LG Münster, Urteil vom 14.09.2018 - 08 O 188/16
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.848,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.04.2016 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 139,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 70 % und den Beklagten zu 30 % auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 125 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 19.01.2016 gegen 18:40 Uhr bei Dunkelheit in W ereignete. Das gegnerische Fahrzeugespann wurde von dem Beklagten zu 1) geführt und dem Beklagten zu 2) gehalten und war bei der Beklagten zu 3) pflichthaftpflichtversichert.
Der Unfall ereignete sich, als die Klägerin mit ihrem Pkw, einem G, auf der B... in Fahrtrichtung C1 fuhr. Der Beklagte zu 1) hatte an seinem Fahrzeuggespann das Licht einschließlich der Begrenzungsleuchten sowie das Warnblinklicht eingeschaltet, so dass die Klägerin das Beklagtengespann bereits von Weitem wahrnehmen konnte und auch die Geschwindigkeit reduzierte. Es kam zur Kollision, wobei am Kollisionsort eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h galt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2016 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3) unter Fristsetzung bis zum 13.04.2016 zur Regulierung auf.
Die Klägerin behauptet: Der Beklagte zu 1) habe mit dem Beklagtenfahrzeug einschließlich Anhänger auf der Gegenfahrbahn, jedoch in ihre Fahrtrichtung gestanden. Als die Klägerin auf Höhe des Beklagtenfahrzeugs gewesen sei, sei der Beklagte zu 1) plötzlich und für die Klägerin unerwartet rückwärts gefahren und sodann auf ihre Fahrbahn abgebogen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie mit etwa 50 km/h gefahren. Der Beklagte zu 1) habe offensichtlich umdrehen wollen. Sie habe noch erfolglos versucht, den Zusammenstoß durch ein Ausweichen in die Bushaltebucht zu vermeiden. Die linke Seite ihres Pkw sei sodann mit der Rückseite des Aufliegers kollidiert. Infolge des Zusammenstoßes habe sie eine Prellung des rechten Thorax und der rechten Lumbalregion erlitten und sei vom 20.01.2016 bis zum 27.01.2016 arbeitsunfähig gewesen.
Mit der Klage macht die Klägerin neben einem Schmerzensgeld (Klageantrag zu 2)) und dem Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3)) Ersatz ihrer materiellen Schäden geltend, und zwar folgende, zwischen den Parteien unstreitige Positionen:
Wiederbeschaffungswert von 6.900 EUR abzüglich Restwert von 3.150 EUR,
Sachverständigenkosten 838,06 EUR,
Abschleppkosten 226,10 EUR,
Mietwagenkosten 556,92 EUR,
Zulassungskosten Neufahrzeug 148,75 EUR,
Kostenpauschale 25 EUR,
Summe: 5.544,83 EUR.
Die Klägerin beantragt mit der den Beklagten am 19.07.2016 zugestellten Klage,
1) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.544,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2016 zu zahlen,
2) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 800 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 337,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten: Der Beklagte zu 1) habe zunächst auf der Fahrbahn der Klägerin und in ihrer Fahrtrichtung gestanden, und zwar in einem Abstand von etwa einem Meter zum Fahrbahnrand. Er habe dann rückwärts auf den Parkplatz abbiegen wollen, der sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Er habe zwei bis drei Versuche gebraucht, um sein Gespann in die Einfahrt zu positionieren. Er habe dann mit dem Gespann über beide Fahrbahnen quer zur Fahrtrichtung gestanden, das Führerhaus habe jedoch noch parallel zur Straße gestanden. Die Klägerin habe nicht die Räumung der Fahrbahn durch das für sie bereits von Weitem erkennbare Beklagtengespann abwarten wollen. Sie habe die Fahrbahn verlassen und habe über die Bushaltebucht an dem Beklagtengespann vorbeifahren wollen. Sie sei dann mit dem Gespann auf dessen rechter Seite, nämlich mit der Sattelzugmaschine hinter dem Führerhaus, kollidiert. Der Unfall sei für den Beklagten zu 1) unvermeidbar gewesen.
Das Gericht hat die Klägerin und den Beklagten zu 1) angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C2 sowie - auf Grundlage des Beschlusses vom 14.08.2017 (Bl. 112 f. d.A.) - durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörungen sowie der Beweiserhebung wird verwiesen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.03.2017 (Bl. 74 ff. d.A.) und 28.07.2017 (Bl. 98 ff. d.A.). sowie das Gutachten des Sachverständigen T vom 05.06.2018 (Bl. 135 ff. d.A.). Die Ermittlungsakte des Kreises C3 (Az. ... ...# ...# ...# ...) war beigezogen.
Gründe
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
Der Klageantrag zu 1) ist lediglich teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.848,28 EUR als Ausgleich ihrer materiellen Schäden aus §§ 7, 17 Abs. 2 und 3, 18 Abs. 1 und 3 StVG, §§ 823 ff BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VVG, § 1 PflVG.
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist zur Überzeugung des Gerichts von folgendem Unfallhergang auszugehen: Als die Klägerin sich der späteren Unfallstelle näherte, war der Beklagte zu 1) bereits dabei begriffen, mit seinem in Fahrtrichtung der Klägerin ausgerichteten Gespann rückwärts in eine Einfahrt auf der - von der Klägerin aus gesehen - linken Straßenseite einzufahren. Dabei hatte der Beklagte zu 1) neben dem Abblendlicht das Warnblinklicht an dem Gespann eingeschaltet, das Gespann war zudem durch die eingeschalteten Seitenleuchten beleuchtet. Der Beklagte zu 1) rangierte mehrfach vor und zurück, wobei sich die Zugmaschine jedenfalls nahezu vollständig noch auf der klägerischen Fahrbahn befand. Die Klägerin, für die das Gespann bereits von weitem sichtbar war, reduzierte aufgrund der aus ihrer Sicht unklaren Verkehrssituation ihre Geschwindigkeit. Sie versuchte, an dem rangierenden Beklagtengespann unter Nutzung der aus ihrer Seite rechts neben der Fahrbahn befindlichen Bushaltebucht vorbeizufahren. Hierbei kam es zur Kollision zwischen der linken Seite des klägerischen Pkw und der rechte Seite des Aufliegers des Beklagtengespanns.
2. Diese Feststellungen beruhen zunächst auf dem eingeholten Sachverständigengutachten, dessen Ausführungen sich das Gericht vollumfänglich zu eigen macht.
Der Sachverständige verfügt gerichtsbekannt über die erforderliche Sachkunde in Fragen der Unfallrekonstruktion, seine Ausführungen sind verständlich und nachvollziehbar, die Beweisfragen hat er erschöpfend und unter gründlicher Auswertung der Gerichtsakte wie auch der beigezogenen Gerichtsakte beantwortet.
Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass der von der Klägerin behauptete Unfallablauf nicht plausibel sei. Aus den dokumentierten Beschädigungen der beteiligten Kraftfahrzeuge hat der Sachverständige auf eine spitze Anstoßkonfiguration geschlussfolgert, wobei der klägerische Pkw mit seiner linken Flanke am mittleren Seitenbereich des Aufliegers entlanggestreift sei. Ginge man jedoch davon aus, dass die Klägerin zunächst ordnungsgemäß auf ihrer Fahrspur gefahren sei und berücksichtige man die festgestellte Anstoßkonfiguration, dann habe sich das von dem Beklagten zu 1) geführte Gespann im Kollisionszeitpunkt auf der rechten Fahrbahnhälfte oder noch daneben, zum Teil auf der Bushaltebucht, befunden. Dabei habe das Beklagtengespann die Kollisionsposition nur erreichen können, wenn es im Rahmen einer Bogenfahrt rückwärts fuhr und sich vor der Kollision nahezu vollständig auf der rechten Fahrbahnhälfte befunden habe. Wäre die von der Klägerin behauptete Ausgangslage des Beklagtengespanns unmittelbar vor der Kollision, nämlich auf der aus ihrer Sicht linken Fahrbahn, zutreffend, dann habe das Beklagtengespann nicht im Rahmen einer Rückwärtsfahrt die Kollisionsposition erreichen können, sondern hätte sich zunächst vorwärts bewegen müssen, was die Klägerin jedoch selbst nicht vortrage.
Die von der Klägerin geschilderte Ausgangsposition sei auch nicht plausibel, wenn man voraussetze, dass der Beklagten zu 1) aus seiner Sicht rückwärts nach links einbiegen wollte. Es sei aus technischer Sicht nicht darstellbar, dass sich das Beklagtengespann unmittelbar vor der Kollision, d.h. in einem unfallrelevanten Zeitraum von etwa zwei bis vier Sekunden vor der Kollision, vollständig auf der linken Fahrbahnhälfte befunden und sich dann im Rahmen einer Rückwärtsfahrt auf die rechte Fahrbahnhälfte bewegt habe.
Demgegenüber könnten die Angaben des Beklagten zu 1) aus technischer Sicht mit der Anstoßkonfiguration in Einklang gebracht werden. Die Anstoßkonfiguration können widerspruchsfrei in die Unfallörtlichkeit eingebunden werden, wenn man voraussetze, dass sich das Beklagtengespann in dem Zeitraum von etwa zwei bis vier Sekunden vor der Kollision größtenteils auf der Fahrbahnhälfte der Klägerin befand. Eine solche Ausgangsposition sei im Hinblick auf den beabsichtigten Abbiegevorgang auch praxisnah.
Ergänzend zu den sachverständigen Feststellungen weist das Gericht darauf hin, dass sich dem klägerischen Vortrag und den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (s. insbesondere auch die von der Klägerin gefertigte Skizze wie Bl. 82 d.A.) zufolge das Beklagtengespann nicht nur vollkollisionär auf der aus Sicht der Klägerin linken Fahrbahnhälfte befand, sondern zudem dann aus Sicht der Klägerin nach rechts und nicht etwa nach links zurücksetzte. Die an dem Beklagtengespann dokumentierten Schäden auf der rechten Seite des Aufliegers schließen einen solchen Ablauf aus.
Die Feststellungen des Sachverständigen werden bestätigt durch die Zeugen C2. Diese haben übereinstimmend bekundet, dass der Beklagte zu 1) rückwärts aus seiner Sicht nach links von der Straße abfahren wollte, dann mehrfach rangierte und über beide Fahrspuren stand, wobei sich die Zugmaschine jedenfalls auch auf der Fahrspur der Klägerin befunden habe. Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft. Die Zeugen machten nachvollziehbare und widerspruchsfreie Angaben ohne erkennbare Belastungstendenz, wobei sie sich auch durchaus erinnerungskritisch zeigten.
3. Da vorliegend der Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde, wobei der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter - nämlich der Klägerin - entstanden ist, hängt die Schadensersatzverpflichtung sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dasselbe gilt gem. § 18 Abs. 3 StVG für die Haftung des Beklagten zu 1) als Fahrzeugführer des Beklagtengespanns. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind dabei unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren nur unstreitige oder zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jede Seite hat dabei die Umstände zu beweisen, die der Gegenseite zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will.
a) Dem Beklagten zu 1) ist ein schuldhafter Verursachungsbeitrag zur Last zu legen. Er wollte bei Dunkelheit mit dem von ihm geführten Gespann rückwärts nach links auf den dortigen Parkplatz / Wirtschaftsweg abbiegen. Gemäß § 9 Abs. 5 StVO musste er sich hierbei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war.
Die Wendung, dass die Gefährdung eines anderen "ausgeschlossen" ist, ist nicht wörtlich im Sinne einer reinen Erfolgshaftung für eine Gefährdung zu verstehen. Sie bedeutet vielmehr, dass dem Fahrzeugführer zwar das Äußerste an Sorgfalt, insbesondere gegenüber dem fließenden Verkehr, auferlegt wird, doch wird nichts Unmögliches, keine absolute Unvermeidbarkeit eines Unfalls, verlangt. Der anzulegende Maßstab muss menschlichem Vermögen und den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst sein. Ein Unfall kann nicht als Beweis dafür gelten, dass die äußerste Sorgfaltspflicht nicht gewahrt wurde (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 10 StVO Rn. 7).
Im Falle eines bei Dämmerung oder Dunkelheit rückwärts auf die gegenüberliegende Straßenseite abbiegenden Lastkraftwagens folgt hieraus allerdings die Notwendigkeit, das Fahrmanöver durch Einschalten des Warnblinklichts und durch Aufstellen von Warndreiecken oder mittels einer warnenden Person abzusichern (vgl. OLG München, Urteil vom 07. Oktober 2016 - 10 U 726/16 -, Rn. 5, zitiert nach juris). Dies hat auch vorliegend zu gelten. Der Beklagte zu 1) hatte seinen eigenen Angaben zufolge das klägerische Fahrzeug in seinem linken Seitenspiegel in weiter Ferne wahrgenommen und dann die Warnblinkanlage eingeschaltet, wobei zudem die Beleuchtung an dem Beklagtengespann einschließlich der Seitenbeleuchtung eingeschaltet war. Seinen weiteren Angaben zufolge ging er dann davon aus, dass die Führerin des von ihm in der Ferne wahrgenommenen Fahrzeugs - die Klägerin - vorsichtig sein und anhalten würde, weshalb er nicht weiter auf sie geachtet habe. Auch habe er sie infolge des Rangiermanövers nicht mehr im Spiegel sehen können. Unabhängig davon, dass das Beklagtengespann infolge der einschalteten Beleuchtung und der eingeschalteten Warnblinkanlage bereits von Weitem zu sehen gewesen war, hätte es die äußerste Sorgfalt von dem Beklagten zu 1) verlangt, bei einem derartigen Rangiermanöver bei Dunkelheit auf einer Bundesstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sicherzustellen, dass die herannahenden Pkw tatsächlich anhalten. Da er selbst nicht darauf achtete und wohl auch nicht wahrnehmen konnte, ob das klägerische Fahrzeug anhielt, hätte er sich hierüber zunächst vergewissern müssen, etwa durch die Mithilfe einer absichernden Person. Standen ihm eine solche absichernde Person oder sonstige absichernde Vorkehrungen nicht zur Verfügung, hätte er von dem Rangiermanöver Abstand nehmen müssen.
Da der Beklagte zu 1) nicht die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtete, wurde der Unfall aus seiner Sicht auch nicht durch ein unabwendbares Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 StVG verursacht; ferner ist die Ersatzpflicht des Beklagten zu 1) auch nicht gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ausgeschlossen, da der Schaden, wie ausgeführt, durch sein Verschulden verursacht wurde.
b) Der Klägerin ist als schuldhafter Verursachungsbeitrag ein deutlicher Reaktionsverzug und damit ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last zu legen.
Ihren eigenen Angaben zufolge sah sie schon von Weitem das Beklagtengespann mit dem eingeschalteten Warnblinklicht, ferner auch den Pkw der Zeugen C2. Sie ging dann nach ihren Angaben davon aus, dass eventuell Wild die Straße überqueren oder etwas auf der Fahrbahn liegen könnte. Dabei reagierte die Klägerin zunächst angemessen auf die aus ihrer Sicht unklare Verkehrssituation, indem sie ihre Geschwindigkeit erheblich herabsetzte. Entgegen ihren Angaben ist allerdings festgestellt, dass sich das Beklagtengespann nicht auf der Gegenfahrbahn, sondern jedenfalls zu einem erheblichen Teil auf ihrer Fahrbahn befand. Vor diesem Hintergrund wäre es zwingend erforderlich gewesen, zum Stillstand abzubremsen und die Weiterentwicklung der aus ihrer Sicht unklaren Verkehrssituation abzuwarten. Hierdurch wäre die Kollision vermieden worden.
c) Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist dem Beklagten zu 1) ein Haftungsanteil von 1/3 zuzuweisen. Beide Unfallgegner haben nicht nur objektive Verursachungsbeiträge geliefert, sondern dies auch jeweils schuldhaft (fahrlässig) getan. Zwar wiegen Verstöße gegen § 9 Abs. 5 StVO, wie hier vom Beklagten zu 1) begangen, regelmäßig schwerer als Verstöße des Unfallgegners gegen das Gebot des Fahrens mit der erforderlichen Aufmerksamkeit (s. etwa OLG München, Urteil vom 07. Oktober 2016 - 10 U 726/16, Rn. 13, zitiert nach juris). Allerdings überschreitet vorliegend das eklatante Versagen der Klägerin das Maß des auf Beklagtenseite gegebenen Verschuldens: Obwohl die Klägerin die unklare Verkehrssituation schon von Weitem erkannt hatte und obwohl ihre Fahrbahn teilweise durch das rangierende und Warnsignale gebende Beklagtengespann versperrt war, unternahm sie den Versuch, am Beklagtengespann vorbeizufahren. Dass sich die höhere Betriebsgefahr des Beklagtengespanns beim Unfallgeschehen zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Unter Anwendung der vorgenannten Haftungsquote schuldet die Beklagtenseite der Klägerin Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.848,28 EUR, nämlich eines Drittels des zwischen den Parteien unstreitigen materiellen Schadens in Höhe von 5.544,83.
II.
Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden, insbesondere auch nicht auf der unter I. bezeichneten Haftungsgrundlage.
Zwar haben die Beklagten, wie ausgeführt, mit einer Quote von 1/3 für die Folgen des Verkehrsunfalls einzustehen. Es steht jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin infolge des Unfalls die von ihr vorgetragenen Verletzungen erlitten hat.
Beim Ausgleich für angeblich unfallbedingte Verletzungen ist zwischen dem Nachweis, dass der Unfall zu einer Primärverletzung und damit zu einer Körperverletzung der Klägerin geführt hat (haftungsbegründende Kausalität) und der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und den weiter eingetretenen Schäden (haftungsausfüllende Kausalität) zu unterscheiden. Der Nachweis des Haftungsgrundes unterliegt den strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert dabei keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet (BGH NJW 2003, 1116, 1117).
Zum Beweis für die von ihr behaupteten Primärverletzung (Prellung des rechten Thorax sowie der rechten Lumbalregion) hat die Klägerin lediglich diverse ärztliche Atteste vorgelegt. Ärztliche Atteste, die lediglich die Darstellung des Betroffenen wiedergeben oder in der Sache nur eine Verdachtsdiagnose darstellen, können allein diese Überzeugung aber nicht rechtfertigen. Insoweit bedarf es regelmäßig medizinischer und technischer Beratung durch Sachverständige, deren tatsächliche Grundlagen rechtzeitig zu sichern sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 28. Februar 2008 - 4 U 238/06 -, Rn. 13, zitiert nach juris). Anders als das substanzarme Attest der Ärztin L, die die Klägerin dem Attest zufolge an einen Orthopäden überwies, äußert sich das Attest des M vom 11.02.2016 (Bl. 34 d.A.) auch zu Untersuchungsergebnissen und endet mit einer Diagnose. Eine begründete Feststellung dazu, dass die von ihm festgestellten Beschwerden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind - und nicht etwa auf Vorerkrankungen -, enthält das Attest jedoch nicht. Weiteren Beweis, insbesondere Sachverständigenbeweis, hat die Klägerin nicht angetreten.
III.
Der Klageantrag zu 3) ist lediglich teilweise begründet. Die Beklagten schulden der Klägerin auf der unter I. bezeichneten Haftungsgrundlage Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Kosten der erforderlichen Rechtsverfolgung. Diese belaufen sich allerdings lediglich auf 139,83 EUR bei Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 1.848,28 EUR und einer 0,65 Geschäftsgebühr nebst Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer.
IV.
Die geltend gemachten Zinsen schulden die Beklagten aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
VI.
Der Streitwert wird auf 6.344,83 EUR festgesetzt.
Unterschrift