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VG Schwerin, Beschluss vom 29.04.2016 - 4 B 109/16 SN

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 6.250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. über einen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Entziehung eingelegten Widerspruchs.

Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, BE, C1E, CE, L und T.

Am 30.12.2010 verwarnte die Antragsgegnerin den Antragsteller, diesem zugestellt am 04.01.2011, schriftlich gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG a.F. wegen des Erreichens von acht Punkten im Verkehrszentralregister (nachfolgend VZR) nach damaligem Punktesystem. Zugleich wies sie ihn auf die Möglichkeit der Punktereduzierung durch eine freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Außerdem wies sie unter Angabe der jeweiligen Punkteschwelle auf die bei weiterem Ansteigen des Punktestandes von ihr zu ergreifenden Maßnahmen (Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar, Fahrerlaubnisentziehung) hin. Der Verwarnung war eine Punkteübersicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 25.07.2013 teilte das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend KBA) der Antragsgegnerin mit, dass für den Antragsteller zehn Punkte im VZR gespeichert seien.

Wegen des – nach zwischenzeitlichem Punkteabbau – erneuten Punkteanstiegs auf nunmehr 10 Punkte im VZR nach damaligem Punktesystem verwarnte die Antragsgegnerin den Antragsteller am 06.08.2013, diesem zugestellt am 07.08.2013, erneut schriftlich gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG a.F. Sie wies ihn auf die Möglichkeit der Punktereduzierung durch eine freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Außerdem wies sie unter Angabe der jeweiligen Punkteschwelle auf die bei weiterem Ansteigen des Punktestandes von ihr zu ergreifenden Maßnahmen (Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar, Fahrerlaubnisentziehung) hin. Der Verwarnung war eine Punkteübersicht beigefügt.

Die für den Antragsteller nach erneutem Punkteabbau im VZR erfassten acht Punkte rechnete das KBA im Rahmen der Novellierung des Straßenverkehrsgesetzes gem. § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG (n.F.) zum 01.05.2014 in vier Punkte im Fahreignungsregister (nachfolgend FAER) nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem um.

Mit Schreiben vom 20.03.2015 teilte das KBA der Antragsgegnerin mit, dass für den Antragsteller nunmehr sieben Punkte im FAER gespeichert seien.

Daraufhin verwarnte sie den Antragsteller am 30.03.2015, diesem zugestellt am 07.04.2015, schriftlich wegen des Erreichens von sieben Punkten im FAER nach neuem Fahreignungs-Bewertungssystem gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StVG. Zugleich wies sie ihn auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem freiwilligen Fahreignungsseminar und darauf hin, dass bei Erreichen eines Punktestandes von acht Punkten die Fahrerlaubnis zu entziehen sei.

Mit Schreiben vom 24.11.2015 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur bevorstehenden Fahrerlaubnisentziehung wegen des Erreichens von nunmehr acht Punkten an. Dem Schreiben war folgende Punkteaufstellung beigefügt:

Mit Bescheid vom 21.12.2015 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis. Dieser sei wegen des Erreichens von acht Punkten ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dem Bescheid war die gleiche Punktaufstellung wie dem Anhörungsschreiben beigefügt. Rechtsgrundlage sei § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG. Gem. § 4 Abs. 9 StVG hätten Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 20.01.2016 Widerspruch.

Am gleichen Tage hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor:

Die Antragsgegnerin habe Eintragungen berücksichtigt, die wegen der teilweisen Abkehr vom „Tattagprinzip“ nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.

Die Antragsgegnerin habe den vierstufigen Maßnahmekatalog (Vormerkung, Ermahnung, Verwarnung, Fahrerlaubnisentziehung) nicht eingehalten. Nach der Umrechnung von acht Punkten im VZR auf vier Punkte im FAER wäre eine Ermahnung dringend notwendig gewesen. Diese sei nicht erfolgt.

Zudem hätte sie ihn wesentlich früher verwarnen müssen. Dies gelte schon für die vor der Novellierung des StVG bei Erreichen eines Punktestandes von acht und 10 Punkten im VZR erfolgten Verwarnungen, insbesondere aber für die nach der Novellierung des StVG erst bei Erreichen eines Punktestandes von sieben Punkten im FAER durchgeführte Verwarnung. Er habe bereits seit dem 03.03.2014 einen Punktestand von sechs Punkten erreicht. Es sei unklar, warum eine Verwarnung erst ein Jahr später bei Erreichen von sieben Punkten erfolgt sei. Gesetzlich sei eine zeitnahe Verwarnung bei Erreichen eines Punktestandes von sechs Punkten vorgesehen. Die Antragsgegnerin habe bei ihm so einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Hätte sie ihn bei Erreichen von sechs Punkten verwarnt, hätte er die Möglichkeit gehabt, sein Verhalten entsprechend einzurichten. Er hätte dann einen Punktestand, der eine Fahrerlaubnisentziehung rechtfertigt, nie erreicht. Daher sei er so zu behandeln, als ob für ihn fünf Punkte im FAER verzeichnet wären.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20.01.2016 gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragsgegnerin vom 21.12.2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer Begründung aus dem Verwaltungsverfahren vertiefend vor:

In § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1-3 StVG seien nur drei Stufen vorgesehen. Dies müssten kumulativ ergriffen werden, sobald sich der darin benannte Punktestand für den Betroffenen ergebe. Sie habe mit den Verwarnungen vom 30.12.2010, 06.08.2013 und 30.03.2015 alle erforderlichen Maßnahmen durchgeführt. Die Möglichkeit des Punkteabbaus durch eine freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar habe der Antragsteller trotz entsprechender Hinweise in den ersten beiden Verwarnungen nicht genutzt. Bei der im Rahmen der StVG-Novellierung erfolgten Umstellung sei gem. § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG keine Ermahnung erforderlich gewesen.

II.

1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Rechtsgrundlage der gesetzlich geregelten sofortigen Vollziehbarkeit ist § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 9 StVG. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Der Erfolg eines solchen Antrags in der Sache hängt vom Ausgang einer Interessenabwägung ab. Das Gericht hat dabei eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, wobei alle in der Sache betroffenen Interessen zu berücksichtigen sind. Regelmäßig werden die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, als erstes Kriterium herangezogen. Denn es kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines eindeutig rechtswidrigen Verwaltungsakts bestehen, während umgekehrt der Bürger grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse haben kann, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, sofern ein öffentliches Interesse daran besteht, diesen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offen, so ist eine Interessenabwägung erforderlich, die auch gesetzgeberische Entscheidungen zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit mit gewichtet.

Danach kann vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nicht erfolgen. Denn die streitbefangene Verfügung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig; die gerichtliche Ermessensentscheidung fällt im Sinne einer Bestätigung der sofortigen Vollziehbarkeit aus.

a) Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG. Danach gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis bei Erreichen eines Punktestandes von acht oder mehr Punkten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen. Vorliegend hat der Antragsteller einen Punktestand von acht Punkten erreicht.

aa) Nach dem in § 4 Abs. 5 S. 5, 7 StVG geregelten Tattagprinzip hat die Antragsgegnerin für das Ergreifen der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Tat ergeben hat und spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen unberücksichtigt zu lassen. Zum Zeitpunkt der letzten hier maßgeblichen Tat vom 03.07.2015 hatte der Antragsteller einen Punktestand von sieben Punkten. Die Tat vom 03.07.2015 wurde mit einem Punkt bewertet. Die in der Punkteübersicht aufgeführten bis zum 01.05.2014 gespeicherten Entscheidungen waren zu berücksichtigen, da diese am hier maßgeblichen Tattag noch nicht zu tilgen waren. Die älteste berücksichtigte Entscheidung über die Tat vom 21.06.2010, Unanfechtbarkeit der Entscheidung seit 19.11.2010, war erst am 19.10.2015 zu tilgen. Nach dem gem. § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG auf die vor dem 01.04.2014 gespeicherten Entscheidungen anwendbaren § 29 Abs. 6 S. 1 StVG a.F. haben die nachfolgenden Taten die Tilgung bis zum Ablauf des in § 29 Abs. 6 S. 4 StVG a.F. vorgesehenen „Maximalzeitraumes“ von fünf Jahren gehemmt. Für die nach der Tat vom 21.06.2010 begangenen und vor dem 01.05.2014 gespeicherten Taten gilt dies erst Recht. Die älteste ab dem 01.05.2014 gespeicherte Tat vom 03.03.2014, Unanfechtbarkeit der Entscheidung 19.11.2014, ist gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. b, Abs. 4 Nr. 3 StVG am 19.11.2019 zu tilgen. Die Tilgungsfrist der zeitlich späteren Tat vom 19.11.2014, Unanfechtbarkeit der Entscheidung 07.03.2015, läuft dagegen gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 4 Nr. 3 StVG schon am 07.09.2019 ab.

bb) Der Punktestand war auch nicht gem. § 4 Abs. 6 S. 3 StVG zu reduzieren. Denn eine Maßnahme der Stufen 1 i.S.d. §§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG in der Form des damals geltenden § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG a.F. ist bereits mit der Verwarnung vom 06.08.2013 ergriffen worden. Abzustellen ist hier wegen des erneuten Erreichens eines Punktestandes nach vorheriger Tilgung, der eine Maßnahme der Stufe 1 nach sich zieht, auf die jüngste ergriffene Maßnahme der Stufe 1 und nicht auf das erstmalige Ergreifen einer Maßnahme der Stufe 1, nämlich die am 30.12.2010 erfolgte Verwarnung gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG a.F. Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass die Maßnahme der Stufe 1 noch nach § 4 Abs. 3 StVG a.F. erfolgte und nicht vollständig identisch ist mit der des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG. Denn der mit ihr verfolgte Sinn und Zweck, den Betroffenen bei Erreichen einer bestimmten Punktestufe zu warnen und zur Beachtung der bestehenden Verkehrsregeln anzuhalten, ist identisch geblieben. Deswegen führt die Einordnung der Punkte aus dem VZR nach StVG a.F. in das Fahreignungs-Bewertungssystem nach StVG n.F. gem. § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Eine Maßnahme der Stufe 2 i.S.d. §§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG führte der Antragsgegner mit der schriftlichen Verwarnung vom 30.03.2015 durch.

cc) Soweit der Antragsteller anführt, dass das StVG vier Maßnahmestufen vorsehe, so findet sich dieser Gedanke nicht im StVG wieder. Zwar sieht § 4 Abs. 4 StVG bei Erreichen eines Punktestandes von einem bis zu drei Punkten eine Vormerkung des Fahrerlaubnisinhabers vor. Diese ist jedoch keine Maßnahmestufe des Fahreignungs-Bewertungssystems (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, 2015, § 4 StVG, Rn. 68). Sinn und Zweck der Vormerkung ist lediglich die Vorbereitung der in § 4 Abs. 5 S. 1 StVG genannten Maßnahmen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 StVG, wonach der Fahrerlaubnisinhaber mit der Speicherung der seinem Punktestand zu Grunde liegenden Entscheidungen für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorzumerken ist. Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems ist gem. § 4 Abs. 1 StVG der Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen. Zum anderen ergibt sich dies aus der Systematik des StVG. Zum Erreichen des in § 4 Abs. 1 StVG beschriebenen Schutzzieles sollen Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG ergriffen werden. Die Vormerkung des § 4 Abs. 4 StVG ist nicht als eine solche Maßnahme genannt. Auch § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG bezeichnet als Stufe 1 bis 3 lediglich die Maßnahmen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG und führt die Vormerkung lediglich ohne Vergabe einer „Stufenziffer“ davor auf. Eine Mitteilung an den Fahrerlaubnisinhaber über dessen Vormerkung hat nicht zu erfolgen (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O.).

dd) Soweit der Antragsteller meint, nach der Umrechnung von acht Punkten im VZR auf vier Punkte im FAER wäre eine Ermahnung dringend notwendig gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Aus § 65 Abs. 3 Nr. 4 letzter Satz StVG ergibt sich, dass die Einordnung der Punkte aus dem VZR nach StVG a.F. in das Fahreignungs-Bewertungssystem nach StVG n.F. allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führen. Allein bei einer Zuwiderhandlung, die zum erstmaligen Erreichen einer Maßnahmenstufe – nach altem wie nach neuem Recht – oder zum erneuten Erreichen dieser Stufe von „unten“ durch erneuten Punkteanstieg nach erfolgter Punktereduzierung führt, ist eine Maßnahme der entsprechenden Stufe zu ergreifen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 07.01.2015, Az. 11 CS 14.2653, juris, Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.04.2014, Az. 16 B 207/14, juris, Rn. 5; OVG Greifswald, Beschluss vom 21.06.2006, Az. 1 M 10/06, juris, Rn. 23; VG Regensburg, Beschluss vom 27.05.2015, Az. RN 8 S 15.677, juris, Rn. 16). Dieser Fall liegt hier aber nicht vor. Denn der Antragsteller hatte bereits bei Umrechnung am 01.05.2014 einen Punktestand von vier Punkten und damit einen solchen der Stufe 1 erreicht.

ee) Die Antragsgegnerin hätte den Antragsteller auch nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt verwarnen müssen. Gem. § 4 Abs. 5 S.1 Nr. 2 StVG ist der Fahrerlaubnisinhaber bei Erreichen von sechs oder sieben Punkten schriftlich zu verwarnen. Mag es auch wünschenswert sein, dass die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Fahrerlaubnisinhaber zeitnah und möglichst bei Erreichen der „Mindestpunkteschwelle“ der jeweiligen Stufe die entsprechend vorgesehene Maßnahme ergreift, so ergibt sich daraus jedoch keine gesetzliche Pflicht. Vielmehr lässt § 4 Abs. 5 S. 1 StVG der Fahrerlaubnisbehörde in den vorgegebenen Punktegrenzen einen gewissen Handlungsspielraum. Dies mag auch den Hintergrund haben, dass das KBA die Fahrerlaubnisbehörde nicht über jeden für den Fahrerlaubnisinhaber eingetragenen Punkt, sondern nur in gewissen Abständen informiert. So lag der Fall auch hier. Die Antragsgegnerin erlangte erst mit Mitteilung des KBA vom 20.03.2015 Kenntnis über die Speicherung von sieben Punkten für den Antragsteller. Eine Mitteilung des KBA über das Erreichen von sechs Punkten ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Verwarnungen vom 30.12.2010 und 06.08.2013 hätten nicht früher erfolgen müssen. Die Antragsgegnerin hat den in § 4 Abs. 3 S. 1 StVG a.F. vorgegebenen „Punkterahmen“ eingehalten. Danach war der Fahrerlaubnisinhaber zu verwarnen, wenn sich acht, aber nicht mehr als 13 Punkte ergaben. Vorliegend verwarnte die Antragsgegnerin ihn jeweils bei Erreichen von acht und zehn Punkten. Kenntnis vom Erreichen eines Punktestandes von 10 Punkten erlangte die Antragsgegnerin erst durch die Mitteilung des KBA vom 25.07.2013. Eine frühere Mitteilung über das erneute Erreichen der damaligen Punkteschwelle der Stufe 1 ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 6 S. 1 StVG. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme der nachfolgenden Stufe erst ergreifen, wenn sie die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe bereits ergriffen hat. Wie bereits oben dargestellt ist dies vorliegend der Fall.

b) Auch die gerichtliche Interessenabwägung ergibt die Bestätigung der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten des Sofortvollzuges. Angesichts der vorliegend dargestellten Umstände überwiegen die Interessen der Allgemeinheit und der Verkehrssicherheit, vor als ungeeignet erwiesenen Kraftfahrern geschützt zu werden, die privaten Interessen des Antragstellers, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiterhin als Führer eines Kraftfahrzeuges am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Ist – wie vorliegend – die Annahme der Nichteignung seitens des Antragsgegners gerechtfertigt, sind die sich aus der sofortigen Vollziehung der Entziehung für den Antragsteller ergebenden negativen Folgen beruflicher und persönlicher Art mit Blick auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und die Rechtsgüter Dritter von ihm hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2002, Az. 1 BvR 2062/96, NJW 2002, S. 2378, 2380).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG mit Blick auf § 6 Abs. 3 Nr. 1, 4, 5, 6 FeV (vgl. auch Nr. 46.1 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens ist der Hauptsachestreitwert zur Hälfte anzusetzen (vgl. auch Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Lukas Jozefaciuk