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VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.10.2018 - 9 K 5001/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der am 16. November 1987 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Ausweislich einer Strafanzeige vom 1. Februar 2018 wurde der Kläger an diesem Tag um 5:12 Uhr polizeilich kontrolliert, weil er ein Mobiltelefon benutzte, während er ein Kraftfahrzeug führte. Auf Nachfrage habe er angegeben, dass er in den letzten 24 Stunden weder Alkohol noch sonstige berauschende Mittel konsumiert habe. Ein freiwillig durchgeführter Urintest sei positiv auf THC ausgefallen. Darauf habe der Kläger erklärt, das positive Testergebnis könne er sich nur dadurch erklären, dass er sich vor zwei Tagen bei seinen Cousins aufgehalten habe und dort Cannabis konsumiert worden sei.

In der um 6:22 Uhr abgenommenen Blutprobe wies das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf mit Gutachten vom 7. März 2018 THC in einer Konzentration von 8,2 ng/ml, 11-OH-THC in einer Konzentration von 2,7 ng/ml, THC-COOH in einer Konzentration von ca. 210 ng/ml sowie Amphetamin in einer Konzentration von 6,4 ng/ml nach. Der Gutachter kommt zu der Beurteilung: Durch die Analyse sei der Konsum von Cannabisprodukten und sowie von Amphetamin nachgewiesen. Die Cannabinoidkonzentrationen sprächen für einen regelmäßigen/täglichen Konsum von z.B. Marihuana und dafür, dass der Kläger nicht unbedeutend unter der Einwirkung von Cannabisprodukten gestanden habe. Die festgestellte Konzentration von Amphetamin weise auf einen unbedeutenden oder zurückliegenden Konsum dieses Betäubungsmittels hin sowie darauf, dass der Kläger im Zeitpunkt der Blutabnahme nicht mehr unter der Wirkung dieses Betäubungsmittels gestanden habe.

Das zunächst eingeleitete Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft E. mit Verfügung vom 13. April 2018 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Bezüglich des Verdachts einer Straftat nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB) sei ein Tatnachweis mangels konkret festgestellter Ausfallerscheinungen nicht mit der hinreichenden Sicherheit zu führen.

Mit Schreiben vom 8. August 2018 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22. August 2018.

Mit Ordnungsverfügung vom 27. August 2018 entzog die Beklagte dem Kläger - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - die Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich nach Zustellung des Bescheids bei ihr abzugeben. Für die Amtshandlung setzte sie eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 200,00 € zzgl. 3,50 € Zustellungskosten fest.

Zur Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis wird auf das toxikologische Gutachten des rechtsmedizinischen Instituts des Universitätsklinikums E1. vom 7. März 2018 verwiesen. Danach stehe fest, dass der Kläger regelmäßig Cannabis konsumiere und außerdem Amphetamin zu sich genommen habe. Nach § 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Ziffern 9.1 und 9.2 der Anlage 4 zur FeV sei ihm deshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen. Wegen des nachgewiesenen Amphetaminkonsums sowie unabhängig davon auch wegen des regelmäßigen Cannabiskonsums sei er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne dieser Vorschriften.

Die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins ist auf § 3 Abs. 2 S. 3 StVG in Verbindung § 47 Abs. 1 FeV gestützt.

Zur Begründung der für die Entziehung der Fahrerlaubnis festgesetzten Verwaltungsgebühren wird auf die Gebührennummer 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOStV) verwiesen. Danach sei für die Entziehung der Fahrerlaubnis ein Gebührenrahmen von 33,20 € bis 256,00 € vorgesehen. Die festgesetzte Gebühr i.H.v. 200,00 € liege innerhalb dieses Gebührenrahmens und entspreche dem Verwaltungsaufwand. Die Höhe der Gebühr richte sich nach dem Arbeitsaufwand und der Bedeutung der Angelegenheit. Die hier vorzunehmenden Amtshandlungen (Prüfung der Kraftfahreignung, Entscheidung und Ausfertigung der Verfügung) seien als aufwendig einzuordnen. Die festgesetzte Gebühr sei deshalb ermessensgerecht. Insbesondere seien bekannt gewordene Betäubungsmittelauffälligkeiten im und außerhalb des Straßenverkehrs (Konsum/Besitz) bezogen auf die Kraftfahreignung und mögliche Eignungszweifel zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zur Feststellung der Kraftfahreignung einzuleiten gewesen. Hierzu seien unter anderem rechtsmedizinische Fachgutachten sowie Straf- und Bußgeldakten auszuwerten und hieraus Rückschlüsse zu ziehen gewesen. Dies habe einen hohen Zeitaufwand erfordert (Einarbeitung in Fachliteratur, Recherchen).

Die Ordnungsverfügung wurde dem Kläger am 30. August 2018 durch Einlegung in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.

Am 28. September 2018 hat der Kläger Klage erhoben.

Er ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Entziehung der Fahrerlaubnis nicht berechtigt gewesen, sondern habe nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV ein ärztliches Gutachten anordnen müssen. Die Feststellung, dass er regelmäßig Cannabis konsumiere, sei fehlerhaft. Weder habe er in der Vergangenheit regelmäßig Drogen konsumiert noch tue er dies gegenwärtig. Der Nachweis von Drogen in der abgenommenen Blutprobe sei auf einen "Partyexzess" zurückzuführen. Er habe von seiner Ehefrau die freudige Nachricht erhalten, dass er zum ersten Mal Vater werde. Dies habe er bedauerlicherweise zum Anlass genommen, mehrere Tage ausgiebig zu feiern. Am Tag der Verkehrskontrolle selbst habe er keine Drogen konsumiert. Seit der Erteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2010 habe er weder erheblich noch wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen. Die Beklagte hätte ein milderes Mittel als die Entziehung der Fahrerlaubnis wählen müssen. Er sei am 21. August 2018 Vater geworden und als Alleinverdiener für die Existenz der Familie verantwortlich. Er sei Triebfahrzeugführer. Die im Bescheid enthaltene Feststellung, dass er regelmäßig Drogen konsumiere, könne zum Verlust des Triebfahrzeugführerscheins nach der Triebfahrzeugführerscheinverordnung und in der Folge zum Verlust seines Arbeitsplatzes führen.

Der Kläger beantragt (schriftsätzlich),

"die Ordnungsverfügung der Anordnung vom 27. August 2018, zugestellt am 30. August 2018, Az. 33/3.2-408/18 E, kostenpflichtig aufzuheben".

Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass dem Kläger mit dem toxikologischen Gutachten des Universitätsklinikums E1. der regelmäßige Konsum von Cannabis sowie der Konsum von Amphetamin nachgewiesen worden sei. Dass der Kläger Drogen konsumiert habe, habe er nicht bestritten, sondern gerade bestätigt, indem er ausgeführt habe, dass der Drogenkonsum anlässlich eines "Partyexzesses" erfolgt sei. Dass dem Kläger mit der Entziehung der Fahrerlaubnis der Verlust des Arbeitsplatzes drohe, stehe der Entziehung nicht entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.

Gründe

Die Einzelrichterin ist nach § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zuständig, weil die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. Oktober 2018 zur Entscheidung übertragen hat. Sie entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 17. und 24. Oktober 2018 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV. Gemäß § 3 Abs. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wiederholt den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG bezüglich der Ungeeignetheit; in Satz 2 heißt es dazu konkretisierend, dass dies insbesondere gelte, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind allein aufgrund des Amphetaminkonsums des Klägers erfüllt.

Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV besitzt die notwendige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht, wer Betäubungsmittel (außer Cannabis) eingenommen hat. Dabei ist beim Konsum von anderen Drogen als Cannabis unerheblich, ob es sich um einen einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen Konsum handelt. Nummer 9.1 der Anlage 4 zur FeV stellt für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, eine Abhängigkeit, noch eine - zum Erreichen eines bestimmten "Grenzwerts" führende - gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die "Einnahme" selbst. Deshalb ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ein Kraftfahrzeug geführt wurde.

Ständige Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Juli 2013 - 16 B 718/13 -, juris Rn. 6 m.w.N.; vom 2. April 2012 - 16 B 356/12 -, juris Rn. 2, vom 6. März 2007 - 16 B 332/07 -, juris, m.w.N.; so auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. August 2009 - 12 ME 156/09 -, juris Rn. 10; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 M 103/10 -, juris Rn. 11; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 - 3 M 47/12 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 11 CS 12.28 -, juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002, - 10 S 835/02 -, juris Rn. 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2. September 2009 - 1 M 114/09 - juris Rn. 11; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juli 2008 - 10 B 10646/08 -, juris Rn. 4. Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, juris Rn. 44 ff. und vom 8. Juli 2002, juris Rn. 7) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahrereignung.

Nach diesem Maßstab ist von der Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens vom 7. März 2018 steht fest, dass er Amphetamin zu sich genommen hat. Dass es sich dabei um einen bewussten Konsum gehandelt hat, hat der Kläger nicht beschritten, sondern ausgeführt, dass der mit der Analyse der am Vorfalltag abgenommenen Blutprobe nachgewiesene Drogenkonsum anlässlich eines "Partyexzesses" erfolgt sei. Allein dieser einmalig nachgewiesene Konsum reicht aus. Darauf, ob der Kläger Amphetamin gelegentlich oder regelmäßig konsumiert, ob die Substanz in einer bestimmten Menge nachgewiesen worden ist oder ob die Einnahme zu Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr geführt hat, ist nach den obigen Maßstäben unerheblich.

Ob sich die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen zudem auch gemäß Ziffer 9.2.1 daraus ergibt, dass er regelmäßig Cannabis konsumiert, oder gemäß Ziffer 9.2.2 daraus, dass er gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennt, bedarf keiner Entscheidung.

Sind mit der Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen die Entziehungsvoraussetzungen erfüllt, ist die von der Beklagten angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet.

Die in der Ordnungsverfügung weiter enthaltene Aufforderung, den Führerschein unverzüglich abzugeben, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.

Die Gebührenfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte den ihr in Ziffer 206 der Anlage 1 zur GebOSt V eröffneten Gebührenrahmen erkannt und eingehalten. Die festgesetzte Gebühr hat sie jedenfalls noch nachvollziehbar mit ihrem Verwaltungsaufwand und der Einordnung des Falles als aufwendig begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.

Lukas Jozefaciuk