Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.08.2015 - 11 CS 15.1635
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der am ... geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2010, rechtskräftig seit 22. Dezember 2010, entzog ihm das Amtsgericht Chemnitz wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bis 21. Januar 2012. Der Antragsteller habe am 3. Mai 2010 ein Kraftfahrzeug geführt, obwohl bei ihm eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,18 ‰ vorgelegen habe. Er sei dabei von der Fahrbahn abgekommen und gegen ein geparktes Fahrzeug gefahren. Der Sachschaden habe fast 10.000 Euro betragen. Obwohl er den Unfall und den Schaden bemerkt habe, habe er die Unfallstelle verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
Nach Teilnahme an einem besonderen Aufbauseminar erteilte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Lichtenfels dem Antragsteller am 3. Mai 2012 erneut eine Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S. Die Probezeit wurde bis 16. Juli 2015 festgesetzt.
Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete mit Schreiben vom 13. April 2015, gestützt auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG, die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, nachdem ihr bekannt geworden war, dass die Bußgeldbehörde der Stadt Dresden am 3. Februar 2015, rechtskräftig seit 24. Februar 2015, gegen den Antragsteller wegen Missachtens der Vorfahrt mit nachfolgendem Unfall (Tattag: 8.1.2015) einen Bußgeldbescheid erlassen hatte.
Das Gutachten der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung des DEKRA e.V. Dresden vom 11. Mai 2015 kam zu dem Ergebnis, aufgrund der aktenkundigen wiederholten Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften sei zu erwarten, dass der Antragsteller künftig wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller daraufhin die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Abgabe des Führerscheins bis 24. Juni 2015 (Nrn. 2 und 4) sowie die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an (Nr. 3). Durch das medizinisch-psychologische Gutachten seien die Fahreignungszweifel nicht ausgeräumt worden. Die Fahrerlaubnis sei daher zu entziehen.
Über den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Oberfranken noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei voraussichtlich rechtmäßig, da der Antragsteller nach dem vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Das Gutachten weise keine erkennbaren Mängel auf. Es stelle nachvollziehbar dar, auf welchen Grundlagen es zu den jeweiligen Schlussfolgerungen gelangt sei.
Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Es seien nur die persönlichen Einstellungen des Antragstellers zum jeweiligen Deliktszeitpunkt erfragt worden. Damit würden aber nicht die im Begutachtungszeitpunkt bestehenden Einstellungen des Antragstellers wiedergegeben. Die behauptete Stimmungslabilität und die Anzeichen einer unausgereiften Haltung in emotionaler, sozialer oder auch moralischer Hinsicht würden nur mit den Einstellungen des Antragstellers in der Vergangenheit begründet. Auch der Feststellung, der Antragsteller habe nur pauschale Vorsätze ohne ausreichende Konkretheit im Umgang mit ähnlichen Situationen, mangele es an einer Begründung. Der Antragsteller habe sich dazu konkret positioniert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2015 (BGBl S. 186), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl S. 2213), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Nachdem der Antragsteller sich noch in der Probezeit befindet, sind die speziellen Regelungen des § 2a StVG anzuwenden. Nach § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Ein solcher Fall liegt hier vor, denn die Probezeit verlängerte sich nach der Entziehung der Fahrerlaubnis mit Urteil vom 14. Dezember 2010 bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 3. Mai 2012 um weitere zwei Jahre (§ 2a Abs. 2a Satz 1 StVG, damals zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 [BGBl I S. 3044]) und der Antragsteller hat am 8. Januar 2015 eine schwerwiegende Zuwiderhandlung nach Nr. A.2.1 der Anlage 12 zu § 34 FeV begangen.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Gutachten nicht unter Mängeln leidet. Nach Nr. 2 Buchst. a Satz 1 der Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV muss das Gutachten in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Nach Nr. 1 Buchst. g Satz 1 der Anlage 4a FeV ist Gegenstand der Untersuchung in den Fällen des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG auch die Erwartung an das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, dass er nicht mehr erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder gegen Strafgesetze verstoßen wird. Dabei sind nach Nr. 1 Buchst. g Satz 2 der Anlage 4a FeV die Bestimmungen von Buchst. f Satz 4 bis 6 entsprechend anwendbar. Danach muss sich bei dem Betroffenen ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Führen von Kraftfahrzeugen vollzogen haben und es müssen Bedingungen vorhanden sein, die die Begehung weiterer Verkehrsverstöße als unwahrscheinlich erscheinen lassen.
Diesen Vorgaben genügt das vorgelegte Gutachten, denn es untersucht das voraussichtliche künftige Verhalten des Antragstellers, auf das es bei der Prognose, ob er künftig gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird, vorrangig ankommt. Zutreffend hat die Gutachterin dafür zuerst ermittelt, welche Ursachen und welches Fehlverhalten den beiden schwerwiegenden Zuwiderhandlungen zugrunde lagen. Danach befragte sie den Antragsteller dazu, wie er in Zukunft Auffälligkeiten im Straßenverkehr und Fahrten unter Alkoholeinfluss vermeiden wolle. Dabei hatte er Gelegenheit, seine aktuellen Einstellungen darzulegen. Er gab in diesem Zusammenhang an, er halte sich seit dem ersten Delikt an die Regeln, um solche Vorfälle zu vermeiden und er trinke, außer gelegentlich am Wochenende zu Hause, keinen Alkohol mehr. Zum Schluss wurde ihm nochmals die Gelegenheit gegeben, relevante Sachverhalte und Aspekte darzustellen, die nach seiner Auffassung nicht ausreichend in das Gespräch eingeflossen waren. Dabei äußerte der Antragsteller, er passe die ganze Zeit auf, habe aber manchmal ein bisschen Pech.
Nachvollziehbar und schlüssig ist die Gutachterin auf der Basis dieser Angaben des Antragstellers zu dem Schluss gekommen, dass er sich noch nicht ausreichend mit seinem Fehlverhalten auseinander gesetzt hat, die Änderungsstrategien pauschal und wenig konkret sind und damit keine positive Prognose möglich ist. Zum einen behauptete der Antragsteller, sich seit dem ersten Delikt an die Regeln zu halten. Eine schlüssige Erklärung, weshalb es gleichwohl zu dem zweiten Delikt gekommen ist, gab er demgegenüber nicht. Auch die Darstellung des Vorfalls am 8. Januar 2015 erscheint wenig reflektiert. Er führte aus, er habe sich langsam in die Kreuzung hineinrollen lassen. Weshalb er dann nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, obwohl das vorfahrtsberechtigte Fahrzeug wohl an ihm vorbeifuhr und er erst in dessen hinteren linken Kotflügel hineingefahren ist, hat er nicht schlüssig erklärt. Auch seine Ausführungen zu seinem Alkoholkonsum sind eher widersprüchlich. Zuerst behauptete er, er trinke allenfalls am Wochenende zu Hause ein Glas Wein, dann berichtete er aber von einem Familienabend bei seinen Eltern, an dem er fünf Halbe Bier getrunken habe. Welchen grundlegenden Wandel er seit dem zweiten Delikt in seinen Einstellungen vollzogen hat und wie er dafür Sorge trägt, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkommen, hat der Antragsteller nicht konkret ausgeführt. Er sieht sich eher vom Pech verfolgt, obwohl er die ganze Zeit aufpasse. In Anbetracht dessen geht das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass die Gutachterin ihre Schlussfolgerungen ausreichend dargelegt und begründet hat.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).