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Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.08.2015 - 11 ZB 15.1219

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung durch Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2014, dass er nicht berechtigt sei, aufgrund der ihm am 25. August 2005 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zu führen, und gegen den Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2015, mit dem das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen hat.

Zur Begründung des hiergegen eingereichten Antrags auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Abweichung des Urteils von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Urteil weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 21.12.2009 – 1 BvR 812.09 – NJW 2010, 1062/1063; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057.11 – BVerfGE 134, 106/118). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Zur Begründung lässt der Kläger vorbringen, außer dem von ihm vorgelegten Arbeitsvertrag, der Gehaltsabrechnung und dem „Ausländerausweis“, die dem Verwaltungsgericht zum Beleg seines überwiegenden Aufenthalts in der Tschechischen Republik im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht ausgereicht hätten, seien aufgrund der verstrichenen Zeit keine weiteren Dokumente vorhanden. Das Verwaltungsgericht hätte jedoch im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht am angegebenen Ort nachforschen und den Kläger in einer mündlichen Verhandlung befragen müssen.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids. Nach der mit Europarecht in Einklang stehenden (BayVGH, U.v. 7.5.2015 – 11 B 14.654 – juris Rn. 29, B.v. 8.6.2015 – 11 CS 15.693 – juris Rn. 7) Vorschrift des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 18. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl I S. 2213), gilt die Berechtigung, als Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis mit ordentlichem Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. Letzteres kommt im Fall des Klägers ersichtlich nicht in Betracht. Im Führerschein des Klägers ist Regensburg als dessen Wohnsitz eingetragen. Durch einen Führerschein, in dessen Feld 8 ein nicht im Ausstellerstaat liegender Ort eingetragen ist, wird der volle Beweis der Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses im Sinn von § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO erbracht (BayVGH, B.v. 2.5.2012 – 11 ZB 12.836 – juris Rn. 12; U.v. 13.2.2013 – 11 B 11.2798 – juris Rn. 54; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 28 FeV Rn. 27; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 28 FeV Rn. 21, ders. NZV 2015, 7/9). Der Kläger ist daher nicht berechtigt, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen (vgl. für vergleichbare Fallkonstellationen auch BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 3 C 25.10BVerwGE 140, 256; U.v. 27.9.2012 – 3 C 34.11BVerwGE 144, 220).

Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, den Sachverhalt gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO weiter aufzuklären. Zwar kann nach § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich der Beweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der im ausländischen Führerschein bezeugten Tatsache geführt werden. An einen auf die Widerlegung der Beweisregelung des § 418 Abs. 1 ZPO abzielenden Gegenbeweis sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit obliegt es dem Fahrerlaubnisinhaber, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat und zu seinen persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen (BVerwG, B.v. 22.10.2014 – 3 B 21.14 – juris Rn. 3, B.v. 28.1.2015 – 3 B 48.14 – juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Sofern sich die Unrichtigkeit des Schlusses aus der im Feld 8 enthaltenen Eintragung auf das Land des ordentlichen Wohnsitzes des Inhabers nicht ausnahmsweise aufdrängt, sind von Amts wegen durchzuführende Ermittlungen darüber, ob der Ausstellerstaat das Wohnsitzerfordernis beachtet hat, nicht veranlasst (BayVGH, B.v. 2.5.2012 und U.v. 13.2.2013 a.a.O.).

Vorliegend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Unrichtigkeit des Rückschlusses von der Wohnsitzeintragung Regensburg im tschechischen Führerschein des Klägers auf Deutschland als Land seines ordentlichen Wohnsitzes nicht aufdrängt und dem Kläger auch der Gegenbeweis nicht gelungen ist. Zum einen ist der Kläger den Angaben der Beklagten zufolge seit dem 23. Juni 2002 durchgehend mit Wohnsitz in Regensburg gemeldet. Zum anderen ist der vorgelegte tschechische Aufenthaltstitel zum Beleg des tatsächlichen Aufenthalts nicht geeignet (vgl. BayVGH, U.v. 15.10.2012 – 11 B 12.1178 – juris Rn. 31; U.v. 7.5.2015 – 11 B 14.654 – juris Rn. 38). Auch der vorgelegte Arbeitsvertrag besagt – abgesehen von den insoweit vom Verwaltungsgericht zu Recht geäußerten Zweifeln am Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (Entscheidungsabdruck S. 9 f.), denen der Kläger nicht entgegengetreten ist – nichts über dessen Wohnsitz. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Versäumnis dahingehend anzulasten, den Kläger hierzu nicht in einer mündlichen Verhandlung befragt zu haben. Das Verwaltungsgericht hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers vor Erlass des Gerichtsbescheids mit einem ausführlichen Anhörungsschreiben auf seine vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage hingewiesen. Von der Möglichkeit, anstelle der Zulassung der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), hat der Kläger nicht Gebrauch gemacht. Da der bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Kläger diese prozessuale Möglichkeit nicht genutzt hat, kann er zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung nicht rügen, das Verwaltungsgericht hätte ihn in einer mündlichen Verhandlung zu seinem Aufenthalt in der Tschechischen Republik befragen müssen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 48 m.w.N.).

2. Es liegt auch keine Divergenz vor, die die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO rechtfertigen würde. Insoweit fehlt es bereits an der notwendigen Darlegung, weil die Antragsbegründung keinen abstrakten Rechtssatz des Ausgangsgerichts herausarbeitet, der zu einem ebensolchen Rechtssatz eines Divergenzgerichts in Widerspruch stehen würde (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 73). Allein die Ergebnisdivergenz erfüllt nicht den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 Rn. 42). Im Übrigen liegt eine solche Ergebnisdivergenz hier auch nicht vor. Das gilt insbesondere hinsichtlich der in der Antragsbegründung genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2012 (Az. 11 AE 12.1013). Soweit dort ausgeführt wird, ein ordentlicher Wohnsitz sei dadurch gekennzeichnet, dass eine Person im Laufe eines Jahres zeitlich überwiegend dort wohne, und dass das aufgrund persönlicher sowie ggf. beruflicher Bindungen geschehe (Rn. 31), handelt es sich um die zusammenfassende Wiedergabe der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 FeV (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein [ABl L 237 S. 1], Art. 7 Abs. 1 Buchst. e, Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein [Neufassung, ABl L 403 S. 18]; ferner BayVGH, U.v. 7.5.2015 – 11 B 14.654 – juris Rn. 46 - 50 zu den Anforderungen an den Nachweis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat bei gleichzeitigem Wohnsitz im Inland). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der Eintragung in Feld 8 des tschechischen Führerscheins im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung keinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik innehatte und dass er den Gegenbeweis für die Unrichtigkeit dieser Eintragung nicht erbracht hat.

3. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Abgesehen davon, dass die Antragsbegründung auch insoweit die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt (vgl. hierzu Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 72), weil sie die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend erläutert, sind die Bedeutung der Eintragung eines inländischen Wohnsitzes in Feld 8 des Führerscheins und die Anforderungen an den insoweit dem Führerscheininhaber obliegenden Gegenbeweis zur Widerlegung der Richtigkeit dieser Eintragung in der (oben zitierten) Rechtsprechung geklärt.

4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung.

6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Lukas Jozefaciuk