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VerfGH für das Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.04.2020 - VerfGH 18/20.VB-2

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die ordnungsbehördliche Anforderung von Lichtbildern bei der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers im Rahmen eines straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahrens.

1. Der Beschwerdeführer überschritt im Juni 2018 mit einem gemieteten Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit um jedenfalls 14 km/h. Das stationär aufgestellte Radarmessgerät erfasste mit seiner Aufnahme den Beschwerdeführer, das Fahrzeug mit amtlichem Kennzeichen sowie die ermittelte Geschwindigkeit. Nachdem das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf bei der Halterin des Fahrzeugs Namen und Anschrift des Beschwerdeführers als Fahrer erfragt hatte, setzte die Behörde gegen ihn zunächst ein Verwarnungsgeld in Höhe von 20 Euro fest und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführer antwortete hierauf mit der Angabe, die Zuwiderhandlung vorerst mangels Kenntnis der technischen Ordnungsmäßigkeit der Radaraufnahme nicht zuzugeben und bat um Übersendung von Mess- und Eichprotokoll. Daraufhin forderte die Behörde beim Einwohnermeldeamt der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 23. und 24. Juli 2018 Ausweisfotos an zum Zweck des Lichtbildabgleichs, gestützt auf § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Personalausweisgesetz - PAuswG und § 22 Abs. 2 Passgesetz - PassG. Der Beschwerdeführer beantragte sodann unter dem 28. August 2018 über seinen Bevollmächtigten Akteneinsicht.

Mit Bußgeldbescheid vom 27. September 2018 setzte die Landeshauptstadt Düsseldorf gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 20 Euro zuzüglich weiterer Kosten fest. Mit seinem gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch berief sich der Beschwerdeführer auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen durch die Anforderung der Lichtbilder und beantragte, das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des hierin liegenden Verfahrensverstoßes nach § 47 OWiG einzustellen. Der Datenabgleich sei nicht erforderlich gewesen, da der Beschwerdeführer die Fahrereigenschaft selbst niemals abgestritten habe, sondern es ihm nur um die Übermittlung der Mess- und Eichprotokolle gegangen sei. Er sei in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Die Behörde erhielt den Bußgeldbescheid aufrecht und leitete den Vorgang an das Amtsgericht zur weiteren Entscheidung weiter.

2. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2019 verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 14 km/h zu einer Geldbuße von 20 Euro. Auf den seitens des Beschwerdeführers gerügten Grundrechtsverstoß durch die Anforderung der Lichtbilder bei der Wohnsitzbehörde komme es nicht an. Die Verurteilung beruhe auf seinem Geständnis und dem Messergebnis. Die auf dem Datenabgleich zur Verfahrensakte gelangten Lichtbilder von der Person des Beschwerdeführers habe das Gericht nicht verwertet.

Der Beschwerdeführer beantragte gegen das Urteil des Amtsgerichts die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Es gehe um die Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang eine Behörde zur Ahndung von Ordnungsverstößen berechtigt sei, anlasslos eine Datenabfrage anzustoßen. Die Maßnahme der Ordnungsbehörde verstoße gegen die geltende Erlasslage zur Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden und gegen landesdatenschutzrechtliche Vorschriften. Von den Ermächtigungsgrundlagen der § 24 PAuswG und § 22 PassG sei sie ebenfalls nicht gedeckt. Der Beschwerdeführer sei daher in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Auch gegen die Datenschutzgrundverordnung werde verstoßen. Dies alles müsse zu einem Verfahrenshindernis und mithin zur Einstellung des Verfahrens führen.

Mit angegriffenem Beschluss vom 7. Januar 2020, nach den Angaben des Beschwerdeführers zugestellt am 16. Januar 2020, verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag des Beschwerdeführers, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, als unbegründet. Bei Geldbußen von nicht mehr als 100 Euro werde die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn es geboten sei, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Eine weitere Begründung enthielt der Beschluss nicht.

3. Mit am 17. Februar 2020 beim Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen eingegangenem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Zur Begründung führt er aus, durch die Datenabfrage der Lichtbilder sei er in seinem Datenschutzgrundrecht aus Art. 4 Abs. 2 LV betroffen, ohne dass hierfür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung bestehe. Die der fraglichen Maßnahme zugrundeliegenden pass- und ausweisrechtlichen Vorschriften deckten die Maßnahme nicht. Die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben seien aus mehreren Gründen nicht eingehalten worden. Eine Rechtfertigung lasse sich auch nicht unter Berufung auf das Datenschutzrecht Nordrhein-Westfalens herleiten. Vielmehr sei sowohl gegen europarechtliche als auch nationale Datenschutzvorschriften verstoßen worden. Daher sei es unter Abwägung der geringfügigen Sanktionserwartung von 20 Euro und der erheblichen Verletzung des Datenschutzgrundrechts des Beschwerdeführers nicht tragbar, die Entscheidung des Ordnungsamts als verfassungsgemäß anzusehen. Weder das Amtsgericht noch das Oberlandesgericht hätten der Grundrechtsverletzung die ihr zukommende Bedeutung beigemessen und perpetuierten mit ihren Entscheidungen den behördlichen Grundrechtsverstoß.

Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 GG geltend. Das Gebot rechtlichen Gehörs verlange die Möglichkeit für den Betroffenen, durch sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Das Oberlandesgericht habe sich jedoch ersichtlich nicht mit den aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen auseinandergesetzt. Seine Entscheidung habe es nicht begründet, was nötig gewesen wäre, um die maßgeblichen rechtlichen Bedenken auszuräumen. Daraus ergebe sich die Besorgnis, dass das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer allein aus dem Grund der geringen tatsächlichen Beschwer den Zugang zum gesetzlichen Richter und damit das rechtliche Gehör verweigert habe.

4. Eine Anhörungsrüge hat der Beschwerdeführer nicht erhoben.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, § 59 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGHG) vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 400), durch die Kammer zurückgewiesen, weil sie unzulässig ist.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer vor ihrer Erhebung den Rechtsweg nicht ausgeschöpft hat (§ 54 Satz 1 VerfGHG).

Wird mit der Verfassungsbeschwerde - wie hier - eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 54 VerfGHG grundsätzlich abhängig ist (VerfGH NRW, Beschlüsse vom 6. Juni 2019 - VerfGH 3/19.VB-3 und 4/19.VB-3 -, juris, Rn. 28, und vom 9. Juli 2019 - VerfGH 13/19.VB-3 -, juris, Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 -, BVerfGE 134, 106 = juris, Rn. 22, und vom 14. Dezember 2018 - 2 BvR 1594/17 -, juris, Rn. 14). Erhebt ein Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß (VerfGH NRW, Beschlüsse vom 9. Juli 2019 - VerfGH 13/19.VB-3 -, juris, Rn. 11, und vom 8. Oktober 2019 - VerfGH 39/19.VB-3 -, juris, Rn. 7; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 -, BVerfGE 134, 106 = juris, Rn. 22, und vom 14. Dezember 2018 - 2 BvR 1594/17 -, juris, Rn. 18). So liegt der Fall hier. Dass der Beschwerdeführer gegen den angegriffenen, nicht mehr mit einem Rechtsmittel anfechtbaren Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. Januar 2020 vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde eine - nach § 80 Abs. 3 Satz 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 356a StPO statthafte - Anhörungsrüge erhoben hat oder dass eine solche Rüge von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen wäre, ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere liegt mit der Rüge, das Oberlandesgericht habe die vom Beschwerdeführer vorgebrachten verfassungsrechtlichen Fragestellungen nicht hinreichend in den Blick genommen, kein Fall eines sogenannten perpetuierten Gehörsverstoßes vor, in welchem das Rechtsbehelfsgericht einen etwaigen Gehörsverstoß lediglich nicht geheilt hat (keine "sekundäre Anhörungsrüge", vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2018 - 2 BvR 1594/17 -, juris, Rn. 15, und vom 24. Juli 2019 - 2 BvR 686/19 -, juris, Rn. 26). In Rede steht vielmehr, nicht zuletzt im Hinblick auf die ausdrücklich gerügte fehlende Begründung durch das Oberlandesgericht, ein eigener Gehörsverstoß durch dieses selbst. Unbeachtlich ist daher, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift geltend macht, die Verletzung in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit seine materielle Rechtsposition bereits mit dem Einspruch und vor dem Amtsgericht gerügt zu haben. Schließlich ist ebenfalls nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstanden wäre, wenn er zunächst eine Anhörungsrüge erhoben hätte (§ 54 a. E. VerfGHG).

Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird nach § 58 Abs. 2 Satz 4 VerfGHG abgesehen.

III.

Seine Auslagen sind dem Beschwerdeführer nicht zu erstatten. § 63 Abs. 4 VerfGHG sieht eine Auslagenerstattung nur für den hier nicht vorliegenden Fall eines Obsiegens des Beschwerdeführers vor.

Lukas Jozefaciuk