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Bayerischer VGH, Beschluss vom 19.10.2015 - 11 C 15.1987

Prozesskostenhilfe (abgelehnt);Auslegung des Klageantrags;Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis;Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens;Erhebliche Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr;Verwertung eines rechtskräftigen Strafurteils

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Das Amtsgericht München entzog ihm mit Urteil vom 12. Februar 2014, rechtskräftig seit 9. März 2015, wegen eines Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperre von sechs Monaten für die Wiedererteilung. Dem lag zu Grunde, dass der Kläger am 21. Oktober 2012 im Stadtgebiet der Beklagten mehrfach die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten von 50 km/h oder 30 km/h erheblich überschritt (Höchstgeschwindigkeit bis zu 120 km/h), um vor der Polizei zu flüchten, die ihn wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zum Anhalten aufgefordert hatte. Dabei gefährdete er mehrere andere Verkehrsteilnehmer.

Am 21. April 2015 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE. Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 forderte die Fahrerlaubnisbehörde der Landeshauptstadt München (Fahrerlaubnisbehörde) den Kläger auf, innerhalb von drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Es sei zu klären, ob trotz der aktenkundigen Straftaten zu erwarten sei, dass der Kläger die Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 im Verkehr erfülle und nicht erheblich oder wiederholt gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 erhob der Kläger Klage und beantragt festzustellen, dass es kein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts gebe und somit keine Grundlage für die Anordnung einer MPU. Des Weiteren beantragte er die „sofortige Fertigung der Fahrerlaubnis“ und die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 hob die Fahrerlaubnisbehörde die Anordnung vom 13. Mai 2015 auf, da sich die Fragestellung auf mehrere Straftaten bezogen habe, obwohl nur eine Straftat vorliege. Zugleich forderte sie den Kläger mit gesondertem Schreiben vom 20. Juli 2015 erneut zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf. Dieses Schreiben wurde dem Kläger am 22. Juli 2015 zugestellt. Er hielt an seiner Klage und dem Eilantrag fest und legte kein Gutachten vor.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. August 2015 (M 6a E 15.2695) abgelehnt. Die gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde hat der Senat unter dem Aktenzeichen 11 C 15.1986 mit Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen.

Über die Klage hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. August 2015 abgelehnt. Die Klage sei darauf gerichtet, festzustellen, dass es kein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts München gebe. Für eine solche Feststellung fehle dem Kläger das Feststellungsinteresse.

Gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, der die Beklagte entgegentritt. Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe ihm keine ausreichende Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Er habe mitgeteilt, dass er von einer zweiten Anordnung keine Kenntnis habe. Das Verwaltungsgericht zitiere Aktenauszüge, die er nie gesehen habe. Dadurch habe das Gericht die Aufklärungspflicht und sein Recht auf Gehör verletzt. Das Urteil des Amtsgerichts sei nicht rechtkräftig, da es durch das Urteil des Landgerichts geändert worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen auch im Eilverfahren und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zutreffend abgelehnt, da die Klage keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Die Auslegung des Klageantrags nach § 88 VwGO ergibt, dass der Kläger mit seiner Klage die Erteilung einer Fahrerlaubnis ohne vorherige Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begehrt. Es trifft zwar zu, dass er mit seiner Klageschrift vom 22. Juni 2015 wörtlich beantragt hat, festzustellen, dass es kein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts gebe und somit keine Grundlage für die Anordnung der MPU. Zudem hat er aber über den Feststellungsantrag hinaus auch die „sofortige Fertigung der Fahrerlaubnis“ beantragt. In seiner Klageschrift hat er ausgeführt, dass er am 21. April 2015 die Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis beantragt und die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2015 zur Fertigung des Führerscheins aufgefordert habe. Eine Gesamtwürdigung des Vorbringens des nicht anwaltlich vertretenen Klägers ergibt daher, dass er die Erteilung einer Fahrerlaubnis im Rahmen einer Untätigkeitsklage begehrt, da die Fahrerlaubnisbehörde über seinen Antrag vom 21. April 2015 bisher nicht entschieden hat.

2. Die Klage hat aber auch unter Berücksichtigung dieses Begehrens keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Sie dürfen unter anderem nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, sodass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird (§ 2 Abs. 4 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes [StVG] i.d.F. d. Bek. vom 5.3.2003 [BGBl I S. 310, 919], zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.6.2015 [BGBl I S. 904]; § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV] vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.12.2014 [BGBl I S. 2213]). Bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) anordnen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV). Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV).

Trotz der gesetzlich nicht ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung für das Erteilungsverfahren muss die Fahrerlaubnisbehörde oder das Verwaltungsgericht den in einem Straf- oder Bußgeldverfahren festgestellten Sachverhalt nicht jeweils neu ermitteln. Vielmehr können sie auch hier grundsätzlich von den für die Fahreignung relevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen, an denen sich der Betroffene festhalten lassen muss, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2015 – 11 ZB 14.1452 – juris; B.v. 12.8.2013 – 11 ZB 11.2200 – juris Rn. 7 für die Wiedererteilung der Fahrlehr- und Fahrschulerlaubnis). Nach diesen Maßstäben konnte die Beklagte den Sachverhalt des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts München vom 12. Februar 2014 ihrer Entscheidung zu Grunde legen, denn es ist nicht ersichtlich, dass dieses unrichtig sein könnte. Es ist auch nicht deshalb unverwertbar, weil es im Strafausspruch und hinsichtlich der verhängten Maßregel durch das Urteil des Landgerichts München I vom 1. September 2014 geändert wurde, denn es wurde nicht aufgehoben, sondern ausdrücklich nur abgeändert. Nach den Feststellungen beider Urteile hat der Kläger eine erhebliche Straftat im Straßenverkehr begangen, die zu Eignungszweifeln Anlass gibt und die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV ohne weiteres rechtfertigt.

Soweit der Kläger angebliche Verfahrensverstöße im rechtskräftig abgeschlossenen Eilverfahren geltend macht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Solche Verstöße hätten keine Auswirkungen auf das Klageverfahren und könnten deshalb, selbst wenn sie im Eilverfahren vorgekommen sein sollten, im Rahmen der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage keine Berücksichtigung finden.

Der Senat weist darauf hin, dass der Kläger im noch anhängigen Klageverfahren nach § 100 Abs. 1 VwGO Akteneinsicht beim Verwaltungsgericht nehmen kann, um ihm unbekannte Aktenbestandteile einzusehen. Eine Mitteilung an den Kläger, dass die Behördenakten beim Verwaltungsgericht eingegangen sind (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Mitteilung Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 100 Rn. 8), ist mittlerweile entbehrlich. Nach Aktenlage ist eine solche Mitteilung zwar bisher nicht erfolgt, da in der Erwiderung der Beklagten vom 8. Juli 2015, die beim Verwaltungsgericht erst am 12. August 2015 eingegangen ist, die Aktenübersendung nicht erwähnt ist und auch das Gericht in seinem Schreiben vom 13. August 2015 nicht darauf hingewiesen hat. Dem Kläger ist aber nunmehr bekannt, dass die Akten bei Gericht vorliegen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5502).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Lukas Jozefaciuk