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OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.05.2016 - 7 A 615/14

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen mehrere der Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen zum Betrieb der sogenannten L1. als Versammlungsstätte und zur Änderung der Betriebszeiten von Festräumen.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks E. Straße 241 in L. . In der Umgebung befindet sich überwiegend Wohnbebauung. In der E. Straße 246 ist eine Vollerwerbsschlosserei ansässig und auf dem Grundstück I.---straße 116 wird ein Motorradersatzteilvertrieb mit einem Lager betrieben. Im weiteren Verlauf der E. Straße befinden sich verschiedene Geschäfte, Restaurants und Banken. In östlicher Richtung betreibt die Beigeladene auf dem ca. 70 m vom klägerischen Grundstück entfernten und durch eine Wiese und zwei Straßen (jeweils L2.---------straße ) getrennten Grundstück E. Straße 231 in L. die sogenannte L1. . Bei der L1. handelt es sich um ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen im Stil eines Vierkanthofes. Dieser liegt südlich von der E. Straße und ist im Übrigen von Freiflächen (Wiesen) umgeben. Für die Grundstücke existiert kein Bebauungsplan.

Der Hof wurde sukzessive durch Erteilung verschiedener Baugenehmigungen umgenutzt. Mit Baugenehmigung vom 8.2.2012 (Az. 1043 / 11) genehmigte die Beklagte die Betriebszeit für die Nutzung des Festraums im Ostflügel - Remise - von 0:00 - 24:00 Uhr. In der Auflage Nr. 2 dieser Baugenehmigung wird die schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros für Schallschutz Diplom-Ingenieur S. vom 30.11.2011 zum Gegenstand der Genehmigung gemacht und vorgegeben, dass bei der Ausführung und dem Betrieb des Festraumes Ostflügel die dortigen Vorgaben zu beachten und einzuhalten sind. Die Auflage Nr. 3 lautet: "In dem Festraum Ostflügel muss an der elektronischen Übertragungseinrichtung (Musikanlage) ein Begrenzer eingebaut werden, welcher keinen höheren Rauminnenpegel als Li = 95 dB(A) zulässt. Der Begrenzer ist so einzubauen, dass kein Unbefugter die Einstellungen verändern kann. Sollte es durch Veränderungen der Einstellungen am Begrenzer zu Lärmbeschwerden kommen, behalte ich mir vor, die Verplombung des Begrenzers zu verlangen." Mit Baugenehmigung vom 9.2.2012 (Az. 1042 / 11) änderte die Beklagte die Betriebszeit der Festräume im Erdgeschoss des West- und Nordflügels ebenfalls auf die Zeit von 0:00 - 24:00 Uhr. In der Auflage Nr. 2 wird die schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros für Schallschutz Diplom-Ingenieur S. vom 30.11.2011 zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht und vorgegeben, dass bei der Ausführung und dem Betrieb des Festraumes Ostflügel die dortigen Vorgaben zu beachten und einzuhalten sind. Die Auflage Nr. 3 lautet: "In dem Festraum Westflügel muss an der elektronischen Übertragungseinrichtung (Musikanlage) ein Begrenzer eingebaut werden, welcher keinen höheren Rauminnenpegel als Li = 105 dB(A) zulässt. Der Begrenzer ist so einzubauen, dass kein Unbefugter die Einstellungen verändern kann. Sollte es durch Veränderungen der Einstellungen am Begrenzer zu Lärmbeschwerden kommen, behalte ich mir vor, die Verplombung des Begrenzers zu verlangen." Mit Baugenehmigung vom 8.10.2012 (697 / 11) genehmigte die Beklagte die Nutzung der kompletten L1. , insbesondere des Festraums im Südflügel, als Versammlungsstätte. Die Bedingung Nr. 2 regelt, dass sich gleichzeitig auf der gesamten Anlage der L1. maximal 400 Personen aufhalten dürfen. Mit der Auflage Nr. 20 wird die Schalltechnische Untersuchung vom 30.11.2011 zum Bestandteil dieser Baugenehmigung gemacht und vorgeschrieben, dass diese bei dem Betrieb des Festraumes Südflügel und der gesamten L1. genau zu beachten und einzuhalten ist. In der Auflage Nr. 22 heißt es u.a.: "In dem Veranstaltungsraum Südflügel muss an der elektronischen Übertragungseinrichtung (Musikanlage) ein Begrenzer eingebaut werden, welcher gemäß Schallschutzuntersuchung vom 30.11.2011 keinen höheren Rauminnenpegel als Li = 100 dB(A) zulässt. Der Begrenzer ist so einzubauen, dass kein Unbefugter die Einstellungen verändern kann. Diese Einstellungen an dem Begrenzer sind von einem staatlich anerkannten Sachverständigen für Schallschutz vorzunehmen und zu verplomben." Die Auflage Nr. 25 lautete ursprünglich: "Die Geräuschemission des Lautsprechers im Innenhof muss gemäß Schallschutzuntersuchung vom 30.11.2011 derart begrenzt werden, dass durch die Musikanlage im Innenhof kein Schallpegel hervorgerufen wird, welcher höher ist als L = 70 dB(A). Diese Einstellung ist von einem staatlich anerkannten Sachverständigen für Schallschutz vorzunehmen und zu verplomben. Ein Protokoll über diese Maßnahme ist mir bei Fertigstellung vorzulegen."

Am 16.11.2012 haben die Kläger gegen die Baugenehmigung vom 8.10.2012 (Az. 697 / 11) Klage erhoben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage richte sich gegen die nahezu uneingeschränkte Nutzung der L1. als Veranstaltungs- und Versammlungsstätte. Die Baugenehmigung verstoße gegen nachbarschützende Vorschriften. Das Gebiet um die L1. gelte planungsrechtlich in Richtung C. wegen des dort noch befindlichen landwirtschaftlichen Hofes als Mischgebiet. Die "I.---straße " sowie die "E. Straße" in Richtung C1. und "In der B. " seien als allgemeines Wohngebiet zu werten. Die Straße "An der N. " sei ein reines Wohngebiet. In den vorgenannten Gebieten sei eine ausschließlich als Veranstaltungsstätte dienende Einrichtung nicht genehmigungsfähig. Die Begrenzung der maximalen Personenzahl auf 400 Personen in der Baugenehmigung sei zu hoch bemessen. Zudem sei sie zu unbestimmt. Die genehmigten 67 Stellplätze seien bei dieser Personenzahl nicht ausreichend. Die Folge davon sei, dass es bei Veranstaltungen regelmäßig zu erheblichen Verkehrsbelästigungen und Falschparkerei komme. Die in Bezug genommene schalltechnische Untersuchung vom 30.11.2011 stelle kein unabhängiges und von der Beklagten in Auftrag gegebenes Schallschutzgutachten dar. Die durch die TA Lärm vorgegebenen Richtwerte würden bei Veranstaltungen auf der L1. nicht eingehalten. Die angefochtene Baugenehmigung berücksichtige nicht, dass die vorhandenen elektroakustischen Übertragungseinrichtungen in der Regel nur von DJs, nicht aber von Musikbands genutzt würden. Diese hätten ihre eigene Anlage, die sie auch selbst steuerten und die nicht durch Begrenzer geregelt seien. Auch sei die Annahme, dass Türen und Fenster geschlossen blieben, unrealistisch. Es fehle an einem neutralen Schallschutzgutachten. Die Baugenehmigungen vom 8.2.2012 und 9.2.2012 seien aufgrund der vorstehenden Ausführungen ebenfalls rechtswidrig. Ihnen stehe ein Gebietserhaltungsanspruch zu. Das streitbefangene Grundstück der Beigeladenen liege nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich. Ihr Grundstück grenze unmittelbar an das der L1. . Dabei sei unerheblich, dass zwischen dem Vorhabengrundstück und ihrem Haus ca. 70 m unbebaute Grundstücksfläche liege. Diese Freifläche stelle keine Zäsur dar. Vielmehr sei auf die Strukturen der beiden zusammenhängenden Ortsteile L. -C. und L. -C1. zu verweisen. Die beiden Grundstücke lägen somit in einem faktischen Baugebiet. Der Betrieb stelle jedenfalls einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dar. Die zulässigen Lärmwerte würden durch die genehmigte Nutzung überschritten. Soweit die Beklagte auf die erhebliche Geräusch- und Lärmentwicklung der Schlosserei in der E. Straße 246 und des an der I.---straße liegenden Motorradersatzteilevertriebs verweise, gehe dies fehl. Deren Arbeitszeiten lägen zwischen 8:00 Uhr und 17/18:00 Uhr. In der Nacht herrsche Nachtruhe. Dies gelte auch für die übrigen entlang der E. Straße gelegenen Geschäfte, Restaurants und Banken. Es habe keine Messung des Schallgutachters zur Nachtzeit gegeben. Die Musik anlässlich der Veranstaltungen und insbesondere die Bassgeräusche seien bei ihnen nachts ständig in einer nicht hinzunehmenden und nicht zu akzeptierenden Lautstärke zu hören. Da in der gesamten Umgebung keine nächtlichen Veranstaltungen stattfänden oder Arbeiten durchgeführt würden, müsse der TA Lärmwert für ein Wohngebiet angewandt werden.

Nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung die Baugenehmigungen vom 8.2.2012 und 9.2.2012 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben, haben sie beantragt,

die Baugenehmigungen vom 8.2.2012, 9.2.2012 und vom 8.10.2012 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei rechtmäßig. Den Klägern stehe kein Gebietserhaltungsanspruch zu. Die Grundstücke gehörten auch nicht zu einem gemeinsamen faktischen Baugebiet. Das streitbefangene Grundstück der Beigeladenen befinde sich im Außenbereich. Dagegen sei das Grundstück der Kläger durch einen im Zusammenhang bebauten Bereich geprägt. Dieser Bereich werde zum Wohnen und für gewerbliche Zwecke genutzt. Es seien auch keine schutzwürdigen Belange der Kläger unzumutbar beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Insbesondere würden die zulässigen Lärmwerte durch die genehmigte Nutzung nicht überschritten. Es handele sich hier um keine Freiluftgaststätte. Deshalb sei für die Beurteilung des entstehenden Lärms die TA Lärm zugrundezulegen. Aufgrund der in der Nachbarschaft des klägerischen Grundstücks vorhandenen Gewerbe- und Handwerksbetriebe sei die Umgebung als faktisches Mischgebiet zu qualifizieren. Die nach der TA Lärm für ein Mischgebiet maßgeblichen Lärmwerte würden ausweislich des Schallgutachtens vom 30.11.2011 eingehalten. Das Gutachten beinhalte nicht nur eine reine Berechnung der Lärmwerte, sondern fuße auf einer am 1.4.2011 vorgenommenen schalltechnischen Geräuschmessung. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Auflagen seien in den angefochtenen Baugenehmigungen enthalten. Die Kläger könnten sich auch nicht auf eine zu geringe Anzahl von Stellplätzen berufen. Die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW diene nicht dem Nachbarschutz. Eine für die Kläger unzumutbare Erhöhung der Verkehrsdichte durch das streitige Vorhaben sei nicht zu erkennen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.

Mit Urteil vom 15.1.2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage statt gegeben und die angefochtenen Baugenehmigungen aufgehoben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Die Klage sei zulässig und begründet. Die angefochtenen Baugenehmigungen seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Dabei komme es nicht auf die objektive Rechtmäßigkeit der Baugenehmigungen an. Die Baugenehmigung vom 8.10.2012 sei in nachbarrechtsrelevantem Umfang rechtswidrig. Dies folge jedoch nicht schon aus dem Gebietserhaltungsanspruch. Da das klägerische Grundstück in einem unbeplanten Innenbereich im Sinne von § 34 BauGB, das Vorhabengrundstück jedoch im Außenbereich nach § 35 BauGB liege, befänden sie sich nicht in demselben Baugebiet. Der Bebauungszusammenhang des Ortsteils C. ende an der südlichen Seite der E. Straße Richtung Nord-Osten mit dem Grundstück der Kläger und den Wohngrundstücken, die an der von der E. Straße nach Süd-Osten rechtwinklig abzweigenden Sackgasse lägen. Die Baugenehmigung vom 8.10.2012 sei auch nicht in nachbarrechtsrelevanten Punkten zum Nachteil der Kläger inhaltlich unbestimmt. Maßgeblich für die zulässige Anzahl der Nutzer der L1. sei allein die als Bedingung bezeichnete Nebenbestimmung Nr. 2 der Baugenehmigung vom 8.10.2012. Die Baugenehmigungen enthielten auch die eindeutige Regelung, dass alle Bereiche der L1. gleichzeitig und täglich 24 Stunden genutzt werden dürfen. Die Kläger könnten auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Vorhaben nicht die erforderliche Anzahl notwendiger Stellplätze im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW aufweise. Diese Regelung diene nicht dem Nachbarschutz, sondern dem öffentlichen Interesse. Die Baugenehmigung vom 8.10.2012 verletze die Kläger aber deshalb in eigenen Rechten, weil sie gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoße. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger durch vom Vorhabengrundstück ausgehende Immissionen könne nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil spreche sogar alles dafür, dass die mit der Ausnutzung der angefochtenen Baugenehmigung verbundenen Lärmimmissionen unzulässig seien. Ausgangspunkt für die planungsrechtliche Prüfung sei grundsätzlich das gesamte Vorhaben in seiner geänderten Gestalt. Es könne offen bleiben, ob es sich um eine sogenannte gemischte Gaststätte mit Innen- und Außenbetrieb handele und die TA Lärm deshalb als alleinige Grundlage zur Beurteilung der Lärmimmissionen ungeeignet sei. Unabhängig von dieser Frage sei jedenfalls mit der angefochtenen Baugenehmigung nicht sichergestellt, dass bei dem genehmigten Betrieb der L1. am Grundstück der Kläger die Richtwerte nach der TA Lärm eingehalten werden. Dabei sei zu Gunsten der Beigeladenen zu unterstellen, dass den Klägern nur ein Schutzanspruch für ein faktisches Mischgebiet zustehe. Die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachte Lärmimmissionsprognose vom 30.11.2011 lege nicht hinreichend dar, dass die Immissionsrichtwerte bei bestimmungsgemäßer Nutzung eingehalten werden. Diese sei aus mehreren Gründen unbrauchbar. Auch die Baugenehmigung selbst vermöge nicht sicherzustellen, dass die Immissionsrichtwerte am Gebäude der Kläger der Nachtzeit sicher eingehalten werden. Dies gelte sogar dann, wenn die Zweifel an der Verwertbarkeit der Lärmimmissionsprognose und/oder des Messeberichts nicht bestünden. Stehe danach fest, dass die Genehmigung der L1. insgesamt als Versammlungsstätte die Kläger in ihren Rechten verletze, verletzten auch die Nachtragsbaugenehmigungen vom 8.2.2012 und vom 9.2.2012 die Kläger in ihren Rechten.

Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Die angefochtenen Baugenehmigungen verstießen nicht gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Insbesondere werde der in der TA Lärm für die lauteste Stunde in der Nacht festgesetzte Immissionsrichtwert von 45 dB(A) am Haus der Kläger nicht überschritten, sondern sicher unterschritten. Würden - wie hier - nach Verwirklichung des Vorhabens die Immissionsrichtwerte der TA Lärm sicher eingehalten, könne die Zulassungsentscheidung nicht deshalb aufgehoben werden, weil die Immissionsprognose fehlerhaft gewesen sei. Deshalb komme es nicht darauf an, ob das Schallgutachten vom 30.11.2011 an methodischen oder sonstigen Fehlern leide. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob von dem Vorhaben, wie es von der Beklagten genehmigt worden sei, Lärmbeeinträchtigungen ausgingen, die gegenüber den Klägern das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzten. Zum Nachweis dafür, dass am Wohnhaus der Kläger der für die lauteste Nachtstunde geltende Immissionsrichtwert nicht überschritten werde, werde die schalltechnische Untersuchung des Diplom-Ingenieurs S. vom 27.2.2014 mit einem Zusatz vom 27.3.2014 vorgelegt. Die in der Baugenehmigung vom 8.10.2012 enthaltenen Nebenbestimmungen gewährleisteten, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm am Wohnhaus der Kläger eingehalten würden. Die schalltechnische Untersuchung vom 30.11.2011 sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht unbrauchbar. Wenn der Gutachter bei der Prognose der Schallimmissionen von bestimmten tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen und die Prognose Bestandteil der Baugenehmigung geworden sei, sei damit auch verbindlich entschieden, dass die genehmigte Nutzung nur so, wie vom Gutachter vorausgesetzt, ausgeübt werden dürfe. Die Ortsbesichtigung habe ergeben, dass der für ein Mischgebiet geltende Immissionsrichtwert bei Veranstaltungen in der L1. am Hause der Kläger zur Nachtzeit nicht überschritten werde.

Die Beigeladene beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 15.1.2014 die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt u. a. vor: Die maßgeblichen Immissionsrichtwerte würden sicher unterschritten, wenn die Vorgabe, dass in der Mitte der Hoffläche der Schallpegel max. 70 dB(A) betrage, eingehalten werde. Die Einhaltung des Schallpegels werde durch die entsprechenden Auflagen in den streitgegenständlichen Baugenehmigungen erreicht.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag und machen zudem geltend: Auch aus der schalltechnischen Untersuchung vom 27.2.2014 folge nicht, dass die vorgegebenen Richtwerte eingehalten würden. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die L1. 24 Stunden für Veranstaltungen genutzt werden könne und auch so beworben werde. Dies alleine stelle eine erhebliche Belastung für die angrenzenden Nachbarn dar. Es werde bestritten, dass alle Lautsprecheranlagen Begrenzer hätten, die so eingestellt seien, dass sich im Hofinneren kein über 70 dB(A) liegender Schallpegel entwickeln könne. Zudem seien solche Begrenzer auch manipulierbar. Ihnen sei auch mitgeteilt worden, dass bei Veranstaltungen die für die Musik verantwortliche Person die Musiklautstärke individuell regeln könne und keine Höchstbegrenzung existiere. Auch im Falle des Auftritts von Musikkapellen erfolge keine Begrenzung. Der im Innenhof insgesamt erzeugte Schall überschreite das zulässige Maß. Es werde bestritten, dass, wenn der Schallpegel in der Mitte des Hofes einen Wert von 70 dB(A) nicht überschreite, der Beurteilungspegel an ihrem Wohnhaus zwischen 33 dB(A) bzw. 34,5 dB(A) betrage. Die in der Baugenehmigung vom 8.10.2012 enthaltenen Nebenbestimmungen gewährleisteten gerade nicht, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm an ihrem Haus eingehalten würden. Die schalltechnische Untersuchung sei aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen insgesamt unbrauchbar. Zudem sei auch weiterhin die Neutralität des Gutachters nicht gegeben. Sie blieben bei ihrer Auffassung, dass ihr Gebietserhaltungsanspruch verletzt sei. Ihr Grundstück und das der L1. befänden sich in demselben Baugebiet. Die Baugenehmigung vom 8.10.2012 sei inhaltlich zu unbestimmt. Es komme nach wie vor an den Wochenenden zu erheblichen Lärm- und Verkehrsbelästigungen. Auch die Parksituation habe sich rund um die L1. nicht geändert. Es fehle objektiv an der notwendigen Anzahl von Parkplätzen. Die Ortsbesichtigung habe keineswegs ergeben, dass der geltende Immissionsrichtwert zur Nachtzeit eingehalten werde. Im Gegenteil sei die Musik deutlich hörbar gewesen. Auch aktuell bewerbe die Beigeladene im Internet "eine 800 qm große Aussenterrasse mit altem Pflaster, Baumbestand und einer malerischen Brunnenanlage" als Kulisse für u.a. Open Air Partys, obwohl für eine Außenterrasse keine Baugenehmigung erteilt worden sei. Es sei weiterhin nicht gewährleistet, dass die erforderlichen Richtwerte eingehalten werden.

Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 26.6.2015 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Auflage Nr. 25 der Baugenehmigung vom 8.10.2012 wie folgt neu formuliert:

"Die Geräuschemissionen aller Schallquellen dürfen gemäß der schalltechnischen Untersuchung vom 30.11.2011 im Innenhof keinen Schallpegel hervorrufen, welcher höher ist als 70 dB(A). Die Lautsprecher im Innenhof dürfen gemäß des Zusatzes Nr. 1 zum schalltechnischen Gutachten vom 27.2.2014 einen maximalen Schallpegel von 60 dB(A) nicht überschreiten. Diese Einstellung ist von einem staatlich anerkannten Sachverständigen für Schallschutz vorzunehmen und zu verplomben. Ein Protokoll über diese Maßnahme ist mir bei Fertigstellung vorzulegen."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorliegenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Baugenehmigungen vom 8.2.2012, 9.2.2012 und 8.10.2012 verletzen die Kläger nicht in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die angefochtenen Baugenehmigungen sind nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt.

Das Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass sich der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen muss, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Ist eine Baugenehmigung in dieser Hinsicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, führt dies zu einem Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf solche Merkmale des Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - zusätzlich - wenn die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat. Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.2.2015 - 2 A 616/14 -, BauR 2015, 948, m. w. N.

Insbesondere im Hinblick auf die maximal zulässige Anzahl der zeitgleich in der L1. anwesenden Personen und die Betriebszeiten sind die Baugenehmigungen aus den Gründen des angefochtenen Urteils hinreichend bestimmt. Eine weitergehende Begründung für die Annahme einer relevanten Unbestimmtheit haben die Kläger im Berufungsverfahren nicht vorgetragen.

Die Kläger können sich auch nicht auf eine Verletzung des sog. Gebietsgewährleistungsanspruchs berufen.

Der Gebietsgewährleistungsanspruch berechtigt den Grundstückseigentümer als Nachbarn, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Baugebiet nicht zulässiges Vorhaben selbst dann zur Wehr zu setzen, wenn es an einer unzumutbaren Beeinträchtigung fehlt. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlichrechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 - 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr. 68, m. w. N.

Dabei findet der Gebietsgewährleistungsanspruch nicht nur im förmlich festgesetzten Baugebiet Anwendung, sondern auch in einem Gebiet, dessen Charakter maßgeblich durch die tatsächliche Bebauung geprägt ist.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110; OVG NRW, Urteil vom 28.2.2012 - 7 A 2444/09 -, BRS 79 Nr. 171 = BauR 2012, 1100.

Allerdings greift der so beschriebene Gebietsgewährleistungsanspruch nur innerhalb desselben Baugebiets. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen im benachbarten Baugebiet - unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen - besteht nicht. Das wechselseitige Austauschverhältnis, auf dem der Gebietsgewährleistungsanspruch letztlich beruht, beschränkt sich auf die Eigentümer der in demselben Baugebiet gelegenen Grundstücke.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.11.2002 - 10 B 1618/02 -, BRS 66 Nr. 168 = BauR 2004, 131 (LS).

Ein derartiger Gebietsgewährleistungsanspruch steht den Klägern nicht zu. Dies ergibt sich schon daraus, dass das von großen Freiflächen umgebene Vorhabengrundstück unzweifelhaft im Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB, und damit nicht in einem (faktischen) Baugebiet im Sinne der genannten Rechtsprechung liegt.

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass die angefochtenen Baugenehmigungen gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen.

Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich im Nachbarschaftsverhältnis gewährleisten. Die Abwägung der gegenläufigen Interessen hat sich an der Frage auszurichten, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger Rücksicht braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, zu nehmen. Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu schonen. Sind von einem Vorhaben - wie hier - Immissionen zu erwarten, ist das Kriterium der Zumutbarkeit in der Regel anhand der Grundsätze und Begriffe des Bundesimmissionsschutzgesetzes auszufüllen, weil es die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht allgemein bestimmt. Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten, begründen auch unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Abwehr- oder Schutzansprüche. Ob Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich sind, richtet sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.8.1996 - 7 A 1727/93 -, juris.

Der Betrieb des mit der Baugenehmigung vom 8.10.2012 zugelassenen Vorhabens ist auch bei Berücksichtigung des Gesamtbetriebs für die Kläger nicht mit unzumutbaren Lärmimmissionen verbunden.

Als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung für einen Nachbarn ist die TA Lärm heranzuziehen. Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z. B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z. B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet. Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest. Aus der Spiegelbildlichkeit der sich aus dem Rücksichtnahmegebot ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen der konfligierenden Nutzungen ergibt sich, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Abstriche am Umfang der Anwendbarkeit und Bindungswirkung der TA Lärm sind nicht vorzunehmen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.2.2013 - 2 A 2135/11 -, BRS 81 Nr. 186 = BauR 2013, 1644.

Etwas anderes gilt bezüglich der Anwendbarkeit der TA Lärm auch nicht etwa deshalb, weil es sich bei dem Vorhaben möglicherweise um eine sogenannte gemischte Gaststätte mit Innen- und Außenbereich handelt.

Reicht bei einer im Außenbereich gelegenen "gemischten" Gaststätte, die keine reine Freiluftgaststätte ist, sondern sowohl einen Innenbetrieb als auch einen Außenbetrieb aufweist, der Außenbetrieb bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heran, kann im Rahmen der durch das Rücksichtnahmegebot veranlassten Zumutbarkeitsprüfung jedenfalls bezüglich dieses Außenbetriebs nicht bloß auf die Richtwerte der TA Lärm bzw. einen hieraus gebildeten Mittelwert abgestellt werden, da diese Richtwerte nicht die besondere Lästigkeit der von einer Außengastronomie ausgehenden Immissionen erfassen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.8.2010 - 4 B 9.10 -, BRS 76 Nr. 188 = BauR 2010, 2070; OVG NRW, Urteil vom 13.11.2009 - 7 A 146/08 -, BRS 74 Nr. 183 = BauR 2010, 585, und Beschluss vom 13.5.2015 - 7 B 352/15 -, juris, m. w. N.

Schon aufgrund des Abstands der L1. zum Grundstück der Kläger von mindestens 70 m und der Tatsache, dass der Innenhof von den Gebäuden komplett abgeschirmt ist, kommt die Anwendung dieser Rechtsprechung nicht in Betracht.

Der Betrieb des geplanten Vorhabens der Beigeladenen führt nach Maßgabe der TA Lärm nicht zu unzumutbaren Lärmimmissionen am Grundstück der Kläger. Dabei geht der Senat zugunsten der Kläger davon aus, dass ihr Grundstück in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet liegt.

Die Einstufung als faktisches reines Wohngebiet kommt hier nicht in Betracht.

Die für die Beurteilung des Gebietscharakters nach § 34 Abs.2 BauGB i.V.m. §§ 2 f. BauNVO maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebungsbebauung sowie in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene mit in den Blick zu nehmen. Es darf dabei nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in unmittelbarer Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung insoweit berücksichtigt werden, als sie noch prägend auf das Vorhabengrundstück einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die nähere Umgebung - reicht, ist eine Frage des Einzelfalls.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 21.8.2015 - 7 A 704/13 -, BauR 2016, 81.

In der derart zu beurteilenden näheren Umgebung entlang der vom klägerischen Grundstück aus einsehbaren E. Straße befindet sich unter der Adresse E. Straße 246 nach den übereinstimmenden Angaben der Beklagten und der Kläger eine Vollerwerbsschlosserei. Ein Schlossereibetrieb ist angesichts der unvermeidlichen Lärmemissionen kein nicht störender Handwerksbetrieb i. S. d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO und steht typischerweise der Einstufung eines Baugebiets als Wohngebiet entgegen.

Vgl. Thür. OVG, Urteil vom 6.7.2011 - 1 KO 1461/10 -, BRS 78 Nr. 104; Fickert/Fieseler, BauNVO-Kommentar, 12. Auflage, § 4 Rn. 4.43.

Weiterhin befindet sich nach den - unwidersprochenen - Angaben der Beklagten unter der Adresse I.---straße 116 "im Bereich zur E. Straße hin" ein Motorradersatzteilevertrieb mit einem Lager. In der E. Straße 287 wird das Gasthaus L3. betrieben. Damit scheidet die Einstufung als reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO aus. Ein solches dient nach § 3 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen. Gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO sind in einem reinen Wohngebiet Wohngebäude und Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebietes dienen, zulässig. Nach § 3 Abs. 3 BauNVO können ausnahmsweise zugelassen werden Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, und sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Schlosserei, der Motorradersatzteilhandel und die Gaststätte stehen der Einstufung der näheren Umgebung als reines Wohngebiet entgegen.

Wegen der Außenbereichsrandlage des klägerischen Grundstücks muss ein Zwischenwert entsprechend Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm gebildet werden, der durch die vorhabenbedingten Immissionen nicht überschritten wird.

Wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), können die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist, Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm. Nach Satz 2 der Nr. 6.7 TA Lärm sollen dabei die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nicht überschritten werden.

Nach der Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung der TA Lärm bemisst sich die Schutzwürdigkeit auch dann nach einem Zwischenwert im obigen Sinne, wenn ein Grundstück am Rande eines Gebiets liegt, das an ein Gebiet mit einer in wesentlicher Hinsicht anderen Schutzwürdigkeit - hier den Außenbereich - grenzt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.2014 - 7 A 2623/13 -, BRS 82 Nr. 185 = BauR 2015, 1119, m. w. N.

Dieser Wert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte, vielmehr handelt es sich um einen "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit. Bei einem solchermaßen zu gewinnenden Wert müssen zur Bestimmung der Zumutbarkeit zudem die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, wobei insbesondere auch die Priorität der entgegenstehenden Nutzung von Bedeutung ist. Wesentliches Kriterium für die Höhe des Zwischenwertes und damit für die konkrete Schutzbedürftigkeit eines zum Wohnen dienenden Grundstücks ist, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht worden ist.

BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010 - 7 B 4.10 -, BRS 78 Nr. 117 = BauR 2011, 1304.

Dabei kann für ein unmittelbar am Außenbereich gelegenes Wohngrundstück eine Erhöhung des Immissionsrichtwertes von bis zu 5 dB(A) im Einzelfall zumutbar sein.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2013 - 8 A 2016/11 -, juris.

Bei der Bildung eines Zwischenwerts zwischen bestehenden Baugebieten ist methodisch so vorzugehen, dass die Immissionsrichtwerte zu ermitteln sind, die für die benachbarten Gebiete bei jeweils isolierter Betrachtung maßgeblich sind und daraus unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein Mittelwert zu bilden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.2014 - 7 A 2623/13 -, BRS 82 Nr. 185 = BauR 2015, 1119, m. w. N.

Ausgehend von diesen Grundlagen ist die Annahme eines maßgeblichen Immissionsrichtwertes von nachts 42,5 dB(A) zugrunde zu legen. Dies ergibt eine Mittelung aus dem Nachtwert für ein allgemeines Wohngebiet von 40 dB(A) und dem Nachtwert für den angrenzenden Außenbereich von 45 dB(A).

Angesichts einer Außenbereichslage eines Wohngrundstücks kann ein Kläger nicht die Schutzmaßstäbe eines allgemeinen oder reinen Wohngebiets in Anspruch nehmen. Der Außenbereich ist kein Baugebiet - auch für die im Außenbereich privilegierten baulichen Nutzungen nicht -, sondern soll tendenziell von Bebauung freigehalten werden. Das schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall dort, sei es aufgrund privilegierter Nutzung, sei es ohne Privilegierung bei fehlender Beeinträchtigung öffentlicher Belange auch gewohnt werden darf, so dass Wohnnutzungen im Außenbereich nicht schutzlos sein dürfen. Die dort zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzungen müssen jedoch damit rechnen, dass sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft privilegierte Nutzungen ansiedeln, zu denen sowohl landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche als auch gewerbliche Nutzungen z. B. gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zählen können. Angesichts dessen kann ein Bewohner des Außenbereichs nur die Schutzmaßstäbe für sich in Anspruch nehmen, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche einschlägig sind, mithin Werte für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.2014 - 7 A 2623/13 -, BRS 82 Nr. 185 = BauR 2015, 1119, m. w. N.

Bei der Bildung des Zwischenwertes ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei der L1. um eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle handelt. Das Grundstück der Kläger bildet den Abschluss der Innenbereichslage und grenzt - nur getrennt durch die Stichstraße - an den Außenbereich an. Die Kläger müssen also mit im Außenbereich typischen Immissionen rechnen und darauf Rücksicht nehmen, dass der Gesetzgeber eben solche privilegierten Nutzungen dem Außenbereich zugewiesen hat. Hinzu kommt, dass das klägerische Grundstück im Vergleich zur L1. zeitlich nachrangig bebaut worden ist. Daran ändert auch nichts, dass eine privilegierte Nutzung der L1. nicht gegeben ist. Eine Zwischenwertbildung in Bezug auf Vorhaben im Außenbereich ist nicht nur dann möglich, wenn es um Immissionen solcher Vorhaben geht, die im Außenbereich privilegiert zulässig sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.2014 - 7 A 2623/13 -, BRS 82 Nr. 185 = BauR 2015, 1119, m. w. N.

Dieser maßgebliche Immissionsrichtwert für die Nacht von 42,5 dB(A) wird nach dem im gerichtlichen Verfahren nachgereichten Gutachten vom 27.2.2014 am Grundstück der Kläger voraussichtlich eingehalten.

Der so ermittelte Zwischenwert von 42,5 dB(A) wird nach der schalltechnischen Untersuchung vom 27.2.2014 nachts - auch bei einem unter dem Gesichtspunkt der Informationshaltigkeit vorgenommenen Zuschlag von 6 dB(A) - um mindestens 3,5 dB(A) unterschritten. Ebenso wird das Spitzenpegelkriterium der TA Lärm eingehalten, sind keine relevanten tieffrequenten Geräusche zu erwarten und führt auch der vorhabenbedingte Verkehr nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Kläger.

Dabei kann der Senat es offen lassen, ob die schalltechnische Untersuchung vom 30.11.2011 Mängel enthält. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 27.2.2014 ist die Beurteilung methodisch nicht zu beanstanden und gelangt zu einem nachvollziehbaren Ergebnis.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass solche Untersuchungen die Auswirkungen eines Vorhabens naturgemäß nicht exakt vorherbestimmen und qualifizieren können. Derartige Gutachten stellen lediglich eine Prognose dar, die das Gericht nur darauf zu prüfen hat, ob diese mit den im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das Gericht überprüft insoweit die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrunde liegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewissheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen. Es ist hingegen nicht Aufgabe des Gerichts, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose als solches darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.10.2013 - 7 D 18/13.NE -, BRS 81 Nr. 11 = BauR 2014, 221.

Die vorbeschriebenen Anforderungen erfüllt die Schalltechnische Untersuchung vom 27.2.2014. Die Kläger haben auch nicht substantiiert geltend gemacht oder dargelegt, dass diese schalltechnische Untersuchung fehlerhaft ist. Insbesondere ist der vom Gutachter vorgenommene Zuschlag für die Ton- und Informationshaltigkeit nicht zu beanstanden. Dieser steht im Einklang mit der Nr. A 2.5.2 TA Lärm. Nach Satz 1 ist für die Teilzeiten, in denen in den zu beurteilenden Geräuschimmissionen ein oder mehrere Töne hervortreten oder in denen das Geräusch informationshaltig ist, für den Zuschlag KT je nach Auffälligkeit der Wert 3 oder 6 dB anzusetzen.

Der Gutachter gelangt in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass bei vollem Betrieb auf der L1. und Einhaltung des Innenhofpegels von 70 dB(A), geschlossenen Türen (M1, M6 und M7) und vollständiger Leerung des Parkplatzes innerhalb von 1 Zeitstunde am Wohnhaus der Kläger nachts ein maximaler Beurteilungspegel von 33 dB(A) erreicht wird. Der Gutachter legt dabei zugrunde, dass bei Einhaltung der Grenzwerte für die Musikanlagen innerhalb der drei Festräume in der Mitte des Innenhofes ein Schallpegel von nicht mehr als 66 dB(A) in 2 m Höhe zu erwarten ist. Weiterhin geht er davon aus, dass bei Anwesenheit von 1000 Personen im Innenhof durch diese ein Schallpegel von ca. 66 dB(A) erzeugt wird. Mit dieser Annahme liegt der Gutachter auf der sicheren Seite, da für die gesamte L1. eine maximale Personenzahl von 400 Personen vorgegeben ist. In der Summe geht der Gutachter von einem Wert von 69 dB(A) aus. Auch dies ist plausibel. Treffen zwei gleich starke Schallquellen aufeinander und verdoppeln den "Lärm", erhöht sich der dB(A) Wert um 3 dB(A).

Vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, Rn. 437.

Danach verbleibt für die Musikanlage im Innenhof nach der Berechnung des Gutachters in dem Zusatz Nr. 1 vom 27.3.2014 ein zusätzlicher Schallpegel von 60,1 dB(A). Dem trägt die in der mündlichen Verhandlung geänderte Auflage Nr. 25 zur Baugenehmigung vom 8.10.2012 Rechnung.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gutachter keine im Sinne der DIN 45680 relevanten tieffrequenten Geräusche im Wohnhaus der Kläger erwartet. Nach Nr. 7.3 TA Lärm in Verbindung mit Nr. A.1.5 des Anhangs der TA Lärm richtet sich die Ermittlung und Bewertung tieffrequenter Geräusche nach der DIN 45680, Ausgabe März 1997. Nach Nr. 3 des Beiblatts 1 zur DIN 45680, Ausgabe März 1997, liegen im allgemeinen keine erheblichen Belästigungen durch tieffrequente Geräuschimmissionen vor, wenn die Anhaltswerte nicht überschritten werden. Nach der dortigen Tabelle 2 beträgt der Anhaltswert in den sonstigen Fällen, also im Falle des Fehlens deutlich hervortretender Einzeltöne, in den Nachtstunden Lr 25 dB. In seinem insoweit von den Klägern nicht beanstandeten Messbericht vom 16.5.2011 hat der Gutachter festgestellt, dass es sich vorliegend mangels herausragender Einzelfrequenzen um einen sonstigen Fall in diesem Sinne handelt und der somit maßgebliche Anhaltswert nicht überschritten wird.

Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelung des § 51 Absatz 1 Satz 1 BauO NRW nicht dem Nachbarsschutz dient und die Kläger deshalb nicht mit Erfolg eine zu geringe Anzahl der genehmigten Stellplätze geltend machen können. Soweit die Kläger Parkverstöße durch Besucher von Veranstaltungen auf der L1. rügen, betrifft dies nicht die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. Insoweit sind sie auf das Straßenverkehrsrecht zu verweisen, nach dem - ggfs. Aufgrund von Anregungen der Kläger - die Beklagte die ggfs. gebotenen Maßnahmen zu ergreifen hätte.

Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze und Feststellungen liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auch nicht mit Blick auf die Baugenehmigungen vom 8.2.2012 und 9.2.2012 vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den Klägern aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.

Lukas Jozefaciuk