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LG Münster, Urteil vom 15.11.2016 - 5 Ns-30 Js 8/16-108/16

Tenor

Die Berufung des Angeklagten wird verworfen.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch betreffend die Länge der Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufgehoben, welche auf fünf Jahre festgesetzt wird.

Im Übrigen wird auch die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen.

Die Kosten der Berufungsverfahrens und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.

Angewendete Vorschriften:

§§ 222, 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1, 229, 230, 52,

69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 69 a StGB.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Ahaus verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dem Angeklagten wurde zudem die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein eingezogen. Es wurde eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von vier Jahren erteilt.

Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Rechtsmittel sind wirksam gemäß § 318 StPO auf das Strafmaß beschränkt worden. Damit ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und sind die diesen tragenden erstinstanzlichen Feststellungen bindend geworden und einer Überprüfung durch die Kammer gemäß § 327 StPO entzogen.

II.

Der 47jährige Angeklagte ist im Alter von etwa 22 Jahren nach Deutschland gekommen. Hier hat er mit 26 Jahren eine Fahrerlaubnis erhalten. Der Angeklagte ist Vater von sechs Kindern im Alter von 10 bis 27 Jahren. Die Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter, der Exfrau des Angeklagten, von welcher dieser vor etwa sechs Jahren geschieden worden ist.

Der Angeklagte war in der Vergangenheit als Fahrer für den Paketdienst "DPD" beruflich tätig. Derzeit arbeitet er für diese Firma ca. zwei bis drei Stunden täglich im Depot am Band. Er verdient hierdurch etwa 400 € im Monat. Seine Wohnkosten werden aus öffentlichen Mitteln getragen. Der Arbeitsplatz des Angeklagten befindet sich in Marl, wohin ihn Kollegen regelmäßig von seinem Wohnort in H mitnehmen. Der Angeklagte hat Aussicht darauf, in einigen Monaten eine Vollzeitstelle zu erhalten.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

Es liegen folgende verkehrsordnungsrechtliche Eintragungen gegen ihn vor:

Durch Entscheidung vom 19.01.20... - rechtskräftig seit dem 12.02.20... - wurde gegen ihn wegen eines am 14.01.20... in Gelsenkirchen als Führer eines LKWs begangenen verbotswidrigen Überholens außerhalb geschlossener Ortschaften rechts eine Geldbuße von 110 € verhängt.

Durch Entscheidung vom 15.06.20... - rechtskräftig seit dem 03.07.20... - wurde gegen ihn wegen einer in Dorsten als Führer eines LKWs am 07.05.20... begangenen Vorfahrtsverletzung (Missachtung der Vorfahrt des von rechts kommenden Fahrzeugs) mit der Folge eines Unfalls eine Geldbuße von 150 € verhängt.

Durch Entscheidung vom 17.06.20... - rechtskräftig seit dem 13.07.20... - wurde gegen ihn wegen einer am 10.06.20... in Gelsenkirchen auf der L-Straße als Führer eines PKW begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 95 € verhängt.

Zum Zeitpunkt dieser Fahrt war dem Angeklagten die Fahrerlaubnis in diesem Verfahren bereits durch Beschluss des Amtsgerichts Ahaus vom 25.02.20... entzogen worden. Dem Angeklagten war dieser Beschluss auch zugegangen, so dass ihm am 10.06.20... bekannt war, nicht über eine Fahrerlaubnis zum Führen des PKW zu verfügen. Der Angeklagte befand sich auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle. Er war mit dem PKW von einem Kollegen abgeholt worden, welcher das Fahrzeug möglicherweise mit den Worten, ihm gehe es nicht gut, verlassen hatte, weswegen sich der Angeklagte veranlasst war, seinerseits den PKW weiter zu steuern.

III.

Aufgrund der Beschränkungen der Berufungen auf das Strafmaß ist die Kammer zunächst von den folgenden erstinstanzlich zur Sache getroffenen Feststellungen ausgegangen:

"Am 01.08.20... wurde der Angeklagte morgens von seinem Arbeitgeber gebeten, eine Pakettour zu fahren. Eigentlich war der Angeklagte an diesem Tag nicht für das Ausfahren von Paketen eingeteilt. Nachdem er im Depot des Paketdienstes einige Pakete eingeladen hatte, befuhr der Angeklagte mit dem weißen Auslieferungsfahrzeug mit der Aufschrift "DPD", einem Fahrzeug der Marke IVECO Daily C 35 C, amtliches Kennzeichen COE - ... ..., die L 572 aus Richtung Ahaus-Wüllen kommend in Richtung Stadtlohn. Auf der L 572 gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h. Die Wetterverhältnisse waren am Unfalltag gut, es schien die Sonne. Die Sichtverhältnisse an der Unfallstelle waren gut, die L 572 ist an der Unfallstelle übersichtlich und breit ausgebaut, die Straßenführung ist gerade."

...

"Kurz bevor der Angeklagte gegen 10.50 Uhr mit seinem Fahrzeug den Einmündungsbereich zur L 608 Richtung Vreden, aus seiner Fahrtrichtung rechts der L 572 liegend, erreichte, bog die Zeugin X mit ihrem Fahrzeug aus der L 608 aus Vreden kommend nach rechts auf die L 572 in Richtung Stadtlohn ein. Der Zeugin X fiel bei dem vor Einleitung des Abbiegens getätigten Blick nach links das Fahrzeug des Angeklagten von weitem auf. Allein seines schnelleren Fortkommens Willen und ohne Vergewisserung eines gefahrlosen Überholens sowie unter Missachtung von Nr. 72 der Anl. 2 zur Straßenverkehrsordnung setzte der Angeklagte über die in seiner Fahrtrichtung im Einmündungsbereich zur L 608 gelegenen Sperrfläche zum Überholen des in diesem Moment noch weiter entfernten PKW der Zeugin X an, obwohl für ihn erkennbar war, dass sich auf der Gegenfahrbahn Fahrzeuge näherten. In diesem Moment befuhr nämlich die Zeugin W mit ihrem Beifahrer, dem Zeugen C, mit ihrem schwarzen Fahrzeug PKW Skoda, amtliches Kennzeichen BOR - # ...#, die L 572 aus Richtung Stadtlohn kommend. Sie beabsichtigte, über die Linksabbiegerspur nach links in Fahrtrichtung Vreden auf die L 608 abzubiegen. Hinter der Zeugin befuhr der am 16.11.19... geborene Unfallbeteiligte Herr B mit dem Beifahrer, dem Zeugen T, mit dem PKW Dacia Duster, amtliches Kennzeichen BOR - ..., ebenfalls die L 572 aus Richtung Stadtlohn kommend in Richtung Ahaus. In dem Moment, als sich der Angeklagte entschloss, über die vor der Einmündung nach rechts in die L 608 befindliche Sperrfläche zu fahren, um das auf seine Fahrbahn einbiegende Fahrzeug der Zeugin X zu überholen, entschloss sich die Zeugin W, in die Linksabbiegerspur einzufahren. Die Zeugin setzte sodann den linken Blinker und fuhr in die Linksabbiegerspur ein. Der Angeklagte, der mit seinem Fahrzeug in diesem Moment die Sperrfläche überfuhr, konnte die Zeugin und den Gegenverkehr in diesem Moment bereits wahrnehmen. Der Angeklagte befuhr jedoch die Sperrfläche geradeaus weiter und befuhr sodann verbotswidrig die Linksabbiegerspur des Gegenverkehrs und nahm dabei in Kauf, dass es zu einer Gefährdung der Zeugin W und ihres Beifahrers sowie des nachfolgenden Verkehrs kommen konnte. Unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt reduzierte der Angeklagte weder seine Geschwindigkeit, noch lenkte er auf den in Richtung Stadtlohn führenden Fahrstreifen zurück, obwohl ihm erkennbar das Fahrzeug der Zeugin W auf der Linksabbiegerspur des Gegenverkehrs entgegenkam. Der entgegenkommenden Fahrerin W war es nicht mehr möglich, auf das verkehrswidrige Überholen des Angeklagten und das Befahren der Linksabbiegerspur durch ein im Bereich einer verkehrsüblichen Reaktion liegendes Brems- und Ausweichmanöver zu reagieren und so einen Unfall abzuwenden. Daher kam es ca. 40 m vor der Einmündung auf der Linksabbiegerspur bzw. dem in Richtung Ahaus führenden Fahrstreifen zu einer Kollision des Fahrzeugs des Angeklagten zunächst frontal mit dem PKW der Zeugin W, obwohl diese durch ein Ausweichmanöver nach rechts noch versuchte, eine Kollision zu vermeiden. Im Zeitpunkt der Kollision hatte das Fahrzeug des Angeklagten eine Geschwindigkeit von ca. 75 bis 90 km/h. Die Zeugin W befuhr die Linksabbiegerspur im Zeitpunkt der Kollision mit einer Geschwindigkeit von ca. 15 bis 20 km/h. Im Zuge des Zusammenpralls beider Fahrzeuge wurde der PKW der Zeugin W zurückgeschleudert und das Fahrzeug des Angeklagten aus seiner ursprünglichen Fahrtrichtung weiter nach links in Richtung Mehrzweckstreifen abgelenkt. Auf diesem Weg ist der Transporter des Angeklagten dann mit dem aus Richtung Stadtlohn kommenden PKW Dacia des Unfallbeteiligten B zusammengestoßen. Für den Unfallbeteiligten B, der noch eine Lenkbewegung zum Ausweichen machte, war die Kollision unvermeidbar. Infolge dieser Kollision kam der Lieferwagen des Angeklagten auf dem Mehrzweckstreifen der Gegenfahrbahn zum Stillstand. Das Fahrzeug des Unfallbeteiligten B wurde über den Grünstreifen auf das anliegende Kornfeld geschleudert. Das Fahrzeug des Unfallbeteiligten B hatte im Zeitpunkt der Kollision eine Geschwindigkeit von ca. 75 km/h. Infolge der Kollision mit dem Fahrzeug des Angeklagten wurde der Unfallbeteiligte Herr B tödlich verletzt. Die Zeugin W wurde leicht verletzt und hatte Schmerzen am Knie. Sie erlitt zudem aufgrund des Unfallereignisses eine Augenverletzung, was zur Folge hat, dass sie auch heute noch alles doppelt sieht. Der Zeuge T erlitt durch die Kollision eine Prellung im Beckenbereich, der Zeuge C eine schwere Prellung im Beckengurtbereich sowie Schnittverletzungen.

An den Fahrzeugen entstand jeweils ein Totalschaden von 8.000 € sowie von 10.000 €. Auch das Fahrzeug des Angeklagten wurde beschädigt."

Die Kammer hat die folgenden ergänzenden Feststellungen zur Sache getroffen:

Nachdem der Angeklagte kurz zuvor während der Fahrt auf der L 572 in Richtung Stadtlohn ein Paket ausgeliefert hatte, erreichte er zunächst die etwa zwei Kilometer vor dem Kollisionsort liegende Einmündung X-Straße, welche in seiner Fahrrichtung gesehen ebenfalls rechtsseitig der L 572 liegt. Als der Angeklagte sich der Einmündung näherte, befuhr diese der Zeuge S mit seinem PKW VW Caddy. Der Zeuge kam von seinem nahe gelegenen Wohnort X-Straße ... und bog nach rechts in die L 572 ein.

Auch in diesem Einmündungsbereich befindet sich für den aus Richtung Stadtlohn kommenden Verkehr eine gesonderte Linksabbiegerspur mit davorliegender durchgezogener Linie zwischen den beiden Fahrspuren für den Verkehr in Richtung Ahaus und den Gegenverkehr (Zeichen 297, lfd. Nr. 70 und 295, lfd. Nr. 68 zur Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO). Der Linksabbiegerspur gegenüberliegend befindet sich vor der Einmündung aus der Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen ebenfalls eine Sperrfläche (Zeichen 298, lfd. Nr. 72 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).

Der Angeklagte näherte sich dem Einmündungsbereich mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 100 km/h, als er das in seine Fahrtrichtung einbiegende Fahrzeug des Zeugen S wahrnahm. Obgleich dieser sein Fahrzeug nach der Einfahrt in die L 572 beschleunigte, hätte der Angeklagte seine Geschwindigkeit verringern müssen, um im Einmündungsbereich vorschriftsmäßig zunächst hinter dem Fahrzeug des Zeugen zu bleiben. Dieser fuhr, als der Angeklagte sein Fahrzeug erreichte, mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 bis 80 km/h fuhr. Eine Verringerung seiner Fahrgeschwindigkeit wollte der Angeklagte indes im Interesse seines schnelleren Fortkommens vermeiden. Er setzte daher noch im Einmündungsbereich zum linksseitigen Überholen des Zeugen an. Unter Überfahren der Linksabbiegerspur und der durchgezogenen Linie überholte der Angeklagte den PKW des Zeugen S und setzte sodann seine noch wenige Minuten dauernde Fahrt bis zum Kollisionsort fort.

Vor der Kollision mit dem PKW der Zeugin W bremste der Angeklagte sein Fahrzeug möglicherweise noch geringfügig auf die festgestellte Kollisionsgeschwindigkeit von 75 bis 90 km/h herunter. Grund dafür, dass der Angeklagte nicht bereits zuvor bei Befahren der Linksabbiegerspur, als er das ihm entgegen kommende Fahrzeug der Zeugin W nach den obigen Feststellungen wahrnahm, zur Vermeidung einer Kollision bremste und/oder auf den rechten Fahrstreifen auswich, war, dass der Angeklagte die Überholfahrt auch in dieser Situation nicht unter Reduzierung seiner Geschwindigkeit abbrechen wollte. Zur in dieser Situation noch möglichen Kollisionsvermeidung setzte er stattdessen darauf, dass es ihm entweder gelingen würde, noch rechtzeitig vor dem - gegebenenfalls auch Platz machenden - Fahrzeug X wieder nach rechts einscheren zu können, oder aber darauf, dass die Zeugin W seinem Fahrzeug ausweichen werde.

Der Angeklagte, der bei der Auslieferungsfahrt unter Zeitdruck stand, war nicht angegurtet. Um zu vermeiden, dass die Technik des von ihm geführten Transporters deswegen wiederholt eine unangenehmen Signalton auslöste, hatte er die Gurtzunge in das Gurtschloss gesteckt und sich sodann auf das Gurtband gesetzt. Gleichwohl wurde der Angeklagte bei dem Unfall nur leicht verletzt. Der Angeklagte denkt noch heute oft an das Unfallgeschehen und daran, dass auch er selbst bei dem Unfall hätte sterben können.

Die Unfallgeschädigten B, W, C und T waren demgegenüber angeschnallt. Die Unfallbeteiligte W hatte vor der Kollision nach Wahrnehmung des ihr auf der Linksabbiegerspur entgegen kommenden Transporters des Angeklagten noch durch eine starke Bremsung neben dem Ausweichmanöver nach rechts versucht, den Zusammenstoß zu vermeiden.

Die Zeugin W leidet infolge des Unfallgeschehens bis heute unter einer Augenmuskellähmung, wegen derer sie nach wie vor häufiger unter Doppelsichtigkeit sowie unter Kopfschmerzen leidet. Sie musste deswegen ihr Hobby, das Bogenschießen, aufgeben. Voraussichtlich wird sie sich längerfristig einer Augenoperation unterziehen müssen. Die Zeugin W war infolge des Unfallgeschehens zwei bis drei Wochen krankgeschrieben.

Der Zeuge C befand sich nach dem Unfallgeschehen für mehrere Tage in stationärer Behandlung, weil ein Verdacht auf innere Verletzungen vorlag, welcher sich nicht bewahrheitete. Er war hiernach noch etwa eine Woche krankgeschrieben. Die Erinnerung an die gefährliche Unfallsituation mit den schweren Folgen verfolgt ihn bis heute.

Der 41 Jahre gewordene Zeuge B hinterlässt zwei minderjährige Kinder. Die Schmerzensgeldansprüche des Zeugen C sind vom Haftpflichtversicherer des vom Angeklagten geführten Fahrzeuges mit 900 € ausgeglichen worden. Auf die Ansprüche der Zeugin W sowie der Hinterbliebenen des getöteten B sind Teilleistungen in nicht näher festgestelltem Umfang gezahlt worden.

Gegenüber der Polizei und im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung ließ sich der Angeklagte zur Ursache des Unfallgeschehens jeweils dahin, dass die Zeugin W als Linksabbiegerin den Unfall mit den schweren Folgen verursacht habe, weil sie ihm im Einmündungsbereich die Vorfahrt genommen habe, während er dort die Geradeausspur in Fahrtrichtung Stadtlohn befuhr.

Der Zeuge C hat rechtzeitig am 04.08.20... Strafantrag gestellt. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft mit Anklageerhebung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

IV.

Die Feststellungen der Kammer zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten sowie zu seinem Werdegang beruhen auf dessen glaubhaften Angaben sowie auf den verlesenen Auszügen aus dem Bundeszentralregister und dem Fahreignungsregister. Der Angeklagte hat nach Vorhalt der sich aus dem Fahreignungsregister ergebenden Geschwindigkeitsüberschreitung vom 10.06.20... eingeräumt, auch nach Erhalt des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in diesem Verfahren noch an dem festgestellten Tag gefahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Die Feststellungen zu den Umständen dieser Fahrt beruhen ebenfalls auf seinen Angaben.

Die oben wiedergegebenen erstinstanzlich getroffenen Feststellungen zur Sache hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung als zutreffend bestätigt.

Die ergänzenden Feststellungen der Kammer beruhen ebenfalls auf seiner Einlassung, soweit die Kammer dieser zu folgen vermochte und die Ereignisse seiner Wahrnehmung unterlagen. Im Übrigen beruhen die ergänzenden Feststellungen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.

Abweichend hat der Angeklagte sich zu seinem Fahrverhalten an der Einmündung X-Straße in die L 572 eingelassen. Hier habe er das in seine Fahrtrichtung in die L 572 einfahrende Fahrzeug des Zeugen S zwar mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 100 km/h überholt. Es könne auch sein, dass er im Einmündungsbereich noch in Höhe der Linksabbiegerspur und der sich anschließenden durchgezogenen Linie überholt habe. Diese habe er aber nicht oder nur geringfügig überfahren, da der eher langsam fahrende Zeuge ihm ein Verbleiben im Wesentlichen auf der rechten Fahrspur durch eine Fahrt sehr weit rechts unter Nutzung des rechtsseitigen Mehrwegstreifens ermöglicht habe.

Dafür, warum er nicht frühzeitig gebremst habe und/oder nach rechts ausgewichen sei, als er das Fahrzeug der Zeugin W wahrnahm, vermochte der Angeklagte keine Erklärung zu geben.

Dass er bis zur Berufungshauptverhandlung wahrheitswidrig behauptet habe, der Unfall sei auf eine Vorfahrtspflichtverletzung der Zeugin W zurückzuführen, beruhe darauf, dass er große Angst gehabt habe und sich für sein Verhalten auch vor seiner Familie geschämt habe. Er selber leide psychisch bis heute unter dem Geschehen, bei welchem auch er selbst hätte sterben können. Er denke oft an den Getöteten und seine Familie.

Die Feststellungen der Kammer zu dem Überholmanöver des Angeklagten an der Einmündung X beruhen auf den verlesenen erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen S sowie auf den Bekundungen des Zeugen PHK L dazu, was der Zeuge S im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 04.08.20... dazu geschildert hat. Der Zeuge hat das Geschehen danach erstinstanzlich bzw. gegenüber der Polizei wie festgestellt geschildert. Der nahe der Einmündung wohnende Zeuge ist ortkundig, so dass Zweifel an der zutreffenden Beschreibung des Einmündungsbereichs nicht bestehen. Damit übereinstimmend ist dieser zudem von dem Verkehrssachverständigen N, der diesen Bereich in seine Betrachtung einbezogen hat, der Kammer vermittelt worden. Der Zeuge S hat auf entsprechende Nachfrage erstinstanzlich ausdrücklich verneint, dass er den rechten Fahrstreifen für den Angeklagten unter Nutzung des Mehrzweckstreifens frei gemacht habe. Der im Übrigen unbeteiligte Zeuge ist uneingeschränkt glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft. Der Zeuge hat das grob verkehrswidrige Fahrmanöver des Angeklagten passend zu dem objektiven Geschehen unter Wiedergabe seines Gedankens "was ein verrückter Fahrer" beschrieben.

Die Feststellungen der Kammer dazu, warum der Angeklagte trotz des ihm entgegen kommenden PKW der Zeugin W bei Erreichen der Linksabbiegerspur nicht stark bremste bzw. nach rechts auswich, beruhen auf folgendem:

Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten eine Kollision der Fahrzeuge mit der Möglichkeit auch ganz erheblicher Schäden für seine Gesundheit und das von ihm gefahrene Fahrzeug Recht war, gibt es nicht. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Angeklagte bei seiner Fahrt darauf vertraute, es werde letztlich schon gut gehen. Da zur Vermeidung einer Kollision andere Möglichkeiten, als die oben im Rahmen der ergänzenden Feststellungen genannten, neben der vom Angeklagten nicht vorgenommenen starken Bremsung und/oder Ausweichfahrt nicht mehr in Betracht kamen, ist davon auszugehen, dass der Angeklagte auf diese noch denkbaren Abläufe zur Vermeidung einer Kollision setzte. Hierzu war er bereit, hohe Risiken für die Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer und sich selbst einzugehen, wobei die Bereitschaft des Angeklagten zur Selbstgefährdung neben seiner riskanten Fahrweise auch dadurch belegt wird, dass er bei der Fahrt nicht angeschnallt war. Der Angeklagte hat diesen Umstand auf Vorhalt des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens eingeräumt. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass bei seiner Untersuchung der verunfallten Fahrzeuge die Schlosszunge des Fahrergurts des vom Angeklagten gefahrenen Transportes im Gurtschloss eingerastet war und der Aufrollmechanismus des Gurtes unbeeinträchtigt war. Hieraus - so der Sachverständige überzeugend - sei zu schlussfolgern, dass der Angeklagte auf dem Gurt gesessen habe, da der Aufrollmechanismus des Gurtes für den Fall, dass der Angeklagte bei der Kollision mit der anzunehmenden Stärke in den Gurt gedrückt worden wäre, feststellbar blockiert gewesen wäre. Dies sei bei den anderen unfallbeteiligten Personen, die demnach sämtlich angeschnallt gewesen seien, auch der Fall gewesen. Als Grund dafür, dass der Angeklagte die Gurtzunge im Gurtschluss überhaupt einrasten ließ, schlussfolgert die Kammer danach, ebenso wie der Sachverständige, die Vermeidung des sonst von der Fahrzeugtechnik ausgelösten lästigen Signaltons.

Die Feststellungen zu den Schäden an den verunfallten Fahrzeugen beruhen ebenfalls auf den Ausführungen des Sachverständigen sowie auf den Bekundungen Zeugin W. Auf deren Bekundungen und denjenigen des Zeugen C beruhen auch die ergänzenden Feststellungen zu den Unfallfolgen für diese Geschädigte.

V.

Der Angeklagte hat sich danach der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 222, 315 c Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 1, 229, 223, 52 StGB strafbar gemacht.

VI.

Bei der Strafzumessung ist gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB der Strafrahmen des § 222 StGB zugrunde gelegt worden.

Innerhalb dieses Strafrahmens sind die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen worden.

Zu Gunsten des Angeklagten hat Berücksichtigung gefunden, dass er das Tatgeschehen nunmehr eingeräumt hat und auch durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß zum Ausdruck gebracht hat, dass er zu seinem Fehlverhalten stehen will. Mildernd hat weiter Berücksichtigung gefunden, dass der Angeklagte sich wiederholt bei den Geschädigten bzw. den Hinterbliebenen des getöteten B entschuldigt hat und sein Bedauern zum Ausdruck gebracht hat. Auch hat Berücksichtigung gefunden, dass der Angeklagte selbst bei dem Unfallgeschehen leicht verletzt worden ist und noch heute oft an dieses in dem festgestellten Sinne denkt. Weiter hat die Kammer gesehen, dass der Angeklagte infolge des Unfallgeschehens und des vorläufigen Verlustes seiner Fahrerlaubnis seine Tätigkeit als Auslieferungsfahrer aufgeben musste und seitdem lediglich in geringfügigem Umfang bei der Firma DPD als Arbeiter im Depot mit nicht unerheblichen Einkommenseinbußen eingesetzt werden konnte. Die Kammer hat des Weiteren gesehen, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.

Zu Lasten des Angeklagten musste sich demgegenüber auswirken, dass er nicht nur den Tatbestand der fahrlässigen Tötung grob sorgfaltswidrig verwirklicht hat, sondern tateinheitlich damit zwei weitere Straftatbestände, wobei die fahrlässige Körperverletzung zu Lasten von drei Menschen begangen worden ist, von welchen die Zeugin W noch heute unter körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund des Unfallgeschehens leidet. Strafschärfend waren zudem die verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten zu berücksichtigen. Dieser hatte nur wenige Monate vor dem hier verfahrensgegenständlichen Geschehen, nämlich am 07.05.20... durch eine Vorfahrtsverletzung einen Verkehrsunfall verursacht, was ihn nicht dazu veranlasst hatte, von der bei der verfahrensgegenständlichen Tat an den Tag gelegten sehr risikoreichen Fahrweise abzusehen.

Nach Abwägung dieser Umstände hielt die Kammer die Verhängung der vom Amtsgericht angeordneten Freiheitsstrafe von

einem Jahr drei Monaten

für tat- und schuldangemessen und hat ebenfalls auf diese erkannt.

Die Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

Zwar mag aufgrund des bisherigen Lebensweges des Angeklagten, dabei insbesondere dem Umstand, dass er strafrechtlich unvorbelastet ist, von einer günstigen Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB auszugehen sein.

Besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB, welche nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten auch die Vollstreckung der hier verhängten über ein Jahr Freiheitsstrafe liegenden Strafe ermöglichen, vermag die Kammer jedoch nicht zu sehen. Dabei ist der Kammer bewusst, dass der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 56 Abs. 2 StGB nicht zu eng auszulegen ist, vielmehr alle Umstände besonderen Gewichts zu berücksichtigen sind, die trotz des Unrecht- und Schuldgehalt die Strafaussetzung als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwider laufen erscheinen lassen (vgl. OLG Hamm DAR 1990, 380), wobei sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben kann (vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage, § 56 Rn. 20-22 m.w.N.). Die Kammer hat sich hier nochmals die oben zu Gunsten des Angeklagten genannten Gesichtspunkte vergegenwärtigt und insbesondere seine bisherige Unbestraftheit und das in der Berufungsinstanz erfolgte Geständnis berücksichtigt. Die genannten Gesichtspunkte stellen jedoch weder jeweils für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit vor dem Hintergrund des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich maßgeblich aus der rücksichtslosen und risikobereiten Fahrweise des Angeklagten mit den darauf zurückzuführenden schweren Tatfolgen ergibt, Umstände solchen besonderen Gewichts im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB dar, welche es rechtfertigten, die hier verhängte Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.

Die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung schied aber auch deshalb aus, weil deren Vollstreckung im Sinne von § 56 Abs. 3 StGB zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten ist. Nach § 56 Abs. 3 StGB wird bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet. Ein solcher Fall ist dann anzunehmen, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (BGHSt 24, 40 ff. 46).

Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Trunkenheitsdelikte im Straßenverkehr, aber auch schwerste Verkehrsverstöße dann, wenn diese Zuwiderhandlungen mit erheblichen, insbesondere tödlichen Unfallfolgen einhergehen, ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden erfordern, weswegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung häufig näherliegen kann als deren Bewilligung. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Strafaussetzung für derartige Taten von vornherein ausgeschlossen wäre. Eine allseitige Würdigung von Tat und Täter ist jeweils bei der Entscheidung erforderlich, ob es gerade wegen dieser Tat oder dieses Täters zur Durchsetzung der Rechtsordnung geboten erscheint, die Strafe zu vollstrecken. Dabei muss im Einzelfall geprüft werden, ob die rechtstreue Bevölkerung in Kenntnis aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände die Strafaussetzung verstehen und billigen oder durch eine solche Entscheidung in ihrem Rechtsgefühl verletzt und in ihrer Rechtstreue ernstlich beeinträchtigt würde. Dabei hat die Kammer gesehen, dass nicht jede Missachtung von Verkehrsvorschriften, auch wenn dies mit tödlichen Folgen einhergeht, eine derart nachdrückliche Sanktion verlangt. Der Verkehrsverstoß muss vielmehr neben den durch ihn verursachten schweren Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweisen und Ausdruck einer verbreiteten Einstellung sein, welche die Geltung des Rechts nicht mehr ernst nimmt. In Betracht kommen daher nur besonders grobe und rücksichtslose Verstöße, wie diese etwa in der Bestimmung des § 315 c StGB umschrieben sind (vgl. OLG Karlsruhe NZV 2008, 467 bis 469).

Eine derartige besonders grobe und rücksichtslose Pflichtverletzung des Angeklagten liegt hier nach Auffassung der Kammer vor. So liegen die Eingangsvoraussetzungen des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB vor und ist das Verhalten des Angeklagten zur Überzeugung der Kammer auf eine verkehrsfeindliche und aus eigennützigen Beweggründen geprägte Motivation zurückzuführen. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Angeklagte schon an der dem Unfallort vorangegangenen Einmündung X in vergleichbarer Weise unter Überfahren der Linksabbiegerspur den PKW des Zeugen S überholt hatte. Auch dieses grob verkehrswidrige Überholmanöver nahm der Angeklagte vor, weil er eine Verringerung seiner Fahrgeschwindigkeit im Interesse seines möglichst schnellen Fortkommens vermeiden wollte. Das Fahrverhalten entspricht demjenigen, welches hinter der Einmündung der L 608 zu den Fahrzeugkollisionen mit den schweren Folgen geführt hat. Hieraus, aus dem zum Unfall führenden Fahrverhalten des Angeklagten selbst sowie aus dem weiteren verkehrsrechtlichen Vor- und Nachtatverhalten des Angeklagten schlussfolgert die Kammer, dass die Tat auf eine dauerhaft verkehrsfeindliche und aus eigennützigen Beweggründen geprägte Motivation des Angeklagten zurückgeht. Bei dem Tatgeschehen handelt es sich nicht etwa um eine lediglich falsche Einschätzung einer Verkehrssituation oder eine bloße Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit einem Kraftfahrzeug, wodurch sich nur eine dem Straßenverkehr eigentümliche generelle Gefahrenlage, der auch ein ansonsten besonnener Verkehrsteilnehmer einmal ausgesetzt sein kann, verwirklicht. Auch handelt es sich nicht um ein bloßes spontanes Fehlverhalten. Vielmehr zeigt das zum Unfall führende Fahrverhalten des Angeklagten vor dem Hintergrund seines Vor- und Nachtatverhaltens, dass der Angeklagte sich ohne Bedenken über Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt hat. Ein derartiges besonders rücksichtsloses und mit dem Tode eines anderen Menschen sowie der Körperverletzung dreier weiterer Menschen einhergehendes Verhalten gebietet nach Auffassung der Kammer trotz Berücksichtigung der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe, weil eine Strafaussetzung zur Bewährung bei der informierten Bevölkerung auf völliges Unverständnis stoßen und deren Rechtsgefühl und Rechtstreue ernstlich zu beeinträchtigen in der Lage wäre.

Durch die Tat hat der Angeklagte sich zudem als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB erwiesen. Besondere Umstände, welche die sich aus der Verwirklichung des Regelbeispiels des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB gebende Vermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen zu widerlegen geeignet sind, sind nicht ersichtlich.

Unter nochmaliger Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer für die gemäß § 69 a Abs. 1 StGB anzuordnende Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis einen langen Zeitraum von noch fünf Jahren für angemessen erachtet. Der Kammer ist bewusst, dass es sich bei dieser Anordnung um die nach den gesetzlichen Vorgaben höchste zeitliche Dauer einer Sperrfrist handelt. Diese erschien aber gleichwohl angesichts des schweren Verkehrsversagens des Angeklagten erforderlich, um die Allgemeinheit vor dem charakterlich ungeeigneten Kraftfahrzeugführer zu schützen. Dabei hat auch Berücksichtigung gefunden, dass der Angeklagten trotz der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in diesem Verfahren am 10.06.20... in Kenntnis dieses Umstandes verbotswidrig wieder ein führerscheinpflichtiges Fahrzeug geführt und hierbei zudem eine nicht unerhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Der Angeklagte ist offenbar nicht bereit, sich an elementare Vorschriften des Straßenverkehrs zu halten.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.

Lukas Jozefaciuk