OLG Hamm, Beschluss vom 18.11.2016 - 20 U 110/16
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
I.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat aus dem für ihn bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von den gegen ihn gerichteten Rechtsanwaltshonorarforderungen.
Die vorgelegten Vergütungsrechnungen sind vom Versicherungsschutz nicht umfasst.
Der Kläger hat Anspruch auf Versicherungsschutz nur im vereinbarten Umfang.
Ausweislich des Versicherungsscheins vom 20.11.2014 ist "Gewerbe-Kombi-Rechtsschutz gem. § 28 ARB" mit den im einzelnen aufgeführten Erweiterungen gem. §§ 32, 28 Abs. 4 und 5 ARB vereinbart.
Der "Gewerbe-Kombi-Rechtsschutz" gewährt Versicherungsschutz zum einen gem. § 28 Abs. 1 lit a) ARB 2011 für die im Versicherungsschein bezeichnete gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit des Versicherungsnehmers.
Zum anderen umfasst der vereinbarte Rechtsschutz gem. § 28 Abs. 1 lit b) 1. und 2. Fall ARB 2011 Versicherungsschutz auch im privaten Bereich und für die Ausübung nicht selbständiger Tätigkeiten.
Die vom Klägervertreter mit den Honorarnoten vom 22.10.2015 in Rechnung gestellten Tätigkeiten betrafen keine Angelegenheiten von § 28 Abs. 1 lit a) oder b) ARB 2011.
1.
Die in Rechnung gestellte Rechtsvertretung des Klägers steht nicht im Zusammenhang mit der im Versicherungsschein bezeichneten Tätigkeit des Versicherungsnehmers iSd § 28 Abs. 1 lit a) ARB 2011.
Im Versicherungsschein vom 20.11.2014 ist als Versicherungsnehmer die X GmbH genannt, deren Geschäftsführer der Kläger ist.
Als Gewerbeart dieser Firma ist "Industrie Klebebänder" genannt.
Versichert ist demnach die gewerbliche Tätigkeit der Firma X GmbH auf dem Gebiet "Klebebänder".
Nach dem Vortrag des Klägers beziehen sich die Vergütungsrechnungen seines Prozessbevollmächtigten auf dessen persönliche Rechtsvertretung gegenüber den Patentinhabern des Systems O, wie sie im Vertrag gem. Anlage K 3 genannt sind.
Die Versicherungsnehmerin, die Firma X GmbH, hat nach dem Vortrag des Klägers keine Rechtsbeziehungen zu den Patentinhabern, diese soll vielmehr der Kläger persönlich - und nicht in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer - geknüpft haben.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsbeziehungen zu den Patentinhabern den Geschäftsbereich "Industrie Klebebänder" betreffen, wie er im Versicherungsschein bezeichnet ist. Der Kläger trägt mit der Berufung selber vor, dass das Patent für die Absaugung von Öl aus Gewässern mit seiner gewerblichen Tätigkeit als Geschäftsführer der X GmbH nicht im Zusammenhang stehe.
Damit betreffen die streitgegenständlichen Rechtsanwaltshonorarforderungen nicht die gem. § 28 Abs. 1 lit a) ARB 2011 versicherte gewerbliche Tätigkeit der Versicherungsnehmerin.
Auf den als Ausschlusstatbestand formulierten § 28 Abs. 1 lit c) ARB 2011 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil insoweit nur bekräftigt wird, dass allein die im Versicherungsschein genannte selbständige Tätigkeit versichert ist.
2.
Die dem Kläger in Rechnung gestellte Rechtsvertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten ist auch nicht dem privaten Bereich im Sinne des § 28 Abs. 1 lit b) 1. Fall ARB 2011 zuzuordnen.
Zum privaten Bereich im Sinne des § 28 Abs. 1 lit b) 1. Fall ARB 2011 gehören nicht die gewerblichen, freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeiten der versicherten Person.
Diese Abgrenzung ergibt sich für den um Verständnis bemühten durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Sicht bei der Auslegung der Klausel abzustellen ist, aus der Gegenüberstellung von § 28 Abs. 1 lit a) und b) ARB 2011 sowie aus der Systematik der §§ 23, 24 ARB 2011.
Die Kombination des Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutzes für Selbständige in § 28 ARB 2011 entspricht dem Vorbild der bereits früher eingeführten Kombinationstarife für Nichtselbständige und Landwirte in §§ 26, 27 ARB. Mit diesem Tarif erhalten auch selbständige Gewerbetreibende Rechtsschutz sowohl für berufliche als auch für private Angelegenheiten (Beckmann/Matusche-Beckmann/Obarowski, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 37, Rn. 168).
Der "private Bereich" ist dabei nicht nur in Abgrenzung zu der konkret versicherten beruflichen Tätigkeit des Gewerbetreibenden zu sehen, sondern auch in Abgrenzung zu anderen gewerblichen, freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeiten, wie sie auch in § 28 Abs. 1 lit c) ARB 2011 genannt sind.
Denn nach der Systematik der ARB wird Rechtsschutz für die berufliche Tätigkeit von Selbständigen (isoliert) nach § 24 ARB vereinbart, während § 23 ARB den Privat-Rechtschutz betrifft. Dem privaten Bereich sind deshalb nur die Angelegenheiten zuzurechnen, die die versicherte Person nicht als gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit versichern könnte (OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 597; BGH, Urteil vom 23.09.1992 - IV ZR 196/91 -, VersR 1992, 1510; OLG Dresden, Urteil vom 27. September 2012 - 4 U 809/12, 4 U 0809/12 -, Rn. 3, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. März 2001 - 4 W 54/00 -, Rn. 3, juris).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die geltend gemachte Angelegenheit dem privaten Bereich zuzurechnen ist, trägt der Versicherungsnehmer, dem eine mitversicherte Person gem. § 15 ARB 2011 gleichgestellt ist.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht greift nicht ein (eng auszulegender) Ausschlusstatbestand ein.
Es ist vielmehr Anspruchsvoraussetzung, dass die geltend gemachte Angelegenheit den "privaten Bereich" im Sinne des § 28 Abs. 1 lit b) 1. Fall ARB 2011 betrifft (Beckmann/Matusche-Beckmann/Obarowski aaO, Rn. 498; OLG Dresden, Urteil vom 27. September 2012 - 4 U 809/12 -, Rn. 3, juris).
Allein mit der - auch im Rahmen der Tatbestandsberichtigung erhobenen - Behauptung, die Tätigkeit des Klägers für die Patentinhaber sei eine "private Tätigkeit" genügt der Kläger seiner Darlegungslast nicht.
Nach dem Vortrag des Klägers ist die Angelegenheit, für die er Rechtsschutz begehrt, nicht dem privaten Bereich zuzurechnen, sondern betrifft eine freiberufliche bzw. selbständige Tätigkeit des Klägers.
Unter einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ist nichts anderes zu verstehen ist als die Tätigkeit eines Gewerbetreibenden oder eines freiberuflich Tätigen im Sinne des § 24 Nr. 1 S. 1 ARB (BGH aaO).
Ein Gewerbebetrieb ist ein berufsmäßiger Geschäftsbetrieb, der von der Absicht dauernder Gewinnerzielung beherrscht wird (BGH, Urteil vom 22. April 1982 - VII ZR 191/81 -, BGHZ 83, 382-391, Rn. 16m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. März 2001 - 4 W 54/00 -, Rn. 4, juris; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 09. Januar 2002 - 13 W 61/01 -, Rn. 9, juris). Auch eine Nebentätigkeit kann darunter fallen (BGH, Urteil vom 10. Mai 1979 - VII ZR 97/78 -, BGHZ 74, 273-278, Rn. 12).
Ebenso stellt eine freiberuflichen Tätigkeit - wie das Adjektiv schon besagt - eine Tätigkeit zur Berufsausübung dar, auch wenn diese nur eine Nebentätigkeit darstellt (BGH aaO).
Im Allgemeinen ist eine selbständige Tätigkeit so jede fortgesetzte Tätigkeit, die sich als Beteiligung am Wirtschaftsleben darstellt und sich in einem nach außen selbständigen von der privaten Sphäre getrennten Lebensbereich vollzieht (Beckmann/Matusche-Beckmann/Obarowski aaO, Rn. 132).
Die vom Kläger mit den Patentinhabern verhandelte Vermarktung von Lizenzen in den Golfstaaten stellte eine solche freiberufliche selbständige Tätigkeit dar.
Die in Aussicht genommene Tätigkeit, bei der es sich nicht um eine private Vermögensverwaltung handelte, sollte für den Kläger nicht bloß eine einträgliche Freizeitbetätigung sein. Der Kläger war nach eigenem Vortrag (auch im Tatbestandsberichtigungsantrag) genauen Vorgaben der Patentinhaber unterworfen, die ein Tätigwerden ganz nach eigenem Gutdünken nicht ermöglichten. Die Vermarktung der Lizenzen sollte damit nicht gleichsam "Privatangelegenheit" des Klägers sein, sondern eine vertraglich geregelte Beteiligung am Wirtschaftsleben.
Aufgrund der auf beiden Seiten bestehenden erheblichen wirtschaftlichen Interessen war die Vermarktung der Lizenzen zudem von vornherein auf Gewinnerzielung angelegt und erforderte eine einer gewerblichen Tätigkeit vergleichbare geschäftliche Organisation durch den Kläger. Dies ergibt sich aus dem für die Anbahnung, die Vorbereitung und den Abschluss von Lizenzverträgen mit verschiedenen Staaten erforderlichen Aufwand, den der Kläger nach der geltend gemachten Vereinbarung zu betreiben hatte. Dass der Kläger bislang keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb für die Vermarktung der Lizenzen aufgebaut und unterhalten hatte, ist ohne Belang. Maßgeblich ist, dass der geplante Abschluss von Lizenzverträgen mit verschiedenen Staaten kein Unterfangen ist, welches sich ohne weiteres abwickeln lässt, sondern das es dazu Vorkehrungen bedarf, die eine gewisse geschäftliche Organisation erfordern (Anbahnung der Kontakte, Organisation, Vorbereitung und Durchführung von Besprechungsterminen, Aushandeln, Aufsetzen und Abschließen der Verträge, Abrechnung der Lizenzgebühren mit den beteiligten Staaten, Abrechnung der Vergütung mit den Patentrechtsinhabern etc.). Dass all diese Maßnahmen sich im Zeitalter der digitalen Kommunikation auch ohne besonderen Personalaufwand und ohne eigens dafür bereitgehaltene Räumlichkeiten bewerkstelligen lassen, nimmt ihnen nicht ihren geschäftlichen Charakter.
Zudem ergibt sich aus den finanziellen Interessen der Beteiligten, dass die in Aussicht genommenen Geschäfte Erwerbszwecken dienten und auch insofern nicht das Privatleben des Klägers, sondern seinen beruflichen Tätigkeitsbereich betrafen. Von den den Patentrechtsinhabern zufließenden Länder-Lizenzgebühren, die 1,5 bis 3 Millionen Euro betragen sollten, sollte der Kläger für seine Vermittlung schließlich einen Anteil von zumindest 30 % beanspruchen können. Zudem sollte er (so auch der Tatbestandsberichtigungsantrag) die Exklusivrechte zu einem Betrag von 20 Millionen Euro erwerben können.
Insbesondere die mit der Vermarktung von Lizenzen für den Kläger so entstehenden Haftungsrisiken heben die Tätigkeit aus dem Bereich der privaten Lebensführung deutlich heraus.
Dass der Kläger die Vermarktung der Lizenzen nicht dauerhaft, sondern längstens bis zur flächendeckenden Versorgung der Golfregion betreiben wollte, nimmt der Tätigkeit nicht den Charakter eines zumindest nebenberuflichen Geschäftsbetriebes. Es genügt auch für eine gewerbliche Tätigkeit, dass diese auf eine bestimmte Dauer angelegt ist, eine Tätigkeit auf unabsehbare Zeit ist nicht Voraussetzung (BGH aaO).
Unstreitig betraf die Vermarktung der Lizenzen auch nicht nur das private Vermögen des Klägers, weil er selber nicht Inhaber der Patentrechte war, sondern diese aufgrund des streitigen Vertrages lediglich unter bestimmten Bedingungen erwerben konnte. Um die die Verwaltung eigenen Vermögens betreffenden Rechtsfragen geht es hiermit nicht (vgl. dazu BGH aaO).
Zu Unrecht verweist der Kläger zudem darauf, dass er die Vermarktung der Lizenzen noch nicht begonnen habe, sondern dass die Rechtsstreitigkeit mit den Patentinhabern allein die Wirksamkeit der zugrunde legenden Vereinbarungen betrifft.
Allein der Umstand, dass er seine Tätigkeit für die Patentrechtsinhaber noch nicht begonnen hatte, macht die streitigen Verhandlungen und Vereinbarungen, für die der Prozessbevollmächtigte des Klägers mandatiert wurde, nicht zu Privatangelegenheiten im Sinne des § 28 Abs. 1 lit b) ARB 2011.
Anders als bei - eng auszulegenden - Ausschlusstatbeständen wie etwa § 25 Abs. 1 lit b) ARB 2011, mit denen Versicherungsschutz für "selbständige Tätigkeiten" ausgeschlossen wird (vgl. dazu OLG München, Urteil vom 10. November 2006 - 25 U 3142/06 -, Rn. 19, juris; OLG Celle, Urteil vom 22. November 2007 - 8 U 110/07 -, Rn. 31, juris), kommt es bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 28 Abs. 1 lit b) 1. Fall ARB 2011 nicht darauf an, ob insoweit schon Tätigkeiten ausgeübt werden. Maßgeblich ist nur, ob die betreffende Angelegenheit, für die Rechtsschutz begehrt wird, dem "privaten Bereich" zuzuordnen ist.
Dies ist nicht der Fall.
Auf die Anwendung von § 28 Abs. 1 lit c) und d) ARB 2011, deren Unwirksamkeit der Kläger geltend macht, kommt es nach alledem nicht an.
3.
Schließlich betrifft die Rechtsvertretung des Klägers, für die er Rechtsschutz begehrt, auch nicht die Ausübung einer nicht selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 lit b) 2. Fall ARB 2011.
Zwar macht der Kläger geltend, er sei bei der Vermarktung der Lizenzverträge den Weisungen der Patentrechtsinhaber unterworfen, weshalb es sich insoweit nicht um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe.
Eine nicht selbständige Tätigkeit scheidet bei der Vermarktung von Lizenzverträgen schon nach den unter 2. aufgeführten Erörterungen aus. Unstreitig war der Kläger auch nicht in den Geschäftsbetrieb der Patentrechtsinhaber einbezogen und sollte eigenverantwortlich darüber entscheiden können, inwiefern er von seinem Vermarktungsrecht Gebrauch machte. Dass er bei der Vermarktung der einzelnen Lizenzen Weisungen der Patentrechtsinhaber zu befolgen hatte, nimmt der Tätigkeit schon angesichts der erfolgsabhängigen Vergütung nicht ihren selbständigen Charakter.
Unabhängig davon scheitert der begehrte Rechtsschutz hier daran, dass der Kläger die betreffende Tätigkeit bislang unstreitig nicht ausgeübt hat. Dies aber ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 28 Abs. 1 lit b) 2. Fall ARB 2011 Voraussetzung für den Rechtsschutz für Nichtselbständige, der sich nicht auf die nur beabsichtigte Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit erstreckt.
4.
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Bezugnahme der Berufung auf die Tatbestandsberichtigungsanträge und auf den Antrag nach § 156 ZPO kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Ein Rechtsschutzanspruch gem. § 28 Abs. 1 ARB 2011 ist nach dem Vortrag des Klägers nicht schlüssig dargelegt.
II.
Auf die Gebührenreduktion im Falle der Berufungsrücknahme wird hingewiesen (KV-Nr. 1222).