Seiten der Beklagten ein gegenüber dem Gutachten des Sachverständigen D höheres Angebot vorgelegt worden war.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.9.2016 (VI ZR 673/15, MDR 2017, 84; ebenso BGH, Urt. v. 1.6.2010 - VI ZR 316/09, juris; BGH, Urt. v. 6.3.2007 - VI ZR 120/06, juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.9.2016 - 7 U 9/16, juris) ausdrücklich ausgeführt, dass auch in Anbetracht der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre kein Anlass bestehe, dem Geschädigten unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebotes oder der Schadenminderungspflicht aufzuerlegen, dem Schädiger vor dem Verkauf des Fahrzeugs die Möglichkeit einzuräumen, ihm höhere Restwertangebote zu übermitteln. Der Gesetzgeber habe dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit eingeräumt, die Behebung des Schadens gerade unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände zu nehmen. Diese gesetzgeberische Grundsatzentscheidung werde dann unterlaufen, wenn der Geschädigte vor Verwertung verpflichtet würde, dem Schädiger bzw. dessen Versicherer die Möglichkeit einzuräumen, ein (höheres) Verwertungsangebot vorzulegen. Die fehlende Wartepflicht des Geschädigten beruht damit auf der Erwägung, dass diesem nicht die vom Haftpflichtversicherer des Schädigers gewünschten Verwertungsmöglichkeiten "aufgezwungen" werden sollen. Insofern knüpft die Rechtsprechung gerade nicht an die im Einzelfall möglicherweise bestehenden Fachkenntnisse des Geschädigten im Bereich An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen an, sondern beruht auf dem gesetzlichen Grundgedanken der Restitutionsfreiheit des Geschädigten.
Ob vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.9.2016 an der Rechtsauffassung des Senats im Beschluss vom 14.2.2005 (15 U 191/04, juris) weiter festgehalten werden kann, dass ein Geschädigter, der gehalten ist, eine ihm durch den Schädiger nachgewiesene und ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen, dem Schädiger zuvor Gelegenheit einräumen muss, solches überhaupt zu versuchen, kann vorliegend offen bleiben. Denn unstreitig hat die Klägerin der Beklagten die Restwertermittlung der Sachverständigen D & Partner vom 10.3.2016 zur Kenntnisnahme übersandt, bevor sie am 23.3.2016 das Unfallfahrzeug zum darin angegebenen Restwert veräußert hat. Es wäre vor diesem Hintergrund Aufgabe der Beklagten gewesen, rechtzeitig an die Klägerin heranzutreten und ihr vermeintlich bessere Veräußerungsmöglichkeiten nachzuweisen. Sollte dies zeitlich nicht möglich gewesen sein - die von der Beklagten vorgelegten Kaufangebote (Bl. 73 ff. und Bl. 78 f.) lassen angesichts des dort vermerkten Einstelldatums vermuten, dass die Beklagte erst am 22.3.2016 mit der Ermittlung alternativer Angebote begonnen hat - hätte es der Beklagten jedenfalls oblegen, die Klägerin auf diesen Umstand hinzuweisen und sie um ein Zuwarten von einigen Tagen zu bitten.
c. Die Entscheidung des Landgericht leidet schließlich auch nicht an einem Verfahrensfehler dergestalt, dass das Landgericht nicht aufgeklärt hat, welche Restwerte des Fahrzeugs der Zeuge D im Internet ermittelt und nicht an die Klägerin weitergeleitet hat.
Denn unabhängig von der Frage, welcher Restwert des Fahrzeugs sich aus diesen Unterlagen ergab und der weiteren Frage, ob eine unterlassene Weiterleitung durch den Sachverständigen der Klägerin überhaupt nach §§ 278, 166 analog BGB zugerechnet werden könnte, bestand keine Verpflichtung des Landgerichts zu einer entsprechenden Auflage an den Zeugen D. Nach den vorstehenden Ausführungen war die Klägerin gerade nicht verpflichtet, selbst oder mittels eines Sachverständigengutachtens über den regionalen Markt hinausgehend weitere Nachforschungen bezüglich überregionaler Anbieter im Internet durchzuführen, so dass es auch nicht darauf ankommen kann, ob und welche Nachforschungen der Sachverständige D diesbezüglich ohne Offenlegung gegenüber der Klägerin angestellt hat. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Hamm vom 31.10.2008 (9 U 48/08, NJW-RR 2009, 320) trifft den vorliegenden Fall gerade nicht, weil sich dort das deutlich höhere Alternativangebot bereits aus dem Gutachten selbst ergab und dem dortigen Geschädigten bereits vor Veräußerung des Fahrzeugs vorlag, was hier jedoch nicht der Fall war.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
4. Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage erforderlich, ob bei Verwertung eines Unfallfahrzeugs auch dann auf ein den Anforderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügendes Restwertgutachten zurückgegriffen werden kann, wenn der Geschädigte über eigene Fachkenntnisse hinsichtlich der Bewertung von Fahrzeugen verfügt bzw. unternehmerisch auf diesem Gebiet tätig ist.
Berufungsstreitwert: 6.327,73 Euro