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LG Duisburg, Urteil vom 29.04.2016 - 7 S 61/15

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 10.06.2015, Az. 52 C 2847/14, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Gegen den Kläger war - neben drei weiteren in den Jahren 2012/2013 gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren wegen Straßenverkehrsdelikten - bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin ein Strafverfahren wegen des Verdachts des fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB anhängig, Az. 3101 Js 34367/12. Dem Kläger wurde vorgeworfen, einen ihm nachfolgenden Lkw bewusst zu einer Gefahrbremsung gezwungen zu haben. Wegen dieser Tat wurde der Kläger vom Amtsgericht Neuruppin am 17.06.2013 zunächst wegen Nötigung gem. § 240 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 55,00 EUR verurteilt. Der seinerzeit für den Kläger zunächst tätige Verteidiger legte namens und im Auftrag des hiesigen Klägers Berufung gegen das Urteil ein. Nach zweimaligem Wechsel des Verteidigers bestellte sich der hiesige Beklagte mit Schriftsatz vom 19.09.2013 als Verteidiger des hiesigen Klägers gegenüber dem Landgericht Neuruppin. Der Kläger zahlte an den Beklagten auf dessen Anforderung einen Vorschuss in Höhe von 1.500,00 Euro, von denen letztlich 381,43 Euro rückerstattet wurden (vgl. Abrechnungsschreiben Bl. 39 d.A.). Im Vorfeld des Hauptverhandlungstermins vor dem Berufungsgericht entspann sich zwischen den Parteien ein Schriftwechsel zur Vorgehensweise im Berufungsverfahren, zu dessen Einzelheiten auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. 128 ff. d.A.) Bezug genommen wird. Letztlich teilte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2014 (Bl. 100 d.A.) mit, dass er sich nicht dazu durchringen könne, das Verfahren mit dem Beklagten fortzusetzen, und bat um Abrechnung seiner Bemühungen. In der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Neuruppin am 05.05.2014 wurde das Strafverfahren gegen den Kläger gem. § 153 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem dieser eine am 24.01.2014 gefertigte gutachterliche Stellungnahme des von ihm beauftragten Sachverständigen M2 (Bl. 133 ff. d. BA) vorgelegt hatte.

Mit der hiesigen Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Rückzahlung des von diesem vereinnahmten Honorars in Anspruch.

Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass ein Anspruch des Klägers aus § 280 BGB nicht bestehe, weil eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht feststellbar sei. So lasse der Klägervortrag nicht erkennen, welche Beweisanträge der Beklagte zu stellen der Beklagte unterlassen haben solle. Darüber hinaus wäre es auch in der später anstehenden Hauptverhandlung noch möglich gewesen, sachdienliche Beweisanträge zu stellen. Auch habe der Beklagte nicht pflichtwidrig gehandelt, indem er gegen Weisungen des Klägers verstoßen hätte. Denn zum Einen habe er auf berechtigte Bedenken gegen die Befolgung von Weisungen hingewiesen und zum Anderen ein persönliches Gespräch zu den noch offenen Fragen angeboten. Schließlich sei der Beklagte als Organ der Rechtspflege auch nicht verpflichtet, den Weisungen des Klägers, die auf eine unsachliche und aggressive Verfahrensführung abzielten, nachzukommen. Entgegen der Ansicht des Klägers habe sich der Beklagte auch nicht geweigert, die Bearbeitung der Verteidigung fortzusetzen. Vielmehr habe er umgekehrt stets signalisiert, die Sache weiter prüfen und mit dem Kläger mündlich erörtern zu wollen. Schließlich sei auch eine fehlerhafte Abrechnung mangels Bestreiten der Gebührenhöhe seitens des Klägers nicht feststellbar.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er rügt insbesondere, dass das Amtsgericht fehlerhaft eine Pflichtverletzung des Beklagten verneint habe, denn jedenfalls in der Missachtung der Weisung des Klägers, ein Gutachten zur Heftigkeit der Bremsung des dem Kläger nachfolgenden Lkw einzuholen, liege ein Pflichtverstoß. Auch habe der Beklagte ihm unrichtige Auskünfte erteilt, weil er die Zulässigkeit eines Beweisantrags als von der Unrichtigkeit einer Zeugenaussage abhängig dargestellt habe. Auch die Auskunft, man könne keine Fragen aufwerfen, die das Gericht zwängen, ein Gutachten einzuholen, sei falsch gewesen. Ein Gutachten hätte aber - wie geschehen - zumindest zu einer Einstellung des Verfahrens gegen den Kläger geführt. Über die Möglichkeit, eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153 StPO zu erreichen, habe der Beklagte ihn pflichtwidrig nicht aufgeklärt.

Der Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Beklagte ist dem Kläger nicht zur Rückerstattung des Anwaltshonorars aus der Beauftragung zur Vertretung im Strafverfahren StA Neuruppin, Az. 3101 Js 34367/12, verpflichtet.

1.

Ein derartiger Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 628 Abs. 1 S. 2 und 3; 346 ff. BGB. Unstreitig ist der Beklagte vom Kläger mit der Wahrnehmung seiner Rechte im seinerzeitigen Strafverfahren vor dem Landgericht Neuruppin beauftragt worden. Damit ist zwischen den Parteien ein wirksamer Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter über Dienste höherer Art zustande gekommen, auf den insbesondere auch die Vorschriften der §§ 627; 628 BGB Anwendung finden (BGH NJW 1965, 106; Palandt/Sprau, BGB, Kommentar, 74. Aufl. 2015, § 675, Rn. 23).

a) Diesen Vertrag hat der Kläger als Dienstberechtigter mit Schreiben vom 26.01.2014 (Bl. 100 d.A.) wirksam gem. § 627 Abs.1 BGB gekündigt, ohne dass es eines Kündigungsgrundes bedurfte, da es sich bei den vom Rechtsanwalt zu erbringenden Dienstleistungen regelmäßig um Dienste höherer Art handelt (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 627, Rn. 2 m.w.N.).

b) Da der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gem. §§ 2; 14 RVG i.V.m. Ziff. 4100; 4124; 7002; 7008 VV RVG mit der Beauftragung entsteht, und eine vorzeitige Beendigung der Angelegenheit den bereits entstandenen Gebührenanspruch gem. § 15 Abs. 4 RVG nicht beeinflusst, hat der Beklagte trotz der Kündigung einen Anspruch auf die Zahlung der vollen für die Vertretung im Berufungsverfahren anfallenden Gebühren behalten und ist nicht auf einen Teilvergütungsanspruch gem. § 628 Abs. 1 S. 1 BGB beschränkt.

c) Der Gebührenanspruch des Beklagten ist auch nicht gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB dadurch entfallen, dass er die Kündigung des Klägers durch sein vertragswidriges Verhalten veranlasst hat und seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Kläger nicht mehr von Interesse sind. Grundsätzlich kommt ein Interessewegfall des Mandanten regelmäßig dann in Betracht, wenn er nach der Kündigung einen anderen Rechtsanwalt beauftragen muss, mit dessen Vergütung auch die Tätigkeit des ersten Rechtsanwalts abgegolten wäre (vgl. nur BGH NJW-RR 2012, 294 m.w.N - zitiert nach juris, dort Rn. 13). Im vorliegenden Fall kann letztlich dahinstehen, ob von einem Interessewegfall i.S.d. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB auszugehen ist, obwohl der Kläger auf den Rat des Beklagten schon vor der Kündigung des Dienstvertrags ein Privatgutachten zur Verzögerung des nachfolgenden Lkw eingeholt und auf dieser Grundlage letztlich die Einstellung des Verfahrens erreicht hat. Denn jedenfalls war die Kündigung des Klägers nicht durch ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten veranlasst.

Ein vertragswidriges Verhalten setzt eine schuldhafte, nicht nur geringfügige Verletzung der Pflichten aus dem Dienstvertrag, nicht jedoch das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 S. 1 BGB voraus (BGH NJW 2011, 1674 - zitiert nach juris, dort Rn. 13 ff.). Kleinere Fehler, deren Folgen ohne Schwierigkeiten zu beseitigen sind, reichen zur Annahme eines vertragswidrigen Verhaltens nicht aus. Vielmehr muss dem Dienstverpflichteten ein vorwerfbarer gravierender Fehler unterlaufen sein, der das Vertrauen des Dienstberechtigten in den Dienstverpflichteten erschüttert und den Dienstberechtigten zu dem Ergebnis geführt hat, dass ihm die Entgegennahme weiterer Leistungen nicht zumutbar ist (OLG Karlsruhe Urt. v. 20.01.1988; Az. 1 U 166/87 - zitiert nach juris nur LS). Eine an diesen Maßstäben gemessene Pflichtverletzung des Beklagten, die den Kläger zur Kündigung veranlasst hat, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH NJW 1997, 188; 2011, 1674; - beide zitiert nach juris) nicht dargetan.

aa) Eine derartige nicht nur geringfügige Pflichtverletzung des Beklagten ergibt sich insbesondere nicht aus dem Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur auf dem Fahrtenschreiber dokumentierten Verzögerung des Lkw. Zunächst war der Beklagte nicht gehalten, vor der Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht ein Privatgutachten zur Verzögerung des Lkw einzuholen. Denn die Erhebung von Beweisen stellt zwar ein strafprozessuales Recht, nicht aber eine durch den Mandatsvertrag begründete Pflicht dar, deren Verletzung zur Haftungsbegründung führt (vgl. für den Bereich der zivilrechtlichen Mandate BGH VersR 1960, 911; NJW 1985, 1154; OLGR München 1997, 35 - sämtlich zitiert nach juris; sowie zum Verteidiger L NStZ 2000, 225, 227 - zitiert nach Beckonline). Der Beklagte schuldete die Einholung eines Gutachtens auch nicht aufgrund einer Weisung des Klägers, weil derartige einseitige Erklärungen den Pflichtenkreis des Dienstverpflichteten nicht erweitern können. Insoweit hat der Beklagte mit seinem - vom Kläger letztlich befolgten - Rat, ein Privatgutachten zur Frage der Verzögerung des Lkw einzuholen, seinen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag genügt, ohne dass es darauf ankäme, ob er zur Benennung eines geeigneten Gutachters hätte in der Lage sein müssen.

Soweit der Kläger erneut im Schriftsatz vom 14.04.2016 unter die Berufung auf die These 25 der von der Bundesrechtsanwaltskammer verabschiedeten "Thesen zur Strafverteidigung" eine Pflicht zur Erhebung eigener Ermittlungen für den vorliegenden Fall bejaht, vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen. Dies gilt selbst dann, wenn man diese Thesen - der Ansicht des Klägers entsprechend - als den Pflichtenkreis des Verteidigers verbindlich festlegend ansehen will. Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht ergibt sich für den vorliegenden Fall zunächst etwas anderes nicht aus den konkreten Umständen des Einzelfalls. Denn bei dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein durchschnittliches Strafverfahren wegen eines im Grundsatz alltäglichen Straßenverkehrsdelikts, wenngleich dem Kläger im Hinblick auf die mit einer etwaigen Verurteilung einhergehende Eintragung im Verkehrszentralregister der Verlust des Führerscheins drohte. Diese objektiv gleichwohl immer noch allenfalls durchschnittliche Bedeutung des Falls rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer nicht, vom Regelfall, dass der Rechtsanwalt zur Erhebung eigener Ermittlungen berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, abzuweichen und ausnahmsweise eine Pflicht zur Erhebung eigener Erhebungen zu begründen. Auch der Wissensstand des Klägers als damaligen Mandanten des Beklagten begründet eine derartige Pflicht zur Erhebung eigener Ermittlungen nicht. Die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens stand zwischen den Parteien außer Streit und der Beklagte hatte mit Schreiben vom 12.11.2013 empfohlen, die Bremsverzögerung durch einen Sachverständigen beurteilen zu lassen, dies vor der Berufungsverhandlung (Bl. 32 d.A.). Schließlich führt auch die Überlegung, der Beklagte hätte selbst ein Gutachten veranlassen müssen, um zu gewährleisten, dass ein etwa ungünstiges Ergebnis in den Schutzbereich der anwaltlichen Schweigepflicht fiele, nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn letztlich verkehrt diese Auffassung ebenfalls das Regel-Ausnahmeverhältnis jedenfalls für Sachverständigengutachten in ihr Gegenteil, weil damit der Rechtsanwalt regelmäßig, wenn nicht gar immer, verpflichtet wäre, selbst die Einholung von Gutachten zu veranlassen.

bb) Soweit der Kläger rügt, dass der Beklagte die Stellung von Beweisanträgen rechtsfehlerhaft als von bestimmten Voraussetzungen abhängig dargestellt habe, trifft dies nicht zu. Die Äußerungen des Beklagten, auf die der Kläger seine Auffassung stützt, fehlerhaft über die Möglichkeiten der Stellung von Beweisanträgen beraten worden zu sein, stellen zum einen eine sachgerechte Reaktion auf die wiederholten Forderungen des Klägers nach einer aggressiven, den Zeugen und die erkennende Strafkammer unter Druck setzende Verteidigungsstrategie dar. Zum anderen ergibt sich aus dem Zusammenhang der zwischen den Parteien gewechselten Schreiben, dass sich die Hinweise nicht generell auf die rechtliche Bewertung, sondern auf die jeweiligen konkret vom Kläger angesprochenen Fragen beziehen. Im Einzelnen gilt:

Die vom Kläger angeführte Formulierung im Schreiben vom 27.12.2013 "Es können Beweisanträge gestellt werden, wenn seine Angaben nachweislich falsch sind (...)" bezieht sich nicht auf die rechtlichen Voraussetzungen eines Beweisantrags. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang des Schreibens und der vorangegangenen Forderung des Klägers im Schreiben vom 17.12.2013, den Zeugen H anzuzeigen, dass sich die Ausführungen des Beklagten auf die Frage bezieht, ob es taktisch angezeigt ist, die Glaubwürdigkeit des Zeugen H vor oder während der strafprozessualen Hauptverhandlung zu erschüttern. Eine Aussage zu den rechtlichen Voraussetzungen von Beweisanträgen als solche enthält das Scheiben demgegenüber nicht.

Die vom Kläger darüber hinaus als fehlerhaft gerügte Formulierung im Schreiben vom 26.11.2013 "Im Übrigen bitte ich Sie zu bedenken, dass wir nicht Fragen aufwerfen können, die das Gericht zwingen, einen Gutachter zu beauftragen. Wir müssen konkrete Tatsachen benennen, die durch den Sachverständigen bewiesen werden" ist als solche nicht fehlerhaft, sondern stellt zutreffend die Anforderungen des § 244 Abs. 3 StPO an die Formulierung eines Beweisantrags dar, der eine konkrete Tatsachen benennen muss, die durch den Antrag unter Beweis gestellt werden soll (vgl. nur BGH NJW 1999, 2683 - zitiert nach juris, dort Rn. 12). Damit reagierte der Beklagte auf die vom Kläger im Schreiben vom 20.11.2013 geäußerte Forderung, es müsse "ein Gutachten mindestens für alle folgenden Fragen gestellt werden", um - wie er in dem Schreiben ebenfalls formulierte - das Gericht "zu Fehlern [zu] zwingen" und dazu zu bringen, "das Recht zu beugen", damit dem Kläger die Revisionsmöglichkeit offen stehe.

cc) Der Beklagte hat ferner nicht gegen die anwaltliche Pflicht verstoßen, den sichersten Weg zu gehen. Zu eigenen Beweiserhebungen war der Beklagte nach den obigen Ausführungen nicht verpflichtet. Eine fehlerhafte Beratung über den sichersten Weg im Übrigen liegt nicht vor. Denn der Beklagte hatte dem Kläger bereits im Schreiben vom 12.11.2013 empfohlen, einen Sachverständigen zur Frage, ob die vom Zeugen H geschilderte Geschwindigkeitsreduzierung bereits den Tatbestand der Nötigung erfüllt, noch "vor einer Berufungsverhandlung" einzuholen. Von dieser Empfehlung ist er auch in der Folge bis zur Kündigung des Mandats nicht mehr abgerückt und der Kläger ist ihr nachgekommen. Das spätere, im hiesigen Prozess angeführte Verteidigungsvorbringen des Beklagten, mit dem er darauf hinweist, dass es taktisch günstiger sein kann, Beweisanträge erst in der Hauptverhandlung zu stellen, vermag eine den Kläger zur Kündigung veranlassende Pflichtverletzung schon zeitlich nicht zu begründen.

dd) Eine Pflichtverletzung des Beklagten liegt auch nicht darin, dass er den Kläger nicht über die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung gem. § 153 StPO aufgeklärt hat. Selbst wenn man unterstellt, dass der Beklagte trotz des vehementen und nachhaltigen Drängens des Klägers auf "100 % Freispruch" zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet war, war dieser jedenfalls zum Zeitpunkt des ungekündigten Anwaltsvertrags (noch) nicht veranlasst. Denn der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, den Mandanten über alle theoretisch in Frage kommenden Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung aufzuklären, sondern er muss die angesichts des Verfahrensstandes realistischerweise in Betracht kommenden Möglichkeiten aufzeigen. Angesichts der erstinstanzlichen Verurteilung des Beklagten durch das Amtsgericht Neuruppin kam eine Einstellung gem. § 153 StPO nicht ernsthaft in Betracht, solange nicht ein Gutachten zur Verzögerung des vom damaligen Zeugen H gesteuerten Lkw vorlag, oder sich sonstige Ansatzpunkte für eine geringe Schuld des Klägers im Zuge der vor dem Landgericht Neuruppin noch durchzuführenden Beweisaufnahme abzeichneten.

d) Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung durch die seinerseits behauptete Pflichtverletzung veranlasst worden sei. Denn zwischen den Parteien wurde nicht nur die Frage, ob und wann ein Sachverständigengutachten eingeholt werden solle, diskutiert, sondern vielmehr auch und deutlich intensiver die Art und Weise der Verteidigung. So stand beim Kläger mehr als die Auseinandersetzung in der Sache die Frage im Vordergrund, wie man auf Gericht und Zeugen so viel Druck ausüben könne, dass das vom Kläger ausweislich seines Schreibens vom 22.11.2013 verfolgte Ziel eines "lupenreinen Freispruchs" und "kein Rechtsgespräch" erreicht werden könne. Diesem Ansinnen ist der Beklagte - seiner Stellung als Organ der Rechtspflege entsprechend - entgegen getreten. Dass er vor diesem Hintergrund nach mehrfachen Gesprächsangeboten auch die Prüfung angeboten hat, einen "Fachanwalt für Verkehrsrecht" zu beauftragen, der die Wünsche des Beklagten hinsichtlich der Vorgehensweise eher erfülle, und der Kläger daraufhin das Mandat kündigt, legt umgekehrt die Vermutung nahe, dass Anlass für die Kündigung des Klägers die Meinungsverschiedenheiten über die Verteidigungsstrategie waren. Dementsprechend hat der Kläger den Beklagten in seinem Kündigungsschreiben auch gebeten, seine (des Beklagten) Bemühungen abzurechnen und nicht etwa die Rückzahlung des Vorschusses unter Berufung auf eine Pflichtverletzung verlangt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der seitens des Klägers angeführten Rechtsprechung des OLG Nürnberg (BeckRS 1995, 31342163), die sich nicht mit der Frage der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Kündigung, sondern mit der Frage der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden befasst. Darüber hinaus beruht diese Entscheidung auf dem tragenden Gedanken, dass die Beweisnot des Mandanten hinsichtlich der hypothetischen richterlichen Strafzumessung gerade durch die Pflichtverletzung des Anwalts verursacht worden ist. Diese Erwägung kann im Rahmen einer Kündigung und der Angabe des Kündigungsgrundes durch den Kündigenden selbst auch nicht ansatzweise herangezogen werden.

2.

Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus § 628 Abs. 2 BGB, denn auch insoweit wäre ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten erforderlich, welches nach den obigen Ausführungen nicht festzustellen ist. Ansprüche aus § 280 BGB werden von § 628 Abs. 2 BGB als speziellere Vorschrift verdrängt (Henssler in MünchKomm, BGB, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Rn. 15).

3.

Der Kläger kann eine Rückforderung des Honorars auch nicht teilweise aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen, weil der Beklagte keine Mittelgebühren, sondern die Höchstgebühren gem. Ziff. 4100, 4124 VV RVG abgerechnet hat. Denn mit seinem Vorbringen, die Gebühren seien unangemessen hoch gewesen, ist der Kläger gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Lukas Jozefaciuk