VG Berlin, Beschluss vom 29.08.2016 - 33 L 235.16
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf bis zu 500,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Gebührenforderung des Antragsgegners. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers vom 5. Juli 2016,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 15. März 2016 gegen den Gebührenbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 2. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 29. Februar 2016 anzuordnen,
über den aufgrund des Kammerbeschlusses vom 28. Juli 2016 der Einzelrichter entscheidet (§ 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), ist gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, mit welchem – wie hier geschehen – öffentliche Abgaben und Kosten angefordert werden, nicht die grundsätzlich in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann allerdings nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn dessen Aussetzungsinteresse das für den Regelfall gesetzlich mit höherem Gewicht ausgestattete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ausnahmsweise überwiegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO unter anderem dann geboten, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen. Dies setzt voraus, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Vorliegend kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die von dem Antragsteller erhobene Klage mit der danach zu fordernden überwiegenden Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen wird.
Die zulässige Anfechtungsklage ist vielmehr unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Gebührenbescheid sind §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBeitrG) in Verbindung mit der auf dieser Grundlage erlassenen Polizeibenutzungsgebührenordnung (PolBenGebO). Gemäß § 1 PolBenGebO werden für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen und die damit in Zusammenhang stehende Inanspruchnahme von Leistungen Benutzungsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis erhoben. Nach Tarifstelle 4.3 lit. b der Anlage zu § 1 PolBenGebO wird für die nach Anordnung durch Mitarbeiter der bezirklichen Ordnungsämter begonnene Umsetzung eines Pkw bis 3,5t zulässigem Gesamtgewicht eine Gebühr von 120,57 Euro erhoben, sofern sich die beabsichtigte Umsetzungsmaßnahme gegen die nach §§ 13 und 14 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Verantwortlichen richtet oder die Gebührenpflicht nach §§ 9, 10 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge entstanden ist. Dieser Gebührentatbestand ist hier erfüllt.
Es liegt eine begonnene Umsetzung nach der Tarifstelle 4.3 lit. b der Anlage 1 zur PolBenGebO vor, da das vom Ordnungsamt gerufene Abschleppunternehmen bereits durch Anlegung von vier Krallen mit der Umsetzung begonnen hatte, als der Antragsteller am Ort erschien und sein Fahrzeug selbst entfernte. Die polizeiliche Umsetzung wäre auch rechtmäßig gewesen. Sie ist nach der ordnungsrechtlichen Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG dann erforderlich, wenn eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren ist. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört auch das in § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Nr. 63 der Anlage 2 der StVO – Z 286 – normierte Verbot, länger als drei Minuten auf der entsprechend beschilderten Fahrbahn zu halten. Dieses ist hier wirksam für den vom Antragsteller benutzten Bereich angeordnet und bekannt gegeben worden. Auch der Antragsteller bestreitet die Bekanntgabe des Verkehrszeichens durch Aufstellung nicht. Er macht lediglich geltend, die Beschilderung sei nicht wie angeordnet aufgestellt worden, ferner seien die Anwohner – wie er – nicht im Voraus über die Maßnahme informiert worden. Mit diesen Einwänden kann der Antragsteller nicht durchdringen.
Der Antragsteller kann sich schon nicht darauf berufen, dass die Anordnung nur den Zeitraum ab dem 28. Mai 2015 und dann nur in der Zeit von Montag bis Freitag 7 – 17 Uhr umfasst habe, die Beschilderung aber Gültigkeit ab dem 26. Mai 2015 für die Zeit von 7 – 17 Uhr beanspruchte. Denn das Fahrzeug des Antragstellers sollte weder vor dem 28. Mai noch am Wochenende dort umgesetzt werden, sondern vielmehr am 18. Juni 2015, einem Donnerstag, gegen 9 Uhr. Der Fehler in der Beschilderung wirkte sich hier also gar nicht zu Lasten des Antragstellers aus. Das gleiche gilt hinsichtlich der vom Antragsteller bemängelten Länge der durch die Beschilderung vorgegebenen Haltverbotsfläche. Ausweislich der vom Ordnungsamt gefertigten Skizze stand das Auto des Antragstellers vor der Hausnummer 3 in der F..., welche ausdrücklich Gegenstand der Anordnung gewesen ist. Ob die Beschilderung eine darüber hinaus gehende Fläche mit einem Haltverbot versah, betraf danach jedenfalls nicht das Fahrzeug des Antragstellers. Durch die dargelegte Abweichung der mobilen Haltverbotsschilder von der Anordnung wurde die Verkehrsregelung auch nicht unbestimmt. Denn die Beschilderung wies ein aus ihr selbst eindeutig erkennbares, eingeschränktes Haltverbot aus und war insoweit im hier relevanten Moment der Anordnung der Umsetzung des Antragstellers auch von der verkehrsrechtlichen Anordnung des Bezirksamtes gedeckt.
Die vom Antragsteller geltend gemachte unterbliebene Information der Anwohner stand der Umsetzung ebenfalls nicht entgegen. Denn diese Information dient der Vorbereitung der Anwohner im Vorfeld der Maßnahme, insbesondere um bei längeren Abwesenheiten das Fahrzeug rechtzeitig umzuparken. Zum Zeitpunkt der begonnenen Umsetzung war das Haltverbot jedoch bereits mehrere Wochen eingerichtet, wodurch sämtliche interessierten Anwohner – wie der Antragsteller – hinreichend Gelegenheit hatten, es wahrzunehmen und sich darauf einzustellen. Im Übrigen betrifft die unterbliebene Information – vergleichbar der zu kurzfristigen Aufstellung mobiler Haltverbotsschilder (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil v. 11. Dezember 1996 – 11 C 15/95, NJW 1997, 1021; OVG Bautzen, Urteil v. 23. März 2009 – 3 B 891/06, BeckRS 2009, 33500; VG Berlin, Urteil v. 16. Juli 2015 – VG 14 K 249.14, BeckRS 2015, 49420) – nicht die Wirksamkeit der Anordnung oder die Rechtmäßigkeit der Umsetzung, sondern allenfalls die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.
Für die Rechtmäßigkeit der Umsetzung ist ferner irrelevant, ob die den entsprechenden Verkehrszeichen zugrunde liegende behördliche Anordnung rechtmäßig ist, es kommt vielmehr allein auf ihre Wirksamkeit an (vgl. VG Berlin, Urteil v. 11. April 2016 – VG 11 K 372.15). Denn die durch Verkehrszeichen getroffenen verkehrsrechtlichen Anordnungen sind nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbar. Die verbindliche Regelungswirkung, die Voraussetzung für ihre Verwaltungsaktqualität ist, folgt aus dem Verkehrszeichen selbst in Zusammenschau mit der hoheitlichen Anordnung, die seiner Aufstellung zugrunde liegt. Der in der verkehrsrechtlichen Anordnung enthaltene hoheitliche Befehl wird durch die Aufstellung des Verkehrszeichens bekannt gegeben und dadurch wirksam, so dass es selbst in dem Fall Geltung beansprucht, in dem die verkehrsrechtliche Anordnung rechtswidrig ist. Ob die Anordnung des Bezirksamtes Mitte von Berlin zu Recht erfolgte – insbesondere die Regelungen zur Sondernutzung des Berliner Straßengesetzes beachtete –, bedarf demnach vorliegend keiner Prüfung.
Die Abschleppmaßnahme wäre auch verhältnismäßig gewesen. Der Antragsteller macht zwar geltend, es sei niemand tatsächlich behindert worden, die Sondernutzung des Straßenlandes darüber hinaus vermutlich erschlichen worden. Tatsächlich behinderte das Fahrzeug des Antragstellers nach Überzeugung des Gerichts Ladearbeiten. Soweit der Antragsteller dies unsubstantiiert bestreitet, stehen dem bereits die Angaben im vor Ort gefertigten Umsetzungsprotokoll entgegen, welchem als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhöhte Beweiskraft zukommt (VG Berlin, Urteil v. 13. Oktober 2015 – VG 11 K 407.15). Gestützt werden diese Angaben durch die zum Verwaltungsvorgang genommenen schriftlichen Einlassungen des Zeugen B... und des Ordnungsdienstes des Bezirksamtes Mitte von Berlin. Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, dass die Anordnung des temporären Haltverbots durch das Bezirksamt in einer den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten betreffenden Weise erschlichen wurde oder anderweitig rechtswidrig ist.
Die Gebührenforderung selbst begegnet keinen Bedenken. Der Antragsteller ist als Halter Gebührenschuldner i.S.v. § 10 Abs. 2 lit. c GebBeitrG. Hiernach ist derjenige Gebührenschuldner, dem die Benutzung oder die Leistung der Einrichtung mittelbar oder unmittelbar zugutekommt. Dies ist, sofern – wie hier – die Anordnung der Umsetzung des Fahrzeuges rechtmäßig ist, unter anderem der Halter als Zustandsverantwortlicher (§ 14 Abs. 1 ASOG).
Der Antragsteller kann zudem aus dem Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für sich nichts herleiten. Denn die nach § 47 Abs. 2 OWiG erfolgte Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens indiziert nicht eine Rechtswidrigkeit der Umsetzung. Die Einstellung belegt vielmehr nur, dass das Gericht eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht für geboten hielt, nicht aber, dass keine Ordnungswidrigkeit vorgelegen hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 9. Juli 2010 – OVG 1 S 150.09 m.w.N.).
Schließlich ist nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die (vorläufige) Vollziehung des Gebührenbescheides über 120,57 Euro für den Antragsteller im Sinne des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Bei einer solchen Sachlage gebührt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Gebühreneinziehung der Vorrang und ist der Antragsteller darauf zu verweisen, im Falle eines für ihn günstigen Ausgangs des Klageverfahrens die Rückzahlung der Gebühr vom Antragsgegner zu verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zum Verfahrenswert findet ihre Grundlage in den §§ 39 ff. des Gerichtskostengesetzes.