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Brandenburgisches OLG, Urteil vom 26.08.2015 - 11 U 195/14

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam, 13. Zivilkammer vom 14. November 2014 (13 O 27/13) abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird in vollem Umfange zugelassen.

V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren festgesetzt auf bis 50.000,- €.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Deckung aus einer Rechtsschutzversicherung für einen Schadensersatzprozess nach einem folgenschweren Unfall auf einer Baustelle, deren Bauherr er war.

Den Kläger und die Beklagte verbindet seit dem 7. August 2007 ein Vertrag über eine Rechtschutzversicherung zur Nummer PRS 10/0802/6244266/120. Diese umfasst unter anderem „Kompakt-Privat, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz“.

Die zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtschutzversicherung (ARB 2000) lauten in § 3 Abs. 1 d) bb) [Bl. 38]:

„Rechtschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt.“

Der Kläger ließ auf dem ihm gehörenden Grundstück … Straße 29 in S… ein Wohnhaus errichten. Am 22. Juli 2011 befand er sich gemeinsam mit seinem Sohn auf dem vorgenannten Grundstück, um den Einbau einer Filigrandecke zu beobachten. Sich in einem Abstand von etwa zehn Metern haltend, ging er um das Haus und stellte sich an der Südseite auf einem Erdhügel. Während eine Filigrandecke durch einen Kran abgeladen wurde, kippte das an der Mauer aufgestellte Baugerüst um und fiel auf den Kläger. Dieser wurde hierdurch schwer verletzt und musste sich in monatelange stationäre und anschließende ambulante Behandlung begeben. Die stationäre Behandlung und die anschließenden Rehabilitationsmaßnahmen nahmen fast zehn Monate in Anspruch; der Kläger wurde mehrfach operiert. Erhebliche gesundheitliche Folgen wie eine teilweise Querschnittslähmung bestehen fort.

Der Kläger nimmt zwei mit dem Bau betraute Unternehmen mittlerweile klageweise auf Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Beklagte hat die Gewährung von Rechtsschutz hierfür abgelehnt.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Ausschluss des Baurisikos greife vorliegend nicht ein. Daher sei die Beklagte einstandspflichtig. Risikoausschlüsse dürften nicht dazu führen, dass der Versicherungsschutz weiter verkürzt werde, als es der erkennbare Zweck der Klausel gebiete. Die Ausschlussklausel für Baurisiken verfolge den Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen, risikoreichen und demgemäß für den Versicherer schwer kalkulierbaren Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art vom Versicherungsschutz auszunehmen. Vorliegend habe sich jedoch kein typisches Baurisiko realisiert, denn nicht der Bau sei abredewidrig errichtet, mangelhaft, zerstört oder im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften errichtet, sondern der Kläger sei an Körper und Gesundheit geschädigt worden. Dies hätte auch genauso gut einen Dritten treffen können. Deliktische Ansprüche dürften keinen Ausschluss vom Versicherungsschutz erfahren. Insbesondere handele es sich bei dem umgestürzten Baugerüst gerade nicht um das zu errichtende Bauwerk.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Landgericht auf richterlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 12. November 2012 seinen ursprünglichen Antrag zu I., den er in der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2012 gestellt hatte, von einer Feststellungsklage auf eine Leistungsklage umgestellt und auf deliktische Ansprüche beschränkt sowie seinen Antrag zu II. hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erweitert und sodann beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

I. dem Kläger Rechtschutz für den Versicherungsfall vom 22. Juli 2011 gemäß den Bedingungen des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. PRS 10/0802/6244266/120 für die Verfolgung deliktischer Ansprüche zu gewähren und

II. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, von den dem Kläger außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten einschließlich der Auslagenpauschale für Post und Telekommunikation an diesen 961,28 € zu zahlen und ihn in Höhe von weiteren 680,68 € gegenüber Rechtsanwalt … freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, es habe sich im gegenständlichen Unfallereignis das typische Baurisiko verwirklicht. Auch deliktische Ansprüche gegen Vertragspartner des Versicherungsnehmers, die im Rahmen der Errichtung eines Bauwerks entstünden, fielen unter das typische Risiko der Errichtung eines Bauwerks. Nicht von Bedeutung sei, ob die geltend gemachten Ansprüche deliktischer oder vertraglicher Natur seien, denn regelmäßig könnten sie ohnehin auf mehrere Anspruchsgrundlagen gestützt werden. Das Gerüst sei zur Errichtung des Bauwerks aufgestellt worden und hätte sich ohne die Baumaßnahme nicht auf dem Grundstück befunden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte nicht, dass deliktische Ansprüche, auf Grund fahrlässigen Verhaltens durch Dritte vom Versicherungsschutz ausgenommen seien. Es sei aus der gerichtlichen Praxis bekannt, dass Bauvorhaben dazu geeignet seien, eine Vielzahl von Streitigkeiten herbeizuführen, bei denen es um Planungs- und Ausführungsfehler gehe, die die Tauglichkeit des errichteten Gebäudes herabsetzten. Nach dem durchschnittlichen Verständnis eines Versicherungsnehmers solle mit der gegenständlichen Baurisikoklausel ausgeschlossen werden, dass solche geradezu typischen Baumängel Gegenstand des Deckungsumfangs würden. Im vorliegenden Fall hätte aber jeder „Nicht-Bauherr“, der vom schädigenden Ereignis betroffen worden wäre – etwa ein Nachbar, ein Bekannter oder der Architekt – Deckungsschutz erhalten. Daher könne auch der Bauherr in einem solchen Fall Deckungsschutz erwarten. Hätte die Beklagte auch solchen Deckungsschutz ausschließen wollen, hätte dies in der Klausel Niederschlag finden müssen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Abweisungsbegehren weiter verfolgt. Dies erfolgt im Wesentlichen unter Vertiefung der erstinstanzlich vorgebrachten Argumentation.

Sie weist darauf hin, das Landgericht sei, wie schon die Tenorierung zeige, von einer Realisierung des Baurisikos ausgegangen, lasse aber den Ausschluss am Erwartungshorizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers scheitern. Letzteres sei unrichtig. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehme der Klausel auch ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, dass kein Versicherungsschutz bestehe, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in ursächlichem Zusammenhang mit dem Bau eines Hauses auf dem eigenen Grundstück stehe. Die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit und die damit einhergehenden Rechtsstreitigkeiten stellten ein typisches Risiko bei der Errichtung eines Gebäudes dar. Auch der allgemeine Sprachgebrauch lege keine andere Deutung der Ausschlussklausel nahe.

Die Differenzierung des Landgerichts zwischen deliktischen und nicht deliktischen Ansprüchen führe, zu Ende gedacht, zu der Folge, dass Versicherungsschutz zu gewähren wäre, wenn die identische Schädigungshandlung von einem Subunternehmer ausgehe, nicht aber, wenn Schädiger der Vertragspartner sei. Für eine solche Auslegung finde sich indes in der Klausel kein Anhaltspunkt.

Im Übrigen könne eine Differenzierung zwischen deliktischen und vertraglichen Streitigkeiten ohnehin nicht durchgehalten werden, da sich bei der Deckung eine solche Differenzierung abrechnungstechnisch nicht nachzeichnen lasse. Das RVG und das GKG kennten seine solche Unterscheidung nicht.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2015 beantragt,

unter Abänderung der angegriffenen Entscheidung, die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass Rechtsschutz für Ansprüche wegen der Gesundheitsbeschädigung durch den Unfall vom 22. Juli 2011 und deren Folgen auf dem Grundstück … Straße 29 in S… gemäß den Bedingungen des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. PRS 10/0802/6244266/120 gewährt wird, nicht aber für vertragliche Ansprüche, die sich auf die Erfüllung der werkvertraglichen Primärpflichten beziehen.

Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und weist darauf hin, die Baurisikoausschlussklausel könne schon deshalb nicht greifen, da ein Baugerüst kein Gebäude oder Gebäudeteil sei und auch nicht im Eigentum des Klägers gestanden habe. Das Errichten eines Gerüstes sei zu unterscheiden von der Errichtung des geplanten Bauwerks. Das typische Baurisiko wohne nur dem Bau selbst inne. Nur dieser könne abredewidrig errichtet, mangelhaft, zerstört oder im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften errichtet werden. Diese Gefahr sei durch das Baurisiko verkörpert. Vorliegend gehe es daher nicht um das Baurisiko, sondern um das Gesundheits- und Verletzungsrisiko. Der Bauherr als Versicherungsnehmer dürfe nicht schlechter gestellt werden, als jeder Dritte, der ebenso hätte vom Gerüst getroffen werden können. Es handele sich schlicht um ein Unfallgeschehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

III.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klage ist in Form des im Berufungsverfahren um- und klargestellten Antrages zulässig. Auf die im Sinne des § 263 ZPO geänderte Klage hat sich die Beklagte sachlich eingelassen. Im Übrigen ist die Klageänderung auch sachdienlich (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 263 Rn. 13). Mit der geänderten Klage werden sämtliche vorliegend gegenständlichen Streitpunkte unter Vermeidung eines neuen Prozesses miterledigt, während bei Beibehaltung des erstinstanzlich gestellten Antrages die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen wäre, ohne dass der Prozessstoff einer endgültigen Klärung der zwischen den Parteien im Streit stehenden Fragen zugeführt worden wäre. Die Klage hätte ohne Prüfung ihrer Begründetheit der Abweisung unterlegen. Der ursprüngliche Antrag zu I. des Klägers, dem das Landgericht stattgegeben hatte, war unzulässig. Er war darauf gerichtet, „Rechtsschutz (…) für die Verfolgung deliktischer Ansprüche zu gewähren“. Dieser Antrag war auf eine unmögliche Leistung im Sinne einer rechtlichen Unmöglichkeit gerichtet. Eine Unterscheidung zwischen „Rechtsschutz für die Verfolgung deliktischer Ansprüche“ einerseits und „Rechtsschutz für die Verfolgung sonstiger, etwa vertraglicher Ansprüche“ andererseits kann nicht getroffen werden. Rechtsschutz kann nur für einen bestimmten Streitgegenstand gewährt werden. Der nach ganz überwiegender Meinung zweigliedrige Streitgegenstand besteht aus begehrter Rechtsfolge (Antrag) und Lebenssachverhalt (BeckOK ZPO/Wendtland, ZPO, Stand 1.3.2015, § 2 Rn. 3 m.w.N.). Nicht zum Streitgegenstand gehört die materiell-rechtliche Begründung der begehrten Rechtsfolge, denn ansonsten hätte eine Zahlungsklage auf Schadensersatz aus einer Vertragsverletzung, die zugleich eine unerlaubte Handlung darstellt, zwei Streitgegenstände (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., Einl. Rn. 62). Mit seinem ursprünglichen Klageantrag hat der Kläger indes versucht, den Anspruch auf Rechtsschutzdeckung auf einen „materiell-rechtlich beschränkten Streitgegenstand“ zu beschränken.

Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Gewährung von Rechtsschutz für Ansprüche wegen der Gesundheitsbeschädigung und durch den Unfall vom 22. Juli 2011 auf dem Grundstück … Straße 29 in S… und deren Folgen zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien am 7. August 2007 geschlossenen Versicherungsvertrag für „Kompakt-Privat, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz“. Die Beklagte hat wirksam den Rechtschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt, ausgeschlossen.

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen nicht. Der Ausschluss des Baurisikos wird allgemein in Rechtsprechung und Literatur für zulässig erachtet (vgl. nur BGH, Urteil vom 01. Februar 1989 – IVa ZR 247/87 –, juris).

Der vorliegend begehrte Rechtsschutz für Schadensersatzklagen wegen des Unfallereignisses vom 22. Juli 2011 ist von der vertragsgegenständlichen Ausschlussklausel umfasst und daher vom Versicherungsschutz ausgenommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der erkennende Senat anschließt, ist ein unmittelbarer Zusammenhang (mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles) im Sinne der Bestimmung dann gegeben, wenn neben einem gewissen zeitlichen Zusammenhang auch ein innerer sachlicher Bezug vorhanden ist. Dabei kommt es nicht auf die Art der Beteiligung der anderen Seite an dem Bau an. Maßgebend ist vielmehr die Rechtsnatur der Ansprüche, die der Versicherungsnehmer geltend machen will. Bei der Auslegung ist der Zweck der Ausschlussklausel besonders zu beachten. Dieser geht dahin, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen, im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Versicherten ein solches Risiko entstehen kann. Dabei dürfen Ausschlussklauseln im Rahmen der Auslegung grundsätzlich nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn und Zweck erfordert (BGH, Urteil vom 10. November 1993 – IV ZR 87/93 –, juris; BGH, Urteil vom 01. Februar 1989 – IVa ZR 247/87 –, juris). Das Bau-Prozessrisiko spiegelt sich jedoch nicht nur in klassischen Bauprozessen – etwa Mängel- oder Werklohnklagen – mit regelmäßig hohen Streitwerten und dem Erfordernis umfänglicher Begutachtung wider. Auch die Unfallgefahr, die mit dem Betrieb von Baustellen einhergeht, ist eine solche typische Gefahr. In Anbetracht der allgemein bekannten von Baustellen ausgehenden Gefahren, hat der Versicherer ein berechtigtes Interesse, durch die Ausschlussklausel auch solche Rechtsstreitigkeiten zu erfassen, die Ansprüche aus baustellentypischen Unfällen zum Gegenstand haben.

Das Umstürzen des Baugerüstes auf dem Grundstück des Klägers am 22. Juli 2011 steht unmittelbar in ursächlichem Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes, das sich im Eigentum des Klägers als Versicherungsnehmer befindet. Die Errichtung des Hauses kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der bedauerliche und für den Kläger so folgenschwere Unfall entfiele. Das Gerüst wurde in ursächlichem Zusammenhang mit dem Hausbau errichtet und diente dem Bauvorhaben. Es hat sich daher ein mit dem Hausbau unmittelbar verbundenes Risiko verwirklicht.

Dem kann nicht mit der Argumentation des Klägers entgegengehalten werden, das umgestürzte Gerüst sei nicht das zu errichtende Bauwerk und habe auch nicht im klägerischen Eigentum gestanden. Die Ausschlussklausel spricht von „ursächlichem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles“. Die Bezugnahme auf die „Errichtung“ als substantivierte Form des Verbs „errichten“ verdeutlicht, dass der Anknüpfungspunkt für den Ausschluss die Gesamttätigkeit des Errichtens des Bauwerks, mithin das „Bauen“ schlechthin ist. In diese Gesamttätigkeit der Errichtung des Bauwerks gehörte auch das Aufstellen des Gerüsts, da dieses zur Errichtung des Bauwerks bestimmt war. Auch die Begrifflichkeit „im Zusammenhang“ lässt erkennen, dass der Ausschluss nicht auf vom Bauwerk unmittelbar ausgehende Probleme beschränkt ist.

Die Verwirklichung des Risikos durch das Umstürzen des Gerüsts ist nicht lediglich kausal im Sinne der Äquivalenztheorie. Im Unfall vom 22. Juli 2011 hat sich vielmehr das typische mit der Errichtung eines Bauwerks einhergehende Risiko realisiert. Es stellt ein typisches „Bau(stellen)risiko“ dar, dass es in, auf und in unmittelbarer Umgebung von Baustellen zu Unfällen kommt. Dies beruht darauf, dass zwar fertige Gebäude an den Erfordernissen von Verkehrs- und Bewohnsicherheit orientiert geplant und errichtet werden, jedoch auf Baustellen mit ihren unterschiedlichen Fertigstellungsstadien und den verschiedenen, oftmals gleichzeitig stattfindenden Gewerken ein vergleichbarer Grad an Sicherheit nicht zu gewährleisten ist. So werden auf Baustellen Gruben ausgehoben, lockeres Erdreich aufgeschüttet, Zuwegungen oder Geländer nur provisorisch hergestellt, Versorgungsleitungen frei hängend oder offen liegend verlegt, Arbeiten über Kopf ausgeführt, Lasten transportiert und Baumaschinen und Werkzeuge in den Arbeitsbereichen abgelegt oder abgestellt. Baustellen sind voller verschiedener Gefahrenquellen, die nur eingeschränkt beherrschbar sind, weswegen sie regelmäßig auch nicht dem allgemeinen Verkehr geöffnet werden. Ein solches Baustellenrisiko stellt auch dar, dass ein naturgemäß nur vorübergehend und daher provisorisch errichtetes Gerüst durch mangelhafte Standsicherheit, wohl auf Grund eines Eingriffs durch Arbeiter eines Subunternehmers, umstürzt. Da auf Baustellen regelmäßig Erbringer verschiedener Gewerke tätig sind, ist auch die Gefahr groß, dass durch Missverständnisse, Unwissenheit oder unberechtigte Einflussnahme auf die Arbeiten anderer Gewerke unwissentlich Gefahrenquellen geschaffen werden.

Es hat sich vorliegend auch nicht lediglich bei Gelegenheit eines Bauvorhabens ein vom „Bauherrenrisiko“ abzugrenzendes „Jedermannsrisiko“ realisiert, das jeden anderen an Stelle des Klägers auch hätte treffen können und das nur deshalb ausgeschlossen wäre, weil der „Jedermann“ zufällig der Bauherr ist. Denn es handelt sich vorliegend gerade nicht um die Realisierung eines Risikos, das jeden hätte treffen können. In den Wirkbereich der oben dargestellten „Gefahrenquelle Baustelle“ gelangt nur ein sehr kleiner Personenkreis. Auf einer Baustelle ist grundsätzlich nur ein beschränkter Verkehr eröffnet. Zu diesem gehört neben den Bauhandwerkern, Baustofflieferanten, Architekten und Beamten der Bauaufsichtsbehörden vor allem der Bauherr. Letzterer betritt die Baustelle häufig, um den Fortgang der Gewerke zu beobachten und zu überwachen, sich zu informieren, Absprachen zu treffen oder auch, um Eigenleistungen zu erbringen. Bei all diesen Tätigkeiten setzt er sich der in der Baustelle liegenden Gefahrenquelle aus. Andere Personen im Sinne von „Jedermann“ betreten Baustellen dagegen in der Regel nicht und sind daher den entsprechenden Risiken auch nur ausnahmsweise ausgesetzt. Dies spiegelt sich etwa auch in der Reichweite der Verkehrssicherungspflicht wider, die sich nach der eröffneten Gefahrenquelle richtet. Dem an einer Baustelle eröffneten beschränkten Verkehr entspricht eine entsprechend begrenzte Verkehrssicherungspflicht. Der Architekt oder Bauunternehmer trägt deshalb nicht die Verantwortung für die Sicherheit etwa von Verwandten und Bekannten, denen der Bauherr den Rohbau eines von ihm in Auftrag gegebenen neuen Hauses zeigt und der sie in dem noch nicht fertiggestellten Bauwerk herumführt (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1984 – VI ZR 292/82 –, juris). Zwar kann auch – worauf der Kläger hinweist – im öffentlichen Straßenraum und auf einem zu einer Baustelle benachbarten Grundstück die Gefahr bestehen, von einem umstürzenden Baugerüst getroffen zu werden oder sonst durch Baumaßnahmen zu Schaden zu kommen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit für eine solche Schädigung ist aber um ein Vielfaches höher, wenn sich jemand typischerweise wiederholt und für längere Zeiträume in die Gefahrenzone begibt, als wenn er die Gefahrenzone lediglich im Alltag passiert. Der Bauherr ist der von seiner Baustelle ausgehenden Gefahr typischerweise häufiger, länger und intensiver ausgesetzt, als Dritte.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 289/13 –, juris). Der Wortlaut der Ausschlussklausel erscheint eindeutig und verständlich. Die gewählte Formulierung „in ursächlichem Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles“ ist erkennbar weit und umfassend. Sie erweckt nicht den Eindruck, etwa nur Mangel- und Werklohnklagen zu erfassen. Auch geht der Erwartungshorizont des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers dahin, dass er Versicherungsschutz genießt, wenn er zufällig im öffentlichen Raum durch einen Dritten geschädigt wird. Das gerade ist der Sinn einer allgemeinen Rechtsschutzversicherung und dieses Risiko wäre in der Vielzahl der konkreten Einzelfälle auch nicht anders versicherbar. Das abgrenzbare, vom Wortlaut der Ausschlussklausel erfasste und nur einen geringen Kreis der Versicherungsnehmer betreffende Risiko, das von der jeweiligen eigenen Baustelle ausgeht, erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer jedoch als individuelles Sonderrisiko. Dessen Abdeckung durch die von diesem Risiko überwiegend nicht betroffene Solidargemeinschaft kann er nicht erwarten. Aus diesem Grund wird auf dem Markt schließlich auch spezieller Versicherungsschutz für Bauherren angeboten.

Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 4 BGB oder einem sonstigen Rechtsgrund besteht nicht, da bereits der Anspruch zur Hauptsache nicht besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war vollumfänglich zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die vorliegend klärungsbedürftige Frage nach der Reichweite der Baurisikoklausel kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen. Bundes- und obergerichtliche Rechtsprechung existiert – soweit ersichtlich – insoweit noch nicht.

Lukas Jozefaciuk