Verkehrsrecht | Unfall | Kanzlei | Anwalt | Rechtsanwalt | Dieselskandal | Abgasskandal | Autokreditwiderruf | Frankfur
Die Verkehrsrechtskanzlei.
Urteile Verkehrsrecht_Anwalt Frankfurt Verkehrsunfall_ Anwaltskanzlei für Verkehr Frankfurt_ Anwalt Verkehrsrecht_ Anwalt Dieselskandal_ Anwalt Abgasskanda_ Anwalt Autokredit widerrufen.jpg

Urteile zum Verkehrsrecht

Rechtssprechung Datenbank

 

Suchen in unserer Urteilsdatenbank

In unserer Urteilsdatenbank finden Sie Rechtsprechung zum Thema Verkehrsrecht. Hier können Sie bestimmte Suchbegriffe eingeben und Ihnen werden die einschlägigen Urteile angezeigt.

 

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27.07.2016 - 7 L 1453/16

Tenor

1.Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. L. aus I. wird abgelehnt.

2.Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

3.Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt (unter 2.) - keine hinreichenden Erfolgsaussichten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

2. Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 3828/16 des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 17. Mai 2016 wiederherzustellen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist im Hinblick auf die Klage- und Antragsbegründung auszuführen: Die Entziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Fahrzeugen erweist, das Führen zu untersagen.

Der Antragsgegner durfte die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stützen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde im Falle einer rechtmäßigen Gutachtenaufforderung auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen bei demjenigen schließen, der sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der das Gutachten nicht rechtzeitig beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Beschluss vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 - m.w.N.

Diese Voraussetzungen lagen vor. Zudem hat der Antragsgegner den Antragsteller bei seiner Gutachtenaufforderung entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen der Verweigerung der Mitwirkung hingewiesen.

Materiell beruht die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens an, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Dies ist bei dem Antragsteller gegeben. Er hat am 9. August 2015 ein Fahrrad mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 ‰ und damit in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand geführt. Mit Strafbefehl vom 21. September 2015 - 925 Js 1184/15 - setzte das Amtsgericht V. daher gegen den Antragsteller eine Geldstrafe fest.

Es steht auch fest, dass die Blutalkoholkonzentration des Antragstellers im Zeitpunkt der Fahrt mit dem Fahrrad mehr als 1,6 ‰ betrug.

Ob sich dies bereits aus dem Strafbefehl vom 21. September 2015 ergibt, nach dem der Antragsteller sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gemacht hat, ist zweifelhaft. Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Fahrzeugführer in einem Entziehungs- bzw. Untersagungsverfahren eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen muss, sofern sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil/- befehl ergeben,

BVerwG, Beschluss vom 3. September 1992 - 11 B 22.92 -; BayVGH, Beschluss vom 22. März 2007 - 11 CS 06.1634 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2012 - 16 B 304/12 -; sämtlich juris,

in gleicher Weise auch für die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sie den dem Strafurteil bzw. Strafbefehl zugrundeliegenden Vorgang zum Anlass für die Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung nimmt.

VG Augsburg, Urteil vom 18. September 2015 - Au 7 K 15.637 -, juris.

Allerdings sind vorliegend die Feststellungen des Strafbefehls hinsichtlich der Entnahmezeitpunkte der Blutproben offensichtlich falsch. Diese erfolgten nicht um 18:15 Uhr und 18:45 Uhr, wie im Strafbefehl genannt, sondern jeweils eine Stunde später. Dies ergibt sich aus dem ärztlichen Bericht über die Blutentnahme (Blatt 26 Beiakte Heft 1). Eine Blutentnahme bereits um 18.15 Uhr passt zudem nicht in den übrigen Geschehensablauf. Denn erst um 18:18 Uhr erfolgte der Atemalkoholtest, der zur Anordnung der Blutentnahme führte.

Ob vor diesem Hintergrund von der Feststellung des Strafbefehls, der Antragsteller habe sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht, ausgegangen werden darf, was eine Blutalkoholkonzentration von über 1,6 ‰ zum Zeitpunkt der Fahrt voraussetzt, kann jedoch dahinstehen. Denn die Behauptung des Antragstellers, er habe nach der Fahrt mit dem Rad von dem Grundstück der Familie X. zu seinem Garten noch in solch erheblichem Umfang weiterhin Alkohol konsumiert, dass nicht davon ausgegangen werden könne, die Blutalkoholkonzentration habe während der Fahrt über 1,6 ‰ gelegen, ist nicht glaubhaft. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Antragsteller behauptet, bereits um 16 Uhr das Grundstück der Familie X. verlassen zu haben und mit dem Rad zu seinem Garten gefahren zu sein. Das Gericht geht jedoch nach den vorliegenden Unterlagen davon aus, dass die Fahrt mit dem Rad tatsächlich erst wesentlich später, nämlich gegen 17:30 Uhr stattgefunden hat. Nach der von den Polizeibeamten gefertigten Strafanzeige erhielten diese um 17:35 Uhr den Einsatz zur Familie X. . An der Örtlichkeit angekommen, trafen sie den Antragsteller nicht mehr an. Allerdings gab Frau X. an, der Antragsteller habe das Grundstück erst verlassen, als sie zum Telefon gegriffen habe, um die Polizei anzurufen. Dies muss somit gegen 17:30 Uhr und nicht - wie vom Antragsteller nunmehr behauptet - um 16 Uhr gewesen sein. Dagegen spricht auch nicht der Zeitraum von etwa 45 Minuten zwischen dem Anruf bei der Polizei und dem Atemalkoholtest. Diese Zeit war für die Polizei durchaus ausreichend, um zunächst die Anzeige aufzunehmen - auf dem Sicherstellungsprotokoll ist als Zeitpunkt für die Sicherstellung der Drohbriefe 17:45 Uhr angegeben - und anschließend zum Garten des Antragstellers zu fahren. Die Strecke von der E. . 2 zur B. . 10 beträgt nach den Berechnungen von Google Maps 2,3 km, was eine Fahrtzeit von etwa 7 Minuten bedeutet. Gegen 18 Uhr konnten die Polizeibeamten somit beim Antragsteller eintreffen und dann um 18:18 Uhr den Alkoholtest durchzuführen.

Kann dem Antragsteller nicht geglaubt werden, dass er bereits um 16 Uhr zu seinem Garten gefahren ist, so muss auch seine Angabe im Klage- und Antragsverfahren, er habe nach der Rückkehr von X1. Wein und Bier getrunken, als Schutzbehauptung gewertet werden. Macht der Antragsteller für die Fahrt mit dem Fahrrad eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ geltend, lässt sich die später festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,2 ‰ nur erklären, wenn es zu einem Anstieg von mehr als 0,6 ‰ gekommen ist. Dem Antragsteller verblieb aber vielmehr nach Ankunft im Garten nur ein Zeitraum von maximal einer halben Stunde. Dass er in so kurzer Zeit Alkoholmengen zu sich genommen hat, die zu einer Erhöhung der Blutalkoholkonzentration um 0,6 ‰ geführt haben, ist äußert unwahrscheinlich und wird vor allem vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Vielmehr versucht dieser durch Vorverlegung seiner Fahrt mit dem Rad die Zeitspanne bis zur Blutentnahme zu vergrößern, um damit seinen Nachtrunkbehauptung erklären zu können. Im Übrigen hat der Antragsteller selbst gegenüber den Polizeibeamten angegeben, es seien "ein paar Flaschen Bier gewesen", die er nach der Rückkehr getrunken habe. Von Wein - wie in der Klageschrift nachgeschoben - ist in der Strafanzeige nicht die Rede. Die Polizeibeamten haben lediglich eine geöffnete und halb volle Flasche Bier vorgefunden. Auch aufgrund dieser Steigerung im Vortrag erscheint die Schilderung des Nachtrunks unglaubhaft.

Ob und inwieweit aus der im Abstand von 30 Minuten entnommenen zweiten Blutprobe Rückschlüsse auf einen Nachtrunk gezogen können,

vgl. hierzu Hentschel in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Bd. 2, Stand: Dezember 2015, 14 A, Rdnr. 24ff,

bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

Nachdem der Antragsteller das angeforderte medizinischpsychologische Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beigebracht hatte, durfte der Antragsgegner auf dessen mangelnde Fahreignung schließen und ihm das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge untersagen.

Bei feststehender Ungeeignetheit steht dem Antragsgegner kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung.

Zudem ergibt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers daran, wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin Fahrzeuge nutzen zu können, hinter dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Untersagungsverfügung zurückstehen muss. Die mit der Untersagung verbundenen persönlichen Schwierigkeiten für den Antragsteller sind zwar gerade im ländlichen Bereich erheblich. Ihnen steht jedoch das öffentliche Interesse anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern gegenüber, das eindeutig überwiegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der Rechtsprechung des OVG NRW bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren,

vgl. Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, juris/nrwe.de.

Da der Antragsteller keine Fahrerlaubnis mehr besitzt und auf ein Fahrrad zur eigenständigen Fortbewegung angewiesen ist, ist sein Interesse mit demselben Streitwert zu bewerten.

Lukas Jozefaciuk