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VG Minden, Urteil vom 03.03.2016 - 9 K 529/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höheleistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung, Flur X, Flurstück XXXX (C. , C1. 30). Das östlich angrenzende Flurstück YYYY mit dem im Jahre 1999 errichteten Wohnhausanbau Nr. 30a steht im Eigentum seines Sohnes B. M. .

Südöstlich des Grundstücks verläuft die im Eigentum der Beklagten stehende Gemeindestraße "C1. " mit einem durch einen Grünstreifen abgetrennten Gehweg. Auf dem Grünstreifen steht eine Reihe von Feldahorn- und einigen Baumhaselbäumen mit einem Alter von ca. 35 bis 40 Jahren.

Mit einem am 11.04.2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verlangten der Kläger und weiterer Anwohner der Straße einen kräftigen Rückschnitt oder eine teilweise Beseitigung der Straßenbäume. Zur Begründung gaben sie an, die Bäume hätten sich so weit ausgebreitet, dass im Herbst das Laub auf die Grundstücke falle. Ihnen würde das Sonnenlicht auf ihren Terrassen und Teilen der Gärten genommen. Weil die Bäume zu viel Schatten würfen, müssten sie schon bei Tage in den oberen Räumen Licht anmachen. Auf vielen Quadratmetern der Gärten wüchse wegen des Schatten nichts mehr.

In ihren Antwortschreiben vom 13.05.2013 und 27.05.2013 wies die Beklagte darauf hin, dass die Bäume zweimal jährlich durch den Umweltbetrieb auf Schäden kontrolliert würden. Eine anlässlich der Eingabe durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die Bäume voll gesund und vital seien. Bei der Beeinträchtigung durch Herbstlaub handele es sich um eine natürliche Lebensäußerung, die als jahreszeitlich eng begrenztes, natürliches Phänomen hinzunehmen sei. Die als Nachteil empfundenen Auswirkungen würden durch die zahlreichen Vorteile, wie das Wohnen im Grünen, eine Verbesserung des städtischen Kleinklimas sowie wichtige ökologische und gestalterische Funktionen aufgewogen. Die Baumreihe stelle zudem ein wichtiges, für den Straßenzug ortsbildprägendes Gestaltungselement dar. Der verlangte kräftige Rückschnitt komme einer Kappung der Baumkronen gleich und sei keine fachgerechte Pflegemaßnahme, da der einzelne Baum in seiner natürlichen artgerechten Entwicklung erheblich geschädigt werde. Weiter bestehe die Gefahr, dass die bei einem Rückschnitt entstehenden erheblichen Schnittwunden zu Einfaulungen führten mit der Folge eines unkontrollierten Auseinanderbrechens der Kronen. Die Fällung jeden zweiten Baumes würden zu erheblichen Lücken und einer Störung der Statik führen. Ein Austausch der Bäume durch eine niedrige Strauchpflanzung stelle keinen Ersatz dar.

In einem weiteren Schriftwechsel führte der Kläger aus, dass den Anliegern bei Anpflanzung der Bäume ein regelmäßigen Rückschnitt zugesagt worden sei. Die Größe der Bäume und die fast 2 m über die Grundstücksgrenze ragenden Äste führten zu einer extremen Verschattung der Räume im Obergeschoss des Wohnhauses C1. 30 a, so dass auch tagsüber künstliches Licht erforderlich sei. Weiter führe sie zu einer Durchfeuchtung der Zäune. Auch würden die Grundstücke und der Bürgersteig, der von den Anliegern gereinigt werden müsse, verschmutzt.

Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass das Hochwachsen eines Baumes nur durch eine Einkürzung des Leittriebs erfolgen könne, was mit einer Kappung der Krone einherginge. Ein solcher Schnitt sei nicht fachgerecht, da er zu einer Veränderung der Wuchsform führe und große Schnittstellen mit Folgeschäden entstünden. Da die Bäume nur auf der Südostseite stünden und die Sonne weiterwandere, komme es zu keiner übermäßigen Verschattung der Grundstücke. Die Bäume hielten einen nach dem Nachbarrechtsgesetz ausreichenden Abstand von 4 m von der Grenze ein.

Am 12.11.2014 hat der Kläger bei dem Amtsgericht C. Klage erhoben, die mit Beschluss vom 08.02.2015 - 419 C 39/15 - an das Verwaltungsgericht Minden verwiesen wurde.

Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, die übermäßige Verschattung führe zu einer massiven Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität. Von den Bäumen gehe eine unmittelbare Gefahr aus, da alle Bäume mit Wucherungen und Moos überzogen seien, die auf Erkrankungen und ein Absterben der Bäume hindeuteten. Bezüglich der Beeinträchtigungen des Grundstücks C1. 30a klage er aus abgetretenem Recht seines Sohnes.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Straßenbäume der Arten Feldahorn und Baumhasel vor dem Grundstück C1. 30 in C. so zurückzuschneiden, dass eine Beschattung der sich an der Ostseite des Wohnhauses befindlichen Fenster ausgeschlossen ist und die Äste nicht mehr über die Grundstücksgrenze ragen,

2. den Zurückschnitt jährlich vor dem 01.03. eines jeden Jahres auf eigene Kosten durchzuführen,

3. hilfsweise, die unter 1. bezeichneten Straßenbäume komplett zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, der Kläger sei nur Eigentümer des Grundstücks C1. 30. Die geltend gemachten Beeinträchtigungen beträfen jedoch das an die Straße angrenzende Nachbargrundstück C1. 30a, dessen Eigentümer der Sohn des Klägers sei. Die Bäume würden zwei Mal jährlich, im belaubten und unbelaubten Zustand kontrolliert. Sie seien verkehrssicher. Von Ihnen gehe keine Gefahr aus. Die an einigen Bäumen erkennbaren kleinen Astungswunden hätten ebenso wie die Flechten und Moose auf einigen Ästen und Stämmen keinerlei negativen Einfluss auf die Verkehrssicherheit.

Anlässlich eines am 27.10.2015 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben in dem Termin übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.

Die Klage ist nur zum Teil zulässig und insgesamt unbegründet.

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger einen abgetretenen Anspruch seines Sohnes geltend macht. Die Abtretung ist ersichtlich nur für die gerichtliche Geltendmachung erfolgt, um den Einwand der Beklagten zu entkräften, dass nur das Grundstück C1. 30a, das im Eigentum des Sohnes des Klägers steht, an die Straße grenze und gegebenenfalls Beeinträchtigungen ausgesetzt sei. Eine damit gegebene gewillkürte Prozessstandschaft ist im Verwaltungsprozess ausgeschlossen, soweit nicht durch Gesetz eine - hier nicht vorliegende - Ausnahme vorgesehen ist. Für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ergibt sich dies bereits aus § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Danach muss der Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen (eigenen) Rechten verletzt zu sein. Für die allgemeine Leistungsklage gilt in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nichts anderes.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2015, Vorb. § 40 Rn. 25; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Aufl. 2014, § 62 Rn. 21; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Kommentar, Stand Oktober 2015, § 42 Abs. 2 Rn. 34, Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 42 Rn. 114; Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 76; Wysk, VwGO, Kommentar, 2011, Vorb. § 40 Rn. 37.

Denn in dieser Vorschrift kommt das allgemeine Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck, der vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - in erster Linie auf Individualrechtsschutz ausgerichtet ist.

VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 20.10.2014 - 4 L 1150/13.NW - juris Rn. 26. m.w.N.

Vorliegend bleibt es dem Sohn des Klägers unbenommen, eigene Ansprüche selbst gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

Die Klage ist insgesamt sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Rückschnitt oder eine Beseitigung der Straßenbäume.

Als Anspruchsgrundlage kommt nur der öffentlichrechtliche Abwehr- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten, insbesondere durch Richterrecht geprägten Anspruch, der nach neuerer Rechtsprechung aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten hergeleitet wird.

BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 - 4 C 24.91 - juris Rn. 23.

Dieser setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss. Dabei beschränkt sich der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsaktes, sondern erfasst auch die Folgen schlicht hoheitlichen Handelns. Er ist gerichtet auf die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem schädigenden Ereignis bestand.

OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - NJW 2000, 754 = juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 - juris Rn. 9. VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris Rn. 38.

Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruches nicht erfüllt. Es kann nicht festgestellt werden, dass subjektive Rechtspositionen des Klägers verletzt sind. Der Kläger ist weiterhin zur Duldung der Bäume und der von ihnen ausgehenden Einwirkungen verpflichtet.

Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in § 41 Abs. 1 Nr. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NachbG NRW - festgelegten Grenzabstände für Bäume von Nachbargrundstücken gemäß § 45 Abs. 1 Buchst. b NachbG NRW nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen gelten. Zudem bestimmt § 49 Abs. 2 NachbG NRW, dass öffentlichrechtliche Vorschriften durch dieses Gesetz nicht berührt werden.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 -juris Rn. 28.

Unmittelbar einschlägig ist hier die Regelung des § 32 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG NRW -. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW haben die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden. Die Duldungspflicht bewirkt eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Straßenanliegers. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 31.

Jedes Grundstück ist in seine Umgebung eingefügt und durch seine Lage und Beschaffenheit charakterisiert. Die straßenrechtlichen Regelungen tragen der Situationsgebundenheit des Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit und der Straßenanlieger Rechnung. Die Gestaltungsmöglichkeiten kann der Gesetzgeber im Hinblick auf den sozialen Bezug des Eigentums nutzen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die straßenrechtliche Privilegierung von Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen und den dazu gehörenden Nebenanlagen von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen wird. Die Bepflanzung von Straßen dient nicht nur straßenbautechnischen und verkehrsrechtlichen Interessen. Bepflanzungen mit Bäumen in Ballungsgebieten haben landschaftsgestaltende und Wohnqualität verbessernde Funktion. Bäume schaffen eine ansprechende Atmosphäre und Lebensqualität, lockern den optischen Eindruck der Umgebung auf, beruhigen das Auge und verhelfen Anwohnern zum Luftholen und Durchatmen. Bepflanzungen spielen unbestreitbar eine wesentliche Rolle für das von Lärm und Abgasen geprägte Großstadtklima und die Verbesserung des Wohnumfeldes. Da nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, schlägt sich darin das Gebot an die Kommune nieder, über die Interessen der unmittelbaren Straßenanlieger hinaus auch solche der nicht direkt angrenzenden Wohnbevölkerung wahrzunehmen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 32.

Die Pflicht zur Duldung der Einwirkungen der auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen endet mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen. Diese liegen dann vor, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird.

OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 33; VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris, Rn. 40.

Dies ist hier nicht der Fall. Hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten unzumutbaren Verschattung durch die Straßenbäume ist zunächst auf die Wertungen im Verhältnis zwischen privaten Grundstücksnachbarn hinzuweisen. Zwischen privaten Nachbarn bestehen in Bezug auf die Verschattung durch Bäume keine Abwehransprüche auf der Grundlage der §§ 1004 und 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, die gegebenenfalls im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden wären. Denn bei der Verschattung handelt es sich um so genannte negative Einwirkungen. Derartige negative Einwirkungen, bei denen durch Handlungen auf dem einen Grundstück natürliche Vorteile von einem anderen Grundstück abgehalten werden, sind grundsätzlich nicht als Eigentumsstörung abwehrbar.

VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 12;LG Berlin, Urteil vom 05.03.2009 - 57 S 82/08 - juris Rn. 19.

Der ungehinderte Einfall natürlichen Sonnenlichts auf ein Grundstück ist damit grundsätzlich nicht vom Schutz des Grundeigentums umfasst. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich ein Anspruch auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur in gravierenden Ausnahmefällen ergeben, etwa bei vollständiger Verschattung eines gesamten Grundstücks während des ganz überwiegenden Teils des Tages. Denn die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren, so dass ein Rückgriff auf Treu und Glauben nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.

VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteile vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 15, und vom 11.07.2003 - V ZR 199/02 - juris Rn. 16.;

Für die Frage der Zumutbarkeit einer Baumpflanzung zwischen privaten Nachbarn ist daher vorrangig die Bestimmung des Nachbarrechtsgesetzes über Grenzabstände für Bäume und Sträucher heranzuziehen. Hierzu ist vorliegend festzustellen, dass die Straßenbäume in einem Abstand von ca. 4 m von der Grenze zum Grundstück des Sohnes des Klägers stehen und in einem noch größeren Abstand zum klägerischen Grundstück. Sie halten damit den in § 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b NachbG NRW festgelegten Mindestgrenzabstand von 2,00 m für nicht stark wachsende Bäume - zu denen auch der Feldahorn und der Baumhasel gehören - mehr als reichlich ein. Würde daher schon in einem privatrechtlichen Nachbarverhältnis kein Abwehranspruch bestehen, so gilt dies erst Recht gegenüber einer Verschattung durch Straßenbäume, die nicht einmal - wie ausgeführt - die Mindestgrenzabstände einhalten müssen.

Die konkreten örtliche Verhältnisse rechtfertigen keine Ausnahme von dieser Grundentscheidung. Die Beschattung ist auf die Zeit des Jahres beschränkt, in der die Ahornbäume Laub tragen. Die gerichtliche Ortsbesichtigung am 27.10.2015 hat zudem ergeben, dass der Schatten der auf der Südostseite stehenden Bäume nur in den Morgen- und Vormittagsstunden auf die Grundstücke C1. 30 und 30a und die dort befindlichen Wohngebäude fällt, während in der übrigen Tageszeit keine Verschattung durch die Straßenbäume erfolgt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung ist daher nicht gegeben.

Entsprechendes gilt auch für die von dem Kläger angeführten überhängenden Äste. Auch insoweit wird ein zivilrechtlicher Abwehranspruch durch die öffentlichrechtliche Duldungspflicht des § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW überlagert. Das Recht aus § 910 BGB zum Abschneiden von eingedrungenen Wurzeln und überragenden Ästen besteht nicht, wenn die Wurzeln oder die Äste die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Im Hinblick auf die - bereits oben dargestellte - öffentliche Wohlfahrtswirkung von Straßenbäumen müssen die Beeinträchtigungen eine gewisse Erheblichkeit erreichen, um einen Rückschnitt zu rechtfertigen.

Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 30, 38.

Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ragen einzelne dünnere Äste der Bäume bis zu ca. 2,00 m auf das Grundstück C1. 30a, doch sind damit keine übermäßigen Beeinträchtigungen der Nutzung des Grundstücks verbunden. Würde man allein aus der Tatsache des Überwuchses einen Anspruch auf Rückschnitt herleiten, würde die durch § 32 StrWG NRW konstituierte Privilegierung grenznaher Anpflanzung von Straßenbäumen leerlaufen.

Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 34.

Insgesamt betrachtet überschreiten die von den Bäumen ausgehenden typischen natürlichen Auswirkungen wie Schattenwurf, Laub- und Samenfall, verzögerte Abtrocknung von Flächen oder Zäunen u.ä. nicht das zumutbare Maß und sind daher von den Straßenanliegern als situationsgebunden und sozialadäquat hinzunehmen.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Lukas Jozefaciuk