VG Köln, Beschluss vom 11.07.2018 - 23 L 1385/18
Tenor
1.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage 23 K 4506/18 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. Mai 2018 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Soweit der Antrag auch auf Anordnung der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfallenden aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Gebührenfestsetzung zu Ziffer 6 des Bescheides gerichtet ist, ist der Antrag unzulässig, da der Antragssteller keinen vorherigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde gestellt hat, § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO.
Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber unbegründet. Das Gericht stellt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die vorliegend nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung der Klage dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die streitige Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Hingegen überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse, wenn der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Die gebotene Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragsstellers aus. Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung spricht Vieles dafür, dass der Bescheid vom 16. Mai 2018 rechtmäßig ist.
Als Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis kommt § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV in Betracht. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des Inhabers einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in § 11 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinischpsychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Unter dem 21. März 2018, zugestellt am 22. März 2018, hat der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller angeordnet, ein medizinischpsychologisches Gutachten zu der Frage, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wird, bis zum 8. Mai 2018 vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Antragsteller nicht nachgekommen und hat bis heute kein entsprechendes Gutachten vorgelegt. Hierzu war er jedoch verpflichtet, weil die Anforderung des Gutachtens ordnungsgemäß war.
Der Schluss auf die Nichteignung ist nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25/04 - juris Rn 19; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 16 B 584/15 - juris Rn 3 und vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 - juris Rn 3 f; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 11 FeV, Rn 55.
Die Anordnung des Antragsgegners zur Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens vom 21. März 2018 ist nach derzeitigem Sachstand rechtmäßig.
Die Anordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Antragsgegner den Antragsteller in der Anordnung auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen, § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV. Auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 FeV sind erfüllt.
Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG kann die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens zur Klärung von Fahreignungszweifeln für die Zwecke nach Abs. 1 und 2 u.a. bei wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften angeordnet werden.
Der Antragsteller hat im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs überschritt er am 10. März 2017 die Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h. Neun Tage später, am 19. März 2017, führte er ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,34 mg/l. Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe nur zweimal und nicht in erheblicher Weise gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, dringt er damit nicht durch. Das Tatbestandsmerkmal "wiederholte Verstöße" im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV setzt mindestens zwei Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften voraus. Welche Anzahl von Verstößen die Annahme wiederholter Verstöße rechtfertigt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Der Normgeber wollte durch die Begriffe "erheblich" und "wiederholt" ersichtlich zwei in der Begehung unterschiedliche Varianten im Hinblick auf den Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze schaffen. Dabei hat der Gesetzgeber erkennbar beiden Varianten ein solches Gewicht beigemessen, dass jeder allein eignungsausschließende Bedeutung zukommen kann. Der wiederholten Begehung von Verstößen wird der nur einmalige, aber dafür erhebliche Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften gegenüber gestellt.
Vgl. auch VGH BaWü, Beschluss vom 25. Juli 2001 - 10 S 614/00 - juris Rn 4.
Daraus folgt, dass es nicht in jedem Fall ausreicht, wenn zwei Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften vorliegen. Vielmehr ist erforderlich, dass es im jeweiligen Einzelfall gerechtfertigt erscheint, die wiederholten, nicht erheblichen Verstöße einem erheblichen Verstoß gleichzustellen. Maßgeblich dafür ist nach dem Sinn der Norm, ob aus den wiederholten Verstößen Zweifel an der Eignung erwachsen können. Dafür kann maßgeblich etwa die Art der Verstöße, die jeweilige Schwere der Verstöße oder die zeitliche Abfolge sein.
Vorliegend reichen die begangenen zwei Verstöße aus, um die Eignungsbedenken zu rechtfertigen. Hierfür spricht zum einen die zeitliche Nähe der Verstöße. Denn trotz des von ihm begangenen Verstoßes gegen die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit am 10. März 2017 beging der Antragsteller nur neun Tage später den nächsten Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, indem er mit einer zu hohen Blutalkoholkonzentration ein Fahrzeug führte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Lebenserfahrung aufgrund der Kontrolldichte der Verkehrskontrollen nicht anzunehmen ist, dass jeder Verstoß auch tatsächlich auffällt, fällt die zeitliche Nähe der Verstöße ins Gewicht. Zum anderen lässt auch die unterschiedliche Art der Verstöße, nämlich Geschwindigkeitsüberschreitung einerseits und Fahren unter dem Einfluss von Alkohol andererseits, die Vermutung zu, dass beim Antragssteller eine generelle Nichtakzeptanz jeglicher Verkehrsregeln vorliegt und sich seine Problematik nicht auf ein bestimmtes Fehlverhalten beschränkt. Soweit der Antragssteller vortragen lässt, er sei sich zwar der Schwere der Verstöße bewusst, es handele sich aber gleichwohl um Verstöße, die nicht selten vorkämen, verstärkt dies eher diese Vermutung, denn sie zu entkräften. Die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 56 km/h, also dem Fahren eines Kraftfahrzeuges mit - nach Toleranzabzug - 136 km/h auf einer Strecke, auf der 80 km/h erlaubt sind, stellt im Übrigen auch keinen leichten Verstoß dar. Dass der Antragssteller seit den vergangenen 12 Monaten keinen weiteren Verstoß begangen hat, ist zu begrüßen, ändert jedoch nichts an den zwei bereits festgestellten Verstößen.
Der Gutachtenanforderung steht auch nicht der Vorrang des Fahreignungs-Bewertungssystems entgegen. Grundsätzlich trägt das Gesetz dem Schutz vor Gefahren, die sich aus einer Häufung von Verkehrsverstößen ergeben, durch das Fahreignungs-Bewertungssystem gemäß § 4 StVG Rechnung.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW,
vgl. Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 16 B 1392/10 - juris Rn 9 f. für die damalige Fassung des § 4 Abs. 3 StVG,
der die Kammer folgt, liegt mit § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG eine im Verhältnis zu § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG speziellere Norm vor. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz vor Gefahren, die von einem wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführer und -halter ausgehen, vorrangig die in § 4 Abs. 5 StVG genannten Maßnahmen (Punktesystem) zu ergreifen. Diese bestehen aus Ermahnung, schriftlicher Verwarnung und schließlich dem Verlust der Fahrerlaubnis.
Das Punktesystem sorgt einerseits für eine gleichmäßige Behandlung von Mehrfachtätern, andererseits räumt es ihnen die Möglichkeit ein, aufgetretene Mängel frühzeitig zu beseitigen. Gleichzeitig nimmt der Gesetzgeber mit dem Punktesystem in Kauf, dass auch Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen, die sogar schwerwiegende Verkehrsverstöße begangen haben. Auch diesen soll die Fahrerlaubnis im Regelfall nicht entzogen werden, bevor ihnen die gesetzlich vorgesehenen Angebote und Hilfestellungen unterbreitet worden sind.
Das Punktesystem findet nach § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen auf Grund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG ergibt. Entscheidend ist nach oben genannter Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW, ob frühere oder andere Maßnahmen als die des Punktesystems notwendig sind. Notwendig sind sie, wenn der Fahrerlaubnisinhaber als möglicherweise fahrungeeignet angesehen werden kann, obwohl ihm die Hilfestellungen des § 4 Abs. 5 StVG nicht angeboten worden sind und obwohl er die Schwelle von 8 Punkten noch nicht erreicht hat. Dazu müssen Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, dass der Kraftfahrer auch dann nicht zu verkehrsordnungsmäßigem Verhalten zurückfindet, wenn er die präventiven Maßnahmen nach dem Punktesystem durchlaufen hat. Es muss alles dafür sprechen, dass er ungeeignet ist, am motorisierten Straßenverkehr teilzunehmen und keine Aussicht auf Besserung seines Verkehrsverhaltens besteht. Ausschlaggebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Straßenverkehrsbehörde muss sich hier in Zurückhaltung üben und im Einzelnen darlegen, warum der Fahrerlaubnisinhaber sich von allen anderen "Punktetätern" negativ abhebt,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 16 B 1392/10 - juris Rn 11 m.w.N.
Das Merkmal "notwendig" in § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Ausfüllung der Straßenverkehrsbehörde kein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Die Bewertung unterliegt der unbeschränkten gerichtlichen Prüfung.
Besteht die andere Maßnahme i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG in der Anforderung eines medizinischpsychologischen Gutachtens, muss sich aus der Begründung der Anordnung ergeben, warum die Behörde vom Punktesystem abweicht (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Denn nur so ist es dem Adressaten möglich, eigenständig zu prüfen, ob die Anordnung rechtmäßig und deswegen zu befolgen ist. Denn die Gutachtenanforderung ist als eine Verfahrenshandlung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angreifbar. Ihr Adressat hat eigenständig zu prüfen, ob sie rechtmäßig und deswegen zu befolgen ist. Nur auf der Grundlage der Begründung muss der Betroffene einschätzen können, ob er sich trotz des Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht, die mit einer solchen Untersuchung verbunden ist, sowie den mit ihr einhergehenden Kosten der Begutachtung stellen will oder ob er die Risiken eingeht, die mit einer Verweigerung der Untersuchung verbunden sind.
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 16 B 1392/10 - juris Rn 15 sowie Beschluss vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 - juris Rn 9 m.w.N.
Ausgehend hiervon erweist sich die Aufforderung des Antragsgegners, ein medizinischpsychologisches Gutachten beizubringen, als rechtmäßig.
Der Antragsgegner legt in seiner Gutachtenanforderung vom 21. März 2018 dar, dass er den Vorrang des Punktesystems erkannt habe, aber ausnahmsweise davon abweiche, da er eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG nicht als ausreichend für eine Verhaltensänderung ansehe. Den Grund dafür sieht er darin, dass der Antragsteller kurz nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis vom 16. August 2016 erneut zwei Verkehrsverstöße begangen hat. Aufgrund dieser Verstöße nimmt er an, dass es sich bei der erfolgreichen medizinischpsychologischen Untersuchung vom 25. Juli 2016, die der Neuerteilung voranging, um eine Fehlprognose handelte. Entgegen der dort getroffenen Aussagen vermutet er, dass der Antragsteller sich den übergeordneten Straßenverkehrsregeln nicht bewusst sei, keine dementsprechende Einsicht in die Problematik seines Fehlverhaltens bestehe und er seine verfestigten Gewohnheiten nicht habe ändern können.
Die angeführten Gründe genügen, um ausnahmsweise vom Fahreignungssystem abzuweichen.
Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass es für die Anordnung eines medizinischpsychologischen Gutachtens, anders als etwa für die Entziehung, ausreicht, wenn die Behörde Zweifel an der Eignung hat. Die Nichteignung steht in einem solchen Fall gerade nicht fest, § 11 Abs. 7 FeV. Daher dürfen die Anforderungen für die Anordnung einer medizinischpsychologischen Untersuchung nicht überspannt werden.
Für die Annahme, dass die Maßnahmen des § 4 Abs. 5 StVG im Falle des Antragstellers ausnahmsweise nicht ausreichen, um einem weiteren Fehlverhalten entgegen zu wirken, spricht bereits, dass der Antragsteller vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis bereits an einem Aufbauseminar teilgenommen hat und verwarnt wurde. Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach dem Durchlaufen der Maßnahmen des Punktsystems bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis und daran sich anschließend dem Ablauf der Wartefrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis (§ 4 Abs. 10 Satz 1 und 2 StVG), der Vorlage eines positiven medizinischpsychologischen Gutachtens (§ 4 Abs. 10 Satz 3 StVG) und schließlich der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht ohne Weiteres genauso wie der weit überwiegende Teil der mit Punkten belasteten Fahrerlaubnisinhaber behandelt werden kann, auf die nicht bereits einmal das vollständige Instrumentarium des Punktsystems (§ 4 Abs. 3 Satz 1 StVG) angewendet worden ist. Zwar ist einem Kraftfahrer zuzugestehen, dass er auch im "zweiten Durchgang" des Punktsystems Verkehrsverstöße begehen kann, ohne unmittelbar den Verlust seiner Fahrerlaubnis befürchten zu müssen. Er darf nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis aber nicht gleichsam nahtlos da ansetzen, wo er bei ihrem Verlust aufgehört hat.
OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2013 - 16 A 2820/12 - juris Rn 22.
Genau das war bei dem Antragssteller jedoch der Fall. Die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis, der er durch seinen Verzicht im Juni 2015 zuvorkam, knüpfte an verschiedenartige Verstöße gegen Verkehrsvorschriften an. Trotz der Teilnahme an einem Aufbauseminar und einer Verwarnung setzte der Antragsteller sein Fehlverhalten fort. Bereits am 10. März 2017 und damit nur sieben Monate nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis beging der Antragssteller wieder die erste punktebewehrte Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr, indem er die Höchstgeschwindigkeit um 56 km/h überschritt. Anschließend hat er nur neun Tage später ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 0,34 mg/l geführt. Angesichts dessen sind die Zweifel daran, ob die drohende Fahrerlaubnisentziehung, der er durch seinen Verzicht im Juni 2015 zuvorkam, und die anschließende fahrerlaubnislose Zeit von immerhin einem Jahr den Antragsteller in irgendeiner Weise nachdrücklich beeinflusst haben, sein regelwidriges Verhalten im Straßenverkehr zu ändern, gerechtfertigt. Hat selbst der zeitweilige Verlust der Fahrerlaubnis die Neigung des Antragstellers zu Regelverstößen nicht erkennbar geringer werden lassen, drängt sich die Vermutung, er werde sich auch weiterhin als gegen die Maßnahmen und Hilfestellungen des Punktsystems immun erweisen, geradezu auf.
So auch OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2013 - 16 A 2820/12 - juris Rn 22.
Weiterhin spricht für die Annahme, dass im Falle des Antragstellers die Maßnahmen des Punktesystems nicht ausreichen, dass er innerhalb von nur zehn Tagen durch die festgestellten Verstöße einen Punktestand von vier Punkten und damit bereits die erste Stufe des Punktesystems erreicht hat (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG).
Soweit der Antragssteller geltend macht, er habe nicht alle Maßnahmen nach § 4 StVG, sondern nur die Maßnahmen nach § 2a StVG durchlaufen, überzeugt dieser Einwand nicht. Die Maßnahmen, die § 2a StVG vorsieht, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der Probezeit eine Ordnungswidrigkeit begeht, sind mit den Maßnahmen nach § 4 StVG weitestgehend vergleichbar und berücksichtigen die Besonderheit, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe sich in seiner Probezeit "bewähren" soll. Ein Durchlaufen der Maßnahmen des § 2a StVG wiegt daher sogar schwerer als das Durchlaufen der Maßnahmen nach § 4 StVG.
Auch steht der Anordnung des Gutachtens nicht die positive Aussage des medizinischpsychologischen Gutachtens vom 11. August 2016 über die Begutachtung am 25. Juli 2016 entgegen. Denn bei der Aussage des Gutachtens handelt es sich um eine Prognose und keine unwiderlegliche Feststellung. Begründet der Begutachtete durch ein darauf folgendes Fehlverhalten Zweifel an der Richtigkeit der Prognose, muss er sich einer erneuten Begutachtung stellen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner auch nicht gegen das Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG verstoßen, indem er im Rahmen der Entziehung die Gründe für die im Jahre 2015 drohende Entziehung der Fahrerlaubnis aufgeführt hat. Nach § 29 Abs. 7 i.V.m. § 28 Abs. 2 StVG dürfen nach Löschung einer Eintragung im Fahreignungsregister die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen nicht mehr u.a. für die Beurteilung der Eignung und Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden. Der Antragsgegner hat die Anordnung des Gutachtens mit den kurz nach der Neuerteilung begangenen Verstößen begründet. Dabei hat er für die Entscheidung, von dem Punktesystem abzuweichen, berücksichtigt, dass der Antragssteller bereits zuvor seine Fahrerlaubnis abgegeben hat und bereits zuvor alle Maßnahmen des Punktesystems durchlaufen hat. Dies stellt jedoch keinen Verstoß gegen das Verwertungsverbot dar, da die Anordnung ersichtlich nicht aufgrund dieser gelöschten Verstöße erfolgt ist, sondern aufgrund der neu begangenen Verstöße nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis hat der Antragsgegner die Verstöße vor dem Verzicht im Jahre 2015 aufgeführt. Dabei handelt es sich jedoch ersichtlich um eine Sachverhaltsschilderung und nicht um die Begründung der Entziehung, die er ausdrücklich "aufgrund dieser neuen Tatsachen" angeordnet hat. Im Übrigen reicht für die Entziehung aufgrund fehlender Eignung die Nichtbeibringung des Gutachtens nach § 11 Abs. 8 FeV bereits aus.
Zuletzt verstößt die Anordnung der Gutachtenbeibringung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Entscheidung, ob die Fahrerlaubnisbehörde eine Gutachtenbeibringung anordnet, hat sie Ermessen, § 11 Abs. 3 FeV. Dieses hat der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Er war insbesondere nicht gehalten, die Anordnung des Gutachtens auf ein psychologisches Gutachten zu beschränken. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV sieht bei den hier gegebenen wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften ausdrücklich die Anordnung eines medizinischpsychologischen Gutachtens vor. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass hier ein Einzelfall vorliegt, der ein Abweichen davon gebieten würde. Insbesondere spricht dafür nicht, dass unter dem 11. August 2016, also in näherer Vergangenheit, bereits ein medizinischpsychologisches Gutachten zu der gestellten Frage angefertigt wurde. Denn die Prognose eben dieses Gutachtens zweifelt der Antragsgegner aufgrund der Vorfälle nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis an.
Der Antragsgegner durfte daher gemäß § 11 Abs. 8 FeV aufgrund der Nichtbeibringung des Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers schließen. § 11 Abs. 8 FeV eröffnet der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen. Vielmehr ist der Schluss von der Nichtbefolgung der Aufklärungsanordnung auf die Nichteignung ein von der Vorschrift positivrechtlich anerkannter Akt der Beweiswürdigung, der keine Ermessensentscheidung voraussetzt.
Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.01.2012 - 10 S 3175/11 -, juris, Rz. 24 m.w.N.
Die Verpflichtung, den Führerschein nach Entziehung der Fahrerlaubnis bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 S. 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV. Die Vollstreckung dieser gesetzlichen, nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde stehenden Pflicht bedarf keines (Grund-)Verwaltungsakts.
Vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.10.2009 - 5 K 1853/09 -, juris, Rz. 15; VG Köln, Beschluss vom 12.05.2015 - 23 L 782/15 -.
Auch unabhängig von der zuvor erörterten Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung fällt eine allgemeine, d.h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens losgelöste Interessenabwägung hier zum Nachteil des Antragstellers aus. Zum Schutz von Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den Antragsteller durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Das gilt selbst dann, wenn ihm aufgrund dessen konkrete berufliche Nachteile bis hin zum Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage drohen sollten.
Vgl. zu dieser Interessenlage BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.07.2007 - 1 BvR 305/07 -, juris, Rz. 6; OVG NRW, Beschlüsse vom 22.05.2012 - 16 B 536/12 -, juris, Rz. 33 und vom 26.03.2012 - 16 B 277/12 -, juris, Rz. 23.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren wegen der Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis setzt die Kammer in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen den Streitwert in Hauptsacheverfahren einheitlich auf den Auffangwert von 5.000,00 Euro fest. Dieser Wert ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf den hälftigen Betrag zu reduzieren.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2015 - 16 B 8/15 - juris.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.
Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.