OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.05.2018 - 20 A 89/15
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf
5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Eine Zulassung der Berufung kommt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO in Betracht, wenn ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Frist dargelegt worden ist und vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Das Zulassungsvorbringen rechtfertigt eine Zulassung der Berufung nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit folgender Begründung als unbegründet abgewiesen: Der angegriffene Bescheid der Bezirksregierung N. vom 17. Juli 2013 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten; ein Anspruch auf positive Bescheidung seines Antrags vom 10. Oktober 2012 bestehe nicht. Zur Begründung werde auf den im Wesentlichen zutreffenden Inhalt des angefochtenen Bescheides und ergänzend auf den auf den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ergangenen Beschluss vom 2. Oktober 2014 Bezug genommen. Ausgenommen davon seien lediglich die Feststellung, das Amtsgericht E. habe gegen den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Urteil vom 14. September 2011 eine Geldstrafe von 170 Tagessätzen festgesetzt, und die daran anknüpfende rechtliche Bewertung. Ferner unterliege die Entscheidung der Luftfahrtbehörde über die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit vollständig gerichtlicher Kontrolle. Es handele sich nicht um eine Ermessensentscheidung, so dass der Kläger sich nicht darauf berufen könne, die Behörde habe in (vermeintlich) gleichgelagerten Fällen ihr Ermessen für die dort Betroffenen günstiger ausgeübt. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 7 LuftSiG bestünden nicht.
Das Zulassungsvorbringen des Klägers ergibt keinen Grund zur Zulassung der Berufung.
Das gilt zunächst für den geltend gemachten Grund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig sei, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu beantworten ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 2013 - 1 A 2851/11 -, juris.
Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon aufgrund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. April 2017 - 6 A 2753/15 -, juris, und vom 26. September 2016 - 1 A 1662/15 -, juris, m. w. N.
Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht gerecht. Es zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils auf.
Zuverlässig im Sinne von § 7 LuftSiG ist nur derjenige, der die Gewähr bietet, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun. Der Betreffende muss nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen, selbst bei dem Inaussichtstellen von Vorteilen oder bei der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren und die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Eingriffen, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Dabei ist mit Blick auf die in Rede stehenden Rechtsgüter ein strenger Maßstab anzulegen. Aus § 7 Abs. 6 LuftSiG ist zu entnehmen, dass von der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit nur ausgegangen werden kann, soweit keine Zweifel bleiben. Die Zuverlässigkeit ist also schon bei geringen Zweifeln zu verneinen, ohne dass sich hieraus im Hinblick auf das inmitten stehende Recht des Betroffenen aus Art. 12 GG Bedenken ergeben.
Vgl. jeweils noch zu § 7 LuftSiG in der bis zum 3. März 2017 geltenden Fassung: OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juni 2009 - 20 B 148/09 -, juris, und vom 23. Februar 2007 - 20 B 44/07 -, juris, m. w. N.
An den vorstehenden Maßstäben hat die Einfügung von § 7 Abs. 1a LuftSiG durch Art. 1 Nr. 7 Buchstabe b des Ersten Gesetzes zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes vom 23. Februar 2017 (BGBl. I S. 298) nichts geändert, zumal insbesondere § 7 Abs. 6 LuftSiG insoweit keine entscheidende Änderung erfahren hat.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2018 - 20 B 1340/17 -; für das Fehlen von Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 7 Abs. 1a LuftSiG von den zuvor von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien abweichen wollte: OVG Bremen, Beschluss vom 27. Juli 2017 - 1 B 81/17 -, juris.
Ausgehend von Vorstehendem legt der Kläger nichts für eine Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils dar.
Die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit kann bereits dann nicht festgestellt werden, wenn ausreichend begründete Anknüpfungspunkte vorhanden sind, die auf einen charakterlichen Mangel oder eine sonstige Schwäche der Persönlichkeit hinweisen, die sich ihrerseits gefährdend auf die Belange der Luftsicherheit auswirken können.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 20 B 148/09 -, a. a. O.; Bay. VGH, Beschluss vom 10. August 2010 - 8 CS 10.1566 -, ZLW 2011, 147.
Solche Anknüpfungspunkte liegen mit Blick auf die vom Kläger begangenen Straftaten vor. Das Amtsgericht E. verurteilte den Kläger am 4. Juni 2007 wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen, am 29. Oktober 2008 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen und am 23. Oktober 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Zuletzt verhängte das das Landgericht B. gegen den Kläger mit Urteil vom 17. Januar 2011 eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Diebstahl. Straftaten bieten generell hinreichenden Anlass dazu, die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit infrage zu stellen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 -, BVerwGE 122, 182.
Dafür ist es nicht erforderlich, dass die Straftaten bzw. Verfehlungen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Luftverkehrs stehen oder einen sonstigen unmittelbaren luftsicherheitsrechtlichen Bezug aufweisen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 -, a. a. O.
Soweit nicht die Regel luftverkehrsrechtlicher Unzuverlässigkeit gemäß § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG greift, bedarf es zur Beurteilung der Zuverlässigkeit allerdings der Feststellung, ob sich aus Vorgängen wie begangenen Straftaten Bedenken ergeben, der Betroffene könne aus eigenem Antrieb oder aufgrund fremder Manipulation die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigen. Dabei ist das Gewicht der begangenen Verfehlungen und ihre indizielle Aussagekraft ebenso in den Blick zu nehmen wie den Betroffenen entlastende oder möglicherweise sogar in ein gutes Licht stellende Vorgänge.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 -, a. a. O.
Auch eingedenk dessen legt der Kläger nichts dar, was gegen die Richtigkeit der Annahmen des Beklagten und des Verwaltungsgerichts sprechen könnte, der Kläger sei unzuverlässig. Entgegen der Darstellung des Klägers ist weder dem angefochtenen Urteil noch dem besagten Bescheid zu entnehmen, dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen wären, beim Kläger führe jede beliebige Straftat in einem Zeitraum von zehn Jahren zur Verneinung der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit. Vielmehr beruhte die Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers durch den Beklagten ausweislich der Ausführungen in dem Bescheid, die das Verwaltungsgericht sich zu Eigen gemacht hat, auf einer Würdigung der Gesamtumstände und insbesondere des strafrechtlichen Verhaltens des Klägers. Im Bescheid führt der Beklagte insoweit aus, die "Anzahl der Verfahren bzw. Verurteilungen für die Straftaten aus den verschiedenen Lebensbereichen" machten deutlich, dass der Kläger nicht in der Lage bzw. bereit sei, die Rechtsordnung einzuhalten bzw. zu respektieren, dies "für den Bereich der Sicherheit des Luftverkehrs ein nicht hinzunehmendes Risiko" darstelle und der "wiederholte Verstoß auch in jüngster Zeit noch gegen unterschiedlichste Strafvorschriften" die Neigung des Klägers unter Alkoholeinfluss zu Kontrollverlust verdeutliche. Ausdrücklich heißt es in der Bescheidbegründung ferner, die in der Rechtsprechung anerkannte strenge Auslegung der Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes führe "nach wertender Betrachtung des Gesamtsachverhalts" dazu, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers blieben und die beantragte Ankerkennung der Zuverlässigkeit versagt werde.
Die Feststellung der Unzuverlässigkeit des Klägers erweist sich nicht deshalb als fehlerhaft, weil der Beklagte zu Unrecht von einer weiteren strafrechtlichen Verurteilung des Klägers ausgegangen sein mag. Das Verwaltungsgericht hat sich die Bescheidbegründung insoweit nicht zu Eigen gemacht. Zutreffend hat es seinem Urteil ferner zugrunde gelegt, dass der Behörde bei der Beurteilung, ob der Betroffene zuverlässig im Sinne von § 7 LuftSiG ist, kein Ermessen zukommt. Schon deshalb kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, bei ihm sei (vermeintlich) im Vergleich zu anderen Betroffenen zu Unrecht die Zuverlässigkeit verneint worden. Wie ausgeführt, kommt es im Übrigen ebenso wenig darauf an, dass die Straftaten bzw. Verfehlungen im Zusammenhang mit der Sicherheit des Luftverkehrs stehen oder einen sonstigen unmittelbaren luftsicherheitsrechtlichen Bezug aufweisen. Es kann nach den vorstehenden Ausführungen insgesamt auch keine Rede davon sein, dass - wie der Kläger einwendet - der Beklagte und das Verwaltungsgericht keine prognostische Betrachtung vorgenommen hätten.
Soweit der Kläger geltend macht, bei seinen zahlreichen Strafverfahren sei zu berücksichtigen, dass er "sich immer nur dann falsch verhalten" habe, wenn er alkoholisiert gewesen sei, hat das Verwaltungsgericht dies in seine Betrachtung einbezogen. Dazu führt der Beklagte in der in Bezug genommenen Begründung des Bescheides aus, der wiederholte Verstoß gegen unterschiedlichste Strafvorschriften verdeutliche die Neigung des Klägers zu Kontrollverlust unter Alkoholeinfluss und dessen mangelnde Bereitschaft, die Rechtsordnung zu respektieren. Der Kläger zeigt nichts auf, was gegen die Richtigkeit dieser Annahme spräche.
Die mangelnde Fähigkeit bzw. Bereitschaft, die Rechtsordnung zu respektieren, findet sich auch in der zuletzt abgeurteilten Straftat bestätigt. Daran ändert es nichts, dass es sich - wie der Kläger geltend macht - dabei um einen Diebstahl "lediglich" einer geringwertigen Sache gehandelt und die Freiheitsberaubung "nur eine kurze Zeit angedauert" haben mag. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger sich darauf beruft, dass keine der begangenen Straftaten sich "auf den Bereich eines Arbeitsverhältnisses" bezogen habe. Auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner letzten Verurteilung strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sein mag, beseitigt die durch das zuvor von ihm gezeigte Verhalten begründeten Zuverlässigkeitszweifel allein nicht. Der zeitliche Abstand zu den Straftaten rechtfertigt als solcher nicht die Annahme, die maßgebliche Ursache für die vergangenen Missachtungen der Rechtsordnung seien verlässlich ausgeräumt. Nichts anderes ergibt sich insoweit daraus, dass er im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses seinen diesbezüglichen Pflichten nachgekommen und dort "aufgrund seines Engagements" aufgestiegen sein mag.
Unrichtigkeitszweifel legt der Kläger schließlich ebenso wenig dar, soweit er sich auf die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 GG beruft. Dem Zulassungsvorbringen ist bereits nicht substantiiert zu entnehmen, inwieweit der Kläger durch die Versagung der Zuerkennung der Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG in seinen vorgenannten Rechten betroffen sein soll. Abgesehen davon unterliegt es aber - wie ausgeführt - auch im Hinblick auf das Recht des Betroffenen aus Art. 12 GG keinen Bedenken, die Zuverlässigkeit schon bei geringen Zweifeln zu verneinen. Entsprechendes gilt, soweit - hier schon nicht substantiiert dargelegte - Rechte aus Art. 14 GG in Betracht kommen sollten.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat der Kläger nicht dargetan.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift liegen vor, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2011 - 8 A 2066/11 -, juris, m. w. N.
Auch solche Richtigkeitszweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben sich aus dem klägerischen Zulassungsvorbringen nicht. Auf die Ausführungen zum Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird insoweit verwiesen.
Ebenso wenig legt der Kläger einen Verfahrensmangel dar, auf dem das angefochtene Urteil beruht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die von dem Kläger insofern bemängelten Gesichtspunkte stellen keine Verfahrensfehler dar. Dies gilt zunächst insoweit, als der Kläger eine fehlerhafte behördliche Bewertung und eine entsprechend unzureichende Überprüfung durch das Verwaltungsgericht einwendet. Damit macht er im Ergebnis allein geltend, dass die materiellrechtliche Vorschrift des § 7 LuftSiG vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht unzutreffend angewendet worden sei, legt jedoch keinen Verfahrensfehler dar. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung kein prognostisches Element einbezogen und keine grundrechtskonforme Prüfung vorgenommen und die Beurteilung der Zuverlässigkeit stelle eine Ermessensentscheidung dar, bei welcher auch gleichgelagerte andere Fälle zu berücksichtigen seien.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung aus § 52 Abs. 2 GKG.