VG Hamburg, Urteil vom 24.10.2018 - 5 K 4624/15
Im Entziehungsverfahren ist zum Nachweis einer Verhaltensumstellung nach Betäubungsmittelkonsum und zur Annahme einer entsprechenden Ausnahme im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Beklagte.
Am 10. Juni 2014, einem Dienstag, wurde der im Jahr 1976 geborene Kläger um 20:30 Uhr auf der Kieler Straße in Hamburg als Führer eines Lastkraftwagens von der Polizei angehalten und überprüft. Laut Polizeibericht zeigten sich beim Kläger verschiedene Auffälligkeiten, die auf Drogen hindeuteten. Ein freiwillig durchgeführter Drogenschnelltest habe einen positiven Befund im Hinblick auf THC ergeben. Der Kläger machte gegenüber der Polizei keine weiteren Angaben, war aber mit einer Blutentnahme einverstanden. Diese wurde um 21:52 Uhr durchgeführt.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, untersuchte die entnommene Blutprobe. Laut Befund vom 2. Juli 2014 befanden sich im Blutserum des Klägers 2,6 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 1,3 ng/ml THC-OH und 25 ng/ml THC-Carbonsäure.
Mit Schreiben vom 1. September 2014 ordnete die Beklagte daraufhin eine fachärztliche Begutachtung zur Feststellung des Konsumverhaltens des Klägers durch eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung an. Das Gutachten solle die Frage beantworten, ob bei dem Kläger ein Cannabiskonsum vorliege, der die Kraftfahreignung in Frage stellen könne.
Am 13. Oktober 2014 wurde der Kläger im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, untersucht. Nach dem daraufhin erstellten Gutachten zweier Fachärzte für Rechtsmedizin vom 20. Oktober 2014 gab der Kläger bei der Untersuchung an, dass sein erster Probierkonsum nach der Schulzeit etwa im Jahr 1996 stattgefunden habe. Danach habe er nur noch „gelegentlich“ zu geselligen Anlässen „ein paar Züge“ mitgeraucht. Mit „gelegentlich“ habe der Kläger nach eigenen Angaben gemeint, dass er mal mitgeraucht habe und dann wieder nicht. Es habe auch jahrelange Phasen ohne Konsum gegeben. Am Tag vor der Verkehrskontrolle habe der Kläger etwa von 22:00 bis 3:00 in einer Runde mitgeraucht. Anlass sei eine private Feier „(Nacht von Sonntag auf Montag)“ gewesen. Der Kläger beabsichtige, künftig abstinent zu bleiben. Er habe gesagt: „Ich bin damit durch, mir reicht’s. Der Führerschein ist mir wichtiger. Außerdem kann man das nicht wirklich vernünftig handhaben.“ Das Gutachten endet mit der zusammenfassenden Feststellung, dass sich keine Anhaltspunkte für einen aktuellen Betäubungsmittelgebrauch finden ließen. Die Aussagen des Klägers im Hinblick auf eine zukünftige Vermeidung des Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs unter Einwirkung von Betäubungsmitteln wirkten konsistent, reflektiert und eigenmotiviert. Es gäbe keine medizinischen Hinweise darauf, dass ein früherer oder aktueller missbräuchlicher Konsum von Cannabis zu überdauernden Beeinträchtigungen geführt habe, die das Führen eines Kraftfahrzeugs derzeit in Frage stellen könnten.
Mit Schreiben vom 24. November 2014 übermittelte der Kläger das Gutachten an die Beklagte. Hierbei führte er unter Hinweis auf das Ergebnis des Gutachtens aus, dass er davon ausgehe, dass Zweifel an der Fahreignung nunmehr ausgeräumt seien.
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Zur Begründung führte sie aus, dass sich der Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Er habe am 10. Juni 2014 ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Das fachärztliche Gutachten habe ergeben, dass der Kläger gelegentlich zu geselligen Anlässen Cannabis konsumiere. Als gelegentliche Einnahme von Cannabis gelte schon der zweimalige Konsum, wobei die einzelnen Einnahmen auch länger auseinander liegen können. Die gelegentliche Einnahme von Cannabis schließe die Fahreignung aus, wenn wie im Fall des Klägers keine Trennung zwischen dem Konsum und dem Fahren von Kraftfahrzeugen erfolge.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein. Am 29. Dezember 2014 stellte er bei Gericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen (Az. 5 E 6240/14). Zudem begründete er gegenüber der Beklagten mit separatem Schreiben seinen Widerspruch. Zur Begründung führte er insgesamt im Wesentlichen aus, dass die von der Beklagten ausgesprochene Rechtsfolge diametral und unvereinbar im Widerspruch zur Kernaussage des angeordneten Gutachtens stünde. Das Gutachten sei nur zum Teil in den Bescheid der Beklagten eingeflossen. Es läge ein Ermessensfehlgebrauch vor. Am 16. Januar 2015 lehnte das Gericht den Antrag des Klägers ab. Es lägen beim Kläger ein gelegentlicher Konsum von Cannabis und fehlendes Trennungsvermögen vor. Es obliege dem Kläger, eine Ausnahme nach Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 der FeV darzulegen und zu beweisen. Das fachärztliche Gutachten reiche hierfür nicht aus, weil hierfür ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich sei.
Gegen diesen Beschluss legte der Kläger Beschwerde ein (Az. 4 Bs 39/15). Zur Begründung führte er aus, dass das Gericht den Ermessensnichtgebrauch der Beklagten nicht geprüft habe. Außerdem liege dem Beschluss eine falsche Beweislastverteilung zugrunde. Die Beklagte gehe rechtsirrig von einem ihr nicht mehr zustehenden Ermessensspielraum beziehungsweise einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Es habe nach Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 der FeV in ihrem pflichtgemäßen Ermessen gelegen, das Vorliegen eines Ausnahmefalls zu prüfen. Anlass für eine entsprechende Prüfung habe es in zweierlei Hinsicht gegeben. Zum einen habe die Beklagte fälschlich ohne Nachprüfung auf der Grundlage des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin vom 2. Juli 2014 angenommen, dass der Kläger ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis gelenkt habe. Nach dem Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung vom selben Tage sei der Kläger in seiner Fahrfähigkeit nicht beeinträchtigt gewesen. Zweitens habe das vom Kläger vorgelegte Facharztgutachten sorgfältig geprüft werden müssen. Das Gutachten widerspreche der Annahme eines fehlenden Trennungsvermögens. Der Kläger habe nach den Umständen des Einzelfalles keine weiteren Nachweise dafür erbringen müssen, um der Beklagte ein Abweichen von der Regelvermutung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu ermöglichen. Die Beklagte selbst habe ein fachärztliches Gutachten als ausreichend angesehen und angeordnet. Sie könne sich im Nachhinein nicht auf das Nichtvorliegen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung berufen. Mit Beschluss vom 16. März 2015 änderte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht den vorausgegangenen Beschluss und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis lägen offensichtlich nicht vor. Ein Ausnahmefall im Sinne der Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 der FeV komme ernsthaft in Betracht. Es sei unerheblich, dass sich der Kläger auf ein fachärztliches Gutachten und nicht auf ein medizinisch-psychologisches Gutachten stütze. Eine Anordnung nach § 11 Abs. 2 FeV oder § 14 Abs. 1 Satz 3 beziehungsweise Abs. 2 FeV sei nicht erfolgt. Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 der FeV betreffe Umstände jeglicher Art und der Betroffene sei grundsätzlich in der Wahl der Mittel zur Darlegung und zum Beweis frei. Nach Satz 3 der Vorbemerkung Nr. 3 zu Anlage 4 der FeV werde die Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nur in Zweifelsfällen für angezeigt gehalten. Zweifel an den Angaben des Klägers oder der Einschätzung der Gutachter habe die Beklagte nicht geäußert und auch nicht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren sei auch nicht erkennbar, dass das fachärztliche Gutachten fehlerhaft sei.
Am 24. April 2015 fragte die Beklagte per Mail bei dem Institut für Rechtsmedizin nach, ob der festgestellte Wert von 2,6 ng/ml THC am 10. Juni 2014 sowie die anderen angegebenen Werte von dem letzten zugegebenen Konsum am Vortag um 3:00 Uhr morgens herrühren können. Es sei bei der nochmaligen Durchsicht des Gutachtens aufgefallen, dass der Anlass für den Konsum nach den Angaben des Klägers eine private Feier in der Nacht von Sonntag auf Montag gewesen sei. Die Verkehrskontrolle habe jedoch erst am Dienstag stattgefunden, so dass zwischen Konsum und Blutentnahme 42 Stunden gelegen hätten.
Mit Mail vom 18. Mai 2015 antwortete das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, dass man davon ausgegangen sei, dass „der Konsum am Vorabend des Konsums“ erfolgt sei. Die Beklagte habe hinsichtlich des Missverständnisses bezüglich der Wochentagskonstellation zweifellos Recht. Das Institut müsse seine Aussage dahingehend ändern, dass ein inhalatorischer Einmalkonsum von Cannabisprodukten 42 Stunden vor Aufnahme nicht mit dem dargestellten Wert von „0,0025 mg/l THC im Blut“ vereinbar sei, wenn man von einem Gelegenheitskonsumenten ausgehe. Die übrigen Parameter sprächen zumindest nicht gegen einen Gelegenheitskonsum. Die Beklagte bat daraufhin, dem Kläger einen Nachtrag zum Gutachten zuzusenden.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2015, zugestellt am 13. Juli 2015, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und ordnete erneut die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie den Ausführungen des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aus dem vorangegangenen Eilverfahren nicht folge. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen der Begutachtung eine unrichtige Angabe gemacht habe. In einer gutachterlichen Stellungnahme in einer anderen Sache habe das Institut für Rechtsmedizin ausgeführt, dass bei einem „ungewohnten Konsumenten“ THC-Blutkonzentrationen von über 2 ng/ml auf einen „aktuellen (maximal 6 Stunden vor der Blutentnahme) stattgefundenen Cannabiskonsum“ hinwiesen. Die wahrheitswidrige Angabe bei der Exploration lasse erhebliche Zweifel an der Absicht des Klägers aufkommen, von künftigen Konsumvorgängen Abstand zu nehmen. Die Fahrerlaubnisbehörde dürfe ein ihr vorgelegtes Gutachten nicht ungeprüft übernehmen, sondern müsse dieses einer eigenen kritischen Würdigung unterziehen. Die Erlaubnisbehörde habe daher insbesondere zu überprüfen, ob das Gutachten nachvollziehbar sei. Dieser erforderlichen kritischen Überprüfung halte das vorgelegte Gutachten nicht stand. Es basiere maßgeblich auf den widersprüchlichen Annahmen, dass zwischen dem Konsumvorgang und der Teilnahme am Straßenverkehr ein längerer Zeitraum vergangen sei und dass die von dem Kläger getätigten Erklärungen zuträfen. Darüber hinaus sei aus der Sicht der Beklagten die aufgrund des jahrelangen Konsums bestehende Rückfallgefahr nicht hinreichend betrachtet worden. Diese Gefahr sei als eine wesentliche Größe für die Prognose des zukünftigen Verhaltens zu berücksichtigen. Es sei bei dem Kläger von einem über den klassischen Probierkonsum hinausgehenden Interesse an weiteren Konsumvorgängen auszugehen. Die Aussage zur Ablehnung des weiteren Konsums werde durch die unrichtigen Angaben zum erfolgten Konsum im Juni 2014 erschüttert.
Am 13. August 2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Am 20. August 2015 stellte der Kläger bei Gericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen (Az. 5 E 4722/15). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Beklagte vergeblich versuche, den Widerspruchsbescheid auf eine abweichende Tatsachengrundlage zu stellen, um von der rechtskräftigen Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts abweichen zu können. Der Kläger habe im Rahmen der Exploration keinen Konsum von Cannabis in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni 2014 eingeräumt. Er habe zugegeben, in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2014 konsumiert zu haben. In dieser Nacht habe die besagte Feier stattgefunden. Der Kläger sei sich sicher, dass der Inhalt des Zusatzes im Gutachten („Nacht von Sonntag auf Montag“) nicht von ihm stamme. Möglicherweise hätten die Gutachter den Zusatz im Bemühen um Konkretisierung hinzugefügt und sich wegen des Pfingstwochenendes im Wochentag geirrt. Darüber hinaus sei auch nur ein Konsum in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2014 mit den übrigen im fachärztlichen Gutachten festgestellten Werten vereinbar. Die Beklagte erwiderte, dass das fachärztliche Gutachten bei näherer Überprüfung nicht nachvollziehbar sei. Sie gehe nicht davon aus, dass die Gutachter die Konkretisierung eigenmächtig ergänzt haben. Die Rückmeldung der Gutachter per Mail biete hierfür keine Anhaltspunkte. Angesichts des Zeitabstandes von 42 Stunden zwischen Konsum und Kontrolle könnten die festgestellten Werte nicht mit dem angegebenen Konsum erklärt werden. In Anbetracht dessen, dass der Kläger früher schon nach Konsumpausen wieder rückfällig geworden sei, könne aufgrund einer Abstinenz von vier Monaten nicht von einem Einstellungswandel ausgegangen werden. Das Gutachten gehe nicht darauf ein und bleibe die Antwort auf die Frage schuldig, was sich bei dem Kläger seit der Verkehrskontrolle geändert haben solle. Darüber hinaus gehe es nicht auf den vom Kläger angegebenen Bierkonsum ein. Das Gutachten sei daher insgesamt nicht geeignet, eine Ausnahme von der Regelung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu begründen. Mit Beschluss vom 11. September 2015 stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Erfolgsaussichten der Klage wegen der differierenden Entscheidungen im ersten Eilverfahren als offen angesehen werden müssten. Angesichts des Inhalts des fachärztlichen Gutachtens überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug nicht. Dass der Kläger regelmäßiger Konsument von Cannabis gewesen sein oder bei der Exploration falsche Angaben zum Tag des Konsums gemacht haben könnte, schließe die positive Bewertung der Angaben zu dem künftigen Verhalten nicht aus. Die Fachärzte hätten das Gutachten bisher auch nicht geändert.
Zur Begründung seiner Klage wiederholt der Kläger im Wesentlichen seinen Vortrag aus den vorherigen Verfahren und bezieht sich hierauf.
Er beantragt,
den Entziehungsbescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Vortrag aus den vorherigen Verfahren und wiederholt diesen teilweise.
Die Sachakte der Beklagte sowie die Gerichtsakten der vorherigen Verfahren haben dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist sowohl formell (1.) als auch materiell rechtmäßig (2.).
1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist formell rechtmäßig. Der Kläger ist zwar entgegen § 28 HmbVwVfG vor dem Erlass der Fahrerlaubnisentziehung nicht angehört worden, doch wurde dieser Mangel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG geheilt, indem die Beklagte das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und im Widerspruchsbescheid inhaltlich gewürdigt hat.
2. Die Entziehung der Fahrerlaubnis war auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis lagen vor.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV fehlt es insbesondere dann an der Eignung, Kraftfahrzeuge zu führen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen. Dies ist bei dem Kläger der Fall.
Der Kläger war im maßgeblichen Moment des Erlasses des Widerspruchsbescheides nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen (a.). Eine Ausnahme nach Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV lag nicht vor (b).
a. Der Kläger war gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV stellt es einen die Fahreignung ausschließenden Mangel dar, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis gelegentlich Cannabis einnimmt ((1)), sofern er nicht zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr trennt ((2)).
(1) Als ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, war der Kläger als gelegentlicher Konsument von Cannabis in diesem Sinne anzusehen (ebenso: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.3.2015, 4 Bs 39/15, S. 4).
Gelegentlicher Konsum kann bereits bei zwei selbstständigen Konsumvorgängen angenommen werden, wenn diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2014, 3 C 3/13, Rn. 20 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 4 Bs 180/17, juris Rn. 15). Im vorliegenden Fall steht bei dem Kläger ein Konsum fest, der mit Befund des UKE vom 2. Juli 2014 belegt ist. Weitere zumindest nicht außerhalb eines zeitlichen Zusammenhangs stehende Konsumvorgänge sowie der gelegentlicher Konsum von Cannabis im Allgemeinen wurden vom Kläger bei dem Explorationsgespräch am 13. Oktober 2014 eingeräumt.
(2) Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennte, weil er am 10. Juni 2014 unter Einfluss einer Konzentration von 2,6 ng/ml THC im Blutserum am Straßenverkehr teilnahm (ebenso: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.3.2015, 4 Bs 39/15, S. 4).
Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts kann eine ausreichende und im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbare Trennung zwischen Cannabiskonsum und Fahren nur dann vorliegen, wenn bei einer Fahrt unter Cannabiseinfluss eine Beeinträchtigung durch die vorangegangene Cannabiseinnahme unter keinen Umständen eintreten kann (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 4 Bs 180/17, juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 23.10.2014, 3 C 3/13 juris Rn. 32 f.). Anzunehmen ist dies allenfalls dann, wenn eine THC-Konzentration von 1 ng/ml nicht überschritten wird (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 4 Bs 180/17, juris Rn. 23 – 25 m.w.N.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 15.3.2017, 16 A 432/16, juris Rn. 68 - 142). Wegen der im Serum des Klägers gemessenen THC-Konzentration von 2,6 ng/ml geht das Gericht deshalb von einer fehlenden Trennung zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren von Kraftfahrzeugen aus.
Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geäußerten Rechtsauffassung, dass ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungserfordernis durch gelegentliche Cannabiskonsumenten allein grundsätzlich nicht zum Ausschluss der Fahreignung führt (VGH München, Urt. v. 25.4.2017, 11 BV 17.33, juris Rn. 19 – 50; VGH München, Beschl. v. 29.8.2016, 11 CS 16.1460, juris Rn. 16 f.; vgl. auch Borgmann, Cannabiskonsum und Fahreignung, DAR 2018, 190-193), wird nicht gefolgt (so auch: OVG Magdeburg, Beschl. v. 6.9.2017, 3 M 171/17, juris Rn. 12; OVG Berlin, Beschl. v. 28.6.2017, 1 S 27.17, juris Rn. 11; OVG Münster, Urt. v. 15.3.2017, 16 A 432/16, juris Rn. 143 - 154; VGH Mannheim, Beschl. v. 7.3.2017, 10 S 328/17, juris Rn. 4; VG Augsburg, Beschl. v. 23.1.2017, Au 7 S 16.1714, juris Rn. 55-65; VG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2018, 5 E 169/18, juris).
Dass Fahrten unter Einfluss von Cannabis und Fahrten unter Einfluss von Alkohol unterschiedlich bewertet werden, entspricht dem Wortlaut der entsprechenden Regelungen in der Anlage 4 zur FeV. Denn während es nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV für die Verneinung eines fahrerlaubnisrechtlichen „Alkoholmissbrauchs“ genügt, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum „hinreichend sicher“ getrennt werden können, erfordert Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV für die Fahreignung bei gelegentlichem Cannabiskonsum die „Trennung von Konsum und Fahren“ schlechthin (OVG Magdeburg, Beschl. v. 6.9.2017, 3 M 171/17, juris Rn. 12).
Dass der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV dadurch stark reduziert ist, steht der oben genannten vorherrschenden Auffassung in der Rechtsprechung nicht zwingend entgegen. Als § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV im Jahr 2008 eingeführt worden ist, gab es bereits Rechtsprechung, nach der bei einer Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Einfluss einer bestimmten THC-Konzentration im Serum auf fehlendes Trennungsvermögen geschlossen werden konnte. Die hierfür erforderliche THC-Konzentration im Serum lag nach der damals herrschenden Rechtsprechung bei 2,0 ng/ml (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage 2007, § 2 StVG, Rn. 17 m.w.N.). Daneben gab es die Rechtsprechung, nach der bei einer Fahrt mit einer geringeren THC-Konzentration im Serum von einem Anwendungsfall des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. ausgegangen werden konnte (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage 2007, § 2 StVG, Rn. 17 m.w.N.). Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat beispielsweise bei einer Fahrt mit einer THC-Konzentration von 1,7 ng/ml unter dem Hinweis, dass der Kläger eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG begangen haben dürfte, die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. bejaht (OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2005, 3 Bs 214/05, juris Rn. 20). Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. konnte wie heute nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV n.F. die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden.
Daraus ergab sich eine nach THC-Konzentrationen abgestufte Systematik. Unter Verweis auf Rechtsprechung aus der Zeit vor der Einführung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht diese Abstufung so dargestellt: „Bei einer THC-Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blutplasma kann als hinreichend sicher angenommen werden, dass der Verkehrsteilnehmer in so erheblichem Umfang mangelndes Trennungsvermögen bewiesen hat, dass eine weitere Begutachtung nicht geboten ist. Bei niedrigeren Konzentrationen kommt dagegen insbesondere bei weiteren Zweifeln am Konsumverhalten und der Trennungsfähigkeit vor einer Entscheidung über die Entziehung die Einholung eines Gutachtens in Betracht“ (OVG Hamburg, Beschl. v. 3.5.2010, 3 Bs 205/09, juris Rn. 29; vgl. auch VGH München, Beschl. v. 25.1.2006, 11 CS 05.1711, juris Rn. 45; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage 2007, § 2 StVG, Rn. 17 m.w.N.).
§ 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV lässt sich nicht entnehmen, dass der Verordnungsgeber die damals bestehende Rechtsprechung, ab einer bestimmten THC-Konzentration auf fehlendes Trennungsvermögen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu schließen und darunter gegebenenfalls die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. zu bejahen, abändern wollte. Die Begründung zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV liefert für solch eine grundlegende Änderung keine Anhaltspunkte. Nach der Begründung sollte die Regelung eingeführt werden, um wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr wie in § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV zu regeln (VkBl. 2008, 567 f.). Dies spricht dafür, dass der Verordnungsgeber mit dem neu eingeführten § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV die qualitativ weniger schwerwiegenden Fälle erfassen wollte, die nach der damaligen Rechtsprechung zuvor nur zur Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. führen konnten. Denn auch bei § 13 FeV wird zwischen mehreren Verstößen (§ 13 Satz 1 Nr. 2b FeV) und einem einzigen Verstoß mit hohem Rauschzustand (§ 13 Satz 1 Nr. 2c FeV) differenziert. Mit Blick auf die Begründung kann § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV daher als Regelung verstanden werden, mit der der Normgeber gerade in Parallelität zu § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV sicherstellen wollte, dass bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG (zumindest) ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist. Die für § 24a Abs. 2 StVG erforderliche THC-Konzentration lag damals schon bei 1,0 ng/ml (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage 2007, § 24a StVG, Rn. 21 m.w.N.; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.7.2005, 1 Ss 189/05, juris Rn. 8). Bei einem solchen Verständnis von § 14 Abs. 2 Abs. 3 FeV bestand zumindest bei Einführung der Regelung für diese ein sinnvoller Anwendungsbereich bei zwei Fahrten mit einem Kraftfahrzeug und einer THC-Konzentration im Blutserum zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml (vgl. auch VG Augsburg, Beschl. v. 23.1.2017, Au 7 S 16.1714, juris Rn. 61). Es sollte im Unterschied zu § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV a.F. in diesen Fällen eine gebundene Entscheidung erfolgen (vgl. auch: VkBl. 2008, 568, erster Absatz aE).
Soweit die Schwellenwerte für die THC-Konzentrationen bei § 24a Abs. 2 StVG und das fehlende Trennungsvermögen bei Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV in der Rechtsprechung gleichgesetzt wurden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017, 4 Bs 180/17, juris Rn. 24 m.w.N.), ist der oben beschriebene Anwendungsbereich weggefallen. Dass dies dem aktuellen Willen des Verordnungsgebers widerspricht, ist nicht ersichtlich. Er hat keine der in letzter Zeit erfolgten Änderungen der FeV wie zum Beispiel die dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. 2017 I S. 3549) zum Anlass genommen, insoweit korrigierend oder klarstellend tätig zu werden (vgl. auch VGH Mannheim, Beschl. v. 7.3.2017, 10 S 328/17, juris Rn. 4).
Die daraus resultierende Annahme, dass der Kläger nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren von Kraftfahrzeugen trennt, wird auch nicht durch das Facharztgutachten vom 20. Oktober 2014 erschüttert (so im Ergebnis auch: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.3.2015, 4 Bs 39/15, S. 4). Die im Gutachten festgehaltenen Aussagen zur Verhaltensänderung sind nicht bei der Prüfung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, sondern bei der Prüfung einer Ausnahme im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zu berücksichtigen.
b. Eine Ausnahme vom Regelfall gemäß Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV liegt ebenfalls nicht vor. Es bedarf eines medizinisch-psychologisches Gutachtens, um eine ausreichende Verhaltensumstellung nach Betäubungsmittelkonsum annehmen zu können (1). Die Beklagte ging im Entziehungsverfahren zu Recht von der fortbestehenden Nichteignung des Klägers aus, ohne zuvor die Beibringung eines solchen medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (2).
(1) Nach der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV gelten die in der Anlage vorgenommenen Bewertungen wie zum Beispiel auch die Nr. 9.2.2 der Anlage 4 nur für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und Verhaltensumstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann nach Satz 3 der Vorbemerkung eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein.
Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (OVG Münster, Beschl. v. 3.9.2010, 16 B 382/10, juris Rn. 21; VGH Mannheim, Beschl. v. 7.4.2014, 10 S 404/14, juris Rn. 10). Es obliegt dem insofern materiell beweisbelasteten Betroffenen, die besonderen Umstände, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen, substantiiert und schlüssig darzulegen sowie nachzuweisen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 7.10.2014, 4 Bs 170/14 und v. 17.1.2014, 4 So 23/12; OVG Münster, Beschl. v. 7.4.2014, 16 B 89/14, juris Rn. 8 ff.).
Bei der Wahl seiner Mittel zur Glaubhaftmachung eines Ausnahmefalles ist der Betroffene grundsätzlich frei (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 16. März 2015, 4 Bs 39/15). Allerdings setzt der sichere Nachweis über die Wiedererlangung der Fahreignung nach einer Einnahme von Betäubungsmitteln sowohl nach der Verordnungsbegründung der FeV als auch nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2002 eine medizinisch-psychologische Begutachtung voraus. In der Gesetzesbegründung zu § 14 FeV heißt es hierzu, dass „die Feststellung der Abhängigkeit beziehungsweise der Einnahme eine ärztliche Fragestellung ist, während bei der Frage, ob Abhängigkeit nicht mehr besteht oder eine Einnahme nicht mehr erfolgt, außer den ärztlichen Fragen (z.B. erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung) für eine positive Beurteilung auch entscheidend ist, ob ein stabiler Einstellungswandel eingetreten ist. Hierzu ist auch eine psychologische Bewertung erforderlich“ (VKBl 98, 1071). Damit im Einklang hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im Jahr 2002 entschieden, dass ein Nachweis der (wiedererlangten) Eignung nicht nur eine positive Veränderung der körperlichen Befunde voraussetzt, sondern auch einen tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft abstinent bleibt. Ein solcher Nachweis kann nach vorangegangener Einnahme von Betäubungsmitteln nicht ohne ein medizinisch-psychologisches Gutachten erbracht werden (OVG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2002, 3 Bs 19/02, juris Rn. 23). Niederschlag haben diese Überlegungen in § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FeV gefunden. Nach beiden Regelungen ist die Frage nach dem Risiko eines künftigen Konsums von Betäubungsmitteln mittels einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu beantworten.
Dieser Grundgedanke gilt nach der Ansicht der Kammer nicht nur im Falle einer Neuerteilung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV, sondern auch im Entziehungsverfahren hinsichtlich der Frage, ob wegen einer betäubungsmittelbezogenen Verhaltensumstellung ein Ausnahmefall im Sinne der fünften Alternative des zweiten Satzes der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV vorliegt (so auch: OVG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2002, 3 Bs 19/02, juris Rn. 25; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.1.2012, 4 K 1256/11, juris Rn. 26; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 2.4.2012, 16 B 356/12, juris Rn. 8; OVG Münster, Beschl. v. 6.10.2006, 16 B 1538/06, juris Rn. 4; VGH München, Beschl. v. 9.5.2005, 11 CS 04.2526, juris Rn. 23). Insofern ist von dem Grundsatz, dass ein Betroffener bei der Wahl seiner Mittel zur Glaubhaftmachung einer Ausnahme im Sinne des Satzes 2 der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV grundsätzlich frei ist, eine Ausnahme zu machen (entgegen: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.3.2015, 4 Bs 39/15, S. 5). Andernfalls könnte die Entwöhnung von einem Betäubungsmittel im Entziehungsverfahren entgegen der obigen Erwägungen, der Verordnungsbegründung sowie der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2002 ohne medizinisch-psychologisches Gutachten nachgewiesen werden, während es eines solchen Gutachtens im Wiedererteilungsverfahren bedürfte. Ein sachlicher Grund für solch eine unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 14.4.2009, 1 B 269/09, juris Rn. 13). In beiden Fällen geht es um die identische Frage, ob eine Person ihre Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges zurückgewonnen hat (vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.1.2012, 4 K 1256/11, juris Rn. 25). Dass der Verordnungsgeber bei Erlass der FeV in dieser Hinsicht zwischen dem Entziehungs- und dem Wiedererteilungsverfahren differenzieren wollte, ist nicht erkennbar. Auch wenn § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV seinem Wortlaut nach eine bereits entzogene Fahrerlaubnis voraussetzt (vgl. hierzu OVG Greifswald, Beschl. v. 28.1.2013, 1 M 97/12, juris Rn. 19), spricht dies nicht zwingend dagegen, die darin enthaltene Wertung im Wege einer systematischen Auslegung auf die Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV zu übertragen (vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.1.2012, 4 K 1256/11, juris Rn. 25 f.).
Der Wortlaut der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV steht dem nicht entgegen, da die Vorbemerkung abgesehen von ihrem hier nicht einschlägigen Satz 3 keine verfahrensbezogenen Regelungen enthält. Die Vorbemerkung Nr. 3 ist zudem ebenso wie die Vorbemerkung Nr. 2 auch im Übrigen so allgemein formuliert, dass sie eine systematische Übertragung von spezielleren Wertungen der FeV nicht verbietet. Die Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 der FeV bezieht sich auf alle Alternativen ihres zweiten Satzes und damit nicht nur auf Ausnahmen wegen Verhaltensänderungen, sondern beispielsweise auch auf besondere Einstellungen oder besondere Verhaltenssteuerungen. Außerdem bezieht sie sich auf alle Regelfälle der Anlage 4 der FeV und damit nicht nur auf den Betäubungsmittelkonsum. Sie enthält insofern keine vorrangige Regelung hinsichtlich der konkreten Frage, inwieweit eine medizinisch-psychologische Untersuchung bei einer möglichen Verhaltensumstellung nach Betäubungsmittelkonsum erforderlich ist. Die Vorbemerkung ist somit insgesamt offen für eine Übertragung der speziellen Wertung des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV.
Es macht in dieser Hinsicht auch keinen Unterschied, ob es um die Wiedererlangung der Fahreignung nach Betäubungsmittelabhängigkeit oder um die Wiedererlangung der Fahreignung nach Betäubungsmittelkonsum geht (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 6.10.2006, 16 B 1538/06, juris Rn. 4; VGH München, Beschl. v. 9.5.2005, 11 CS 04.2526, juris Rn. 22). § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV sieht die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ausdrücklich auch in den Fällen des die Fahreignung ausschließenden Konsums von Betäubungsmitteln ohne Bestehen einer Abhängigkeit vor (vgl. insbesondere zum gelegentliche Konsum von Cannabis: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 14 FeV, Rn. 23; VG Braunschweig, Urt. v. 21.1.2014, 6 A 101/13, juris Rn. 16). Und auch § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV lässt erkennen, dass die medizinisch-psychologische Untersuchung nicht nur in den Fällen der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln, sondern auch in Fällen der Nichteignung wegen des gelegentlichen Konsums von Cannabis erforderlich ist. § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV sieht die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachten nämlich sowohl nach der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV als auch nach der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen der Ungeeignetheit aufgrund gelegentlichen Konsums von Cannabis nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vor. Die medizinisch-psychologische Begutachtung ist insofern auch dann erforderlich, wenn ein Konsument von Cannabis angibt, künftig zwischen dem Konsum und dem Fahren von Kraftfahrzeugen trennen zu wollen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 6.10.2006, 16 B 1538/06, juris Rn. 4; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.1.2012, 4 K 1256/11, juris Rn. 25 f.).
Die Beklagte konnte ein fachärztliches Gutachten auch nicht aus Ermessenserwägungen ausreichen lassen. Ein Ermessensspielraum der Beklagten hinsichtlich des Erfordernisses einer medizinisch-psychologischen Begutachtung besteht insoweit wie auch im Rahmen des § 14 Abs. 2 FeV nicht.
(2) Die Beklagte ging im Entziehungsverfahren zu Recht von der Nichteignung des Klägers aus, ohne zuvor die Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat im Entziehungsverfahren zwar zu berücksichtigen, ob die Fahreignung wiederhergestellt ist (vgl. z.B. BayVGH, Beschl. v. 26.09.2016, 11 CS 16.1649, juris Rn. 11), doch stand die fehlende Fahreignung des Klägers im Moment des Erlasses des Widerspruchsbescheides fest, so dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens nach § 11 Abs. 7 FeV zu Recht unterblieb. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Dies war hier der Fall.
Die Frage, ob die einmal festgestellte Nichteignung eines Betroffenen auch weiter feststeht oder der Beklagten nur noch die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erlaubt ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten (VGH Mannheim, Beschl. v. 7.4.2014, 10 S 404/14, juris Rn. 10 f.; OVG Münster, Beschl. v. 3.9.2010, 16 B 382/10, juris Rn. 12). Es reicht im vorliegenden Fall unter der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles für eine Erschütterung der Annahme der Nichteignung des Klägers nicht aus, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid erst im Juli 2015 und damit über ein Jahr nach der Verkehrskontrolle am 10. Juni 2014 erlassen hat ((a)) und dass im Facharztgutachten vom 20. Oktober 2014 von einer Wiedererlangung der Fahreignung ausgegangen worden ist ((b)).
(a) Die Annahme der Nichteignung des Klägers wird nicht dadurch erschüttert, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid erst im Juli 2015 und damit über ein Jahr nach der Verkehrskontrolle am 10. Juni 2014 erlassen hat.
Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach dem Ablauf einer „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ eines Betroffenen erlaubt beziehungsweise fordert (vgl. VGH München, Beschl. v. 9.5.2005, 11 CS 04.2526, juris Rn. 27, VG Augsburg, Urt. v. 17.2.2017, Au 7 K 16.556, juris Rn. 77), wird nicht gefolgt (so auch VGH Mannheim, Beschl. v. 7.4.2014, 10 S 404/14, juris Rn. 9; OVG Münster, Beschl. v. 3.9.2010, 16 B 382/10, juris Rn. 5-12, VG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2015, 15 E 4200/15 (unveröffentlicht), S. 8 f.). Die Auffassung findet keine Grundlage in den Vorschriften der FeV und ihren Anlagen. Insbesondere kann sie sich nicht auf Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV stützen. Die grundsätzlich einjährige Abstinenz wird dort als eine zusätzliche Voraussetzung neben einer nachgewiesenen Entgiftung beziehungsweise Entwöhnung genannt (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 3.9.2010, 16 B 382/10, juris Rn. 12; VG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2015, 15 E 4200/15 (unveröffentlicht), S. 8 f.).
(b) Auch das Facharztgutachten vom 20. Oktober 2014 reichte nicht aus, um eine Annahme der Nichteignung des Klägers so sehr zu erschüttern, dass die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich wurde.
Wie oben bereits dargestellt, erfordert die Wiedererlangung der Fahreignung einen stabilen Einstellungswandel, der gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 der FeV grundsätzlich erst nach einjähriger Abstinenz vorliegen kann. Auch wenn der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Übrigen nicht gefolgt wird, folgt daraus, dass die Behörde - vorbehaltlich eines atypischen Falles - bis zum Ablauf der einjährigen Frist grundsätzlich davon ausgehen darf, dass ein Fahrerlaubnisinhaber, der Betäubungsmittel konsumiert hat, auch weiterhin fahrungeeignet ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 9.5.2005, 11 CS 04.2526, juris Rn. 25).
Dies findet seine Rechtfertigung auch darin, dass die medizinisch-psychologische Untersuchung systematisch in das Verfahren der Neuerteilung gehört (OVG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2002, 3 Bs 19/02, juris Rn. 23; VG Hamburg, Beschl. v. 7.12.2015, 15 E 4200/15 (unveröffentlicht), S. 11). Der Nachweis, dass die Gefahr eines Konsums nicht mehr besteht, kann – wie oben aufgeführt – sinnvoll erst nach einer gewissen Dauer der Abstinenz geführt werden und das Entziehungsverfahren ist wegen seiner Funktion der Gefahrenabwehr grundsätzlich alsbald nach der Feststellung einer akuten Nichteignung wegen Drogenkonsums zum Abschluss zu bringen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2002, 3 Bs 19/02, juris Rn. 23). Die Ermöglichung des Abstinenznachweises mit abschließender (medizinisch-)psychologischer Untersuchung würde unvertretbare Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs hervorrufen, wenn der Betroffene in der - beträchtlichen - Zwischenzeit im Besitz der Fahrerlaubnis bliebe (OVG Münster, Beschl. v. 3.9.2010, 16 B 382/10, juris Rn. 21). Es kann dahinstehen, ob dieser Grundsatz eine Ausnahme bei dem oben bereits erwähnten, im Jahr 2008 neu eingeführten § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV gefunden hat, doch gibt es jedenfalls keine Ausnahme in Fällen, in denen es um die erforderliche Aufklärung einer möglichen Entwöhnung von Betäubungsmitteln geht. In diesen Fällen steht die Nichteignung eines Betroffenen im Unterschied zu den Fällen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zumindest zunächst fest. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV muss zuerst herausgefunden werden, ob eine Nichteignung überhaupt vorliegt.
Das fachärztliche Gutachten des Klägers konnte daher nicht ausreichen, die Annahme der Nichteignung zu erschüttern und die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu erfordern. Das Facharztgutachten war im Oktober 2014 und damit bereits vier Monate nach der Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis erstellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV noch nicht abgelaufen und der zeitliche Abstand von vier Monaten war sogar so zu kurz, dass auch eine Verkürzung der Frist im Einzelfall nach Nr. 3 der Vorbemerkung zur FeV keinen Unterschied mehr bedeuten konnte. Ein stabiler Einstellungswandel mit einer ausreichend langen Abstinenzzeit war damals jedenfalls noch nicht erkennbar.
Auf die eventuellen Unklarheiten im Facharztgutachten vom 20. Oktober 2014 kam es im vorliegenden Fall daher folglich nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
IV.
Die Kammer hat gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zugelassen, da sie von der Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts in der Sache 4 Bs 39/15 abweicht und ihre Entscheidung auf der Abweichung beruht.