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OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2018 - 1 U 64/17

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf vom 21. März 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Nachdem der Kläger erstinstanzlich einen Reparaturschaden in Höhe von insgesamt 11.282,45 € (9.774,02 €, 1.129,43 € Sachverständigenkosten brutto, 354,00 € Nutzungsausfall und 25,00 € Kostenpauschale) geltend gemacht und das Landgericht ihm einen unfallbedingten Schadensersatz i.H.v. 5.363,51 € (5.

043,51 € Nettoreparaturkosten, 295,00 € Nutzungsausfall und 25,00 € Auslagenpauschale) nebst Zinsen zugesprochen hat, verlangt der Kläger mit seiner Berufung noch den Ersatz der Netto-Sachverständigenkosten i.H.v. 949,10 € nebst Zinsen. Die vollständige Haftung der Beklagten für die Schäden, die anlässlich des Verkehrsunfalls vom 14.12.2012 in A. durch einen unsorgfältigen Fahrspurwechsel des Beklagten zu 1. an der rechten vorderen Seite des klägerischen Fahrzeugs entstanden sind, steht dem Grunde nach fest.

Der Kläger reichte zum Nachweis des unfallbedingten Sachschadens an seinem Mercedes ..., erstmalige Zulassung am 28.03.2002, das am 19.12.2012 erstellte Gutachten des Kfz-Sachverständigen B. ein, welches Netto-Reparaturkosten i.H.v. 9.774,02 €, einen steuerneutralen Wiederbeschaffungswert i.H.v. 13.250,00 € sowie einen Restwert i.H.v. 3.666,00 € zugrunde legt. Das Gutachten enthält zu Vorschäden folgende Feststellungen: "Keine Vorschäden feststellbar bzw. erkennbar". Bezüglich nicht reparierter Vorschäden heißt es: "Bei der Fahrzeugbesichtigung wurden keine nicht reparierten Vorschäden erkannt (Bl. 12 d.A.)".

Das Fahrzeug hatte vier Vorschadensereignisse: Am 21.04.2009 wurde die linke hintere Fahrzeugecke beschädigt, am 19.08.2010 die Felgen, am 07.09.2010 erlitt das Fahrzeug einen Frontschäden durch einen vom Kläger verursachten Auffahrunfall und am 08.04.2010 entstanden Schäden an der linken Frontseite.

Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage eines zur Schadenshöhe eingeholten Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. C. vom 19.11.2015 sowie eines Ergänzungsgutachtens vom 16.06.2016 teilweise stattgegeben. Es berechnete den unfallbedingten Sachschadens auf 5.043,51 € netto. Dem Sachverständigen C. zufolge seien die Gitter am Stoßfänger vorne nicht unfallbedingt beschädigt, die vordere rechte Felge sei stark vorschadensbelastet und insofern ohnehin erneuerungsbedürftig gewesen. Eine "Unfalltauschlenkung", die lediglich Kosten i.H.v. 1.438,98 € netto verursacht hätte, sei hinreichend, während in der Kalkulation des Sachverständigen B. das Ersatzteil mit 1.686,74 € netto ausgewiesen sei. Zudem seien die Federbeine nicht erneuerungsbedürftig, weil diese so mit der Karosserie verbunden seien, dass selbst bei Verformungen der Querlenker keine Biegemomente aufgenommen würden (vgl. Bl. 12 d. Gutachtens.). Die Lohnkosten seien für Karosserie-Mechanikerarbeiten mit 96,00 € pro Stunde und für Lackierertätigkeiten mit 104,25 € pro Stunde anzusetzen. Damit lägen sie unterhalb der vom Schadensachverständigen B. angenommenen Beträge (vgl. Bl. 12 des Ergänzungsgutachtens).

In der Urteilsbegründung führt das Landgericht weiter aus, dass ein Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten i.H.v. 949,10 € netto nicht bestehe. Einem Anspruch stehe entgegen, dass der Geschädigte selbst die Unbrauchbarkeit des Gutachtens herbeigeführt habe, indem er den Sachverständigen nicht über Vorschäden seines Fahrzeugs informiert habe. Denn der Kläger habe dem Sachverständigen nicht sämtliche für ihn offensichtlich bedeutsamen und bekannten Informationen zu den Vorschadensereignissen mitgeteilt. Dies habe zu erheblichen Abweichungen bei der Schadensberechnung im Vergleich zu den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen geführt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die sich allein gegen die Abweisung seines Anspruchs auf Erstattung von Gutachterkosten richtet. Der Kläger macht geltend, dass die Vorschadensfälle sämtlich nicht den nunmehr schadensrelevanten Bereich beträfen. Zudem seien bei der Besichtigung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen Vorschäden kein Thema gewesen. Der geringer geschätzte Reparaturkostenbetrag durch den Sachverständigen C. beruhe darauf, dass er etliche Positionen für nicht erforderlich bzw. mit einem geringeren Kostenansatz versehen habe als es der Sachverständige B. getan habe. Dies liege jedoch nicht in seiner, des Klägers, Verantwortung.

Die Beklagten sind weiter der Auffassung, das Gutachten des Schadenssachverständigen B. sei aufgrund der vom Kläger nicht benannten Mängel an den Felgen unbrauchbar, so dass die Kosten hierfür nicht zu erstatten seien. Hilfsweise zur Zurückweisung der Berufung beantragen sie, die Verurteilung zur Zahlung der Sachverständigenkosten nur Zug um Zug gegen Abtretung der Gewährleistungsansprüche auszusprechen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Zutreffend hat das Landgericht die Klage bezüglich der Gutachterkosten abgewiesen. Dem Kläger steht auf der Grundlage der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. VVG kein Anspruch auf Zahlung weiterer 949,10 € gegen die Beklagten zu,

a.

Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Die Beauftragung stellt in der Regel eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Die durch die Begutachtung verursachten Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, ebenso zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH Urteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 133/11, juris Rdn. 13). Unter beiden Gesichtspunkten sind diese Kosten grundsätzlich in vollem Umfang erstattungsfähig.

b.

Erweist sich das Gutachten nachträglich als ungeeignet, beeinträchtigt dies den Erstattungsanspruch des Geschädigten nur, wenn er die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat (Senat Urteil vom 15.01.2013 - I-1 U 153/11, juris Rdn. 18; stdge Rspr.). Letzteres kommt namentlich in Betracht, wenn der Geschädigte einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen mit der Begutachtung betraut (Auswahlverschulden; vgl. etwa KG Berlin Urteil vom 01.März 2004 - 12 U 96/03, juris Rdn. 5) oder wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (OLG Celle Urteil vom 13.07.2016 - 14 U 64/16, juris Rdn 9; Senat a.a.O. juris Rdn. 18; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, juris-PK Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB Rdn. 224 m.w.Nw.).

c)

Die Beauftragung eines erkennbar ungeeigneten Sachverständigen kann bereits nicht als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung gelten. Sie lässt einen entsprechenden Erstattungsanspruch erst gar nicht entstehen. Ob die Beauftragung eines grundsätzlich geeigneten Schadensgutachters als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung gelten kann, wenn der Geschädigte diesen über gegebene Vorschäden nicht hinreichend aufklärt (so wohl OLG Koblenz, Urteil vom 14.08.2006 - 12 U 324/05, juris Rdn. 11), erscheint nicht so zwingend. Die Frage ist höchstrichterlich nicht geklärt, kann hier aber offen bleiben. Die fehlende Aufklärung über Vorschäden begründet jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung, die in diesem Falle auch über § 254 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB zur Aberkennung des geltend gemachten Anspruchs führen muss.

aa)

Grundsätzlich hat der Geschädigte die Obliegenheit, den Schadensgutachter von sich aus über alle Schäden aufzuklären, die nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Allein offenbare Gebrauchsspuren und Schäden, von denen er erwarten kann, dass der Gutachter diese aufgrund seiner Unfallbeschreibung ohnedies nicht ins Kalkül ziehen wird, können unerwähnt bleiben. Ungeachtet dessen muss der Geschädigte nach Erhalt des Gutachtens prüfen, ob unreparierte Vorschäden irrtümlich mitkalkuliert wurden.

bb)

Der Geschädigte hat grundsätzlich auch die Obliegenheit, über reparierte Vorschäden aufzuklären (KG Berlin, Urteil vom 1. März 2004 - 12 U 96/04, juris Rdn. 5). Er muss dem Sachverständigen sagen, ob und ggfs. welche Unfälle das Fahrzeug bereits erlitten hat und auf welche Weise die früheren Schäden repariert worden sind. Auf eine solche Aufklärung kann grundsätzlich auch dann nicht verzichtet werden, wenn das frühere Unfallereignis einen anderen Fahrzeugbereich betraf, da auch ein ordnungsgemäß reparierter Vorschaden für die Ermittlung des merkantilen Minderwertes und die Bestimmung von Wiederbeschaffungswert und Restwert von Bedeutung sind.

cc)

Nach § 254 BGB führt eine Obliegenheitsverletzung allerdings nur dann zu einer Beeinträchtigung des Anspruches, wenn und soweit sie sich auf den Schadensumfang ursächlich ausgewirkt hat (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. § 254 Rdn. 12). Ein Aufklärungsmangel kann danach nur dann den Verlust des Erstattungsanspruchs bewirken, wenn er zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens geführt hat.

d)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Gutachterkosten.

aa)

Der Kläger hat den Sachverständigen B. nicht ausreichend über die Vorschäden aufgeklärt und damit seine Obliegenheiten verletzt. Er hätte bereits bei Auftragserteilung auf die vier Vorschadensereignisse, nämlich die Schäden vom 21.04.2009 (an der linken hinteren Fahrzeugecke), vom 19.08.2010 (an den Felgen), vom 07.09.2010 (Frontschaden) und vom 08.04.2010 (Schäden an der linken Frontseite) hinweisen müssen. Der Kläger kann sich zu seiner Entlastung gegenüber den Beklagten auch nicht darauf berufen, dass ihn der Sachverständige nicht ausdrücklich nach Vorschäden befragt habe. Die Schäden waren von ihm auch ungefragt zu offenbaren (ebenso OLG München, Urteil vom 27. Januar 2006 - 10 U 4904/05 -, juris Rn. 44).

bb)

Die Obliegenheitsverletzung hat auch zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens geführt.

Der Kläger hat auf der Grundlage des Gutachtens B. Netto-Reparaturkosten in Höhe von 9.774,02 € geltend gemacht. Tatsächlich gelangt das Gutachten B. zu dem Schluss, dass die Reparaturkosten (brutto 11.631,06 €) den Wiederbeschaffungswert (13.250,00 €) nicht überschreiten, so dass diese Art der Abrechnung zulässig war. Hätte der Gutachter um die Vorschäden gewusst, so hätte er allerdings nur einen geringeren Wiederbeschaffungswert ermitteln können. Mutmaßlich wäre er zu dem von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen C. geschätzten Betrag von 10.500,00 € gelangt. Dann aber hätte nach dem 4-Stufen-Modell (Vgl. Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, juris-PK Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB Rdn. 114) ein Ü-100 Fall vorgelegen, der dem Kläger allein eine konkrete Abrechnung auf Reparaturkosten-Basis ermöglicht hätte. Zur Begründung des geltend gemachten Sachschadens taugte das Gutachten B. also gerade infolge der fehlenden Aufklärung nicht.

cc)

Es kommt daher nicht darauf an, ob die Reparaturkostenkalkulation selbst durch das Verschweigen der Vorschäden beeinflusst worden ist oder nicht. Ohne Zweifel haben die meisten der von dem Sachverständigen C. vorgenommenen Abzüge andere Gründe und beruhen nicht auf der Obliegenheitsverletzung des Klägers. Immerhin hat der gerichtlich bestellte Gutachter die Kosten für Reifen und Felge vorne rechts deshalb in seiner Kalkulation unberücksichtigt gelassen, weil " die Felge ...stark vorschadensbelastet und insofern bereits vor dem in Rede stehenden Unfall erneuerungsbedürftig" war.

2.

Mangels weitergehender Hauptforderung steht dem Kläger auch der weiter gehende Zinsanspruch nicht, §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug: 949,10 €.

Lukas Jozefaciuk