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OLG Hamm, Beschluss vom 27.09.2018 - 6 U 68/17

Tenor

1.

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerinnen gegen das am 11.04.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen (2 O 285/13) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.

2.

Die Klägerinnen erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses, auch zu der Frage, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls.

Am ...06.2013 kam es gegen 14:10 Uhr in E auf dem X-Ring im Bereich einer Lichtzeichenanlage zu einer Kollision zwischen dem Pkw O, amtliches Kennzeichen ...-... ...93, dessen Halterin und Eigentümerin die Klägerin zu 1) ist und der zum Unfallzeitpunkt von der Klägerin zu 2) - der Tochter der Klägerin zu 1) - geführt wurde, und dem bei der Beklagten zu 2) pflichtversicherten Kleinkraftrad T, Versicherungskennzeichen ...7 B, welches zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 2) geführt wurde. Vor der Kollision befuhren beide Fahrzeuge den X-Ring in Fahrtrichtung Süden, wobei das klägerische Fahrzeug voran fuhr. Kurz vor der Lichtzeichenanlage führte die Klägerin zu 2) eine Bremsung durch und kam im Bereich der Lichtzeichenanlage zum Stehen. Das nachfolgende Kleinkraftrad wurde durch den Beklagten zu 2) überbremst und geriet zu Fall. Es kam zu einer Kollision.

Die Klägerin zu 1) macht vorliegend Sachschaden an ihrem Fahrzeug, Nutzungsausfall , Sachverständigenkosten, Abschleppkosten, Zulassungskosten für ein Ersatzfahrzeug und eine Kostenpauschale, insgesamt 5.312,52 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Die Klägerin zu 2) macht ein angemessenes Schmerzensgeld geltend, welches nach ihren Vorstellungen mindestens 2.000 € betragen solle. Die Klägerinnen haben behauptet, die Klägerin zu 2) habe die Bremsung durchgeführt, weil die Lichtzeichenanlage Rotlicht gezeigt habe. Der Beklagte zu 2) sei unangemessen schnell gefahren und habe den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Durch die Kollision habe die Klägerin zu 2) eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten. Die Beklagten hätten den Unfallschaden zu 100 % zu tragen.

Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin zu 2) habe plötzlich und unerwartet gebremst, obwohl die Lichtzeichenanlage grünes Licht gezeigt habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen T, H und N sowie nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen P die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1) 1.770,84 € nebst Zinsen und anteiligen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten würden nur gemäß einer Haftungsquote von 1/3 haften, eine weitergehende Haftung der Beklagten komme nicht in Betracht. Der ausgeurteilte Betrag entspricht einem Drittel des von der Klägerin zu 1) geltend gemachten Schadens. Der Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sei nicht begründet, weil die Klägerin zu 2) hinsichtlich der von ihr behaupteten Halswirbelsäulen-Distorsion beweisfällig geblieben sei.

Die Klägerinnen wenden sich mit ihrer Berufung gegen die angefochtene Entscheidung und begehren eine Verurteilung der Beklagten unter Weiterverfolgung ihrer bereits erstinstanzlich gestellten Anträge. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Begründung des angefochtenen Urteils wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Terminprotokolle sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

II.

1. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zu Recht hat das Landgericht über den zugesprochenen Betrag hinausgehende weitergehende Ansprüche der Klägerinnen aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis abgelehnt und insoweit die Klage abgewiesen.

a) Der Senat ist bei seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht festgestellten Tatsachen gebunden, weil auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Klägerinnen keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich auch hinreichend mit den Aussagen der Zeugen N und T auseinandergesetzt und ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass es beide Zeugen für glaubwürdig hält. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beweiswürdigung ergeben sich auch nicht daraus, dass ausweislich eines polizeilichen Vermerks beide Zeugen noch am Unfallort erklärt haben sollen, die Ampel habe bereits rot gezeigt. Das Landgericht hat nämlich überzeugend darauf hingewiesen, dass es nach glaubhafter Aussage des Zeugen H, sein könne, dass dieser als Polizeibeamter am Unfallort Zeugenaussagen verwechselt und dadurch falsch dokumentiert habe. Sowohl der Zeuge N als auch der Zeuge T haben im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung auf dem entsprechenden Anhörungsbogen zeitnah zum Unfall - also zu einem Zeitpunkt, als ihre Erinnerung noch recht präsent war - angegeben, dass die Ampel noch grünes Licht gezeigt habe (Bl. 57 ff.). Diese Angaben haben die Zeugen im vorliegenden Verfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt.

Soweit die Klägerinnen durch den Hinweis auf ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen dem Beklagten zu 2) und einer in E eingesetzten Polizistin andeuten, die Polizei könne auf Veranlassung des Beklagten zu 2) durch einen Anruf auf die Aussage der beiden Zeugen Einfluss genommen haben, so handelt es sich um eine nicht durch konkreten Tatsachenvortrag untermauerte reine Spekulation. Im Übrigen ist dieser neue Vortrag im Berufungsverfahren nicht zuzulassen, weil einer der Zulassungsgründe des § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt ist. Der Vortrag, das verwandtschaftliche Verhältnis sei "zwischenzeitlich" in Erfahrung gebracht worden, ist insoweit jedenfalls nicht ausreichend. Außerdem hat der Zeuge N im Rahmen seiner Zeugenaussage im vorliegenden Verfahren Angaben zu dem Inhalt des Anrufs der Polizei gemacht. Dabei hat der Zeuge ausgeführt, der Polizeibeamte habe am Telefon nicht inhaltlich über die Sache sprechen wollen, sondern nur darum gebeten, einen neuen Fragebogen mit einer inhaltlich längeren Aussage abzugeben (Bl. 155).

Im Rahmen der Beweiswürdigung spricht insbesondere der Kollisionsort, der nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht vor, sondern etwa ein Meter hinter der Haltelinie der Lichtzeichenanlage liegt, gegen den Vortrag der Klägerinnen. Denn im Falle eines ordnungsgemäßen Bremsens aufgrund Rotlichts wäre davon auszugehen gewesen, dass die Klägerin zu 2) das Fahrzeug noch vor der Haltelinie zum Stillstand gebracht hätte.

b) Das Landgericht hat im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge in nicht zu beanstandender Weise auf Seiten der Klägerinnen einen schuldhaften Verstoß der Klägerin zu 2) gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO (Verbot des starken Bremsens ohne zwingenden Grund) und auf Seiten der Beklagten einen schuldhaften Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO (unzureichender Sicherheitsabstand) angenommen und ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin sich eine Mithaftungsquote von 2/3 entgegenhalten lassen muss. Diese Quote steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats und anderer Obergerichte, wonach die Mithaftung des Vorausfahrenden umso größer sein muss, je unwahrscheinlicher nach der Verkehrssituation ein starkes Abbremsen ist (OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2013 - I-6 U 54/13 - juris Rn. 7; KG Berlin, Urteil vom 13.02.2006 - 12 U 70/05, juris Rn. 16). Diese Wahrscheinlichkeit war in der vorliegenden Sache durchaus gering. Denn zu den allgemeinen Sorgfaltspflichten bei Grünlicht gehört u.a., dass der Berechtigte gehalten ist, die Grünphase auszunutzen und zügig (weiter) zu fahren, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten (vgl. Wern in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Fassung vom 06.03.2013, gültig ab 01.04.2013, § 37 StVO Rn. 26). Demnach kann beim Anhalten bei grünem Ampellicht ohne zwingenden Grund den Bremsenden an einem dadurch verursachten Auffahrunfall ein Verschulden treffen, welches im Einzelfall bis zur vollen Haftung führen kann (KG Berlin, Urteil vom 05.02.2004 - 12 U 165/02 - juris Rn. 2).

c) Das Landgericht hat die Klage in Bezug auf den Schmerzensgeldantrag zu Recht abgewiesen, weil die Klägerinnen hinsichtlich der von Ihnen behaupteten Halswirbelsäulen-Distorsion beweisfällig geblieben sind. Denn die Klägerinnen haben trotz entsprechender Verpflichtung den Kostenvorschuss für die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht eingezahlt, so dass ein entsprechendes Gutachten nicht eingeholt werden konnte.

Das Landgericht hat in seinem Beweisbeschluss vom 09.09.2016 zu Recht eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von max. 5,73 km/h zugrunde gelegt, zumal nach den Ausführungen des technischen Sachverständigen eine höhere Geschwindigkeitsänderung nicht nachgewiesen werden konnte.

Im Hinblick auf die Behauptung der Klägerinnen, der Beklagte zu 2) habe zum Zeitpunkt der Kollision 130 kg gewogen, hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, es wären in einem solchen Fall die gleichen Schäden bei einer geringeren Geschwindigkeit verursacht worden (Bl. 265). Daher ist nicht davon auszugehen, dass ein um 30 kg erhöhtes Aufprallgewicht zu einer signifikant höheren Geschwindigkeitsänderung und dementsprechend zu einer signifikanten Änderung der Faktoren für das Hervorrufen einer Halswirbelsäulen-Distorsion geführt hätte.

Letztlich kommt es jedoch hierauf auch nicht an, zumal selbst wenn das Landgericht dem medizinischen Sachverständigen unzutreffende technische Vorgaben gemacht hätte, dieser Umstand die Klägerinnen nicht von der Verpflichtung zur Vorschusszahlung entbunden hätte.

2. Die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO liegen ebenfalls vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

3. Die Klägerinnen werden abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.

Lukas Jozefaciuk