VG Minden, Urteil vom 27.07.2016 - 11 K 544/14
Tenor
Der Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 wird aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger beantragten am 06.05.2010 die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-82 E2 in C. X. , Gemarkung G. , Flur 1, Flurstück 2 (im Folgenden als WEA 40 bezeichnet), "hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und seiner Vereinbarkeit mit den militärischen Belangen und den Belangen des Luftverkehrs". Ausweislich des Antragsformulars war u.a. ein Turbulenzgutachten beigefügt. In den Verwaltungsvorgängen befindet sich auf diesem Gutachten ein Eingangsstempel vom 25.08.2010 (Bl. 12 BA I). Das Gutachten der F2E vom 23.02.2010 bestätigt die Standsicherheit der von den Klägern geplanten Anlage unter Berücksichtigung von standortspezifischen detaillierten Lastrechnungen der Enercon.
Nachdem der Beklagte sie mit Schreiben vom 12.05.2010 darauf hingewiesen hatte, dass die Unterlagen mit Blick auf die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens unvollständig seien, legten die Kläger am 25.08.2010 eine Umweltverträglichkeitsstudie und eine Schallimmissionsprognose vor.
Die Beigeladene beantragte unter dem 29.06.2010 - ebenfalls für eine Anlage Enercon E-82 E2, im Folgenden: WEA 26 - eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für einen ca. 207 m südwestlich der WEA der Kläger gelegenen Standort und reichte am 14.09.2010 ein Turbulenzintensitätsgutachten ein, das die von den Klägern geplante Anlage nicht berücksichtigte. Unter dem 11.10.2010 hörte der Beklagte die Beigeladene zu seiner Absicht an, den Antrag abzulehnen, weil der Anlagenstandort außerhalb einer ausgewiesenen Windvorrangzone liege. Nach weiterem Schriftwechsel beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 25.05.2012, das Verfahren bis auf Widerruf ruhend zu stellen.
Den Vorbescheidsantrag der Kläger hatte der Beklagte mit Bescheid vom 15.03.2011 abgelehnt, weil der Standort der WEA 40 ebenfalls außerhalb einer ausgewiesenen Windvorrangzone lag. Im Rahmen der gegen den Ablehnungsbescheid erhobenen Anfechtungsklage wiesen die Kläger darauf hin, dass es sich bei dem vorgesehenen Standort "um den aus Turbulenzintensitätsgründen letzten möglichen Windenergieanlagenstandort" handele (Schriftsatz vom 05.04.2011 im Klageverfahren 11 K 762/11, Bl. 59 BA I). Der Ablehnungsbescheid wurde vom Beklagten im Rahmen dieses Klageverfahrens aufgehoben, nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines anderen Verfahrens festgestellt hatte, dass die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB durch die im Flächennutzungsplan der Stadt X. ausgewiesenen Vorrangzonen nicht eingetreten ist (Urteil vom 20.11.2012 - 8 A 430/10 -).
Mit Schreiben vom 09.05.2013 erklärten die Kläger, dass auch die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit (Schall und Schattenschlag) sowie die Zulässigkeit unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten festgestellt werden solle (Bl. 159 BA I). Mit Schreiben vom 10.05.2013 teilten sie mit, dass zum Schutz der örtlichen Rotmilanpopulation über den Betrieb tagsüber (Morgendämmerung bis Sonnenuntergang) in der Zeit vom 01.03. bis 31.07. eines Jahres nicht entschieden werden solle.
Das Bauamt des Beklagten führte in einer internen Stellungnahme vom 24.06.2013 aus, mit dem Gutachten der F2E aus Februar 2010 sei der erforderliche Nachweis, dass eine Gefährdung der Standsicherheit nicht bestehe, erbracht. Damit sei der Aspekt der Turbulenzen im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen abschließend berücksichtigt; weiterer Nachweise bedürfe es "bezogen auf den beantragten Anlagentyp mit zugehöriger Typenstatik" nicht.
Unter dem 17.07.2013 erteilte der Beklagte den Klägern einen "Vorbescheid hinsichtlich der planungs- und immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit, der Vereinbarkeit mit den militärischen Belangen und den Belangen des Luftverkehrs sowie der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit nur in Bezug auf die Turbulenzintensität". Unter Bezugnahme auf den Antrag der Kläger vom 06.05.2010 und dessen Ergänzung vom 09.05.2013 stellt der Bescheid im Tenor fest, dass "die Genehmigungsvoraussetzungen bzgl. der
- planungsrechtlichen Zulässigkeit - mit der Einschränkung: Im Zeitraum 01.03. bis 31.07. eines Jahres nur in der Zeit von Sonnenuntergang bis Morgendämmerung -,
- Vereinbarkeit mit den militärischen Belangen,
- Belange des Luftverkehrs,
- Immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit (Schall, Schattenwurf) und
- Turbulenzintensität"
für den Anlagenstandort vorliegen.
Die Anträge vom 06.05.2010 und 09.05.2013 wurden ebenso wie das Turbulenzgutachten vom 23.02.2010 unter "II. Antragsunterlagen" zum Bestandteil des Vorbescheides und bestimmend für dessen Inhalt und Umfang erklärt. Unter "Hinweise" wird ausgeführt, dass mit dem Antrag auf Genehmigung die standortspezifischen Angaben und Nachweise zur Prüfung vorzulegen seien, z.B. Standsicherheitsnachweis und Turbulenzgutachten. Weiter heißt es: "Der Vorbescheid behandelt ausschließlich die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit der Baumaßnahme (Bebauungsgenehmigung). Die bauordnungsrechtlichen Belange waren nicht Gegenstand dieser Prüfung. Sie sind im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen."
Die Beigeladene erhob am 12.09.2013 Widerspruch gegen den den Klägern erteilten Vorbescheid mit der Begründung, ihr Genehmigungsantrag gehe deren Vorbescheidsantrag vor.
Das Widerspruchsschreiben der Beigeladenen wurde den Klägern unter dem 16.09.2013 "zu Ihrer Information" und unter Hinweis auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs übersandt. Bereits mit Schreiben vom 22.08.2013 hatte der Beklagte den Klägern auf eine entsprechende Anfrage mitgeteilt, dass betreffend die WEA 26 von der Beigeladenen ein Turbulenzgutachten angefordert worden sei, das die WEA 40 berücksichtige.
Mit Bescheid vom 21.01.2014 nahm der Beklagte den Vorbescheid vom 17.07.2013 insoweit zurück, als dieser "die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenzintensität feststellt". Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger hätten erst mit Schreiben vom 09.05.2013 ihren Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides dahingehend erweitert, dass auch die Zulässigkeit unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten festgestellt werden sollte. Das Turbulenzgutachten sei zwar bereits am 25.08.2010 bei ihm eingegangen; eine Änderung des Vorbescheidsantrags sei damit aber nicht verbunden gewesen. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Anlage im Hinblick auf die Turbulenzintensität hätte daher ohne Berücksichtigung der Anlage der Beigeladenen nicht getroffen werden dürfen, sodass der Vorbescheid rechtswidrig sei, soweit es die Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenzintensität feststelle. Bliebe es bei dem Vorbescheid, müssten die aus Gründen der Turbulenzintensität absehbar notwendigen Betriebsregelungen (Abschaltungen) von der Beigeladenen getroffen werden. Infolge der Teilrücknahme müssten diese Abschaltungen an der Anlage der Kläger vorgenommen werden.
Der Rücknahmebescheid wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 29.01.2014 zugestellt. - Der Beigeladenen wurde unter Hinweis auf den Rücknahmebescheid am 05.02.2014 ein stattgebender Widerspruchsbescheid erteilt.
Mit weiterem Bescheid vom 21.01.2014 erteilte der Beklagte der Rechtsnachfolgerin der Kläger auf deren Antrag vom 01.08.2013 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die WEA 40. Als Bedingung ist unter A) 3. die Vorlage eines die WEA 26 berücksichtigenden Turbulenzgutachtens enthalten. Die Festsetzung von nach diesem Gutachten evt. erforderlichen Betriebseinschränkungen, die "die Standsicherheit aller Anlagen im Einwirkbereich der Turbulenzen (...) gewährleisten" sollen, ist Gegenstand des Auflagenvorbehalts unter B) 1.). - Die Genehmigung wurde den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen am 07.02.2014 zugestellt (Bl. 128 BA I). Klage wurde nicht erhoben.
Die WEA 26 der Beigeladenen wurde ebenfalls unter dem 21.01.2014 immissionsschutzrechtlich genehmigt. Die Kläger bzw. deren Rechtsnachfolgerin erhoben hiergegen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Inzwischen liegen sowohl der Standort der WEA 26 der Beigeladenen als auch der Standort der WEA 40 der Kläger innerhalb einer im Flächennutzungsplan der Stadt C. X. ausgewiesenen Windvorrangzone.
Die Kläger haben am 25.02.2014 Klage gegen den Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 erhoben.
Außerdem hat die Rechtsnachfolgerin der Kläger am 21.02.2014 im Verfahren 11 K 494/14 Klage gegen die Nebenbestimmungen A) 3. und B) 1. der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 21.01.2014 erhoben.
Die Kläger machen geltend, nach der Rechtsauffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts sei auf einen Vorbescheidsantrag für Windenergieanlagen durch nachfolgend beantragte Anlagen in jedem Fall auch im Hinblick auf die mögliche Beeinträchtigung der Standsicherheit Rücksicht zu nehmen. Danach komme es vorliegend nicht darauf an, ob und wann die Feststellung der Zulässigkeit unter Turbulenzintensitäts- bzw. Standsicherheitsaspekten ausdrücklich beantragt worden sei. Unabhängig davon sei mit dem Vorbescheidsantrag aber ein Turbulenzgutachten in sechsfacher Ausfertigung vorgelegt worden, das alle zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Vorbelastungen durch bereits errichtete oder beantragte Anlagen berücksichtigt habe. Bei sachgerechter Auslegung erfasse der Vorbescheidsantrag damit auch die Feststellung der Zulässigkeit unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten. Erst im Laufe des Jahres 2013 hätten Gespräche mit dem Beklagten gezeigt, dass dieser in Bezug auf Turbulenzen eine ausdrückliche Antragstellung für geboten halte. Nur vor diesem Hintergrund sei der Antrag mit Schreiben vom 09.05.2013 ergänzt worden.
Soweit sie gegenüber dem Beklagten unter dem 15.04.2014 eine mögliche Standortverschiebung um 6 m in nördlicher Richtung angekündigt hätten, solle diese nur erfolgen, wenn sie auf die Anlage der Beigeladenen Rücksicht nehmen müssten (Bl. 35 BA II.
Während des gerichtlichen Verfahrens legten die Kläger zwei überarbeitete Turbulenzgutachten der F2E vor. Danach sind - auch unter Berücksichtigung der ermittelten effektiven Turbulenzintensitäten in Verbindung mit weiteren ermittelten Windbedingungen für standortspezifische Berechnungen der Betriebslasten der Anlagen durch den Hersteller - zur Gewährleistung der Standsicherheit der WEA 26 und der WEA 40 Betriebsbeschränkungen erforderlich, und zwar entweder durch das Abschalten der turbulenzverursachenden Anlage bei Auftreten der jeweiligen Nachlaufsituation oder durch Abschalten der durch die in der erhöhten Turbulenz der Nachlaufströmung betroffenen Anlage (S. 29 f. des Gutachtens vom 30.04.2014; S. 20 f. des Gutachtens vom 24.06.2016).
Die Klägerin beantragt,
den Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass der Antrag der Kläger auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides sich seinem Wortlaut nach nicht auf die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit erstreckt habe. Der Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 stelle zutreffend darauf ab, dass erst am 10.05.2013 beantragt worden sei, auch über die Zulässigkeit hinsichtlich der Turbulenzintensität zu entscheiden. Dass bereits mit dem ursprünglichen Antrag ein Turbulenzgutachten vorgelegt worden sei, sei irrelevant. In der Praxis würden im Vorbescheidsverfahren häufig Unterlagen vorgelegt, die nicht zum eigentlichen Prüfungsumfang gehörten, etwa um auszuschließen, dass ein thematisch begrenzter Vorbescheid ergehe, obwohl das Vorhaben aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig sei.
Mit dem Rücknahmebescheid vom 21.01.2014 habe die Feststellung des Vorbescheides, dass das Vorhaben in Bezug auf Turbulenzintensitäten zulässig sei, zur Gänze beseitigt werden sollen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die unter dem 21.01.2014 genehmigte WEA 26 genieße gegenüber der WEA 40 der Klägerin unter Turbulenzgesichtspunkten den Vorrang. Maßgeblich für die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den beiden Anlagen sei die Tatsache, dass sie im Unterschied zu den Klägern von vornherein einen Vollbescheid beantragt habe. Eine immissionsschutzrechtliche (Voll-)Genehmigung sei darauf ausgerichtet, dass unmittelbar nach deren Erlass mit der Ausführung des Vorhabens begonnen werden könne. Das Vorbescheidsverfahren sei dagegen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiellrechtlicher Hinsicht durch das Fortbestehen des Genehmigungserfordernisses gekennzeichnet.
Das von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegte Turbulenzgutachten habe die Anlage der Kläger auch deshalb zutreffenderweise nicht berücksichtigt, weil Gegenstand des Vorbescheidsantrags vom 06.05.2010 lediglich die planungsrechtliche Zulässigkeit und die Vereinbarkeit mit militärischen und luftverkehrsrechtlichen Belangen gewesen sei.
Der Vorbescheid vom 17.07.2013 sei in Bezug auf die Klärung der Turbulenzintensität indifferent, zumindest in sich so widersprüchlich, dass er keine hinreichend eindeutige Entscheidung enthalte, die gegen die WEA 26 ins Feld geführt werden könne. Fragen der Turbulenzintensität seien eindeutig solche der bauordnungsrechtlichen Standsicherheit nach § 15 BauO. Bauordnungsrecht sei aber nicht Gegenstand des Prüfbegehrens der Kläger gewesen; dies gelte umso mehr, als eine Typenstatik im Vorbescheidsverfahren nicht vorgelegt worden sei.
Der Hinweis der Kläger auf die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts gehe schon deshalb fehl, weil dort zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Vorbescheidsantrag noch keinerlei konkurrierende Windenergieanlagen in Rede gestanden hätten. Insoweit habe keinerlei Anlass bestanden, sich im Vorbescheidsverfahren mit Turbulenzintensitäten auseinanderzusetzen. Das konkurrierende Vorhaben sei erst vier Jahre nach Erteilung des Vorbescheids beantragt worden. Im vorliegenden Fall sei dagegen von vornherein klar gewesen, dass sich Fragen der Anlagenkonkurrenz auch unter Turbulenzaspekten stellen würden.
Gründe
Die Kammer konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden waren.
Die Anfechtungsklage hat Erfolg.
I.
Sie ist zunächst zulässig.
Dass für die WEA 40 mit Bescheid vom 21.01.2014 inzwischen eine immissionsschutzrechtliche (Voll-)Genehmigung erteilt worden ist, lässt das Rechtsschutzinteresse der Kläger betreffend die teilweise Rücknahme des Vorbescheides nicht entfallen.
Nach § 9 Abs. 1 BImSchG soll auf Antrag über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage verbindlich entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheids besteht. Soweit der Vorbescheid damit über das Vorliegen bestimmter Genehmigungsvoraussetzungen entscheidet, bindet er als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Genehmigung die Genehmigungsbehörde für das weitere Genehmigungsverfahren und nimmt insoweit die Entscheidung vorweg.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 20.11.2012 - 8 A 252/10 -, juris Rn. 36, und vom 09.12.2009 - 8 D 12/08.AK -, juris Rn. 144 m.w.N.
Die durch den Vorbescheid vom 17.07.2013 getroffenen Feststellungen sind in die Genehmigung vom 21.01.2014 auch nicht im Sinne eines sog. Zweitbescheides erneut aufgenommen worden. Während der Vorbescheid - u.a. - die planungs- und immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen bauordnungsrechtliche Zulässigkeit in Bezug auf die Turbulenzintensität feststellt, liegt den Nebenbestimmungen A) 3. und B) 1. der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die gegenteilige Annahme zugrunde, nämlich, dass die Anlage der Kläger auf die WEA 26 der Beigeladenen unter Turbulenzgesichtspunkten Rücksicht zu nehmen hat. Da die Bindungswirkung des Vorbescheids dem Erlass dieser - im Übrigen im Verfahren 11 K 494/14 angefochtenen - Nebenbestimmungen entgegensteht, falls der streitgegenständliche Rücknahmebescheid aufzuheben ist, liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Anfechtungsklage vor.
II.
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 ist formell und materiell rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.
Der Rücknahmebescheid vom 21.01.2014 genügt allerdings den nach § 37 Abs. 1 VwVfG NRW zu stellenden - formellen - Anforderungen an seine Bestimmtheit. Soweit man mit Blick auf die Formulierung im Bescheidtenor, wonach der Vorbescheid vom 17.07.2013 insoweit zurückgenommen wird, "wie er die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenzintensität feststellt", Zweifel an seinem Regelungsgehalt haben kann, ergibt sich aus der Begründung hinreichend deutlich, dass der Vorbescheid hinsichtlich sämtlicher Feststellungen betreffend Turbulenzaspekte beseitigt werden sollte, unabhängig davon, ob diese dem Bereich des Bauordnungs-, Bauplanungs- oder Immissionsschutzrechts zuzuordnen sind. Der Beklagte war erkennbar der Auffassung, dass die Anlage der Beigeladenen dem Vorhaben der Kläger unter Turbulenzaspekten in jeder Hinsicht vorging und daher bei der Beurteilung der von der WEA 40 ausgehenden und auf sie einwirkenden Turbulenzen berücksichtigt werden musste. Dass dies die Zielsetzung des Teilrücknahmebescheides war, hat der Beklagte auch im Erörterungstermin vom 25.01.2016 klar gestellt.
2.
Der Rücknahmebescheid vom 21.01.2014 ist aber deshalb formell rechtswidrig und deshalb aufzuheben, weil er im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens ergangen ist und die Kläger vor seinem Erlass entgegen § 71 VwGO nicht angehört worden sind.
Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der Abhilfebescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält; als eine zusätzliche selbständige Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern er auf dieser Verletzung beruht. Der auf den Widerspruch der Beigeladenen ergangene Rücknahmebescheid stellt einen Abhilfebescheid dar.
§ 71 VwGO bestimmt, dass der Betroffene vor Erlass eines Abhilfebescheides gehört werden soll, wenn die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren - wie hier - erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist.
Der Beklagte hat den Klägern das Widerspruchsschreiben der Beigeladenen lediglich zur Information übersandt. Dies genügt nicht, um dem Anhörungserfordernis zu genügen.
Die Anhörung soll dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich zu der anstehenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Sie muss sich deshalb auf Tatsachen, insbesondere auch auf Ermittlungsergebnisse, sowie auf Rechtsfragen beziehen. Ergeben sich im Widerspruchsverfahren neue Tatsachen oder zeichnet sich eine neue rechtliche Bewertung ab, muss die Behörde den Betroffenen darauf hinweisen.
Vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO (Stand: Oktober 2015), § 71 Rn. 7 m.w.N.
Vor dem Erlass des dem Widerspruch abhelfenden und die Kläger erstmalig beschwerenden Rücknahmebescheides wurde den Klägern keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und sie auch nicht darauf hingewiesen, dass der Beklagte auf der Grundlage der Widerspruchsbegründung das Rangverhältnis zwischen den Windenergieanlagen 26 und 40 möglicherweise anders beurteilen würde. Dazu hätte vorliegend jedenfalls deshalb Anlass bestanden, weil den Klägern noch mit Schreiben vom 22.08.2013 mitgeteilt worden war, die Beigeladene müsse die WEA 40 berücksichtigen.
Dieser Verfahrensfehler ist nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt worden. Die bloße Durchführung des gerichtlichen Verfahrens genügt nicht, um eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung nachzuholen. Um dem Anhörungserfordernis nach § 71 VwGO bzw. § 28 VwVfG Rechnung zu tragen, bedarf es einer Handlung, die das Anhörungsrecht vollwertig ersetzt, und damit eines den Rahmen des Prozesses übersteigenden Vorgangs. Die Möglichkeit, sich im gerichtlichen Verfahren zu äußern, heilt einen vorherigen Anhörungsmangel nicht.
Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 76, 86.
Die unterbliebene Anhörung ist schließlich nicht nach § 46 VwVfG bzw. deshalb irrelevant, weil der Abhilfebescheid nicht i.S.d. § 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf dem Verfahrensmangel beruht. Die Rücknahme des von der Beigeladenen mit Widerspruch angefochtenen Vorbescheids stellte eine Ermessensentscheidung dar, vgl. § 48 Abs. 1 VwVfG NRW, und es ist nicht auszuschließen, dass der Beklagte nach ordnungsgemäßer Anhörung der Kläger eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Vgl. zu diesem Maßstab Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 79 Rn. 50 m.w.N.; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O. § 79 Rn. 15 m.w.N.
3.
Schließlich ist der Teilrücknahmebescheid vom 21.01.2014 materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Vorbescheids liegen nicht vor.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Satz 2 darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
Der den Klägern erteilte Vorbescheid vom 17.07.2013 ist, soweit er die Feststellung enthält, dass die (bauordnungsrechtliche) Zulässigkeit im Hinblick auf Turbulenzintensität gegeben ist, nicht rechtswidrig. Der Vorbescheidsantrag der Kläger erstreckte sich auf die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens unter Turbulenzaspekten (a)), und die diesbezügliche Feststellung ist mit dem Vorbescheid auch mit Blick auf die Anlage der Beigeladenen zu Recht getroffen worden (b)).
a)
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist der Vorbescheidsantrag vom 06.05.2010 dahingehend auszulegen, dass die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Turbulenzintensitäten umfassend festgestellt werden sollte. Eine Differenzierung zwischen Bauplanungs-, Bauordnungs-, oder Immissionsschutzrechtrecht war in diesem Zusammenhang nicht beabsichtigt.
Nach § 23 der 9. BImSchV muss der Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides außer den in § 3 genannten Angaben insbesondere die bestimmte Angabe enthalten, für welche Genehmigungsvoraussetzungen oder für welchen Standort der Vorbescheid beantragt wird. § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV verlangt, dass dem Antrag die Unterlagen beizufügen sind, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind.
Entscheidend bei der Auslegung des Antrags der Kläger vom 06.05.2010 ist nach Auffassung der Kammer zweierlei: Dem Antrag war ein Turbulenzgutachten in sechsfacher Ausfertigung beigefügt bzw. dieses am 25.08.2010 nachgereicht worden und dieses stellte fest, dass die Standsicherheit der Anlage der Kläger unter Berücksichtigung der entsprechenden Lastrechnungen gewährleistet ist (S. 3 des Gutachtens der F2E aus Februar 2010). Außerdem war der Antrag nach seinem Wortlaut auf eine verbindliche Feststellung des Beklagten zur - standortbezogenen - bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens gerichtet.
Der Vorlage des die Standsicherheit der Anlage bejahenden Turbulenzgutachtens kommt deshalb wesentliche Bedeutung zu, weil der vorgesehene Standort der WEA 40 im Hinblick auf die Standsicherheit bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Turbulenzgesichtspunkten kritisch war. Aufgrund des Standorts des Vorhabens, der seinerzeit nicht innerhalb einer Windvorrangzone lag, aber sowohl nach Norden als auch nach Süden mit einem Abstand von ca. 300 m an eine bereits ausgewiesene, östlich gelegene hufeisenförmige Vorrangzone grenzte, und der bereits vorhandenen bzw. geplanten weiteren Windenergieanlagen in diesem Gebiet lag die Frage nach der Turbulenzbelastung ohne Weiteres nahe; die Kläger hatten darauf auch im April 2011 im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens 11 K 762/11 hingewiesen. Einen diesen Aspekt nicht berücksichtigenden und nur auf die Vereinbarkeit mit der Flächennutzungsplanung gerichteten Vorbescheid zu beantragen, machte vor diesem Hintergrund keinen Sinn. Dies verstärkt die Bedeutung, die der Vorlage des Turbulenzgutachtens mit dem Vorbescheidsantrag für dessen Verständnis durch den Beklagten haben musste. Lediglich ergänzend sei insoweit angemerkt, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV der Genehmigungsbehörde aufgibt, den Antragsteller im Hinblick auf die Antragstellung zu beraten.
Soweit die Beigeladene darauf verwiesen hat, dem Antrag sei die für die Prüfung der (bauordnungsrechtlichen) Standsicherheit erforderliche Typenstatik nicht beigefügt gewesen, verkennt sie, dass dem Gutachten der F2E detaillierte Lastrechnungen der Enercon und damit eine besondere, nämlich die konkrete Lasten der Anlagen berücksichtigende Statik zugrunde lag.
Diese Reichweite des Vorbescheidsantrags der Kläger ergibt sich des Weiteren daraus, dass der Antrag auf die Feststellung der planungsrechtlichen Zulässigkeit gerichtet war und - und das ist entscheidend - Turbulenzen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und damit planungsrechtlich relevant sein können.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt ein der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich nach Absatz 1 entgegenstehender öffentlicher Belang vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird.
Turbulenzen sind ähnliche Umwelteinwirkungen und damit Immissionen i.S.d. § 3 Abs. 2 BImSchG,
vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 01.02.2000 - 10 B 1831/99 -, juris Rn. 43,
und damit im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu berücksichtigen, der insoweit das Gebot der Rücksichtnahme konkretisiert. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bezweckt den Schutz baulicher Anlagen und ihrer Nutzung gegen Immissionen, die entweder die bauliche Anlage selbst oder ihre Nutzung beeinträchtigen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.02.2000, a.a.O. Rn. 27.
Die Voraussetzungen nach § 35 Abs. 3 BauGB werden üblicherweise als bauplanungsrechtliche Anforderungen verstanden.
Im Rahmen der bauordnungsrechtlichen Regelungen in §§ 15 Abs. 1 oder 18 Abs. 3 BauO NRW stellt sich die Frage nach Turbulenzintensitäten konkret unter dem Aspekt der Standsicherheit. Eine Anlage muss nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauO am vorgesehenen Standort für sich allein standsicher sein; ebenso darf sie die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen nicht gefährden, Satz 2. § 18 Abs. 3 BauO NRW erfasst dabei auch Gefahren, die durch die Nutzung der neuen baulichen Anlage entstehen. Wie nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist es, wenn Turbulenzen in Rede stehen, bauordnungsrechtlich ebenfalls erforderlich, sowohl die von einer Anlage ausgehenden als auch die auf sie einwirkenden Umwelteinwirkungen zu betrachten. Sowohl der Umfang der Prüfung nach §§ 15, 18 BauO NRW als auch die aus deren Ergebnis zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen entsprechen insoweit weitgehend denjenigen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Solange sie die Standsicherheit nicht gefährden, handelt es sich nicht um nach § 3 BImSchG abwehrfähige Immissionen.
So Rolshoven, "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? - zum Prioritätsprinzip bei konkurrierenden Genehmigungsanträgen", NVwZ 2006, 516 (518); vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2003 - 7 B 949/03 -, juris Rn. 16: "Hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigungen, die von der Erhöhung der natürlichen Turbulenzintensität durch die Windenergieanlage des Beigeladenen ausgingen, ergibt sich aus § 22 BImSchG kein weitergehender Anspruch als nach den §§ 15, 18 BauO NRW."
Stehen damit bauplanungsrechtlich schädliche Umwelteinwirkungen durch Turbulenzen in Rede, stellt sich die dem Bauordnungsrecht zugeordnete Frage nach der Standsicherheit gleichermaßen.
Die Zielsetzungen des Bauplanungsrechts einer- und des Bauordnungsrechts andererseits ermöglichen keine an diese Begrifflichkeiten anknüpfende sinnvolle Differenzierung, soweit es um Turbulenzen bzw. deren Auswirkungen geht. Das öffentliche Bau-(Planungs-)Recht zielt unter anderem darauf ab, mögliche Konflikte bei der Nutzung von Grundstücken zu verhindern oder sachangemessen zu bewältigen. Das öffentliche Bau-(Ordnungs-)Recht will Gefahren abwehren, die von der Nutzung von Grundstücken, insbesondere von dort zu errichtenden baulichen Anlagen ausgehen können. Insgesamt dienen die Vorschriften des öffentlichen Baurechts, soweit sie mit Blick auf Nachbargrundstücke und deren Nutzung erlassen worden sind, dem Ausgleich der Interessen. Aufgrund dessen kann ein Vorhaben gegen die Standsicherheitsvorschriften in den Landesbauordnungen verstoßen und zugleich das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt sein.
So OVG R-P, Beschluss vom 21.03.2014 - 8 B 10139/14.OVG -, juris Rn. 15; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2003, a.a.O. Rn. 22, wonach eine Baugenehmigung einerseits gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, andererseits gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstoßen kann.
Der regelmäßig sowohl bauplanungs- als auch bauordnungsrechtlichen Relevanz von Turbulenzen trägt auch der "Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung (Windenergie-Erlass)", Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz VII-3 - 02.21 WEA-Er. 15, des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr VI A I - 901.3/202 und der Staatskanzlei III B 4 - 30.55.03.01 vom 04.11.2015 (MBl. NRW. 2016, S. 321) Rechnung. Dort wird unter Bezugnahme auf den Beschluss des OVG NRW vom 01.02.2000 unter " 5.2.2.3 Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB)" ausgeführt: "Aus dem Rücksichtnahmegebot kann sich auch das Erfordernis von Abständen von Windenergieanlagen untereinander ergeben. (...) In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch aus Gründen der Standsicherheit Abstände erforderlich sind (siehe Nr. 5.2.3.4)."
Während die Ausführungen unter Nr. 5.2.2.3 dem Abschnitt 5.2.2 "Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit" unterfallen, ist die Regelung unter Nr. 5.2.3.4 dem Abschnitt 5.2.3 "Bauordnungsrechtliche Anforderungen" zugeordnet.
Vor diesem Hintergrund erfasste der Antrag der Kläger vom 06.05.2010 die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf Turbulenzen, ohne dass zwischen Bauplanungsrecht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) und Bauordnungsrecht (§§ 15 Abs. 1, 18 Abs. 3 BauO) zu differenzieren war. Das Schreiben der Kläger vom 09.05.2013 stellt dies im Hinblick auf Turbulenzintensitäten lediglich klar, nachdem, wie die Kläger unwidersprochen vorgetragen haben, für sie erkennbar geworden war, dass der Beklagte ihren Vorbescheidsantrag bislang anders verstanden hatte.
b)
Auf den in diesem Sinne umfassend zu verstehenden Antrag der Kläger hat der Beklagte den Vorbescheid vom 17.07.2013 für die WEA 40 zu Recht - auch - auf die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit in Bezug auf die Turbulenzintensität erstreckt.
Der Vorbescheidsantrag der Kläger vom 06.05.2010 ging dem Antrag der Beigeladenen vom 29.06.2010 auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die WEA 26 vor.
Im Immissionsschutzrecht finden sich keine Regelungen dazu, wie Genehmigungsanträge zu behandeln sind, die sich gegenseitig ganz oder teilweise ausschließen. Es entspricht jedoch anerkannter Auffassung, dass regelmäßig eine Entscheidung nach Maßgabe des sog. Prioritätsprinzips sachgerecht ist. Danach ist - ggf. vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände - die zeitliche Reihenfolge maßgebend, wenn ein geplantes Projekt auf bereits vorhandene Projekte trifft. Dieser Grundsatz gilt insbesondere im Immissionsschutz- und Baurecht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, juris Rn. 622 f. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 - 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197, juris Leitsatz 4 und Rn. 29; zum Prioritätsprinzip vgl. auch OVG M-V, Beschluss vom 28.03.2008 - 3 M 188/07 -, BauR 2008, 1562, juris Rn. 32.
Liegt eine sog. echte Konkurrenzsituation vor, hat die Genehmigungsbehörde eine fehlerfreie Ermessensentscheidung darüber zu treffen, in welcher Reihenfolge sie die Anträge bescheidet. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangen hier eine sachgerechte Auswahl bzw. Reihung unter den sich ausschließenden Genehmigungsanträgen. Dabei erweist sich der Gesichtspunkt der Priorität konkurrierender Anträge grundsätzlich als sachgerechtes Kriterium, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung hiervon rechtfertigen.
Vgl. OVG R-P, Beschluss vom 21.03.2014, a.a.O. Rn. 21 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Nds., Urteil vom 26.09.1991 - 1 L 74 und 75/91 -, juris Rn. 82; OVG M-V, Beschluss vom 28.03.2008 - 3 M 188/07 -, BauR 2008, 1562 = juris Rn. 31 f.; Thür. OVG, Beschluss vom 17.07.2012 - 1 EO 35/12 -, ZNER 2012, 443 = juris, Rn. 30 f.; vgl. auch: VG Mainz, Beschluss vom 23.11.2012 - 3 L 1610/12.MZ -, S. 3 des Urteilsabdrucks; Rolshoven, a.a.O., S. 520 ff.
aa)
Nach Auffassung der Kammer kann ein Vorbescheid bzw. ein auf dessen Erteilung gerichteter Antrag im Rahmen seiner Reichweite mit einer immissionsschutzrechtlichen (Voll-)Genehmigung bzw. einem darauf gerichteten Antrag konkurrieren. Anderenfalls würde ein Vorbescheid, mit dem nach § 9 Abs. 1 BImSchG über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage verbindlich entschieden werden soll, weitgehend entwertet. Die ihm zukommende Bindungswirkung für ein späteres Genehmigungsverfahren würde entfallen und das mit ihm verfolgte Ziel, unnötige Detailplanungen zu vermeiden, nicht erreicht. Mittels eines Vorbescheids soll der Betreiber einer genehmigungspflichtigen Anlage vorab und verbindlich klären lassen können, ob einzelne Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, um auf dieser Grundlage entscheiden zu können, ob das Vorhaben überhaupt realisiert und dazu weiterer Planungsaufwand betrieben werden soll. Erforderlichenfalls ist - um keine rechtswidrige Genehmigung in Aussicht zu stellen - die Bindungswirkung des Vorbescheids durch Vorbehalte, insbesondere durch Angabe von Nebenbestimmungen zu der späteren Genehmigung einzuschränken.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.11.2012 - 8 A 252/10 -, juris Rn. 36; Jarass, BImSchG, 11. Auflage 2015, § 9 Rn. 8a, 10.
Diese Qualität des Vorbescheids rechtfertigt es, bei der Bescheidung konkurrierender Genehmigungs- und Vorbescheidsanträge im Grundsatz ebenso zu verfahren wie bei konkurrierenden Genehmigungsanträgen, wenn nicht ausnahmsweise standortbezogene Genehmigungsvoraussetzungen nicht Gegenstand des Vorbescheids sind.
Vgl. Thür. OVG, a.a.O. Rn. 26 f.; OVG R-P, Urteil vom 29.01.2015 - 1 A 10676/14 -, juris Rn. 25 ff.; a.A. OVG R-P, Beschluss vom 21.03.2014, a.a.O. Rn. 26.
bb)
In Anwendung des Prioritätsprinzips stellt sich die Feststellung im Vorbescheid vom 17.07.2013, dass das Vorhaben der Kläger unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten bauordnungsrechtlich zulässig ist, nicht als rechtswidrig dar. Es ist nicht willkürlich gewesen, dem Antrag der Kläger auf Erteilung eines Vorbescheids gegenüber dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen den Vorrang einzuräumen.
Nach inzwischen wohl herrschender Auffassung kommt es für die Frage, welcher Antragsteller bei konkurrierenden Vorhaben durch das Prioritätsprinzip begünstigt ist, darauf an, wann der jeweilige Antrag prüffähig war.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, juris Rn. 632 ff. m.w.N.; Maslaton, Windenergieanlagen, S. 130 Rn. 207.
Im Falle einer Konkurrenz zwischen einem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides und einem Antrag auf Erteilung einer (Voll-)Genehmigung ist allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Prüffähigkeit eines umfassenden Genehmigungsantrag umfangreichere Prüfungen und Nachweise vom Antragsteller erfordert, als ein Vorbescheidsantrag. Bei einem Vorbescheidsantrag, der sich lediglich auf eine Genehmigungsvoraussetzung erstrecken soll, ist Vollständigkeit
- vgl. Thür. OVG, a.a.O. Rn. 31; OVG R-P, Beschluss vom 21.03.2014, a.a.O. Rn. 23 f.; VG Aachen, Beschluss vom 02.03.2015 - 6 L 27/15 - juris Rn. 50 f.; Maslaton, a.a.O. Rn. 209 -
und damit Prüffähigkeit deutlich einfacher und schneller herzustellen als bei einem umfassenden Genehmigungsantrag. Daher kann einem Vorbescheidsantrag nicht bereits deshalb Priorität eingeräumt werden, weil er eher vollständig gewesen ist als der Genehmigungsantrag. Ansonsten könnte ein auf einzelne Genehmigungsvoraussetzungen beschränkter Vorbescheidsantrag rechtsmissbräuchlich dazu verwendet werden, einem bereits gestellten Genehmigungsantrag, zu dem nur noch einige wenige Unterlagen nachgereicht werden müssen, den Vorrang zu nehmen. Sachgerecht erscheint es daher, dem Zeitpunkt der Vollständigkeit des Vorbescheids den Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem der Genehmigungsantrag in Bezug auf die konkurrierenden Genehmigungsvoraussetzungen vollständig ist.
Dies zugrunde gelegt kann - neben der Tatsache, dass der Antrag der Kläger eher beim Beklagten einging als der Genehmigungsantrag der Beigeladenen - vorliegend nicht außer Betracht bleiben, dass der Antrag der Beigeladenen in Bezug auf Turbulenzen erst am 14.09.2010 vollständig war, während die Kläger ihren Antrag mit der Vorlage von Turbulenzgutachten - falls dieses nicht bereits dem Antrag beigefügt war -, Schallimmissionsprognose und Umweltverträglichkeitsstudie bereits am 25.08.2010 vervollständigt hatten.
cc)
Auf der Grundlage des Gutachtens der F2E vom 23.02.2010 waren dem Beklagten schließlich auch Feststellungen zu Turbulenzen möglich. Soweit im Vorbescheid darauf hingewiesen wird, dass mit dem Antrag auf Genehmigung standortspezifische Nachweise zur Prüfung vorzulegen seien, "z. B. Standsicherheitsnachweis, Turbulenzgutachten, Eiserkennungssystem usw. (H)", ist dies nicht verständlich. Im Hinblick auf das Turbulenzgutachten dürfte es sich offensichtlich um ein Versehen handeln. Der Hinweis auf das Erfordernis eines Standsicherheitsnachweises im Genehmigungsverfahren resultiert wahrscheinlich daraus, dass in einem Vermerk des Bauamts vom 16.05.2013 (Bl. 170 und 171 d. BA I) festgehalten wurde, es liege dort keine Typenstatik vor. Diese war mit Blick auf die detaillierten standortspezifischen Lastrechnungen ("Rechnerische Ermittlung des Betriebslastkollektive einzelner WEA im Windpark X. -Haaren der Fa. ENERCON, Aurich, Februar 2010, Ver. 1.0"), die dem Gutachten der F2E vom 23.02.2010 ausweislich des Literaturverzeichnisses zugrunde lagen (s. Bl. 57 und 59 BA I im 11 K 494/14), aber weder aussagekräftig noch sonst erforderlich; möglicherweise diente der Hinweis im Vorbescheid vom 17.07.2013 daher nur der formalen Vervollständigung der Genehmigungsunterlagen. Dass die Lastrechnungen dem Gutachten der F2E nicht beigefügt waren, ist gerichtsbekannt übliche Praxis.
III.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Ob und ggf. in welcher Art und Weise das Prioritätsprinzip auch bei einem Konkurrenzverhältnis zwischen immissionsschutzrechtlichem Vorbescheid und (Voll-)Genehmigung angewendet werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten und nicht abschließend geklärt. Entsprechendes gilt, soweit ersichtlich, für die Möglichkeit der Heilung eines Anhörungsmangels nach § 71 VwGO im gerichtlichen Verfahren und deren Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.