VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.10.2015 - 1 K 1492/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am °. ° 19° geborene Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des Monats °° 2014 als Polizeihauptkommissar bei der Polizeiinspektion °, M. des Polizeipräsidiums E. im Dienst des beklagten Landes.
Am Sonntag, dem °°. November 20°°, gegen 18:05 Uhr kam es unter Beteiligung des Klägers als Fahrer eines Funkstreifenwagens zu einem Verkehrsunfall an der Kreuzung L. -T. -Straße/L1.-----straße /H. Straße/C.----straße in M. (L2. V. ). Anlass der Fahrt mit dem Dienstkraftfahrzeug war ein Einsatz wegen einer Alarmauslösung am Firmengebäude der Firma S. L3. an der H1. Straße °° in M. . Der Kläger fuhr dabei von der L. -T. -Straße kommend in südlicher Richtung in die für ihn Rotsignal anzeigende Ampelkreuzung ein und kollidierte mit einem aus östlicher Fahrtrichtung von der L1.-----straße kommenden Pkw, der von dem Zeugen K. G. (damals L4. ) gesteuert wurde. Bei der Kollision wurde keiner der Beteiligten verletzt, jedoch waren beide Kraftfahrzeuge nicht mehr fahrbereit. An dem Fahrzeug des anderen Unfallbeteiligten entstand ein Fremdschaden in Höhe von 6.462,81 Euro, den das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) beglich. Durch den Schaden am Streifenwagen entstand dem Land NRW zudem ein Eigenschaden in Höhe von 17.273,81 Euro, der sich aus Reparaturkosten in Höhe von 14.879,10 Euro (14.869,70 Euro zzgl. 9,40 Euro), aus Gutachterkosten in Höhe von 1.147,11 Euro, aus den Abschleppkosten in Höhe von 47,60 Euro sowie aus einer vom Gutachter auf 1.200,- Euro geschätzten Wertminderung zusammensetzte.
Das daraufhin gegen den Kläger wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt geführte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft E. (Az. °° Js °°/1°) wurde am 1. Februar 2013 mangels Verletzung einer anderen Person gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Das wegen der begangenen Ordnungswidrigkeit, d.h. dem Rotlichtverstoß, eingeleitete Verfahren wurde gemäß § 47 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) eingestellt, weil der Kläger sich auf einer Einsatzfahrt befunden habe und daher zur Wahrnehmung von Sonderrechten berechtigt gewesen sei; diese hätte er lediglich akustisch und optisch anzeigen müssen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 teilte das Polizeipräsidium E. dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihn für den dem Land Nordrhein-Westfalen entstandenen Eigenschaden am Dienstkraftfahrzeug in Regress zu nehmen, da der Verdacht bestünde, dass der Unfall auf die Missachtung grundlegender Sorgfaltspflichten und damit sein grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sei. Zunächst habe der Kläger gegen § 35, 38 StVO verstoßen, indem er in die für seine Fahrtrichtung durch Rotlicht gesperrte Kreuzung - nach seiner strittigen Aussage unter Inanspruchnahme des Sondersignals Blaulicht - eingefahren sei, ohne sich dabei zugleich des Einsatzhorns zu bedienen und sich hinreichend zu vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet würden. Blaues Blinklicht dürfe grundsätzlich aber nur zur Warnung verwendet werden, gebiete anderen Verkehrsteilnehmern gleichwohl nicht, freie Fahrt einzuräumen. Demgemäß hätte der Kläger beachten müssen, dass andere Verkehrsteilnehmer das Sondersignal nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen. Das Gebot eines besonderen Wegerechts in dem Sinne, dem Einsatzfahrzeug freie Fahrt einzuräumen, entstünde hingegen erst mit der gleichzeitigen Betätigung des Einsatzhorns. Doch selbst bei dessen Nutzung müsse die mit dem Verkehrsverstoß verbundene Kollisionsgefahr unter allen Umständen vermieden werden; das Wegerecht berechtige nicht zu einer Gefährdung oder sogar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer. Subjektiv entlastende Umstände seien nicht zu erkennen. Insbesondere hätten die am Unfallort befindlichen Zeugen übereinstimmend angegeben, dass das Dienstkraftfahrzeug ohne eingeschaltetes Blaulicht in den Kreuzungsbereich eingefahren und das Blaulicht erst danach eingeschaltet worden sei. Demgegenüber gelte hinsichtlich der Haftung für einen Fremdschaden ein anderer Haftungsmaßstab; eine vorsätzliche Pflichtverletzung sei vorliegend nicht zu erkennen und der Kläger deshalb insoweit nicht schadensersatzpflichtig. Das Polizeipräsidium E. gab dem Kläger vor diesem Hintergrund Gelegenheit zur Stellungnahme und wies ihn auf die Möglichkeit hin, die Mitbestimmung des Personalrats zu beantragen. Der Kläger machte hiervon keinen Gebrauch.
Daraufhin nahm das Polizeipräsidium E. den Kläger mit Leistungsbescheid vom °°. °°° °°°, dem Kläger zugestellt am °°. °°° °°°, für den beim Verkehrsunfall entstandenen Eigenschaden des Landes NRW in Höhe von 17.273,81 Euro in Regress. Zur Begründung wurden die im Anhörungsschreiben gemachten Ausführungen wiederholt.
Der Kläger hat am 25. März 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, dass es an der für den geltend gemachten Regressanspruch des Dienstherrn notwendigen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung von Dienstpflichten durch ihn fehle. Da auf der Einsatzfahrt der Verdacht bestanden habe, dass sich noch Einbrecher auf dem Firmengelände befinden könnten und er diese nicht habe aufmerksam machen wollen, habe er sich für eine so genannte stille Anfahrt mit eingeschaltetem blauen Blinklicht, aber ohne Einsatz des Martinshorns entschieden. Diese Entscheidung sei in der Einsatzsituation polizeitaktisch richtig, jedenfalls aber in jeder Hinsicht vertretbar gewesen. Sodann habe er sich vorsichtig in den Kreuzungsbereich L. -T. -Straße/L1.-----straße hinein getastet, indem er seine Geschwindigkeit wegen des für ihn gezeigten Rotlichts der Lichtzeichenanlage annähernd auf Schrittgeschwindigkeit reduziert habe. Durch ein auf der Linksabbiegerspur der L1.-----straße stehendes Fahrzeug sei das Fahrzeug des Unfallgegners, welches sich auf der mittleren Spur der L1.-----straße befunden habe, für ihn nicht erkennbar gewesen. Weil beide Fahrzeuge im gleichen Augenblick in die Kreuzung eingefahren seien, sei eine Kollision unglücklicherweise nicht mehr vermeidbar gewesen. Beim Bemerken des von rechts kommenden Fahrzeugs habe er keine Möglichkeit mehr gehabt, rechtzeitig auszuweichen oder abzubremsen. Insoweit könne sein Verhalten keinesfalls als leichtsinnig, leichtfertig oder sogar als rücksichtslos bewertet werden. Möge aus der Tatsache der Kollision auch der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht vorsichtig genug agiert habe und gegebenenfalls noch langsamer hätte fahren müssen, was wiederum Einfluss auf die Haftungsverteilung im Verhältnis zum Unfallgegner haben könne, ändere dies jedoch nichts daran, dass ihm weder objektiv noch subjektiv grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Ungeachtet dessen treffe ihn zivilrechtlich nicht die alleinige Verantwortung, da in der Regel von einer Mithaftungsquote des Unfallgegners in Höhe von 50 %, zumindest jedoch von 20 % aufgrund der Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs, auszugehen sei. Schließlich werde der geltend gemachte Regressanspruch rein vorsorglich auch der Höhe nach bestritten.
Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass die Lichtzeichenanlage in dem Zeitpunkt, als er in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, auch für die - von ihm aus gesehen - von rechts aus der L1.-----straße kommenden Fahrzeuge ebenfalls Rotlicht gezeigt habe. Erst in dem Augenblick, als er sich mitten im Kreuzungsbereich befunden habe, habe die Lichtzeichenanlage für die anderen Fahrzeuge auf Grün umgeschaltet. Immerhin habe das auf der Linksabbiegerspur befindliche Fahrzeug das Polizeifahrzeug offenbar noch bemerkt, weil es keine Anstalten gemacht habe, in die Kreuzung einzufahren. Dass sich hinter diesem noch ein weiteres Fahrzeug befunden habe, sei für ihn nicht erkennbar gewesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzt der Kläger seine Begründung noch dahingehend, dass er das Dienstfahrzeug beim Einfahren in den Kreuzungsbereich zunächst abgebremst und im Zeitpunkt der Kollision bereits wieder beschleunigt habe. Außerdem sei für das Einschalten des blauen Blinklichts während der Fahrt regelmäßig der Beifahrer zuständig.
Der Kläger beantragt,
den Leistungsbescheid des Beklagten vom °°. °°°° °° aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass nach den Verwaltungsvorschriften zu § 35 Abs. 1 StVO bei Fahrten, bei denen nicht alle Vorschriften eingehalten werden könnten, wenn möglich und zulässig, die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn angezeigt werden solle. Dabei sei der Ermessensspielraum des Beamten eng begrenzt, das heißt, er dürfe nur in Ausnahmefällen bzw. atypischen Konstellation auf die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten verzichten, um dem Sicherheitsinteresse der anderen Verkehrsteilnehmer hinreichend Rechnung zu tragen. Zwar könne aus einsatztaktischen Gründen eine stille Anfahrt geboten sein, um die Aktionsmöglichkeiten des Gegenübers, etwa bei Einbrüchen, Geiselnahmen oder Alarmauslösungen, zu minimieren. Doch habe ein solcher Grund vorliegend nicht bestanden, da die Einsatzörtlichkeit sich noch 2,5 km von der Unfallörtlichkeit entfernt befunden habe und damit nicht nur wegen der Entfernung, sondern im Übrigen auch wegen der topographischen Umgebung (z.B. ein schalldämmender Erdwall) der Einsatz von Martinshorn und Blaulicht auf dem zu überprüfenden Gelände nicht wahrnehmbar gewesen wäre. Nach pflichtgemäßem Ermessen hätte der Kläger daher einen atypischen Fall verneinen und sowohl Blaulicht als auch Martinshorn einschalten müssen. Demgegenüber gäben sowohl der Geschädigte als auch sämtliche Zeugen mit Ausnahme der Beifahrerin übereinstimmend an, dass bei dem Funkstreifenwagen zur Unfallzeit weder Martinshorn noch Blaulicht eingeschaltet gewesen sei; vielmehr sei das Blaulicht erst nach dem Unfallereignis eingeschaltet worden. Insoweit sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass einige der Zeugen nicht einmal am Unfall beteiligt gewesen seien und das Geschehen somit frei von Belastungstendenzen hätten wahrnehmen können. Bereits das Einfahren in den durch das Rotlicht gesperrten Kreuzungsbereich ohne die Verwendung der Sondersignale stelle einen rechtswidrigen Rotlichtverstoß im Sinne des §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO dar, welcher zugleich eine entsprechende Dienstpflichtverletzung impliziere. Von der Beachtung des Vorrechts anderer Verkehrsteilnehmer sei der Fahrer des Streifenwagens nicht aufgrund des ihm nach § 35, 38 StVO zustehenden Sonderrechts befreit gewesen. Darüber hinaus müsse sich der Kläger vorhalten lassen, mit unangemessen hoher Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren zu sein, weshalb ihm ein rechtzeitiges Anhalten zur Vermeidung des Unfalls nicht mehr möglich gewesen sei. Denn selbst bei ordnungsgemäßer Nutzung der Sondersignale müsse eine Kollisionsgefahr unter allen Umständen vermieden und sich vergewissert werden, dass alle Verkehrsteilnehmer das Zeichen wahrgenommen hätten. Eine Befreiung von der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 StVO komme nur in Betracht, wenn der übrige Verkehr nur belästigt oder behindert, nicht aber gefährdet oder geschädigt werde. Deshalb sei eine Weiterfahrt bei Rot grundsätzlich nur mit der Gewissheit zulässig, dass sich der Verkehr darauf eingestellt habe. Notfalls müsse sich der Sonderrechtsfahrer mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung hinein tasten. Diese Grundsätze habe der Kläger nicht befolgt. Gegen die nun getätigte Behauptung des Klägers, mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung gefahren zu sein, sprächen die Feststellung aus dem Gutachten über den Schaden an dem verunfallten Dienstkraftfahrzeug, wonach das Fahrzeug durch einen rammartigen Frontanstoß beschädigt worden sei, sowie die Zeugenaussage des Geschädigten und der unbeteiligten vier Zeugen, die zufällig an der Kreuzung gestanden hätten. Gegenüber seiner eigenen schriftlichen Aussage, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit an den Kreuzungsbereich herangefahren und dort abrupt abgebremst habe, lasse sich einwenden, dass er seine Geschwindigkeit bereits bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich auf Schrittgeschwindigkeit hätte drosseln müssen. Immerhin betrage ausweislich der Unfallskizze die Wegstrecke von Beginn des Kreuzungsbereichs bis zum Kollisionspunkt ca. 26 m, so dass im Falle von Schrittgeschwindigkeit (etwa 7 km/h) die Kollision hätte vermieden werden können. Für eine überhöhte Geschwindigkeit spräche überdies auch die Stellung der Fahrzeuge, da der Kläger den anderen PKW mit der Fahrzeugfront an der linken Fahrzeugseite in Höhe der Fahrertür getroffen habe und dass Unfallfahrzeug durch die Wucht des Aufpralls um ca. 90° gedreht worden sei. Soweit der Kläger einwende, dass er aus seinem Blickwinkel die Richtungsfahrbahn, auf welcher der Geschädigte fuhr, nicht komplett habe einsehen können, würden hierdurch die Anforderungen an seine Sorgfalt noch erhöht, weil er in diesem Fall seine Geschwindigkeit weiter hätte drosseln müssen. In Ermangelung von Rechtfertigungsgründen für die Pflichtverstöße sei von grober Fahrlässigkeit, zumal hierfür im Straßenverkehr regelmäßig schon das leichtfertige, nicht situationsgerechte Fahren wegen der erheblichen Gefahren für das Leben und Gesundheit Dritter genüge. Im Übrigen könne sogar die Kollision mit einem anderen Verkehrsteilnehmer im Bereich einer durch Rotlicht gesperrten mehrspurigen Kreuzung bei eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn auf grober Fahrlässigkeit des den Dienstwagen führenden Polizisten beruhen. Schließlich könne angesichts des besonders groben Verkehrsverstoßes des Klägers nicht erkannt werden, aus welchem Grunde den Unfallgegner eine Mithaftungsquote in Höhe von 50 Prozent treffen sollte; gleiches gelte für den Ansatz der Betriebsgefahr mit 20 Prozent. In Bezug auf den Wechsel der Lichtzeichenanlage in der L1.-----straße von Rotlicht zu Grünlicht könne nicht nachvollzogen werden, in welcher Weise die Beifahrerin im Dienstkraftfahrzeug Angaben hierzu machen könne, da dies nicht ihrem Blickwinkel entsprochen hätte. Im Gegenteil würden die diesbezüglichen Angaben des Geschädigten durch diejenigen Zeugen bestätigt, die aus derselben Richtung in die Kreuzung einfuhren.
Die Ausführungen des Beklagten zur Unfallörtlichkeit (schalldämmender Erdwall) sowie zur Entfernung bis zum Einsatzort bestreitet der Kläger vorsorglich mit Nichtwissen. Auf die diesbezüglichen Angaben erwidert er, dass sich die Entfernung nach seiner Schätzung auf max. 2 km belaufen dürfe und er diese in der konkreten Einsatzsituation nicht zuverlässig habe einschätzen können; vielmehr hätte der Einsatzort nach seiner subjektiven Vorstellung zum damaligen Zeitpunkt auch nur 1000 m von der Unfallörtlichkeit entfernt sein können. Im Übrigen habe er auch die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass der oder die Täter das Firmengelände bereits verlassen und sich in Richtung des herannahenden Polizeifahrzeugs vom Tatort weg bewegt hätten. Äußerst vorsorglich werde auch bestritten, dass aufgrund der räumlichen Distanz das Martinshorn am Einsatzort nicht wahrnehmbar gewesen wäre. Hiervon hätte er mangels zuverlässiger Einschätzung jedenfalls ausgehen müssen. Schließlich würden die Ausführungen des Beklagten, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei, ebenfalls ausdrücklich bestritten. Der Beklagte verkenne, dass nicht die zivilrechtliche Haftungsverteilung zwischen dem Polizeifahrzeug und dem Fahrzeug des Unfallgegners im Streit stehe, sondern der Vorwurf von grober Fahrlässigkeit gegenüber dem Kläger.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2015 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Polizeipräsidiums E. vom °°. °°° ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 48 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG). Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Vorliegend hat der Kläger in seiner damaligen Funktion als Polizeivollzugsbeamter seine Dienstpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt, indem er ohne Inanspruchnahme der Sondersignale im Sinne von § 38 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO), d.h. ohne Einsatz des Martinshorns und vor allem ohne "blaues Blinklicht" bzw. "Blaulicht", in eine für seine Fahrtrichtung durch Rotsignal gesperrte Kreuzung mit überhöhter und nicht den Umständen angepasster Geschwindigkeit eingefahren ist.
Dass im Unfallzeitpunkt das Martinshorn am Streifenwagen nicht in Betrieb war, hat der Kläger selbst eingeräumt. Im Übrigen steht dies wie auch die weiteren Umstände zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des Ergebnisses der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme durch die Vernehmung von sechs Zeugen:
Fünf der sechs zum Termin geladenen Zeugen haben zunächst unabhängig voneinander, aber übereinstimmend bestätigt, dass das blaue Blinklicht am Polizeieinsatzfahrzeug bis zur Kollision ausgeschaltet und erst unmittelbar im Anschluss eingeschaltet worden sei. Besonders aussagekräftig waren dabei die Aussagen der Zeuginnen G1. -C1. und P. , die sich zum Unfallzeitpunkt gemeinsam in einem Fahrzeug auf dem Linksabbieger der L1.-----straße aufhielten, aus welcher der andere Unfallbeteiligte auf der Geradeausspur in die Kreuzung einfuhr, und daher einen besonders guten Blick auf die Kreuzung und zugleich in die L. -T. -Straße hinein hatten. Sie schilderten übereinstimmend, dass trotz der am 25. November 2012 gegen 18:05 Uhr bereits eingetretenen Dunkelheit, von der gleichzeitig auch im Unfallbericht der Polizei die Rede ist, vor dem Unfall kein "blaues Licht" zu sehen gewesen sei. Da das Polizeifahrzeug auch keine Sirene benutzt habe, hätten sie beide lediglich die reflektierende Folie auf der Seite des Dienstfahrzeugs gesehen, als dieses vorbeifuhr. Die Zeugin P. , der die Bezeichnung dieser Folie nicht geläufig war, verglich ihre damalige Beobachtung treffend mit den Streifen, die sie beim Fahrradfahren trage, um gesehen zu werden, weil darauf das Licht geblendet werde. Erst nach der Kollision sei das Blaulicht am Polizeifahrzeug angegangen und sie hätten bemerkt, dass es sich um ein solches handele. Wiederum war es die Zeugin P. , die dieses kurz und bündig folgendermaßen beschrieb: "Es kam erst zum Knall und dann kam das blaue Licht." Dass sie als Fahrerin ihren Pkw noch rechtzeitig habe stoppen können, erläuterte die Zeugin G1. -C1. hingegen alleine damit, dass sie an der besagten Kreuzung immer besonders aufpasse, weil dort "die Bekloppten" immer über Rot führen; dort müsse man doppelt Acht geben. Nur aus diesem Grund habe sie rechtzeitig das "Silber" auf der Seite des Polizeiwagens wahrgenommen und abrupt abgebremst. Ungefragt führte sie weiterhin noch aus, dass es eigentlich ihr Unfall hätte sein sollen, weil sie kurz zuvor Grün bekommen hätte und bereits angefahren sei. Dass entsprechend dieser eindrucksvollen Schilderungen das Blaulicht des Polizeifahrzeugs vor dem Unfall nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar danach eingeschaltet wurde, wird zudem auch durch die weiteren Zeugen L5. und N. K1. bestätigt. Diese standen im Unfallzeitpunkt mit einem Pkw an der - nach ihren eindeutigen, aber vom Kläger auch nicht bestrittenen Bekundungen - Rotlicht zeigenden Ampel aus Richtung der L. -T. -Straße, also aus derjenigen Richtung, aus welcher der Streifenwagen in den Kreuzungsbereich hineinfuhr.
Bereits auf der Grundlage der vorstehend geschilderten Aussagen hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass das blaue Blinklicht am Streifenwagen vor der Kollision nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar im Anschluss hieran eingeschaltet wurde. Denn sämtlichen vier vorgenannten Zeugen ist gemein, dass sie an dem Unfallereignis nicht selbst beteiligt waren, die beteiligten Personen nicht anderweitig kennen bzw. mit ihnen verwandt oder verschwägert sind und daher ohne Belastungstendenz aussagen konnten. Zudem waren sie im Gegensatz zu den im Einsatz befindlichen Beamten und dem am Unfall beteiligten Geschädigten keiner besonderen Stress- oder Schocksituation ausgesetzt. Angesichts dessen vermag der Vortrag des Klägers, das Blaulicht sei während der gesamten Einsatzfahrt und insbesondere auch vor dem Unfallzeitpunkt bereits eingeschaltet gewesen, nicht zu überzeugen.
Die diesbezügliche Gewissheit wird auch durch die Aussage der übrigen zwei Zeugen nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil partiell bestätigt und im Übrigen jedenfalls nicht tangiert. Der Zeuge G. , der als Unfallgegner selbst an dem Unfall beteiligt und geschädigt war, schilderte ebenfalls, dass die Blaulichter erst nach dem Unfall angegangen seien, musste aber einräumen, dass er das Polizeifahrzeug aus diesem Grund vor der Kollision überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Nur aus seiner Wahrnehmung im Bruchteil einer Sekunde danach sowie aus der Dunkelheit als solchen zog er den Rückschluss, dass das Blaulicht zunächst nicht eingeschaltet gewesen sei; dies zeigte sich auch in seiner Äußerung, dass man das Blaulicht bei Nacht und in der Dunkelheit hätte bemerken müssen. Demgegenüber sind die in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben der Zeugin C2. betreffend die Frage, ob das Blaulicht bereits vor der Kollision angeschaltet war, vollkommen unergiebig, da sie sich hierzu - anders als noch in ihrer schriftlichen Zeugenaussage - nicht genau zu äußern vermochte. Sie habe lediglich beim Aussteigen festgestellt, dass das Blaulicht zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet gewesen sei, könne aber zur Einschaltung vor der Kollision keine Angaben machen. Sie habe das blaue Blinklicht weder zuvor selbst eingeschaltet noch mitbekommen, ob der Kläger als Fahrer des Polizeifahrzeugs dies getan habe.
Das Gericht gelangt auf Grundlage der Beweisaufnahme desweiteren zu dem Ergebnis, dass der Kläger jedenfalls nicht, wie von ihm vorgetragen, mit annähernder Schrittgeschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, dies womöglich auch erst nach einem starken Abbremsvorgang, sondern mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit. Ungeachtet der konkreten Bezifferung bzw. Schätzung kann von einem "Herantasten" in den Kreuzungsbereich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls keine Rede sein. Zwar hat die Zeugin C2. , die Kollegin und Beifahrerin des Klägers, im Ansatz die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger getätigte Darstellung bestätigt, dass er bei Einfahrt in die Kreuzung abgebremst habe. Doch ist in mehrfacher Hinsicht davon auszugehen, dass beim Durchqueren der Kreuzung gleichwohl nicht eine Geschwindigkeit unterhalb von 10 km/h - auch nicht näherungsweise - erreicht wurde. Zunächst vermochte die genannte Zeugin C2. sich nicht mehr an die Stärke des Bremsvorgangs zu erinnern, obwohl dieser - legt man die vom Kläger im Verwaltungsverfahren beschriebene, "überhöhte Geschwindigkeit" auf der Einsatzfahrt vor dem Erreichen der Kreuzung zugrunde (bei regulärer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h) - sehr deutlich am Körper zu spüren hätte sein müssen. Weiterhin ist ein derartiger starker Bremsvorgang auch den Aussagen der anderen Zeugen nicht zu entnehmen: Der Zeuge N. K1. schilderte, dass er den von hinten herannahenden Wagen bereits frühzeitig - wenngleich zunächst nicht als Polizeifahrzeug - im Rückspiegel wahrgenommen und seine Frau auf dessen Geschwindigkeit hingewiesen habe. Dies hat die damit in Bezug genommene Zeugin L5. K1. ebenfalls bestätigt. Beide Zeugen taten sich mit einer Einschätzung der Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs schwer, konnten aber unabhängig voneinander erklären, dass dieser definitiv schneller als 50 km/h gewesen sei. In ähnlicher Weise hat sich auch die Zeugin G1. -C1. geäußert, die die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs beim Durchqueren der Kreuzung, als sie dieses erstmalig bemerkte und daraufhin selbst abbremste, zunächst auf 40-50 km/h, sodann nach weiterer Überlegung aber eher auf 50-60 km/h taxierte. Die weiteren Zeugenaussagen waren zu dieser Frage unergiebig. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass die Einschätzung einer Geschwindigkeit eines anderen Objekts, hier des Polizeifahrzeugs, sehr stark subjektiv geprägt und nicht objektiv einwandfrei möglich ist. Doch lässt sich sämtlichen Zeugenaussagen ungeachtet der einzelnen, in der Tendenz aber stark ähnlichen Schätzungen jedenfalls entnehmen, dass das Polizeifahrzeug sehr schnell an die Kreuzung herangefahren und diese auch noch schnell durchquert habe; bis zur Kollision sei alles so schnell gegangen, dass man dies nicht deutlich hätte mitverfolgen können. Ein erheblicher, einer Vollbremsung gleich kommender Abbremsvorgang aus der überhöhten Grundgeschwindigkeit im Bereich von 60-70 km/h bis hin zu annähernder Schrittgeschwindigkeit im Bereich unterhalb von 10 km/h ist hingegen aus keiner einzigen der Zeugenaussagen abzulesen.
Dass der Kläger mit nahezu unverändert hoher Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich einfuhr und dabei nicht auf annähernde Schrittgeschwindigkeit abgebremst hat, ergibt sich über die Zeugenvernehmung hinaus auch aus den weiteren Umständen, die der Beklagte seiner Argumentation ebenfalls schon zugrunde gelegt hat: Zunächst war die Wucht des Aufpralls nach dem Verwaltungsvorgang, darin insbesondere den polizeilichen Meldungen zum Verkehrsunfall, so groß, dass der Pkw des Unfallgegners um etwa 90 Grad gedreht wurde und schließlich in Richtung L. -T. -Straße zeigte, aus welcher der Kläger im Polizeifahrzeug herangefahren war. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der geschädigte Zeuge G. die Drehung mit etwa 180 Grad sogar als noch erheblicher einschätzte. Zudem stellte der von dem Beklagten herangezogene Gutachter bei der Begutachtung des Dienstfahrzeugs einen "rammartigen Frontanstoß" in Anbetracht der komplett beschädigten Front des Einsatzfahrzeugs fest. Schließlich hätte die Entfernung von der Einmündung aus der L. -T. -Straße in den nördlichen Kreuzungsbereich bis hin zur Unfallstelle im südlichen Kreuzungsbereich, die sich nach den Angaben in der Unfallskizze der aufnehmenden Polizeibeamten auf etwa 24-26 Meter bemisst, bei annähernder Schrittgeschwindigkeit (d.h. jedenfalls weniger als 10 km/h) genügt, um den Unfall erheblich abzumildern bzw. gegebenenfalls sogar gänzlich zu vermeiden. Sowohl Reaktions- als auch Bremsweg wären bei einer derartigen Geschwindigkeit auf der (laut Unfallbericht) trockenen Fahrbahn um ein Vielfaches niedriger ausgefallen.
Legt man die vorstehenden Feststellungen aus der Beweisaufnahme zugrunde, hat der Kläger seine Dienstpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt.
In dem Unterlassen, das blaue Blinklicht zur Warnung anderer Verkehrsteilnehmer einzuschalten, liegt zunächst ein Pflichtenverstoß gegen die Bestimmungen des § 35 Abs. 8, § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 und § 38 Abs. 1, 2 StVO.
Zwar ist die Polizei gemäß § 35 Abs. 1 StVO von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Eine solch dringende Aufgabenerfüllung war vorliegend aufgrund der Alarmierung gegeben.
In diesem Zusammenhang ist in § 38 Abs. 1 S. 2 StVO allerdings normiert, dass nur die Verwendung von blauem Blinklicht und Einsatzhorn zusammen ein besonderes Wegerecht dergestalt anordnet, dass andere Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben und deren Vorfahrtsberechtigung mithin vorübergehend außer Kraft gesetzt wird. Nach seiner Einlassung und dem vorstehenden Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger als Fahrer des Einsatzfahrzeugs sich weder des Martinshorns noch des blauen Blinklichts während der Einsatzfahrt bis zum Zeitpunkt des Unfalls bedient.
In jedem Fall dürfen die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO allerdings nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, vgl. § 35 Abs. 8 StVO.
Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts bei Rot passiert werden, muss der Fahrer daher in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit hoher Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr mitsamt der darin liegenden Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer ist unter allen Umständen zu vermeiden.
Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. September 1997 - A 3 S 164/96 - und VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 K 832/07 -, beide juris.
Diese vorgenannten Grundsätze für die Wahrnehmung des besonderen Wegerechts gelten zwangsläufig erst Recht und in noch größerem Maße, wenn - wie vorliegend - auf die Inanspruchnahme von blauem Blinklicht und Martinshorn gänzlich verzichtet wird, mit der Folge, dass dem Polizeibeamten das besondere Wegerecht nicht zusteht. Durch die im Übrigen mit nicht ausreichend angepasster Geschwindigkeit erfolgten Einfahrt in den durch Rotlicht gesperrten Kreuzungsbereich (vgl. § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO) wird die vorstehend dargelegte Pflichtverletzung intensiviert.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger sich trotz der unstreitig vorhandenen Einsatzsituation, die ihn zur Inanspruchnahme des besonderen Wegerechts berechtigt hätte, aus einsatztaktischen Gründen in zulässiger Weise für eine sog. "stille Anfahrt" entscheiden durfte, um eventuell noch vor Ort aufhältige Täter nicht frühzeitig durch den Einsatz des Martinshorns zu alarmieren. Denn jedenfalls hat er seine Dienstpflicht, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer um jeden Preis zu vermeiden, verletzt, indem er einerseits nicht einmal das blaue Blinklicht zu deren frühzeitiger Warnung eingesetzt hat, obwohl er in einen durch Rotsignal für ihn gesperrten Kreuzungsbereich einfuhr, und weil er andererseits mit nahezu unveränderter, jedenfalls deutlich oberhalb von 10 km/h liegenden Geschwindigkeit den Kreuzungsbereich passieren wollte, ohne diese - wie von ihm selbst geltend gemacht - nahezu auf Schrittgeschwindigkeit herabzusetzen und damit den Umständen anzupassen.
Der Kläger hat diese Dienstpflichten auch grob fahrlässig verletzt.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder wer schon die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die grobe Fahrlässigkeit nicht nur danach bemisst, dass das Verhalten, das zu dem Schaden geführt hat, objektiv grob fehlerhaft ist, sondern auch danach, ob der Schädiger sich subjektiv über Gebote und Einsichten hinweggesetzt hat, die sich ihm in der konkreten Situation hätten aufdrängen müssen.
Vgl. VG München, Urteil vom 30. März 1999 - M 5 K 97.460 -, juris m.w.N.; siehe auch BGH, Urteile vom 8. Februar 1989 - IV a ZR 57/88 - und vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 -, beide juris; ferner OLG Brandenburg, Urteil vom 25. September 2002 - 14 U 40/02 -, juris.
Gemessen hieran war es in subjektiver Hinsicht schon für sich betrachtet grob fahrlässig, dass der Kläger weder Martinshorn noch Blaulicht einschaltete und gleichwohl in eine durch Rotsignal für ihn gesperrte Kreuzung einfuhr. Seine gegenteiligen Einlassungen vermögen angesichts der Ergebnisse der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu überzeugen. Für die dort getroffenen Feststellungen wird auf die vorherigen Ausführungen verwiesen,
Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung,
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. November 1995 - 13 U 94/95 -, juris (Rn. 10) m.w.N.; siehe auch VGH Baden-Würrtemberg, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 4 S 1514/02-, juris (Rn. 10 ff.); VG München, Urteil vom 30. März 1999 - M 5 K 97.460 - und zuletzt VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 K 832/07 -, beide juris,
dass selbst im Falle der Inanspruchnahme von Sonderrechten ein Sonderrechtsfahrer dies grundsätzlich durch besondere Vorsicht ausgleichen muss, die um so größer zu sein hat, in je weiterem Umfang sich der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges über die sonst geltenden Verkehrsvorschriften hinwegsetzt. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges darf sein Vorrecht erst ausüben und darauf vertrauen, wenn er sich vergewissert hat, dass die anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt und sich auf die Durchfahrt des Einsatzfahrzeuges eingerichtet haben. Bei Annäherung an eine Kreuzung mit Rotlicht muss er so fahren, dass er sich durch Einblick in die bevorrechtigte Querstraße vergewissern kann, ob die anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt und sich auf die Durchfahrt des Einsatzfahrzeuges bei Rot eingerichtet haben. Immerhin bietet das Überfahren einer Kreuzung hohe Gefahren, wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt und demgemäß für andere Verkehrsteilnehmer mit Grünlicht freigegeben ist. Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann die Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Der Einsatzfahrer verhält sich grob fahrlässig, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineinfährt, obwohl er wegen Sichtbehinderung nicht feststellen konnte, ob die Signale des Einsatzfahrzeuges von allen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wurden.
Kommt dem Beamten ein Wegerecht bzw. Vorrecht mangels Betätigung der in § 38 Abs. 1 S. 2 StVO normierten Sondersignale aber - wie vorliegend - nicht einmal zu, gelten die vorstehenden Maßstäbe in noch stärkerem Maße, d.h. der Einsatzfahrer muss eine nochmals höhere Vorsicht walten lassen als der Sonderrechtsfahrer.
Dem ist der Kläger hier trotz dieser offensichtlichen Gefahrgeneigtheit seines beabsichtigten Handelns nicht nachgekommen, da er trotz der Einsatzfahrt ohne Martinshorn und Blaulicht seine Geschwindigkeit nicht erheblich auf zumindest annähernde Schrittgeschwindigkeit reduziert hat. Die gebotene Vorsicht hätte in diesem Moment allerdings nach einer den Umständen angepassten und bei Einfahrt in die Kreuzung erheblich reduzierten Geschwindigkeit verlangt. Dass der Kläger, der als diensterfahrener Beamter seine Geschwindigkeit zumindest grob abzuschätzen in der Lage gewesen sein müsste, erklärt hat, nur mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren zu sein, überzeugt angesichts der hierzu getätigten Zeugenaussagen und der weiteren genannten Umstände (Äußerungen des Gutachters, Wegstrecke von Kreuzungsmündung zum Unfallort) nicht. Vielmehr dürfte die Geschwindigkeit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme deutlich oberhalb von 10 km/h, möglicherweise sogar bei 50 km/h gelegen haben. Eine noch stärkere Reduzierung der Geschwindigkeit wäre angesichts der roten Ampel hier aber offensichtlich angezeigt gewesen. Bei jeder unangepassten Geschwindigkeit beim Einfahren in die Kreuzung trotz Rotsignals, auch bei "nur" 30 km/h, ist eine Gefahrenlage wesentlich schwerer und erst später erkennbar und nimmt dem Kläger und anderen Verkehrsteilnehmern eine hinreichende Reaktionszeit.
Angesichts sämtlicher vorgenannter Umstände dürfte es nahezu als ausgeschlossen gelten, dass sich der Kläger bei Einfahrt in die Kreuzung und vor deren Durchquerung hinreichend vergewissert hat, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer halten und nicht gefährdet werden. Die anderen Verkehrsteilnehmer mussten nämlich nicht damit rechnen, dass ein Einsatzfahrzeug ohne Einsatzhorn und blaues Blinklicht bei Rotsignal mit deutlich über Schrittgeschwindigkeit liegendem Tempo durchfährt.
Vgl. zu letzterem Burmann/Heß/K1. /Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 38 Rn 6, m.w.N.; bereits aufgegriffen von VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 K 832/07 -, juris.
Dass der bevorrechtigt fließende Querverkehr aufgrund der Umstände nicht mit Verkehrsteilnehmern aus anderen Richtungen rechnete, ist jedoch evident und hätte jedem einleuchten müssen. Im Übrigen tat die Dunkelheit zum Unfallzeitpunkt ihr Übriges, damit sich die bevorrechtigten und auf die Einfahrt des Polizeifahrzeugs in den Kreuzungsbereich nicht vorbereiteten Verkehrsteilnehmer akustisch, visuell und in ihrer Fahrweise auf die Einsatzfahrt einzustellen vermochten.
Im Ergebnis kommt es vorliegend auf die genaue Bezifferung der Geschwindigkeit nicht entscheidend an, da jedenfalls die Nichteinschaltung des Blaulichts bei gleichzeitigem Verzicht zumindest annähernd auf Schrittgeschwindigkeit eine grob fahrlässige Verletzung der eingangs genannten Dienstpflichten bedeutet.
Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 18. März 2014- 1 K 602/13.NW -, juris (Rn. 28), wonach ein derartiger Vorwurf einen Beamten sogar bei Inanspruchnahme von Sondersignalen (Martinshorn und Blaulicht) treffen kann.
Subjektiv den Kläger entlastende Umstände sind nicht vorhanden. Ein vernünftiger Grund, aufgrund dessen der Kläger das Sondersignal Blaulicht nicht eingeschaltet und trotz Rotsignals mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund kann auch an dieser Stelle dahin stehen, ob die von dem Kläger getroffene einsatztaktische Entscheidung zugunsten einer sog. "stillen Anfahrt" zum Einsatzort gerechtfertigt war und ihm insoweit nicht vorgeworfen werden kann. Denn jedenfalls hätte er die Verkehrsteilnehmer im Mindesten durch die Einschaltung des blauen Blinklichts auf das Herannahen des Polizeifahrzeugs aufmerksam machen müssen, dies spätestens in dem Moment, als er sich anschickte, in eine durch Rotsignal für ihn gesperrte Kreuzung einzufahren. Der möglicherweise in seiner Einlassung, dass für die Aktivierung des Blaulichts die Beifahrerin zuständig gewesen wäre, liegende Einwand dahingehend, von der Verwendung des blauen Blinklichts ausgegangen zu sein, verfängt hingegen aus mehreren Gründen nicht: Zum einen hat die Zeugin C2. , die Kollegin des Klägers und Beifahrerin, im Rahmen ihrer Befragung glaubhaft darzulegen vermocht, dass weder eine allgemeine Regel noch eine diesbezügliche Absprache zwischen ihr und dem Kläger über die Betätigung des Einschaltknopfes für das Blaulicht am Einsatzfahrzeug bestanden habe. Dem ist der Kläger im Anschluss an ihre Aussage auch nicht durch eigenen, substantiierten Vortrag entgegengetreten. Zum anderen hätte es dem Kläger aufgrund der Dunkelheit der Umgebung jedenfalls auffallen müssen, dass das Blaulicht nicht aktiviert war. Denn in der zum Unfallzeitpunkt - kurz nach 18:00Uhr im November - unstreitig sowie durch die Unfallberichte und Zeugenaussagen belegten, bereits eingetretenen Dunkelheit wäre das blaue, kreiselnde Licht durch die Frontscheibe und die seitlichen Fenster des Dienstfahrzeugs gut wahrzunehmen gewesen. In diesem Falle wäre von ihm als erfahrenem Beamten und in dieser Situation als Fahrer des Dienstfahrzeugs, der sich anschickt, eine durch Rotsignal gesperrte Kreuzung zu passieren, zu erwarten gewesen, seine Kollegin hierzu aufzufordern. Zudem geht das Gericht auf Grundlage der - insoweit unwidersprochenen - Aussage der Zeugin C2. davon aus, dass die Aktivierung des Blaulichts auf der Armatur des Polizeifahrzeugs, etwa mittig zwischen Fahrer und Beifahrer, durch das Leuchten oder sogar Blinken des Einschaltknopfes angezeigt wird. Immerhin ist das Blaulicht nach übereinstimmenden Zeugenaussagen nach der Kollision eingeschaltet worden, was einerseits seine Funktionsfähigkeit belegt und andererseits weiteres Indiz für das Bewusstsein seiner Deaktivierung zuvor sein könnte. Ungeachtet der vorstehenden Feststellungen wäre schließlich zu fragen gewesen, ob sich der Kläger als Fahrer des Dienstfahrzeugs spätestens vor einem derart schwerwiegenden Verkehrsverstoß, wie ihm dies vorliegend vorgeworfen wird, über den Status des Blaulichts hätte versichern müssen, zumal weiterhin der Vorwurf der nicht angemessenen Geschwindigkeit verbliebe.
Aufgrund der vorgenannten Umstände entlastet den Kläger auch nicht sein Einwand, dass ihm das auf dem Linksabbieger der L1.-----straße stehende Fahrzeug der Zeugin G1. -C1. die Sicht auf den Unfallgegner verdeckt habe. Denn er hat es jedenfalls versäumt, durch Einschaltung des Blaulichts und Abbremsen auf annähernd Schrittgeschwindigkeit überhaupt nur die geeigneten Voraussetzungen zu schaffen, um einerseits selbst rechtzeitig von anderen, in diesem Moment bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern wahrgenommen zu werden und diese andererseits selbst zuverlässig wahrnehmen zu können. Da das Fahrzeug der Zeugin G1. -C1. nach deren glaubhaften Angaben, die durch ihre Beifahrerin, die Zeugin P. , bestätigt wurden, vom Stillstand an der roten Ampel nach dem Wechsel auf Grün nur kurz angefahren und kurz darauf wieder stehen geblieben war, ist im Übrigen davon auszugehen, dass der Kläger das Fahrzeug des Unfallgegners bei verminderter Geschwindigkeit noch rechtzeitig hätte wahrnehmen können, da dieses mit normaler Geschwindigkeit aus der L1.-----straße herankam und nicht ebenfalls erst langsam anfuhr. Denn der beim Unfall Geschädigte, der Zeuge G. , hatte den Wechsel der Lichtzeichen bereits in einiger Entfernung - ohne dass es vorliegend auf die genaue Schätzung ankäme, wie er sie in seiner Vernehmung versucht hat - erkannt und aus rollendem Zustand gleich wieder beschleunigt. Schließlich hätte - wie der Beklagte zu Recht bemerkt - bei einer schlechten Sicht auf die Verkehrssituation in der L1.-----straße erst Recht eine besondere Veranlassung zu einer Herabsetzung der Geschwindigkeit bestanden, infolge derer das andere Unfallfahrzeug nur kurzzeitig hinter dem Pkw der Zeugin G1. -C1. versteckt gewesen wäre.
Aus dem dargelegten Grund, dass den Kläger an dem Unfall die weit überwiegende Verantwortung zur Last fällt, trifft den Unfallgegner, den Zeugen G. , auch kein Mitverschulden, das im Rahmen des hier streitgegenständlichen Regressanspruches mittelbar über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu einer Kürzung führen könnte. Eine Möglichkeit zur rechtzeitigen Reaktion bestand für den Geschädigten als durch die Lichtzeichenanlage der Kreuzung bevorrechtigten Fahrer in gleichzeitiger Ermangelung einer akustisch oder optisch vernehmbaren Warnung nicht.
Aufgrund der grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzung des Klägers ist es sodann zum Unfall gekommen und hierdurch wiederum dem Land NRW der geltend gemachte Schaden in Höhe von 17.273,81 Euro entstanden. Dessen Höhe ist durch Belege in den Verwaltungsvorgängen sowie durch das dort eingeholte Gutachten im Einzelnen belegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.