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OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.09.2018 - 8 A 1886/16

Tenor

Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. Juli 2016 - 11 K 544/14 - werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger jeweils zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene dürfen jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, welcher von zwei sich gegenseitig beeinträchtigenden Windenergieanlagen der Vorrang im Hinblick auf Turbulenzen zukommt.

Die Kläger beantragten am 6. Mai 2010 die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids "hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und seiner Vereinbarkeit mit den militärischen Belangen und den Belangen des Luftverkehrs" für eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-82 E2 in C. X. , Gemarkung G. , Flur , Flurstück (im Gutachten zur Standorteignung von WEA am Standort C. X. -I. vom 24. Juni 2016 der Fluid & Energy Engineering GmbH & Co. KG bezeichnet als WEA 40). Ausweislich des Antragsformulars war u. a. eine gutachtliche Stellungnahme zur Turbulenzbelastung beigefügt. In den Verwaltungsvorgängen befinden sich jeweils eine Seite der gutachtlichen Stellungnahme zur Turbulenzbelastung im Windpark C. X. -I. der G1. & F. F1.------ring GmbH & Co. KG (im Folgenden: F2E) vom 23. Februar 2010, der Umweltverträglichkeitsstudie des Büros T. (Stand: 24. August 2010) sowie der Schallimmissionsprognose der B. -PRO GmbH & Co. KG vom 14. Juni 2010 mit einem Eingangsstempel des Beklagten vom 25. August 2010.

Die Beigeladene beantragte mit Eingang am 29. Juni 2010 ebenfalls für eine Anlage Enercon E-82 E2 (im oben genannten Gutachten der F2E vom 24. Juni 2016 bezeichnet als WEA 26) eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für einen ca. 207 m südwestlich der Anlage der Kläger gelegenen Standort (C. X. , Gemarkung G. , Flur , Flurstücke und ). Dem Antrag fügte sie u. a. eine Schall- und eine Schattenwurfprognose jeweils vom 10. Juni 2010 der s. GmbH & Co. KG sowie die Unterlagen "Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht, Vorhaben: Errichtung und Betrieb einer WEA E-82" vom 22. Mai 2010 und "Landespflegerischer Begleitplan" vom 14. Juni 2010 (jeweils erstellt durch das Büro für Stadt- und Landschaftsplanung Dipl. Ing. B. M. ) bei. Mit Eingang beim Beklagten am 14. September 2010 legte die Beigeladene zusätzlich eine gutachtliche Stellungnahme zur Turbulenzbelastung im Windpark C. X. (Gemarkung G. ) der F2E vom 31. August 2010 vor, die die Anlage der Kläger nicht berücksichtigt.

Den Vorbescheidsantrag der Kläger lehnte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 15. März 2011 vornehmlich deswegen ab, weil der Anlagenstandort außerhalb der ausgewiesenen Konzentrationszone für Windenergieanlagen liege; hiergegen wurde Klage erhoben. Der Beklagte verpflichtete sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches vom 23. Januar 2013 vor dem Verwaltungsgericht Minden (11 K 761/11), den ablehnenden Bescheid hinsichtlich des Vorbescheidsantrags der Kläger aufzuheben und den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dessen Urteil vom 20. November 2012 - 8 A 430/10 - erneut zu bescheiden.

Die Beigeladene bat am 25. Mai 2012 vor dem Hintergrund, dass ihr derselbe Ablehnungsgrund im Rahmen der Anhörung genannt worden war, um Ruhendstellung ihres Genehmigungsverfahrens bis auf Widerruf (welcher am 25. Februar 2013 erfolgte).

Zum Vorhaben der Kläger gingen beim Beklagten am 15. März 2013 eine Artenschutzprognose (Stufe I) nach § 44 BNatSchG (des Ingenieurbüros Landschaft & Wasser, Dr. K.-H. M1. ) von Februar 2013 sowie ein Landschaftspflegerischer Begleitplan (des Büros für Landschaftsplanung, B. N. ) von März 2013 ein.

Unter dem 10./11. April 2013 erstellte der Beklagte für die beantragten Vorhaben der Kläger und der Beigeladenen jeweils ein Vorprüfungsprotokoll für eine standortbezogene Vorprüfung mit dem veröffentlichten Ergebnis, dass keine UVP-Pflicht bestehe.

Im Anschluss erklärten die Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 2013, dass ihr Vorbescheidsantrag "ergänzend auch im Hinblick auf die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit (Schall und Schattenschlag)" sowie "unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten" geprüft werden solle. Unter dem 10. Mai 2013 teilten sie zudem mit, dass "zum Schutz der örtlichen Rotmilanpopulation über den Betrieb tagsüber (Morgendämmerung bis Sonnenuntergang) in der Zeit vom 01.03 bis 31.07. eines Jahres nicht entschieden werden soll".

Die Beigeladene legte wiederum unter dem 12. Juni 2013 in ihrem Genehmigungsverfahren ein Artenschutzgutachten (des Ingenieurbüros für Umweltplanung T1. + S. vom 3. Juni 2013) vor.

Unter dem 17. Juli 2013 erteilte der Beklagte den Klägern sodann einen Vorbescheid hinsichtlich der "planungs- und immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit, der Vereinbarkeit mit den militärischen Belangen und den Belangen des Luftverkehrs sowie der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit nur in Bezug auf die Turbulenzintensität". Die Beigeladene erhob hiergegen Widerspruch.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2014 nahm der Beklagte den Vorbescheid zugunsten der Kläger vom 17. Juli 2013 insoweit zurück, als dieser "die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenzintensität feststellt" (im Folgenden: Teilrücknahmebescheid). Zur Begründung führte er aus, eine Entscheidung über die Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenzintensität habe ohne Berücksichtigung der Anlage der Beigeladenen aufgrund deren Vorrangstellung nicht getroffen werden dürfen.

Mit weiterem Bescheid vom 21. Januar 2014 erteilte der Beklagte der T2. GmbH & Co. KG, Rechtsnachfolgerin der Kläger als Betreiberin der WEA 40 und Klägerin im Verfahren 8 A 1884/16, auf deren Antrag vom 1. August 2013 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die WEA 40. Als Bedingung wurde insbesondere unter A) 3. die Vorlage eines die Anlage der Beigeladenen berücksichtigenden Turbulenzgutachtens bestimmt. Die Festsetzung von danach eventuell erforderlichen Betriebseinschränkungen, die "die Standsicherheit aller Anlagen im Einwirkbereich der Turbulenzen [...] gewährleisten" sollen, ist Gegenstand eines Auflagenvorbehalts unter B) 1.).

Die WEA 26 der Beigeladenen wurde zeitgleich mit Bescheid vom 21. Januar 2014 immissionsschutzrechtlich genehmigt; Betriebsbeschränkungen aus Turbulenzgründen im Hinblick auf die Anlage der Kläger sind nicht vorgesehen. Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.

Gegen den streitgegenständlichen Teilrücknahmebescheid, zugestellt am 29. Januar 2014, haben die Kläger am 25. Februar 2014 Klage erhoben. Die Klage der T2. GmbH & Co. KG gegen die Nebenbestimmungen der Genehmigung ist Gegenstand im parallel geführten Berufungsverfahren 8 A 1884/16.

Während der erstinstanzlichen Klageverfahren wurde unter dem 15. April 2014 eine Standortverschiebung der Anlage der Kläger um 6 m in nördliche Richtung beantragt. Diese beschied der Beklagte unter dem 16. April 2014 nach § 15 Abs. 2 BImSchG dahingehend, dass die vorgesehene Änderung keiner Genehmigung nach § 16 BImSchG bedürfe. Ferner wurde das in A) 3. des Genehmigungsbescheids geforderte Turbulenzgutachten (Gutachten der F2E vom 30. April 2014 und vom 24. Juni 2016) vorgelegt. Danach sind zur Gewährleistung der Standsicherheit der WEA 26 und der WEA 40 Betriebsbeschränkungen erforderlich, und zwar durch das Abschalten einer der beiden Anlagen bei bestimmten Windrichtungen (S. 20 f. des Gutachtens vom 24. Juni 2016).

Zur Begründung der Klage haben die Kläger im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben der Beigeladenen habe auf ihr Vorhaben Rücksicht nehmen müssen. Dem Vorbescheidverfahren komme insoweit die gleiche Bedeutung wie einem Genehmigungsverfahren zu. Maßgebend sei vorliegend nicht, ob bzw. wann die Feststellung der Zulässigkeit unter Turbulenzintensitäts- bzw. Standsicherheitsaspekten ausdrücklich beantragt worden sei, zumal dies bei sachgerechter Auslegung von Anfang an Gegenstand des Antrages gewesen sei. Selbst zum Zeitpunkt der ausdrücklichen Beantragung hinsichtlich der Turbulenz im Mai 2013 sei im Übrigen der Genehmigungsantrag der Beigeladenen nicht prüffähig gewesen. Soweit gegenüber dem Beklagten unter dem 15. April 2014 eine mögliche Standortverschiebung um 6 m in nördliche Richtung im Sinne des § 15 BImSchG angezeigt worden sei, solle diese nur dann erfolgen, wenn tatsächlich auf die Anlage der Beigeladenen Rücksicht zu nehmen sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Teilrücknahmebescheid vom 21. Januar 2014 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, der ursprüngliche Antrag der Kläger auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides habe sich nicht auf die Prüfung der bauordnungsrechtlichen Turbulenzintensität erstreckt. Der in Rede stehende Teilrücknahmebescheid stelle zutreffend darauf ab, dass die Kläger erst am 9. Mai 2013 beantragt hätten, auch über die Zulässigkeit hinsichtlich der Turbulenzintensität zu entscheiden. Dass bereits mit dem ursprünglichen Antrag ein Turbulenzgutachten vorgelegt worden sei, sei irrelevant.

Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, ihrer Windenergieanlage komme unter Turbulenzgesichtspunkten der Vorrang zu. Maßgeblich für die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den beiden Anlagen sei, dass sie im Unterschied zu den Klägern von vornherein einen Genehmigungsbescheid beantragt habe. Gegenstand des Vorbescheidsantrags seien zudem vor ihrem Genehmigungsantrag lediglich die planungsrechtliche Zulässigkeit und die Vereinbarkeit mit militärischen und luftverkehrsrechtlichen Belangen gewesen. Fragen der Turbulenzintensität seien eindeutig solche der bauordnungsrechtlichen Standsicherheit nach § 15 BauO NRW. Bauordnungsrecht sei nicht Gegenstand des Vorbescheidsantrags der Kläger gewesen; dies gelte umso mehr, als eine Typenstatik nicht vorgelegt worden sei. Der den Klägern erteilte Vorbescheid sei ferner in Bezug auf die Klärung der Turbulenzintensität indifferent, zumindest in sich so widersprüchlich, dass er keine hinreichend eindeutige Entscheidung enthalte, die gegenüber ihrer Anlage ins Feld geführt werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. Juli 2016 den Teilrücknahmebescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Teilrücknahmebescheid sei bereits formell rechtswidrig. Eine Anhörung vor Erlass des dem Widerspruch der Beigeladenen abhelfenden und die Kläger erstmalig beschwerenden Rücknahmebescheides sei unterblieben. Dieser Fehler sei auch nicht geheilt bzw. unbeachtlich. Die Voraussetzungen für die Teilrücknahme lägen auch materiell nicht vor. Der ursprüngliche Vorbescheidsantrag sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände dahin auszulegen, dass die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Turbulenzintensitäten von vornherein habe umfassend festgestellt werden sollen. Der Vorlage des Turbulenzgutachtens komme insoweit wesentliche Bedeutung zu, weil bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung der vorgesehene Standort in Anbetracht der nahegelegenen Windenergieanlagen unter Turbulenzgesichtspunkten kritisch gewesen sei. Den Vorbescheidsantrag nur auf die Vereinbarkeit mit der Flächennutzungsplanung zu beschränken, mache vor diesem Hintergrund keinen Sinn. Außerdem sei der Antrag nach seinem Wortlaut auf die Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit gerichtet gewesen, wozu auch Turbulenzen als schädliche Umwelteinwirkungen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB gehörten. Mit dem Schreiben der Kläger vom 9. Mai 2013 sei daher lediglich eine Klarstellung im Hinblick auf die Prüfung der Turbulenzintensitäten verbunden gewesen. Nach dem sog. Prioritätsprinzip, welches im Grundsatz auch bei der Bescheidung konkurrierender Genehmigungs- und Vorbescheidsanträge Anwendung finde, gebühre dem Vorhaben der Kläger der Vorrang. Im Hinblick auf die Prüffähigkeit des jeweiligen Antrags erscheine es sachgerecht, dem Zeitpunkt der Vollständigkeit des Vorbescheidsantrags den Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem der Genehmigungsantrag in Bezug auf die konkurrierenden Genehmigungsvoraussetzungen vollständig gewesen sei. Der Antrag der Beigeladenen sei erst am 14. September 2010 in Bezug auf die Frage der Turbulenzen vollständig gewesen, während der Antrag der Kläger mit der Vorlage des Turbulenzgutachtens, der Schallimmissionsprognose und der Umweltverträglichkeitsstudie bereits am 25. August 2010 habe geprüft werden können.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung haben der Beklagte und die Beigeladene jeweils am 30. August 2016 eingelegt.

Der Beklagte vertieft zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, es könne hinsichtlich des Teilrücknahmebescheides nicht von einer fehlenden Anhörung der Kläger ausgegangen werden. Die Frage der Zulässigkeit im Hinblick auf die Turbulenz sei nicht von Anfang an Gegenstand des Vorbescheidsantrags gewesen. Aus der Einreichung eines Turbulenzgutachtens könne nicht auf den Gegenstand der Frage- bzw. Antragstellung geschlossen werden, weil es bei einem Vorbescheid einer positiven Gesamtprognose bedürfe. Es ergebe ferner im historischen Kontext einen Sinn, die Vorbescheidsfrage hier allein im Sinne der Vereinbarkeit mit der (Flächennutzungs-)Planung zu verstehen, weil sich der Standort im Zeitpunkt der Antragstellung außerhalb der festgesetzten Konzentrationszonen befunden habe. Da der Vorbescheid im Übrigen keine näheren Ausführungen zur Konkurrenz im Hinblick auf die Anlage der Beigeladenen enthalte, habe dieser insoweit keine Bindungswirkung. Eine möglicherweise vorrangige Position der Kläger sei schließlich durch deren Erklärung vom 10. Mai 2013, mit der die Betriebszeiten zum Schutz des Rotmilans reduziert worden seien, entfallen. Auf jeden Fall sei ein etwaiger Vorrang entfallen, weil später ein Antrag auf Standortverschiebung gestellt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. Juli 2016 die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. Juli 2016 die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt sie ergänzend aus, die unterbliebene Anhörung sei jedenfalls deshalb irrelevant, weil der Teilrücknahmebescheid nicht hierauf beruhe; der Beklagte habe in Anbetracht ihrer Vorrangstellung keine andere Wahl besessen, als diesen zu erlassen. Die Reichweite des Vorbescheidsantrags sei streng nach dem Wortlaut der anwaltlich beratenen Kläger zu bestimmen. Vor dem Hintergrund der umstrittenen Rechtswidrigkeit des Flächennutzungsplans sei mit "planungsrechtlicher Zulässigkeit" nur die Feststellung gemeint, dass das Vorhaben nicht mit dem Flächennutzungsplan kollidiere. Die Klärung der "bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit" in einer Weite, wie es das Verwaltungsgericht annehme, komme hinsichtlich des Antragsumfangs, der beizubringenden Unterlagen und der zeitlichen Dauer einem Genehmigungsantrag gleich; dies sei allenfalls im Ausnahmefall von den Antragstellern bezweckt und daher besonders erklärungsbedürftig. Das Schreiben der Kläger vom 9. Mai 2013 erweise sich vor diesem Hintergrund nicht als Klarstellung, sondern als Erweiterung des Vorbescheidsantrags. Selbst wenn man den Antrag von vornherein im umfassenden Sinne verstünde, sei der Antrag der Kläger nicht früher als ihr Antrag vollständig gewesen, denn es hätten umfangreiche Artenschutzgutachten, ein landschaftspflegerischer Begleitplan und eine UVP-Studie vorgelegt werden müssen. Der Unvollständigkeit des Antrags der Kläger hinsichtlich artenschutzrechtlicher Anforderungen sei erst nachträglich mit einer Antragsbeschränkung begegnet worden, indem der Betrieb zur Hellphase vom 1. März bis 31. Juli ausgeklammert worden sei. Darüber hinaus sei dem Vorbescheidsantrag die erforderliche Typenstatik nicht rechtzeitig beigefügt gewesen. Gemessen daran könne das Handeln des Beklagten, ihrer Anlage den Vorrang einzuräumen, nicht als willkürlich gewertet werden.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats vom 18. September 2018 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 8 A 1884/16 sowie der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen haben keinen Erfolg. Die Klage gegen den Teilrücknahmebescheid des Beklagten 21. Januar 2014 ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Recht aufgehoben.

A. Die Klage gegen den Teilrücknahmebescheid ist zulässig. Insbesondere steht den Klägern ein Rechtsschutzinteresse an dessen Aufhebung zu. Der Teilrücknahmebescheid ist nicht dadurch gegenstandslos geworden, dass der Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2017 festgestellt hat, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 21. Januar 2014 für die WEA 40 nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erloschen sei.

Zur Gegenstandslosigkeit des Vorbescheids bei Erlöschen der Genehmigung vgl. Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Juni 2018, § 18 BImSchG, Rn. 12; Hansmann/ Ohm, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 1. April 2018, § 18 BImSchG, Rn. 11.

Ein Rechtsschutzinteresse besteht schon deswegen, weil der Bescheid des Beklagten vom 2. November 2017, der Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens - 11 K 10092/17 - vor dem Verwaltungsgericht Minden ist, weder unanfechtbar noch sofort vollziehbar ist. Die Genehmigung vom 21. Januar 2014 ist auch nicht erloschen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 8 A 1884/16, das den Beteiligten bekannt ist.

B. Die Klage ist begründet. Der Teilrücknahmebescheid des Beklagten vom 21. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Unabhängig von der Frage der formellen Rechtmäßigkeit liegen jedenfalls die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine Teilrücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW nicht vor.

I. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Einschränkungen der § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 VwVfG NRW für die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes gelten hier nach § 50 VwVfG NRW nicht. Der begünstigende Vorbescheid ist von der Beigeladenen angefochten und vom Beklagten während des Vorverfahrens teilweise aufgehoben worden.

II. Der Vorbescheid vom 17. Juli 2013 ist rechtmäßig. Die Feststellung des Vorbescheids, dass die Genehmigungsvoraussetzungen für den näher bezeichneten Standort der Windenergieanlage bezüglich der Turbulenzintensität vorliegen, ist zutreffend.

Der Antrag der Kläger auf Erteilung eines Vorbescheids erfasste auch Turbulenzintensitätsgesichtspunkte (dazu 1.). Der Vorbescheid stellt fest, dass die Windenergieanlage der Kläger im Hinblick auf Turbulenzen Vorrang vor der Anlage der Beigeladenen hat (dazu 2.). Diese Feststellung ist rechtmäßig (dazu 3.).

1. Der Vorbescheidsantrag der Kläger zielte u. a. auf die Feststellung, ob die geplante Windenergieanlage am Standort in Bezug auf Turbulenzen wegen der in der Nähe stehenden anderen Windenergieanlagen zulässig ist. Jedenfalls mit dem Schreiben vom 9. Mai 2013 haben die Kläger (auch) die Zulässigkeit des Vorhabens "unter Turbulenzintensitätsgesichtspunkten" ausdrücklich zur Prüfung gestellt.

2. Der Vorbescheid vom 17. Juli 2013 enthält entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen eine (konkludente) Feststellung zum Vorrang der Anlage der Kläger hinsichtlich der Frage der Turbulenzen. Dies ergibt sich aus der näheren Beschreibung zum Gegenstand des Vorbescheids ("Hinsichtlich der ... bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit nur in Bezug auf die Turbulenzintensität") sowie aus dem Tenor (unter I.), der u. a. die Feststellung enthält, dass die Genehmigungsvoraussetzungen bezüglich der Turbulenzintensität vorliegen. In der Begründung (IV., Seite 5) wird dementsprechend ausgeführt, dass "der Gesichtspunkt der Turbulenzen als Genehmigungsvoraussetzung mit dem Turbulenzgutachten vom 23. Februar 2010 erbracht" worden sei.

Die missverständlichen Formulierungen in den "Voraussetzungen und Vorbehalten" des Bescheides stehen der beschriebenen einschränkungslosen und ausdrücklichen Feststellung in Bezug auf die Turbulenzintensität nicht entgegen. Zwar heißt es in den Voraussetzungen und Vorbehalten (unter III. 3., Unterpunkt 6), mit dem Antrag auf Genehmigung seien die standortspezifischen Angaben und Nachweise zur Prüfung vorzulegen, z. B. ein Turbulenzgutachten; die bauordnungsrechtlichen Belange seien nicht Gegenstand dieser Prüfung gewesen und im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich aber erkennbar um ein Versehen. Die Hinweise sind wörtlich aus einer früheren Stellungnahme des Amtes für Bauen und Wohnen des Beklagten vom 17. Mai 2013 übernommen. Auf Nachfrage des Umweltamtes des Beklagten teilte das Amt für Bauen und Wohnen später in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juni 2013 mit, aus dem Turbulenzgutachten der F2E ergebe sich, dass die Standsicherheit benachbarter Anlagen nicht gefährdet sei; der Gesichtspunkt der Turbulenzen als Genehmigungsvoraussetzung sei damit abschließend berücksichtigt.

3. Der Vorbescheid hat das Vorhaben der Beigeladenen zu Recht nicht berücksichtigt und dem Vorhaben der Kläger den Vorrang eingeräumt.

Bei konkurrierenden, sich gegenseitig ausschließenden oder einschränkenden Vorhaben ist nach dem Prioritätsprinzip zu verfahren und für die zeitliche Reihenfolge auf den Zeitpunkt der Einreichung eines prüffähigen Genehmigungsantrages abzustellen (dazu a)). Dies gilt grundsätzlich auch für die Konkurrenz zwischen einem Vorhaben, für das ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid beantragt worden ist, und einem Vorhaben, das Gegenstand eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist (dazu b)). Die Kläger haben früher als die Beigeladene prüffähige Unterlagen vorgelegt (dazu c)).

a) Konkurrieren mehrere Vorhaben derart miteinander, dass nicht alle (uneingeschränkt) genehmigungsfähig sind, ist nach dem Prioritätsprinzip dem früheren Vorhaben der Vorzug zu geben.

aa) Angesichts des Fehlens genereller Regelungen im Immissionsschutzrecht zur Frage, welchem immissionsschutzrechtlichen Vorhaben bei mehreren konkurrierenden Anträgen der Vorrang zukommt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Auswahl oder Rangfolgebestimmung nach dem Prioritätsprinzip einen verlässlichen Maßstab für die Verteilungsentscheidung darstellt, der dem Willkürverbot und dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung trägt. Danach hat, vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände, grundsätzlich derjenige Rücksicht zu nehmen und Nachteile - wie hier durch Abschaltverpflichtungen und damit einhergehender geringerer Energieausbeute - zu tragen, der mit seinem Vorhaben an eine bereits bestehende oder genehmigte Anlage heranrückt bzw. auf eine hinreichend verfestigte Planung trifft.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 21 ff., vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, ZNER 2017, 448 = juris Rn. 6 ff., vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl. 2017, 1372 = juris Rn. 11 ff., grundlegend Urteile vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK -, DVBl. 2016, 1191 = juris, Rn. 459 ff., und vom 1. Dezember 2011 - 8 D 58/08.AK -, NWVBl. 2012, 181 = juris Rn. 622 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschlüsse vom 18. Juni 2018 - 8 B 10260/18 -, juris Rn. 19, und vom 3. August 2016 - 8 A 10377/16 -, juris Rn. 49 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13; Nds. OVG, Urteile vom 16. Februar 2017 - 12 LC 54/15 -, juris Rn. 100, und vom 23. August 2012 - 12 LB 170/11 -, juris Rn. 46; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis (im Folgenden: Gatz, Windenergieanlagen), 2. Aufl. 2013, Rn. 492 ff.; Sittig, Das Prioritätsprinzip im deutschen Verwaltungsrecht bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Windenergieanlagen (im Folgenden: Sittig, Prioritätsprinzip), 2013, S. 226 ff.

bb) Als zeitlichen Anknüpfungspunkt für den Vorrang nach dem Prioritätsprinzip ist grundsätzlich auf die Einreichung eines prüffähigen Genehmigungsantrages abzustellen.

Vgl. so bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 21 ff., vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, ZNER 2017, 448 = juris Rn. 6 ff., und vom 20. Juli 2017 - 8 B 396/17 -, DVBl. 2017, 1372 = jurisRn. 11 ff.; Nds. OVG, Urteile vom 16. Februar 2017 - 12 LC 54/15 -, juris Rn. 100, und vom 23. August 2012 - 12 LB 170/11 -, juris Rn. 46; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 21. März 2014 - 8 B 10139/14 -, juris Rn. 23; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13 (erster vollständig eingereichter Genehmigungsantrag); Sittig, Prioritätsprinzip, 2013, S. 294 ff. (299); Sittig-Behm, in: Maslaton, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2018, Rn. 194 ff. (210); Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 492 ff.

Prüffähige Unterlagen liegen dann vor, wenn die Unterlagen sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Nicht vollständig sind Unterlagen dann, wenn sie rechtlich relevante Fragen vollständig ausblenden. Die Unterlagen müssen allerdings nicht schon die Genehmigungsfähigkeit belegen. Es ist also nicht erforderlich, dass ein vorzulegendes Gutachten der Prüfung in jeder Hinsicht standhält und keine weiteren fachlichen Fragen aufwirft. Fachliche Einwände und ein fachliches Nachhaken stehen der Annahme der Vollständigkeit aber nicht entgegen, sofern die fragliche Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht.

Vgl. OVG S.-A., Urteil vom 8. Juni 2018 - 2 L 11/16 -, juris Rn. 317; OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, ZNER 2017, 448 = juris Rn. 16; Bay. VGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2017 - 22 ZB 17.1033 -, jurisRn. 14 f., und vom 16. September 2016 - 22 ZB16.304 -, juris Rn. 10.

Der Zeitpunkt der Prüffähigkeit ist für die Verteilungsentscheidung ein sachgerechtes Kriterium, weil sich der Gegenstand des Verfahrens dann in einer Weise konkretisiert hat, dass der Antrag Gegenstand einer fachlichen Prüfung sein kann; es lässt sich ab diesem Zeitpunkt absehen, ob die Verwirklichung des Vorhabens nicht von vornherein ausscheidet. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist als Kriterium zur Bestimmung des Vorrangs nicht geeignet, weil die bloße Antragstellung ("pro forma") nicht zur Abschätzung genügt, ob der Antrag jemals ein Stadium erreichen wird, das eine Realisierung hinreichend sicher erwarten lässt; denn es besteht in der Regel keine Pflicht, einen einmal gestellten Antrag zügig bzw. überhaupt weiterzuführen oder zu vervollständigen, um die Behörde damit erst in die Lage zu versetzen, den Antrag inhaltlich zu behandeln. Würde man auf spätere Zeitpunkte wie die Genehmigungsfähigkeit bzw. Entscheidungsreife oder die Erteilung der Zulassung abstellen, wäre der Vorrang von behördlichen Handlungen oder der Mitwirkung anderer Stellen abhängig, die der Vorhabenträger nicht beeinflussen kann. Demgegenüber hat es der Vorhabenträger bei der Prüffähigkeit der Unterlagen selbst in der Hand, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt er den - kostenintensiven - Aufwand zur Erstellung prüffähiger Unterlagen betreibt. Auf einer solchen Grundlage darf der Vorhabenträger berechtigterweise darauf vertrauen, dass dieser Aufwand (insbesondere durch Fachgutachten) als hinreichend verfestigte Planung anerkannt und nicht durch Planungen eines Konkurrenten nachträglich entwertet wird.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK -, juris Rn. 470 ff., und vom 1. Dezember 2011 - 8 D 58/08.AK -, juris Rn. 632 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 13. Mai 2014- 22 CS 14.851 -, juris Rn. 13 a. E.; Sittig-Behm, in: Maslaton, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2018, Rn. 196 ff.; Sittig, Prioritätsprinzip, 2013,S. 294 ff.

Für den Zeitpunkt der Prüffähigkeit als maßgeblichen Zeitpunkt spricht auch, dass nunmehr der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 UVPG in der seit dem 29. Juli 2017 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2808) einen vergleichbaren Ansatz gewählt hat. Diese Vorschrift regelt die UVP-Pflicht bei hinzutretenden Vorhaben, bei denen das frühere Vorhaben noch im Zulassungsverfahren ist, entsprechend der Reihenfolge der vollständig eingereichten Antragsunterlagen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung die bestehenden Rechtsunsicherheiten im UVP-Recht bei der Kumulation von Vorhaben beseitigen,

so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/11499, S. 82,

und den Vorhaben, für die bereits vollständige Antragsunterlagen eingereicht worden sind, denselben "Bestandsschutz" zubilligen wie bereits genehmigten Vorhaben.

Vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 85 (zu § 11 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 UVPG).

Es kann hier offenbleiben, ob im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine FFH-Verträglichkeitsprüfung grundsätzlich erst dann auf andere Projekte zu erstrecken ist, wenn deren Zulassungsentscheidung erteilt ist,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2017- 7 B 15.16 -, juris Rn. 1,

dieser spätere Zeitpunkt maßgeblich ist; denn dieser Ansatz würde hier zum selben Ergebnis führen (dazu unten unter c) cc)).

b) Ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid kann in der Regel ebenso rangsichernd wirken wie eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Vollständig eingereichte Antragsunterlagen für einen Vorbescheid begründen grundsätzlich in derselben Weise wie beim Genehmigungsantrag einen verfahrensrechtlich verfestigten Status.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2017 - 8 B 1373/16 -, ZNER 2017, 448 = jurisRn. 19; Thür. OVG, Beschluss vom 17. Juli 2012- 1 EO 35/12 -, ZNER 2012, 443 = juris Rn. 26 und 31; einschränkend wegen des im Allgemeinen nicht umfassenden Regelungsgehaltes eines Vorbescheides, wie die hier vertretene Auffassung nur im Falle eines "umfassenden Standortvorbescheids mit uneingeschränkt positivem vorläufigen Gesamturteil": OVG Rh.-Pf., Beschlüsse vom 21. März 2014- 8 B 10139/14 -, BauR 2014, 1133 = juris Rn. 25 und 27, und vom 18. Juni 2018 - 8 B 10260/18 -, juris Rn. 20 f., sowie Urteil vom 29. Januar 2015- 1 A 10676/14 -, BauR 2015, 1151 = jurisRn. 25 ff.

Die rangsichernde Wirkung des Vorbescheids findet ihre Grundlage in der Funktion gestufter Genehmigungsverfahren. Sowohl das Vorbescheids- als auch das Teilgenehmigungsverfahren dienen der Verfahrensbeschleunigung undkonzentration. Beide Instrumente sollen dem Vorhabenträger Planungs- und Investitionssicherheit verschaffen und sein Verfahrensrisiko mindern. Mit dieser Zielsetzung wäre es insbesondere bei komplexen Verwaltungsentscheidungen nicht vereinbar, wenn grundsätzlich erst dem jeweils letzten Verfahrensabschnitt eine rangsichernde Wirkung zukäme.

Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen spricht hiergegen nicht ein reduziertes Prüfprogramm im Vorbescheidverfahren. Das Prüfprogramm des Vorbescheidverfahrens weist vielmehr Parallelen zum Genehmigungsverfahren auf. Auch der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid hat die Einhaltung aller vorhabenbezogenen Genehmigungsvoraussetzungen in den Blick zu nehmen.

Hinsichtlich der zur abschließenden Prüfung und Entscheidung gestellten Genehmigungsvoraussetzungen gleicht die im Vorbescheidverfahren durchzuführende Prüfung derjenigen im Genehmigungsverfahren. Prüffähige Unterlagen für einen Vorbescheid nach § 9 BImSchG müssen denselben inhaltlichen Anforderungen genügen wie solche für eine Genehmigung. Auf der Grundlage der vom jeweiligen Antragsteller vorzulegenden Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen muss eine Prüfung möglich sein, ob die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG vorliegen (vgl. § 10 Abs. 9i. V. m. § 10 Abs. 1, 2, 3 und 5 BImSchG).

Für die Erteilung eines Vorbescheides nach § 9 Abs. 1 BImSchG ist ferner eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung erforderlich. Diese setzt voraus, dass die "Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können". Aufgrund einer vorläufigen Prüfung anhand der vollständigen und insoweit endgültigen Pläne muss feststehen, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort genehmigungsfähig ist. Die in diesem Zusammenhang geläufige Formulierung, dass dem Vorhaben "keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse" entgegenstehen dürften (vgl. § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG), darf nicht dahin missverstanden werden, dass das vorläufige positive Gesamturteil erst dann fehlt, wenn die Verwirklichung des Vorhabens bei kursorischer Prüfung mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Eine positive Gesamtbeurteilung setzt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit der Anlage voraus. Bei der abschließenden Genehmigung des Gesamtvorhabens dürfen sich nur noch solche Probleme stellen, die der Vorhabenträger durch Modifikationen des Vorhabens oder ggf. die Genehmigungsbehörde durch Beifügung von Nebenbestimmungen bewältigen kann und voraussichtlich bewältigen wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985- 7 C 65.82 -, NVwZ 1986, 208 = juris Rn. 13 (zur Teilgenehmigung im Atomrecht); OVG NRW, Urteile vom 1. März 2018 - 8 A 2478/15 -, juris Rn. 275 f., vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK -, DVBl. 2016, 1191 = juris Rn. 160 ff., vom 20. November 2012 - 8 A 252/10 -, NuR 2013, 146 = juris Rn. 39 ff., und vom 12. Juni 2012 - 8 D 38/08.AK -, NuR 2012, 722 = juris Rn. 109 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 21. April 2010 - 12 LB 44/09 -, BauR 2010, 1550 = juris Rn. 57; Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 8 Rn. 12, § 9 Rn. 11 m. w. N.; Peschau, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Juni 2018, § 9 BImSchG Rn. 15 ff.; Wasielewski, in: Führ, GK-BImSchG, 2016, § 9 Rn. 43; a. A. Dietlein, in Landmann/Rohmer, BImSchG, Stand: Mai 2015, § 9 Rn. 41 ff.

Diese umfassende "Vorprüfung" der Gesamtanlage dient neben dem Schutz der von den Auswirkungen potenziell betroffenen Dritten dem Investitionsschutz des Antragstellers; in seinem Interesse sollen die Risiken, die mit der abschnittsweisen Aufteilung eines einheitlichen Vorhabens verbunden sind, auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Dies soll verhindern, dass ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid über eine Teilfrage ergeht, obwohl sich die Anlage als Ganzes von vornherein als genehmigungsunfähig erweist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985- 7 C 65.82 -, NVwZ 1986, 208 = juris Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, juris Rn. 148.

Die mit einem Vorbescheidsantrag vorzulegenden Unterlagen müssen daher eine Prüfung der vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung im Sinne von § 9 Abs. 1 BImSchG ermöglichen. Dementsprechend sind nach § 23 Abs. 4 der 9. BImSchV i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV zusätzlich Angaben zu machen, die bei einer vorläufigen Prüfung ein ausreichendes Urteil darüber ermöglichen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb der gesamten Anlage vorliegen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 1359/05 -, DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 58; Peschau, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Juni 2018, § 9 BImSchG Rn. 22; Wasielewski, in: Führ, GK-BImSchG, 2016, § 9 Rn. 65.

c) Ausgehend von dem dargestellten Maßstab waren die Antragsunterlagen für die Windenergieanlage der Kläger früher prüffähig als die Unterlagen für die Anlage der Beigeladenen.

aa) Zu den rechtlich relevanten Fragen, die der Beklagte für die vom Vorbescheid erfassten Genehmigungsvoraussetzungen und für die vorläufige positive Gesamtbeurteilung der Anlage der Kläger sowie für die Genehmigungsfähigkeit der Anlage der Beigeladenen zu prüfen hatte und zu denen deshalb prüffähige Unterlagen vorzulegen waren, gehören aus den oben genannten Gründen die Turbulenzintensität sowie die Vereinbarkeit mit Belangen des Schallschutzes und des Artenschutzes.

Vgl. zum Erfordernis eines Artenschutzgutachtens Bay. VGH, Urteil vom 15. Juli 2016- 22 BV 15.2169 -, NuR 2017, 138 = juris Rn. 29, Beschlüsse vom 16. September 2016 - 22 ZB16.304 -, juris Rn. 10, und vom 31. Juli 2017- 22 ZB 17.1033 -, NuR 2017, 782 = juris Rn. 14 ff. (jeweils zu § 83 Abs. 1 BayBO, der ebenfalls auf die Vollständigkeit der Unterlagen abstellt); konkretisierend zur Prüfungsveranlassung einer Artenschutzprüfung siehe Nr. 2.1 sowie zu den erforderlichen Darlegungen des Vorhabenträgers Nr. 2.6.2.2 der Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien 92/43/EWG (FFH-RL) und 2009/147/EG (V-RL) zum Artenschutz bei Planungs- oder Zulassungsverfahren (VV-Artenschutz) vom 13. April 2010.

All diese Belange können grundsätzlich der Genehmigungsfähigkeit oder der vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung der in Rede stehenden Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 bzw. 5 BauGB entgegenstehen.

Vgl. zu artenschutzrechtlichen Verboten OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 - 8 A 2357/08 -, juris Rn. 101 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LC 72/07 -, juris Rn. 87.

Artenschutzrechtliche Unterlagen waren nicht deswegen entbehrlich, weil bei früheren Genehmigungen für die umliegenden Windenergieanlagen wohl bereits artenschutzrechtliche Belange geprüft worden sind und die Auswirkungen der Windenergieanlagen der Kläger und der Beigeladenen insoweit möglicherweise vergleichbar sind. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte auf der Grundlage solcher etwaiger anderer Unterlagen die artenschutzrechtlichen Auswirkungen auch für die jeweils beantragten Standorte der beiden hier konkurrierenden Anlagen hätte hinreichend sicher beurteilen können. Im Übrigen ist es durchaus denkbar, dass auch Entfernungen von wenigen hundert Metern hinsichtlich artenschutzrechtlicher Auswirkungen zu abweichenden Einschätzungen führen können.

bb) Zu Turbulenzen und Schallimmissionen haben die Kläger und die Beigeladene jeweils bereits 2010 entsprechende Gutachten eingereicht (dazu unter (1)). Die prüffähigen Unterlagen für den Artenschutz haben die Kläger unter dem 15. März 2013 früher vorgelegt als die Beigeladene am 12. Juni 2013 (dazu unter (2)).

(1) Die Gutachten zu Turbulenzen und Schallimmissionen für die Anlage der Kläger gingen (spätestens) am 25. August 2010 beim Beklagten ein. Die Beigeladene legte am 29. Juni 2010 ein Schallgutachten und am 14. September 2010 eine gutachtliche Stellungnahme zur Turbulenzbelastung vor.

Die - hier erst mit dem Genehmigungsantrag vom 1. August 2013 für die klägerische Windenergieanlage vorgelegte - Typenprüfung für die Standsicherheit war nicht für die Prüffähigkeit der Unterlagen erforderlich.

Vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 - W 4 K 15.530 -, juris Rn. 70 f.

Das seit dem 25. August 2010 vorliegende Turbulenzgutachten für die Anlage der Kläger nimmt auf Typenprüfungen Bezug (S. 4, 13). Bei einer solchen Typenprüfung (vgl. hierzu auch § 29 BauPrüfVO NRW) stellt eine Prüfstelle fest, ob die Windenergieanlage den einschlägigen baustatischen Normen und Richtlinien genügt. Die Typenprüfung gilt dann für alle Anlagen des gleichen Typs - § 8 Abs. 2 BauPrüfVO NRW spricht insoweit von einer "bewährten Ausführung" -, so dass von deren Vorlage im Einvernehmen mit der Bauaufsichtsbehörde abgesehen werden kann.

Dementsprechend heißt es in der ergänzenden Stellungnahme des Amtes für Bauen und Wohnen des Beklagten vom 24. Juni 2013 u. a., bezogen auf den beantragten Anlagentyp mit zugehöriger Typenstatik bedürfe es keiner weiteren Nachweise als das Turbulenzgutachten von Februar 2010.

(2) Zum Artenschutz legten die Kläger mit dem landschaftspflegerischen Begleitplan und der Artenschutzprognose unter dem 15. März 2013 prüffähige Unterlagen vor (dazu (c)), während das (prüffähige) Artenschutzgutachten zur Genehmigung für die Anlage der Beigeladenen erst am 12. Juni 2013 einging. Die von der Beigeladenen bereits mit dem Genehmigungsantrag am 29. Juni 2010 vorgelegten Unterlagen (Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht sowie Landespflegerischer Begleitplan) waren nicht prüffähig (dazu (b)).

(a) Wie oben ausgeführt, liegen prüffähige Unterlagen vor, wenn sie sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Ein Gutachten darf dabei fachliche Einwände aufwerfen und ein fachliches Nachhaken erfordern, solange es eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht.

Die Anforderungen an den Inhalt prüffähiger Unterlagen in Bezug auf artenschutzrechtliche Belange (§§ 39 ff. BNatSchG, insbesondere § 44 Abs. 1 BNatSchG) bestimmen sich gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 der 9. BImSchV nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.

Der individuenbezogene Ansatz der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote verlangt grundsätzlich Ermittlungen, deren Ergebnisse die Behörde in die Lage versetzen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotstatbestände zu überprüfen. Sie müssen Auskunft über das Vorkommen, die Häufigkeit und Verteilung geschützter Arten und ihrer Lebensstätten am Vorhabenstandort geben.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13. März 2008 - 9 VR 10.07 -, juris Rn. 33.

Mit allgemeinen Rückschlüssen von der vorhandenen Vegetationsstruktur auf das Vorkommen von Arten kann es sein Bewenden jedenfalls dann nicht haben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im betroffenen Raum besonders seltene Arten vorkommen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2008 - 4 BN 21.08 -, BauR 2009, 231 = juris Rn. 3 m. w. N.

Prüffähige Unterlagen müssen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV ferner dazu Angaben enthalten, welche Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung oder zum Ausgleich erheblicher Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sowie welche Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen in diese Schutzgüter erforderlich sind.

(b) Hiervon ausgehend waren die von der Beigeladenen mit dem Genehmigungsantrag am 29. Juni 2010 vorgelegten Unterlagen (Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht sowie Landespflegerischer Begleitplan) nicht prüffähig. Sie ermöglichten keine einzelfallbezogene Prüfung, ob sich das Vorhaben auf die im Umfeld der Anlage lebenden Vogel- und Fledermausarten in einer Art und Weise auswirkt, dass Belange des Naturschutzes diesem Vorhaben (nicht) entgegenstehen. Die Unterlagen beschränkten sich weitgehend auf allgemeine Ausführungen zum Verhältnis von Vögeln und Windkraftanlagen ohne konkreten Einzelfallbezug.

Den von der Beigeladenen mit dem Genehmigungsantrag am 29. Juni 2010 vorgelegten Unterlagen (Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht sowie Landespflegerischer Begleitplan) lässt sich nicht konkret entnehmen, in welchem Umfang Rotmilane und Fledermäuse am Standort der Windenergieanlage vorhanden sind. Die Datengrundlagen, auf denen die Unterlagen basieren, sind ersichtlich unzureichend:

Aus der dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen beigefügten Untersuchung "Standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen der Feststellung der UVP-Pflicht" vom 22. Mai 2010 ergibt sich, dass die Prüfung vornehmlich nach dem Kriterienkatalog der Nr. 2.3 der Anlage 2 zu § 3c UVPG a. F. - Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete und von Art und Umfang des ihnen jeweils zugewiesenen Schutzes (Schutzkriterien) - und nur in reduziertem Umfang nach den anderen Punkten der Anlage 2 zum UVPG a. F. vorgenommen wurde (S. 4). Schon der gewählte Maßstab deutet demnach darauf hin, dass eine genauere Konfliktbewältigung und Maßnahmenplanung nicht Gegenstand der Prüfung ist, sondern später vertiefend in projektbezogenen Untersuchungen erfolgen soll.

In der standortbezogenen Vorprüfung wurde der Rotmilan anhand des Messtischblattes 4418 (zutreffend) als im Bereich der Anlage "sicher brütend" eingestuft (S. 22). Messtischblätter liefern jedoch schon wegen ihrer Größe von jeweils etwa 100 km² nur einen groben Überblick. Außerdem beruhen die für ein Messtischblatt vorhandenen Daten planungsrelevanter Arten vorwiegend auf dem Fundortkataster und ergänzenden Rasterkartierungen aus publizierten Daten. Dem Fundortkataster liegen keine vollständigen und flächendeckenden Erhebungen zugrunde.

Vgl.http://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/blatt.

Dass es deswegen noch näherer naturschutzfachlicher Untersuchungen zu den planungsrelevanten Arten bedurfte, ergibt sich bereits aus der zitierten Untersuchung selbst, wonach konkrete Anhaltspunkte zum Verlust von Vögeln für den konkreten Standort nicht existent und ausführliche Bestandserhebungen nicht vorhanden seien; es gebe allein eine vorläufige, telefonische Mitteilung des Ergebnisses der Kartierung zum Rotmilan für das Jahr 2010 (S. 22 ff.). Auch die Betroffenheit der am konkreten Standort vorhandenen Fledermausarten wurde in den mit dem Genehmigungsantrag vorgelegten Unterlagen zur standortbezogenen Vorprüfung anhand des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs und mit fehlender Untersuchungstiefe betrachtet (S. 26 f.). Die Gutachter nehmen lediglich Bezug auf das Messtischblatt 4418 sowie die Quartierpotentiale des nahe gelegenen Waldstücks "X1. " und der umliegenden Dörfer. Allein die allgemeine Annahme, dass aufgrund der massiven Vorbelastungen durch die bereits vorhandenen Windenergieanlagen im Gesamtraum nicht auf eine signifikante Erhöhung der Mortalitätsrate der Fledermäuse geschlossen werden könne (S. 27), genügt ohne nähere Erfassung nicht, um einen Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote zu verneinen.

Die vorgeschlagenen, artenspezifischen Kompensationsmaßnahmen im beigefügten landespflegerischen Begleitplan (S. 15 ff.) beruhen ebenfalls auf der derselben unzureichenden Datengrundlage der genannten Untersuchung.

(c) Demgegenüber wird die von den Klägern am 15. März 2013 eingereichte Artenschutzprognose nebst dem Landschaftspflegerischen Begleitplan den genannten Anforderungen an eine artenschutzrechtliche Prüfung gerecht. Diese wurden jeweils erstellt unter Berufung auf verschiedene Fachbeiträge bzw. Bestandserfassungen in den Jahren 2010 bis Anfang 2013, die den Bereich der geplanten Windenergieanlage (mit-)erfassen (siehe u. a. die Ergebnisberichte zur Erfassung des Rotmilanbestandes im Kreis Q. der Biologischen Station Q. 2010 und 2012, Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag zur Flächennutzungsplanung der Stadt C. X. von M2. aus September 2012, Untersuchungen von T. an Windenergieanlagen-Standorten in C. X. 2010 und 2012 sowie vorläufige Ergebnisse aus vier Begehungen im Spätsommer/Herbst 2012 der in Auftrag gegebenen Raumnutzungsanalyse des Gutachters M1. ). Auf Grundlage dieser Daten war eine (vorläufige) Beurteilung des Konfliktpotentials in Bezug auf die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen und im landschaftspflegerischen Begleitplan konkretisierten Vermeidungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen möglich (S. 21 ff., insbesondere S. 27, 28). Das Vorgehen ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil es auf frühere Untersuchungen vergleichend zurückgreift. Denn auf der Grundlage der herangezogenen Erfassungen erfolgt eine konkrete Beurteilung hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG am geplanten Standort. Die zunächst von dem Beklagten - untere Naturschutzbehörde - im Verfahren geforderte Kartierung im Sinne einer Raumnutzungsanalyse für den Rotmilan ist als fachlicher Einwand bzw. fachliches Nachhaken anzusehen und steht der Vollständigkeit nicht entgegen, wenn - wie hier - die fragliche Unterlage eine fachliche Prüfung ermöglicht; fachliche Fragen der Behörde schließen die Prüffähigkeit gerade nicht aus, sondern zeigen vielmehr, dass eine inhaltliche Prüfung erfolgte.

Der Prüffähigkeit der Unterlagen der Kläger im Hinblick auf den Artenschutz und der daraus folgenden Vorrangstellung des Antrags steht auch nicht entgegen, dass nachträglich zum Schutze der Rotmilanpopulation mit Schreiben vom 10. Mai 2013 der Anlagenbetrieb in der Hellphase vom 1. März bis 31. Juli des Jahres aus dem Antrag ausgeklammert wurde. Diese zeitliche Beschränkung erfolgte zwar im Hinblick auf die im Rahmen des Vorbescheidverfahrens zuvor geäußerten artenschutzrechtlichen Bedenken in Bezug auf den Rotmilan. Der Ablauf zeigt allerdings, dass es nicht an der Prüffähigkeit des klägerischen Antrages fehlte, sondern dass nach Ansicht der Behörde zuvor (allein) die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Genehmigungsfähigkeit im Sinne der positiven Gesamtbeurteilung nicht gegeben war. Die Modifikation des Vorhabens diente also dazu, die Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Eine solche nachträgliche Beschränkung ermöglicht auch entgegen der Auffassung der Beigeladenen keine "Umgehung" der Anforderungen an die Prüffähigkeit, weil die Anforderungen im Rahmen der vorläufigen Gesamtbeurteilung unverändert bleiben.

cc) Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn man auf den Zeitpunkt der Erteilung der jeweils beantragten Bescheide abstellen würde. Auch dann wäre die Anlage der Kläger vorrangig. Den Klägern wurde der Vorbescheid vom 17. Juli 2013 früher erteilt als der Beigeladenen die Genehmigung vom 21. Januar 2014.

d) Der prüffähige Vorbescheidsantrag der Kläger hat seinen Vorrang nicht nachträglich durch Änderungen des Vorhabens verloren.

Insoweit kann offenbleiben, ob und inwieweit der Vorrang zugunsten eines Vorhabens entfällt, wenn dieses später wesentlich geändert wird. Mit Blick auf die Chancengleichheit und die Vermeidung von Umgehungen des Prioritätsgrundsatzes wird zum Teil vertreten, dass eine neue Reihung der konkurrierenden Vorhabenträger in Betracht kommt, wenn auf Veranlassung des ursprünglich vorrangigen Vorhabenträgers die Genehmigungsfrage durch die zu prüfenden Änderungsunterlagen neu aufgeworfen wird. Für die Frage, wann eine wesentliche, die ursprüngliche Vorrangstellung vernichtende Anlagenänderung vorliegt, wird auf die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG abgestellt.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 3. August 2016- 8 A 10377/16 -, BauR 2016, 2064 = jurisRn. 51 ff.; Thür. OVG, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 -, ZNER 2011, 649 = juris, Rn. 42, 45; Gatz, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2013, Rn. 495; Sittig, Prioritätsprinzip, 2013, S. 305 ff.

Nach dieser Vorschrift liegt eine wesentliche Änderung vor, wenn durch die Änderung (der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs) der Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können.

Auch wenn man dieser Auffassung folgen würde, wäre die Vorrangstellung der Anlage der Kläger nicht entfallen.

aa) Soweit der Beklagte und die Beigeladene sich auf die nachträgliche, bereits näher dargestellte Antragsbeschränkung zum Schutze der Rotmilanpopulation berufen, liegt keine wesentliche Änderung vor, die die Prüffähigkeit des ursprünglichen Antrags der Kläger neu aufwirft. Nicht erfasst von § 16 BImSchG werden Auswirkungen, die im Hinblick auf die Vorgaben des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht negativ zu bewerten, sondern positiv oder neutral sind.

Vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 16 Rn. 11 m. w. N.

So liegt der Fall hier. Die zeitliche Beschränkung des Anlagenbetriebs im Sinne einer Abschaltung reduziert die artenschutzrechtliche Belastung für den Rotmilan; auch in anderen Bereichen ist nach dem Maßstab der praktischen Vernunft ausgeschlossen,

vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2016 - 8 B 1395/15 -, juris Rn. 39,

dass die zeitweise Abschaltung der Anlage nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.

bb) Die nach § 15 BImSchG angezeigte Standortverschiebung um 6 m in nördliche Richtung lässt den Vorrang der Anlage der Kläger ebenfalls nicht entfallen. Es kann dahinstehen, ob die Bescheidung des Antrags nach § 15 BImSchG durch die Behörde zutreffend oder die Genehmigungsfrage durch die (geringfügige) Standortverschiebung nicht neu aufgeworfen wurde; dasselbe gilt für die Frage, ob die Kläger ihren Antrag auf Standortverschiebung unbedingt oder - wie im Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 25. April 2014 ausgeführt - nur für den Fall gestellt haben, dass auf die Windenergieanlage der Beigeladenen tatsächlich Rücksicht zu nehmen sein sollte. Die Standortverschiebung ist jedenfalls nach Erteilung des Vorbescheids unter dem 17. Juli 2013 und auch nach Genehmigungserteilung am 21. Januar 2014 erfolgt und kann deshalb keinen Einfluss auf die Prüffähigkeit der Anträge mehr entfalten. Allein aus der Anzeige einer nachträglichen und - wie hier - geringen Standortverschiebung ergibt sich nicht die konkludente Erklärung, auf die schon erteilte Genehmigung für den bisherigen Standort verzichten zu wollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Lukas Jozefaciuk