Bayerischer VGH, Beschluss vom 19.10.2015 - 2 CS 15.1866
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg, weil die dargelegten Gründe keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtfertigen (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO).
Der Senat sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009,581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragsteller als Nachbarn können die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch ihrem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragsteller wird aller Voraussicht nach jedoch erfolglos bleiben, weil der angefochtene Bescheid nicht an einem derartigen Mangel leidet.
Vorliegend handelt es sich um eine mit Baugenehmigung vom 17. April 2015 genehmigte zweigruppige Kinderkrippe mit 24 Betreuungsplätzen. Bei dieser Größe ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine solche Einrichtung in einem faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO als Anlage zur Kinderbetreuung allgemein zulässig ist, da sie gebietsverträglich ist und den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen wird.
1. Mit dem Erstgericht geht der Senat davon aus, dass die geplante Kinderkrippe im nunmehrigen Umfang und der nunmehrigen Ausgestaltung nicht im Einzelfall wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) unzulässig ist. Der durch das Vorhaben ausgelöste und diesem zuzurechnende Fahrzeugverkehr wird voraussichtlich weder im Hinblick auf die Lärmbelästigung noch im Hinblick auf den hierdurch bewirkten Park- oder Parksuchverkehr ein Ausmaß erreichen, das eine unzumutbare und damit rücksichtslose Beeinträchtigung zur Folge hat.
Das Baugrundstück liegt am Ende einer Sackgasse an einem Wendehammer mit einer Größe von ca. 10 m mal ca. 15 m. Die Zufahrtsstraße weist auf einer Länge von ca. 37 m lediglich eine Fahrbahnbreite von ca. 4 m auf und ist daher als schmale Zweirichtungsfahrbahn einzustufen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2011 – 2 CS 11.2149 – juris). Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Begegnungsverkehr nur eingeschränkt möglich ist und teilweise Fahrzeuge im Wendehammer bzw. der anschließenden Querstraße warten müssen, bis ein Fahrzeug die Zufahrtsstraße passiert hat.
Die Antragsgegnerin hat nunmehr für die Einrichtung sieben Stellplätze, davon fünf ausschließlich für den Hol- und Bringverkehr geplant. Bei einer Verweildauer von 15 Minuten pro Bringvorgang können in der Spitzenzeit am Morgen von 7:30 Uhr bis 8:30 Uhr rechnerisch 20 Kinder in die Einrichtung gebracht werden. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass 75 % der Kinder - also 18 - mit dem Auto gebracht werden, bestünde hier noch ein Spielraum von 2 Bringvorgängen. Die Stellplätze sind auch so ausgestaltet, dass sie ohne Schwierigkeiten und ohne mehrfaches Rangieren angefahren werden können. Eine ausreichende Rangierfläche ist vorhanden. Die Stellplatzbreite ist mit 2,50 m ausreichend bemessen. Auch bei Wohnanlagen und in Tiefgaragen sind keine breiteren Stellplätze üblich, so dass Eltern hier ebenfalls mit dem vorhandenen Platz beim Ein- und Ausladen der Kinder - insbesondere mit einer Babyschale - auskommen müssen und dies gewohnt sind. Die Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie die Zahl der notwendigen Stellplätze (GaStellV) sieht in Garagen lediglich eine Breite von 2,30 m vor, wenn die Längsseite nicht durch Wände, Stützen oder andere Bauteile oder Einrichtungen begrenzt ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 1 Abs. 5 GaStellV).
Im Gegensatz zur früheren Planung (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2011 – 2 CS 11.2149 – juris) wurde die Zahl der Betreuungsplätze um ein Drittel reduziert. Zudem gab es bei der früheren Planung keine Stellplätze für den Hol- und Bringverkehr. Ein Anhalten der Eltern hätte somit im Bereich des Wendehammers oder der Zufahrtsstraße erfolgen müssen. Gerade durch die Schaffung von nunmehr fünf zusätzlichen Stellplätzen ist diese Gefahr jedoch behoben.
Der Senat verkennt nicht, dass die Zufahrtsstraße und der Wendehammer durch die Betreuungseinrichtung stärker belastet werden und sich die Verkehrssituation verändert, was vor allem am Morgen in der Spitzenzeit von 7:30 Uhr bis 8:30 Uhr zu verkehrlichen Problemen führen kann. Dies wird jedoch voraussichtlich nicht ein Maß annehmen, welches die Unzumutbarkeit erreicht. Wie der Senat schon im Beschluss vom 7. November 2011 (- 2 CS 11.2149 – juris) ausgeführt hat, dürfte bereits nach § 12 StVO das Parken weder in der Zufahrtsstraße noch im Wendehammer erlaubt sein, so dass es grundsätzlich keiner verkehrsrechtlichen Anordnung (absolutes Halteverbot) bedarf. Im Zweifel muss die Antragsgegnerin, welche auch die zuständige Straßenverkehrsbehörde ist, durch entsprechende Information der Eltern und ggfs. doch durch eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung dafür sorgen, dass die Belästigungen für die übrigen Anwohner möglichst gering bleiben.
Der Anlieferverkehr für die Betreuungseinrichtung kann durch Anweisung an die Zulieferer so gesteuert werden, dass dieser außerhalb der kritischen Spitzenzeit erfolgt. Die Situation mag sich im Winter bei Schnee verschärfen, aber auch insoweit überschreitet die zu erwartende Verkehrszunahme voraussichtlich nicht das Maß der Zumutbarkeit. Zum einen halten sich die Tage mit Behinderungen durch Schnee in Grenzen, zum anderen ist es zumutbar, dass ein Verkehrsteilnehmer im Bereich des Wendehammers wartet bis die Zufahrtsstraße wieder für ihn frei befahrbar ist. Auch die Anfahrt von Müllfahrzeugen und Rettungsfahrzeugen ist nach der Umplanung der Einrichtung nicht mehr wie im früheren Maß beeinträchtigt.
Hinsichtlich der Lärmbelästigung ist mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass sich diese auf eine Stunde am Tag konzentriert, nämlich die Spitzenzeit von 7:30 Uhr bis 8:30 Uhr. Am Nachmittag verteilt sich der Abholverkehr aufgrund unterschiedlicher Abholzeiten. Die Zunahme des Verkehrs um maximal 72 Fahrzeugbewegungen/Tag dürfte sich im Hinblick auf eine zusätzliche Lärmbelastung kaum in nennenswerter Weise auswirken. Es fehlt auch ein substantiierter Vortrag, dass durch diese Zunahme an Fahrzeugbewegungen die zulässigen Lärmgrenzwerte für ein faktisches reines Wohngebiet überschritten werden könnten. Dies erscheint angesichts der geringen Belastung auch unwahrscheinlich.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass das Bauvorhaben voraussichtlich keine Beeinträchtigungen der Nutzung des Wohneigentums der Antragsteller auslösen wird, welche diesen billigerweise nicht mehr zugemutet werden können. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann daher nicht angenommen werden. Die Veränderung der Verkehrssituation und die vor allem zur Spitzenzeit von 7:30 Uhr bis 8:30 Uhr durchaus spürbare Erhöhung des Verkehrsaufkommens erreichen kein Maß, dass eine Unzumutbarkeit begründen kann.
Im Hinblick auf die wichtige öffentliche Aufgabe der Schaffung von Betreuungsplätzen insbesondere für Kleinkinder gelangt der Senat daher bei seiner Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis, dass nunmehr die Interessen der Antragsgegnerin überwiegen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.