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VG Minden, Urteil vom 28.10.2015 - 11 K 2054/14

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 43, Flurstück 30. Das Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung und aufgrund der 6./16. Änderung zum Flächennutzungsplan der Gemeinde I. -D. innerhalb eines Bereiches, der als Konzentrationszone für WEA ausgewiesen ist. Der Flächennutzungsplan begrenzt die Höhe der dort zulässigen WEA auf 175 m.

Der Kläger ist Betreiber eines Hobby-Modellflugplatzes, der sich nordöstlich des geplanten Standortes der WEA auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 42, Flurstück 16, befindet. Das Grundstück steht im Eigentum eines Herrn U. (I1. 4 in I. -D. ). Eine Erlaubnis zum Betrieb von Flugmodellen mit und ohne Verbrennungsmotor wurde dem Kläger durch die Untere Luftfahrtbehörde (Bezirksregierung N2. ) am 27.05.1977 zunächst befristet bis zum 31.05.1980 erteilt. Nach Auflage II Nr. 5 der Erlaubnis war die Gipfelhöhe der Flugmodelle auf max. 100 m über Grund, der Entfernungsradius zum Mittelpunkt des Modellfluggeländes auf max. 300 m beschränkt. Die Erlaubnis wurde in der Folgezeit unter Fortgeltung der der Erlaubnis vom 27.05.1977 beigefügten Bedingungen und Auflagen mehrfach verlängert, letztmalig mit Bescheid vom 24.04.2006 bis zum 30.04.2016. Durch die Untere Landschaftsbehörde des Beklagten wurde mit Bescheid vom 18.04.2006 eine Befreiung von den Verboten der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Kreis H. vom 15.03.1975 erteilt. Die Befreiung ist ebenfalls bis zum 30.04.2016 befristet. Gemäß Auflage Nr. 2 zur landschaftsschutzrechtlichen Befreiung dürfen die Modelle nur in einem abgestimmten Luftkorridor fliegen, der in der Anlage 1 zum Befreiungsbescheid vom 18.04.2006 dargestellt ist.

Für die Errichtung der geplanten WEA an dem vorgenannten Standort beantragte die von I2. D1. am 02.12.2013 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Nach dem Antrag soll am Standort eine Anlage des Typs Nordex N 117/2400 mit einer Gesamthöhe von 178,5 m, einer Nabenhöhe von 120 m und einem Rotordurchmesser von 117 m sowie einer Nennleistung von 2.400 kW errichtet und betrieben werden. Beigefügt waren dem Antrag u.a. eine Schallimmissionsprognose der J. H1. vom 20.11.2012 mit Nachträgen vom 19.12.2013 und 01.07.2014 sowie eine Schattenwurfprognose der J. H1. vom 21.12.2012 mit Nachträgen vom 16.12.2013 und 01.07.2014.

Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erteilte die Gemeinde I. -D. mit Schreiben vom 17.02.2014 das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben und führte hierzu aus: Das Vorhabengrundstück liege im Außenbereich und sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu beurteilen. Der Flächennutzungsplan sehe zwar nur eine zulässige Gesamthöhe von 175 m vor. In Abstimmung mit dem Planungsausschuss werde jedoch der geringfügigen Überschreitung der zulässigen Gesamthöhe von 3,5 m zugestimmt. Die Überschreitung halte sich in einem akzeptablen Toleranzbereich.

Die Untere Landschaftsbehörde führte in ihrer Stellungnahme am 21.07.2014 aus, dass durch das beantragte Vorhaben das Tötungsrisiko besonders geschützter wildlebender Tierarten deutlich erhöht werde und zur Vermeidung und Minderung des Eingriffes die in der Stellungnahme aufgeführten Auflagen erforderlich seien. Weiterhin stelle das Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, der auszugleichen sei. Für das genannte Vorhaben könne gem. § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG eine Befreiung von den Verboten der Landschaftschutzverordnung erteilt werden.

Die Untere Luftfahrtbehörde erteilte mit Schreiben vom 20.05.2014 die erforderliche Zustimmung nach § 14 Abs. 1 LuftVG, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr mit Schreiben vom 30.04.2014 seine Zustimmung zum Vorhaben.

Mit Schreiben vom 24.04.2014 meldete sich eine "Interessengemeinschaft, C2. , N3. , N4. " und zeigte an, dass sie sich im Namen einer Vielzahl von Nachbarn - eine Unterschriftsliste war dem Schreiben beigefügt - gegen das Vorhaben wende. Sie beantragte, umgehend über den Stand des Genehmigungsverfahrens informiert zu werden. Am 04.06.2014 führte der Beklagte eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Anlieger im Sitzungssaal des Kreishauses durch. An dieser Informationsveranstaltung nahmen auch der Vorsitzende des Klägers und seine jetzige Prozessbevollmächtigte teil. In den diesbezüglichen Protokollnotizen des Beklagten wird die Prozessbevollmächtigte als "Anwältin der Bürger" bezeichnet. Zu den von ihr mit Schreiben vom 16.06.2014 geltend gemachten Einwendungen nahm der Beklagte mit Schreiben vom 24.07.2014 inhaltlich Stellung und führte außerdem aus, er werte das Schreiben als Eingabe betroffener Nachbarn und damit als beteiligter Personen i.S.d. § 13 VwVfG NRW.

Mit Bescheid vom 24.07.2014 erteilte der Beklagte der von I2. D1. für die Errichtung und den Betrieb der WEA entsprechend dem gestellten Antrag unter Berücksichtigung der mit Schreiben vom 01.07.2014 beantragten Standortverlegung eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beifügung zahlreicher Auflagen, u.a. auch zum Lärmschutz (A.3) und zum Schattenwurf (A.4).

Der Genehmigungsbescheid wurde dem Kläger am 02.08.2014 zugestellt.

Der Kläger hat am 27.08.2014 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens erging unter dem 17.11.2014 ein Änderungsbescheid, mit dem die Auflage Nr. 13 (Befeuerung der Anlage) aufgehoben wurde. Mit Schreiben an den Beklagten vom 13.10.2014 zeigte die von I2. D1. an, dass die Genehmigung und die Projektrechte auf die Beigeladene übertragen worden seien.

Der Kläger trägt zur Begründung vor: Die erteilte Genehmigung greife mit enteignungsgleicher Wirkung in seine Rechte ein. Die auf dem Flugplatz eingesetzten Fluggeräte seien darauf angewiesen, dass es zu keinen Turbulenzen durch Luftverwirbelungen oder gar Querwinden komme, da sie aufgrund ihrer Größe und bzw. oder fehlender eigener Antriebsgeschwindigkeit dann nicht mehr gesteuert werden bzw. überhaupt nicht fliegen könnten. Durch die erteilte Genehmigung werde in einer Entfernung von etwas mehr als dem 4-fachen des Rotordurchmessers eine Turbulenzerzeugungsmaschine genehmigt. Es sei davon auszugehen, dass Windenergieanlagen intensive Turbulenzen erzeugen würden, wenn sie untereinander in Hauptwindrichtung nicht einen Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers, in allen anderen Windrichtungen nicht einen Mindestabstand vom 5-fachen des Rotordurchmessers einhielten. Würden diese Abstände unterschritten, sei ein besonderes Gutachten erforderlich, um die Standsicherheit der weiteren Anlagen sicherzustellen. Es sei offenkundig, dass Fluggeräte im Modellflugbereich aufgrund der geringen Eigengeschwindigkeit und des geringen Gewichtes nicht über die Standfestigkeit einer mehrere Tonnen wiegenden Windenergieanlage verfügten. Es sei deshalb die Einholung eines Turbulenzgutachtens erforderlich. Selbst wenn ein Abstand vom 6,5-fachen des Rotordurchmessers dazu führe, dass noch ein Flugfeldbereich verbleibe, stehe fest, dass das Flugfeld immer noch am Rande des Hauptwindrichtungsbereiches liege und damit der Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers deutlich unterschritten werde.

Der Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Vorhaben nicht dem UVPG unterfalle. Die Genehmigung wirke sich so aus, wie die Errichtung eines Windparks mit mindestens drei Anlagen, da in dem räumlichen Geltungsbereich der Konzentrationszone keine weiteren Anlagen errichtet werden könnten. Im Übrigen befänden sich in der Nähe sieben weitere WEA, die bei der Prüfung der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens hätten berücksichtigt werden müssen.

Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich nicht zulässig, da der Rotor über den räumlichen Geltungsbereich der Konzentrationszone herausrage. Insoweit fehle es auch an dem erforderlichen Einvernehmen der Gemeinde, da sich dieses nur auf den vormaligen Standort vor der Verschiebung bezogen habe. Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens stelle auch eine Verletzung seiner eigenen Rechte im Sinne des Gemeinschaftsrechtes im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung dar. Die größere Höhe führe zu einer erheblich weiteren optischen Sichtbarkeit und Bedrängung und zu mehr Schattenwurf. Beide Gesichtspunkte sei vom Schutzgut "Mensch" aus im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung aus zu betrachten.

Die Feststellungen zur artenschutzrechtlichen Betroffenheit von geschützten Vogelarten seien unzureichend. Der Beklagte habe sich nur auf Zufallsbeobachtungen berufen, aber keine den artenschutzrechtlichen Anforderungen genügende Bestandsaufnahme durchgeführt. In dem hier betreffenden Bereich gebe es Brutstandorte von Kiebitzen, Eulen und Zwergfledermäusen.

Wegen der optisch bedrängenden Wirkung der Anlage auf die benachbarte Wohnbebauung und die Einwirkungen durch Schattenwurf hätte ebenfalls eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung durchgeführt werden müssen. Diese Vorprüfung hätte auch dazu führen müssen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, weil erhebliche Umweltauswirkungen bei überschlägiger Prüfung nicht auszuschließen seien. Er könne sich auch deshalb auf die Verletzung eigener Rechte berufen, da die Nachbarschaft im Abwägungsprozess zur 16. Änderung des Flächennutzungsplanes ausdrücklich berücksichtigt worden sei. Die Ausschlusswirkung eines qualifizierten Flächennutzungsplanes habe drittschützende Wirkung.

Der Kläger beantragt,

den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 24.07.2014 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 17.11.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Begründung aus: Die Genehmigung verstoße nicht gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Der Kläger habe zwar ein schutzwürdiges Individualinteresse daran, den Betrieb seines Flugplatzes ungehindert fortsetzen zu können. Dieses Interesse sei auch im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots zu beachten. Auch eine bestandskräftige Flugplatzgenehmigung entbinde aber nicht von jeglicher Rücksichtnahme gegenüber hinzutretenden privilegierten Vorhaben. Das Gebot der Rücksichtnahme werde erst dann verletzt, wenn durch die WEA ein weiterer Betrieb eines seit Jahrzehnten genehmigten Flugplatzes verhindert oder in einem Ausmaß beeinträchtigt werde, das nicht mehr zumutbar sei. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Bereits bei der Aufstellung des Flächennutzungsplanes betreffend die Ausweisung von Windkonzentrationszonen seien die Interessen des Modellflugplatzes berücksichtigt worden. So sei auf Antrag des Klägers die Konzentrationszone durch Herausnahme des Flugplatzgeländes reduziert worden. Eine Einschränkung des Flugbetriebs habe der Kläger danach, auch im weiteren Verlauf des Änderungsverfahrens, nicht mehr geltend gemacht. Eine standortbezogene, abschließende Abwägung habe damit stattgefunden. Eine Störung des Flugbetriebes durch die WEA sei nicht zu erwarten. Die genehmigte Anlage befinde sich in südwestlicher Richtung zum Modellflugplatz außerhalb des für den Flugplatz genehmigten Flugsektors. Der Abstand zwischen dem genehmigten Standort der WEA und dem Mittelpunkt des Modellflugplatzes betrage ca. 777 m, der Abstand zwischen den Rotorflügeln und der Grenze des Flugsektors liege bei 418,50 m. Eine Beeinträchtigung durch Turbulenzen habe er geprüft. Sowohl die Bezirksregierung N2. als Untere Luftfahrtbehörde als auch das Ingenieurbüro G. & F. F1.-------ring H1. & Co. KG hätten aus Turbulenzen resultierende Gefahren bei dem hier bestehenden Abstand zu WEA verneint.

Das Vorhaben unterfalle als Einzelanlage nicht dem UVPG. Ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung gemäß § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 UmwRG stehe dem Kläger deshalb nicht zu. Der Kläger könne sich schließlich nicht darauf berufen, dem Vorhaben ständen Belange des Naturschutzes und des Artenschutzes entgegen, weil die Auswirkungen auf die Avifauna nicht im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung untersucht worden seien. Es handele sich um rein öffentliche Belange, deren Verletzung ein vom Vorhaben betroffener Nachbarn nicht mit Erfolg rügen könne. Im Übrigen seien nach der Stellungnahme der Unteren Landschaftsbehörde die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes im Genehmigungsverfahren ausreichend berücksichtigt worden und erhebliche Gefährdungen der Avifauna unter Berücksichtigung der dem Genehmigungsbescheid beigefügten Auflagen nicht zu erwarten.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Der geringste Abstand des Flugkorridors zur streitgegenständlichen Anlage betrage 628 m und entspreche damit dem 5,37-fachen der Anlagenhöhe. Im Vergleich zu einem vom VG Düsseldorf entschiedenen Fall sei der Abstand zur WEA hier viermal so groß. Das VG Düsseldorf habe trotz eines weit geringeren Abstandes zur WEA eine unzumutbare Beeinträchtigung des Flugbetriebes nicht festgestellt. Die Hauptwindrichtung liege hier mit einer Häufigkeit von 13,9 % bei Westsüdwest, die WEA liege dagegen in Richtung Südsüdwest vom nächstgelegenen Punkt des Flugsektors. Während der weit überwiegenden Anzahl der Jahresstunden wehe der Wind deshalb nicht aus der Hauptwindrichtung in den Flugsektor hinein, sodass ein Abstand vom 5-fachen des Rotordurchmessers ausreichend sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakten 11 L 418/12 und 11 K 7499/11 des VG Düsseldorf und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung N2. als Untere Luftaufsichtsbehörde. Sämtliche Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 24.07.2014 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 17.11.2014 ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Namentlich steht der Zulässigkeit der erhobenen Klage nicht entgegen, dass ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Klage nicht durchgeführt worden ist. Ein Widerspruchsverfahren ist nach § 68 Abs. 1 Satz 2, 1. HS VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 JustizG NRW nicht erforderlich, wenn der (klagende) Dritte im Verwaltungsverfahren beteiligt wurde.

§ 110 Abs. 3 Satz 1 JustizG NRW definiert selbst nicht den Begriff des "beteiligten Dritten". Nach den Motiven des Gesetzgebers sollte die gleichlautende Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 AG VwGO sicherstellen, dass das Vorverfahren Dritten, die am Verfahren bislang nicht beteiligt waren, zum Schutze ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte grundsätzlich weiterhin offen steht.

Vgl. LT-Drucks. 14/4199, S. 9.

Mangels spezialgesetzlicher Regelung ist zur Auslegung des Begriffs der "Beteiligung" auf § 13 VwVfG NRW zurückzugreifen.

VG Minden, Urteil vom 25.09.2013 - 11 K 1779/12 -, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012 - 11 L 418/12 -; offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 05.10. 2010 - 8 B 817/10 -, juris; Beschluss vom 22.12.2011 - 8 B 669/11 -, NRWE

Die für eine Beteiligteneigenschaft des Klägers erforderliche Hinzuziehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG setzt seitens der Behörde einen konstitutiven Heranziehungsakt voraus,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.10.2010 - 8 B 817/10 -, juris Rn. 15 f. unter Bezugnahme auf: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 13 Rn. 43 und Kopp/Ramsauer, 11. Aufl. 2010, § 13 Rn. 24 ff. m.w.N.,

der nicht nur durch einen förmlichen Verwaltungsakt, sondern auch konkludent durch reale Beteiligung geschehen kann. Hierfür reicht in der Regel jede Handlung der federführenden Behörde aus, mit der sie zu erkennen gibt, dass sie von einer Mitwirkung des Hinzugezogenen als Beteiligter oder Betroffener ausgeht. Es ist eine aktive Handlung der Behörde nach außen notwendig.

Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 13 Rn. 30; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 13 Rdnr. 14; Knack/Henneke, VwVfG, 9. Auflage 2010, § 13 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, 11. Auflage 2010, § 13 VwVfG Rn. 28 ff.

Der Beklagte hat den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.06.2014 mit Schreiben vom 24.07.2014 als Eingabe - sämtlicher - betroffener Nachbarn gewertet und diese ausdrücklich als i.S.d. § 13 VwVfG NRW Beteiligte qualifiziert. Dies reicht für eine - förmliche - Beteiligung im Verwaltungsverfahren aus, sodass ein Widerspruchsverfahren nach § 110 Abs. 3 JustizG NRW nicht abweichend von Absatz 1 durchzuführen war.

Der Kläger ist auch klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, weil er geltend macht, dass der auf einer Erlaubnis der Unteren Luftfahrtbehörde beruhende Modellflugbetrieb durch den Betrieb der WEA unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird. Unter Zugrundelegung dieses Vortrages ist zumindest eine Verletzung der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder des baurechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme möglich, das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB seine besondere gesetzliche Ausformung gefunden hat.

II.

Die danach zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit der Errichtung und dem Betrieb der hier streitigen WEA wird weder gegen sonstige öffentlichrechtliche Vorschriften i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verstoßen (1.) noch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt (2.). Durch die Errichtung und den Betrieb der WEA wird der Modellflugplatz des Klägers auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt (3.). Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass eine Vorprüfung nach dem UVPG vor der Erteilung der Genehmigung hätte erfolgen müssen (4.). Ob die Genehmigung unter Verstoß gegen weitere vom Kläger benannte Rechtsvorschriften erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben, weil diesen keine nachbarschützende Wirkung zukommt (5.).

1.

Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann nicht erteilt werden, wenn "andere öffentlichrechtliche Vorschriften" i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen. Zu diesen Vorschriften gehören auf Grund der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 13 BImSchG) auch Vorschriften des LuftVG, insbesondere die sich aus §§ 12 und 17 LuftVG ergebenden Baubeschränkungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.04.2014 - 8 A 432/12 -, juris Rn. 50.

§ 12 LuftVG steht dem Vorhaben aber nicht entgegen, weil ein Bauschutzbereich zugunsten des Modellflugplatzes des Klägers nicht festgesetzt worden ist. Die Festsetzung eines Schutzbereiches nach § 12 LuftVG ist nur bei Flughäfen möglich, zu denen einen Modellflugplatz nicht gehört. Ebenso wenig handelt es bei dem Modellflugplatz um einen Landeplatz oder ein Segelfluggelände, zu dessen Gunsten nach § 17 LuftVG ein beschränkter Bauschutzbereich festgelegt worden ist. Die Anordnung eines beschränkten Bauschutzbereiches schied im Übrigen auch deshalb aus, weil beschränkte Bauschutzbereiche für Landeplätze und Segelfluggelände nach § 17 LuftVG nur festgelegt werden können, wenn diese einer Genehmigung nach § 6 LuftVG bedürfen. Landeplätze für Flugmodelle unterfallen nicht der Genehmigungspflicht nach § 6 LuftVG, weil sie üblicherweise nicht dem Verkehr von Personen und Sachgütern auf dem Luftwege dienen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.05.1985 - 4 C 36.82 -, juris Rn. 13.

Dementsprechend ist dem Kläger für den Betrieb des Modellflugplatzes auch (nur) eine Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 LuftVO zum Aufstieg von Flugmodellen erteilt worden.

Luftverkehrsrechtliche Vorschriften standen der Erteilung der Genehmigung damit nicht entgegen.

2.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass durch die Errichtung und den Betrieb der streitigen WEA das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird.

Dass zugunsten eines Modellflugplatzes keine Bauschutzbereiche i.S.d. §§ 12 und 17 LuftVG festgesetzt werden können, steht der Anwendung des Rücksichtnahmegebots zunächst nicht entgegen. Die den Vorschriften des LuftVG zugrundeliegenden Wertungen widersprechen der Anwendung nicht; insoweit wird das baurechtliche Gebot, mit Vorhaben im Außenbereich auf einen luftverkehrsrechtlich genehmigten Betrieb Rücksicht zu nehmen, nicht durch vorrangige Regelungen des Luftverkehrsgesetzes verdrängt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 -, juris Rn. 13 ff.

Das Gebot der Rücksichtnahme zielt darauf ab, die einzelnen Grundstücke im Wege der Eigentumsinhaltsbestimmung (Art. 14 Abs. 1 GG) einer im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Es ist grundstücks- und nicht personenbezogen. Baurechtlicher Nachbarschutz allgemein und das Gebot der Rücksichtnahme im Besonderen beruhen auf dem Gedanken eines wechselseitigen Austauschverhältnisses, das im Regelfall nur zwischen dem Eigentümer des Nachbargrundstücks und den in eigentumsähnlicher Weise dinglich Berechtigten wie Nießbrauchern oder Inhabern eines Erbbaurechts besteht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.1988 - 4 CB 49.87 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 7, Urteil vom 11.05.1989- 4 C 1.88 -, BRS 49 Nr. 184, und Beschlüsse vom 11.07.1989 - 4 B 33.89 -, BRS 49 Nr. 185, sowie vom 20.04.1998 - 4 B 22.98 -, BRS 60 Nr. 174.

Obligatorisch Berechtigte eines Grundstückes - wie Mieter einer Wohnung oder Pächter eines Grundstückes - können deshalb zwar geltend machen, dass von einem baurechtlich genehmigungspflichtigen Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgehen, sich aber nicht auf das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.07.1989 - 4 B 33.89 -, BRS 49 Nr. 185; OVG Berlin, Beschluss vom 18.04.1986- 2 S 62.86 -, juris; VG Gießen, Urteil vom 02.02.2011 - 4 K 1315/10.WI -, juris Rn. 32; VG Minden, Urteil vom 30.11.2011- 11 K 3164/10 -, juris Rn. 24.

Fallen das Eigentum an einem Grundstück und das Eigentum an einer darauf errichteten baulichen Anlage gemäß § 95 Abs 1 BGB auseinander - wie z.B. bei der Errichtung einer WEA auf einem nicht im Eigentum des Betreibers stehenden Grundstück -, so kann sich allerdings auch der Betreiber der WEA auf eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Baurechtes berufen, wenn durch die von einer hinzutretenden Anlage ausgehenden Turbulenzen die Standsicherheit der eigenen Anlage beeinträchtigt wird. Denn § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bezweckt den Schutz bestehender baulicher Anlagen und ihrer Nutzung gegen Immissionen, die entweder die bauliche Anlage selbst oder ihre Nutzung beeinträchtigen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.02.2000 - 10 B 1831/99 -, juris Rn. 27.

Fehlt es an einer schützenswerten, verfestigten Rechtsposition, ist für Rücksichtnahmeerwägungen kein Raum.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, juris und Beschluss vom 03.04.1995 - 4 B 47.95 -, juris.

Der Kläger ist weder Eigentümer noch dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstückes, auf dem er den Modellflugplatz betreibt. Die von der Anlage ausgehenden Turbulenzen beeinträchtigen - anders als in dem vom OVG NRW entschiedenen Fall - auch keine bauliche Anlage oder deren Nutzung, sondern nur den - nicht baugenehmigungspflichtigen - Einsatz von Flugmodellen. Eine Baugenehmigung wurde dem Kläger nur für den Bau einer Holzhütte auf dem Gelände erteilt. Deren Nutzung wird aber durch die von der Anlage ausgehenden Turbulenzen nicht beeinträchtigt.

Soweit es den Flugbetrieb angeht, der allein durch die Errichtung und den Betrieb der WEA betroffen ist, hat der Bauherr eines privilegierten Vorhabens im Außenbereich zwar auf einen luftverkehrsrechtlich genehmigten Betrieb eines Flugplatzes nach § 6 LuftVG Rücksicht zu nehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - , juris Rn. 20.

Der Kläger betreibt aber einen Modellflugplatz, der lediglich im Besitz einer nach § 16 Abs. 1 LuftVO befristet erteilten Erlaubnis ist. Die Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 LuftVO kann mit Nebenbestimmungen versehen werden oder versagt werden, wenn eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs besteht oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist (§ 16 Abs. 4 Satz 1 und 2 LuftVO). Der Flugbetrieb kann deshalb nicht nur aus luftverkehrsrechtlichen Gründen, sondern - wie hier geschehen - z.B. auch aus landschaftschutzrechtlichen Gründen nachträglichen Beschränkungen unterworfen werden.

Vgl. Giemulla, Luftverkehrsgesetz, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: April 1998, § 6 LuftVG Rn. 2; Reidt in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: September 2013, § 6 LuftVG Rn. 31.

Dementsprechend wird in den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung veröffentlichten "Grundsätzen des Bundes und der Länder für die Erteilung der Erlaubnis zum Aufstieg von Flugmodellen gemäß § 16 LuftVO" vom 25.02.2008 (Nachrichten für Luftfahrer vom 23.03.2008, NfL 76/08) in dem als Anhang beigefügten Musterbescheid ausdrücklich auf die Möglichkeit des Widerrufs hingewiesen, wenn nachträglich im Einwirkungsbereich des Modellfluggeländes Verkehrs- und Energieanlagen errichtet werden (dort unter II., Bl. 140R GA).

Selbst wenn sich der Kläger sich auf das Gebot der Rücksichtnahme überhaupt berufen könnte, wird der Flugbetrieb nach Art und Umfang nicht in einem Maße beeinträchtigt, der das Gebot der Rücksichtnahme verletzt.

Welches Maß an Rücksichtnahme verlangt werden kann, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugute kommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 -, juris Rn. 22 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 25.02.1977 - IV C 22.75 - a.a.O. = juris Rn. 26, und vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, a.a.O. = juris Rn. 19.

Soweit es Störungen des genehmigten Flugbetriebs eines Segelflugplatzes betrifft, hat das OVG Rheinland-Pfalz,

vgl. Urteil vom 16.01.2006 - 8 A 11271/05 -, juris Rn. 25,

entschieden, dass das Gebot der Rücksichtnahme nur dann verletzt sein kann, wenn ein Flugbetrieb in dem zugelassenen Flugkorridor verhindert oder in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Betreiber unter Berücksichtigung der zeitlichen Priorität des Flugplatzes trotz der Privilegierung der Windenergieanlage nicht mehr zumutbar ist. § 6 LuftVG garantiere nicht den Fortbestand optimaler Betriebsmöglichkeiten, wenn dieser Zustand durch nachträglich hinzutretende privilegierte Vorhaben beeinträchtigt werde.

Gilt dies für einen nach § 6 LuftVG genehmigten Flugplatz, muss dies erst recht für einen Landeplatz gelten, dessen Betrieb (nur) auf einer befristeten und widerruflichen Erlaubnis nach § 16 Abs. 1 LuftVO beruht (s.o.).

Dafür, dass der Flugbetrieb durch die Errichtung und den Betrieb der hier streitigen WEA in einem unzumutbaren Ausmaß beeinträchtigt oder gar verhindert wird, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Soweit in der Klagebegründung vom 06.10.2014 (Bl. 40 GA) ausgeführt wird, grundsätzlich würden WEA derart heftige Turbulenzen verursachen, dass zwischen ihnen ein Mindestabstand vom 8-fachen des Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung, in allen anderen Windrichtungen vom 5-fachen des Rotordurchmessers einzuhalten sei, beruft sich der Kläger offensichtlich auf Aussagen im Windenergie-Erlass des Landes NRW aus dem Jahre 2011,

vgl. Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.07.2011 (im Folgenden: WEA-Erlass 2011), dort unter Nr. 5.2.3.4,

wonach "standsicherheitsrelevante" Auswirkungen bei Unterschreitung dieser Abstände nicht ausgeschlossen werden können. Der Erlass nimmt hierbei Bezug auf die Richtlinien betreffend Windenergieanlagen des Deutsches Instituts für Bautechnik, Richtlinien für Windenergieanlagen, Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung (Fassung März 2004, im Folgenden: DIBt 2004) i.V.m. der DIN EN 61400-1.

Die dort genannten Prüfwerte beziehen sich indes auf erhöhte Umgebungsturbulenzen zwischen benachbarten WEA (vgl. Nr. 6.3.3 DIBt 2004, jetzt Nr. 7.3.3 DIBt 2012). Sie sind hier schon deshalb nicht einschlägig, weil es nicht um Turbulenzen einer WEA mit Auswirkungen auf andere WEA geht, sondern um Auswirkungen auf bewegliche Flugmodelle mit einem Gewicht von maximal einigen Kilogramm (Bl. 40 GA), die sich bei einer erlaubten Flughöhe von 100 m erheblich unterhalb der 120 m betragenden Nabenhöhe der von der Beigeladenen geplanten WEA bewegen.

Unmittelbare Rückschlüsse auf das Flugverhalten und die Steuerbarkeit von Flugmodellen lassen sich aus den o.g. Richtwerten für die Turbulenzintensität zwischen WEA deshalb nicht ziehen. Die Turbulenzintensität ist das Verhältnis aus Standardabweichung und der mittleren Windgeschwindigkeit des Mittelungszeitraumes. Sie gibt Auskunft über die Belastungen einer Windenergieanlage und setzt sich zusammen aus der sog. Umgebungsturbulenz und der sog. induzierten Turbulenz, die durch den Nachlauf einer WEA entstehen kann.

Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012- 11 L 418/12 -, juris Rn 56 ff. unter Bezugnahme auf Gasch/Tewle, Windkraftanlagen, 5. Auflage 2007, Seite 155 ff.

Eine Überschreitung des Auslegungswerts für die Turbulenzintensität bedeutet hierbei nicht, dass die Standsicherheit von benachbarten Windkraftanlagen in dem Sinn gefährdet ist, dass damit eine akute oder unter bestimmten, jederzeit potentiell eintretenden Betriebs- oder Umgebungsbedingungen bestehende Einsturzgefahr zu verstehen wäre. Vielmehr wirkt sich dies nur auf die Lebensdauer der maschinentechnischen Teile der Anlage und den Überwachungs- und Wartungsaufwand aus.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.02.2015 - 22 ZB 14.2364 -, juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.02.2009 - 11 S 53-08 -, juris Rn. 6.

Eine Überschreitung des Auslegungswertes für die Turbulenzintensität hat deshalb keine Bedeutung, wenn benachbarte WEA - wie hier - nicht vorhanden sind. Insoweit ist unerheblich, dass - wie der Kläger behauptet (Bl. 117 GA) - bei den südlich gelegenen Windkraftanlagen - gemeint sind offensichtlich die genehmigten, aber bisher nicht errichteten sieben Anlagen in O-A - ein Mindestabstand von mehr als 800 m zwischen den Anlagen für erforderlich gehalten wurde.

Der Hinweis des Klägers (vgl. Klagebegründung vom 06.10.2015, Bl. 119 GA), dass in einem vor dem VG Düsseldorf anhängigen Verfahren (11 K 7499/11) gutachterlich festgestellt worden sei, Turbulenzen seien in einem Abstand vom 10-fachen des Rotordurchmessers noch für einen Modellflugbetrieb "spürbar", rechtfertigt die Annahme unzumutbarer, gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßender Beeinträchtigungen des Modellflugbetriebes nicht.

Die "Spürbarkeit" von Turbulenzen sagt zunächst nicht nichts über den Grad der Beeinträchtigung des Flugbetriebes aus. Auch hat das VG Düsseldorf in dem vom Kläger benannten Verfahren nicht festgestellt, dass bei einem geringeren Abstand zu einer WEA von erheblichen Beeinträchtigungen für den Flugbetrieb auszugehen ist. Das genannte Klageverfahren wurde durch Klagerücknahme beendet; auch in dem den Antrag des Flugplatzbetreibers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ablehnenden Eilbeschluss fehlt eine solche Aussage.

Vgl. Beschluss vom 17.04.2012 - 11 L 418/12 -, juris.

In dem Verfahren vor dem VG Düsseldorf war allerdings ein Gutachten des Modellflugsachverständigen des E. Dipl.-Ing. L. vom 30.08.2010 (Bl. 76 der dortigen GA 11 K 7499/11) vorgelegt worden, in dem Sicherheitsabstände zwischen WEA und Modellflugplätzen entsprechend denjenigen für WEA untereinander nach dem WEA-Erlass 2011 gefordert wurden. Das VG Düsseldorf ist der Auffassung dieses Gutachters aber nicht gefolgt, sondern hat auf eine hiervon abweichende Stellungnahme des Modellflugsachverständigen I3. L1. (Beauftragter des Deutschen Modellflugverbandes (DMFV) für Windkraftanlagen) hingewiesen, der in einem - nicht mit einer Datumsangabe versehenen und von ihm und dem Justiziar des Verbandes Sonnenschein - unterzeichneten "Maßnahmenkatalog für Modellflug und Windkraft" ausführt, von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Beeinträchtigung des Modellflugbetriebes könne bei einem Abstand von mehr als 100 m zwischen äußerster Rotorblattspitze und Flugsektorgrenze nicht ausgegangen werden.

Vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012- 11 L 418/12 -, juris Rn. 62.

Die in dem auch m vorliegenden Verfahren beigezogenen (Bl. 134 GA) Maßnahmenkatalog dargestellte Einschätzung der Verfasser beruht auf entsprechenden Rückmeldungen von durch die Errichtung von WEA betroffenen Modellflugvereinen sowie Besuchen dort. Dabei sei festgestellt worden, dass es bei Abständen von 70 bis 80 m zu einer WEA in der Start- und Landephase "keine Störungen", lediglich "hin und wieder mal ein(en) kleinen Wackler" gegeben habe. Bei Flügen mit Windrädern im Rücken in einer Entfernung von 80 bis 90 m habe es ebenfalls keine größeren Störungen gegeben. Die früher angegebenen Sicherheitsabstände von 200 bis 250 m zwischen WEA und Flugsektorgrenze seien deshalb nicht notwendig. Nach ihren Erfahrungen reiche ein Sicherheitsabstand von der Flugsektorgrenze zur Rotorblattspitze von 100 m plus einer Rotorblattlänge zur Vermeidung von Beeinträchtigungen aus.

Die im Verfahren vor dem VG Düsseldorf vorgelegte Stellungnahme des Modellflugsachverständigen L. legt nicht dar, aus welchen Gründen die für WEA untereinander im WEA-Erlass 2011 vorgesehenen Abstände ebenso für WEA und Modellflugplätze gelten sollen. Der Sachverständige begründet seine Auffassung auch im Übrigen nicht, sondern überträgt letztlich ohne jegliche Argumentation die Aussagen des WEA-Erlasses zur Turbulenzintensität in Windparks auf einen Modellflugbetrieb. Woraus er schlussfolgert, dass im Bereich eines ca. dem 5-fachen des Rotordurchmessers betragenden Abstands zwischen WEA und Flughafenbezugspunkt mit einer "deutlichen Turbulenzintensität von ca. 20 % gerechnet werden muss, bleibt unklar,

so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2012, a.a.O.

Rn. 62,

ebenso, welche Folgen dies für das Flugverhalten der Flugmodelle hat. Infolgedessen kann dieser Stellungnahme nichts entnommen werden, was überhaupt auf möglicherweise negative Auswirkungen einer WEA auf den Flugbetrieb schließen lassen könnte.

Der im "Maßnahmenkatalog für Modellflug und Windkraft" des E1. empfohlene Sicherheitsabstand von 100 m plus einer Rotorblattlänge wird eingehalten. Der Standort der WEA liegt nach der von der Beigeladenen vorgelegten Karte (Bl. 110 GA) mindestens 628 m vom Flugsektor entfernt. Er beträgt damit - nahezu - das Vierfache des vom E1. für erforderlich erachteten Sicherheitsabstandes von 158 m (100 m plus 58,5 m Rotorradius).

Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass diese Einschätzungen des E1. und des Modellflugsachverständigen L1. einer fundierten Grundlage entbehren oder auf Grund neuerer Erkenntnisse zu den von WEA ausgehenden Turbulenzgefahren für Flugmodelle überholt sind. Der Justiziar des E1. hat auf telefonische Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass der Verband weiterhin davon ausgeht, dass der im o.g. Maßnahmenkatalog genannte Sicherheitsabstand zur Vermeidung von Turbulenzgefahren für WEA ausreichend ist und keine neueren Erkenntnisse vorliegen, die eine hiervon abweichende Bewertung erfordern (Bl. 146 GA).

Der Kläger hat diese Einschätzung des E1. weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2015 substantiiert bestritten. Er hat insbesondere keine Vorfälle benannt, bei denen es trotz Einhaltung des vom E1. empfohlenen Sicherheitsabstandes auf Grund der Nähe zu WEA zu Abstürzen von Flugmodellen oder einem unkontrollierbarem Flugverhalten gekommen ist. Dass der E1. als zuständiger Fachverband in Konfliktsituationen den Abschluss von Vereinbarungen mit den WEA-Betreibern empfiehlt, ist wohl der luftverkehrs- und baurechtlich schwach ausgestalteten Rechtsposition von Modellflugplatzbetreibern geschuldet (s.o.), ohne dass dies die tatsächlichen Grundlagen des empfohlenen Sicherheitsabstandes in Frage stellen würde. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 26.10.2015 auf wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Nachlaufströmung bei WEA und zu Mindestabständen von WEA zu Freileitungen hingewiesen hat, ist für das Gericht nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden, welche Relevanz diese Untersuchungen für den hier streitigen Fall haben sollen.

Überträgt man ungeachtet dessen, dass nachvollziehbare Gründe dafür fehlen, die im WEA-Erlass 2011 genannten Sicherheitsabstände auf WEA, die in der Nähe von Modellflugplätzen errichtet und betrieben werden sollen, wird der Flugbetrieb des Klägers ebenfalls nicht unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert.

Wie oben bereits ausgeführt, beträgt der geringste Abstand zwischen dem erlaubten Flugkorridor und dem Standort der geplanten WEA 628 m, was dem 5,37-fachen des Rotordurchmessers entspricht. Bei einem derartigen Abstand ist auch nach den Empfehlungen des WEA-Erlasses 2011 mit erheblichen Turbulenzen nur dann zu rechnen, wenn der Wind aus der Hauptwindrichtung weht. Ob die WEA, vom nächstgelegenen Punkt des Flugkorridors der Anlage aus betrachtet, überhaupt in der Hauptwindrichtung (WSW) liegt (vgl. hierzu die Klageerwiderung der Beigeladenen vom 02.09.2015, Bl. 107 GA), kann dahingestellt bleiben. Ausweislich des vom Beigeladenen vorgelegten Datenblattes zur Windverteilungshäufigkeit (Bl. 111 GA) könnten Turbulenzen allenfalls in 13,9 % (WSW) bzw. 11,2 % der Stunden eines Jahres (SSW) den Flugbetrieb spürbar beeinträchtigen. Bei Beeinträchtigungen, die allenfalls in einem Viertel der Jahresstunden entstehen, wird noch nicht in einer das Gebot der Rücksichtnahme verletzenden Weise in den Flugbetrieb eingegriffen.

3.

Ungeachtet dessen, dass der Kläger sich als Mieter und Pächter des Grundstückes, auf dem der Flugbetrieb stattfindet, nicht auf das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen kann, kann er sich aber auf die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen. Der Schutzbereich der Vorschrift ist nicht auf schädliche Umwelteinwirkungen beschränkt, sondern kann auch dann zur Anwendung gelangen, wenn andere nachteilige Wirkungen zu erwarten sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122, vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, juris, und vom 21.01.1983 - 4 C 59.79 -, juris.

Bei den von WEA ausgehenden Windverwirbelungen und Turbulenzen handelt es sich um "ähnliche Umwelteinwirkungen" i.S.d. § 3 Abs. 2 BImSchG,

vgl. Thiel in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2014, Band III, § 3 BImSchG Rn. 69,

die einen Abwehranspruch allerdings nur dann begründen, wenn sie geeignet sind, erhebliche Nachteile, für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). "Geeignet" zur Herbeiführung der erhebliche Nachteile sind die von der WEA ausgehenden Turbulenzen zwar nicht erst dann, wenn die befürchteten nachteiligen Konsequenzen tatsächlich eintreten. Das "Herbeiführen" ist im Sinne eines Kausalzusammenhanges mit dem Eintritt einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes zu verstehen. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes ist nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu bestimmen. Risiken, die als solche erkannt sind, müssen mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 - 1 C 102.76 -, jurisRn. 33; Thiel, a.a.O. § 3 Rn. 53 ff.; Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage 2013, § 3 Rn. 22 und 39 ff.

Die Bestimmung der "Erheblichkeit" des Nachteils hat durch Vornahme eines Interessenausgleichs im nachbarschaftlichen Verhältnis zu erfolgen, wobei die Zumutbarkeit sich nach Art, Ausmaß und Dauer der Immissionen beurteilt. Hierbei sind auch die Art des betroffenen Gebietes und die dort bauplanungsrechtlich zulässige Nutzung zu berücksichtigen.

Vgl. Thiel, a.a.O. § 3 Rn. 45 ff.; Jarass, a.a.O. § 3 Rn. 55 und 56.

Immissionen, die ein Grundstückseigentümer nach dem baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme zu dulden hat, stellen deshalb keine erheblichen Nachteile i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG dar.

Gemessen an diesen Voraussetzungen steht der Errichtung und dem Betrieb der Anlage § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht entgegen. Es ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass dem Flugbetrieb des Klägers durch den Betrieb der geplanten WEA erhebliche Nachteile durch Windverwirbelungen und Turbulenzen drohen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Gerichts zum Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und die dort zitierten sachkundigen Stellungnahmen Bezug genommen (s. unter 2.).

4.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Genehmigung unter Verstoß gegen Vorschriften des UVPG ergangen ist und ihm deshalb ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG) vom 08.04.2013 (BGBl I S. 735) zusteht.

Der Kläger ist als eingetragener Verein i.S.d. § 21 BGB eine juristische Person i.S.d. § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO und kann sich nach § 4 Abs. 3 UmwRG auf eine Verletzung des Absatzes 1 der Vorschrift berufen, ohne dass es darüber hinaus der Feststellung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bedarf. Denn diese Vorschrift trifft für den Fall einer fehlerhaft durchgeführten UVP-Vorprüfung eine Fehlerfolgenregelung für die Begründetheitsprüfung in der Form, dass ein solcher Fehler erheblich ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzte Verfahrensvorschrift der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dient und ob der Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2013 - 4 A 1.13 -, juris Rn. 41; OVG NRW, Urteile vom 14.10.2013 - 20 D 7/09.AK -, juris Rn. 79, und vom 23.06.2014 - 2 A 104/12 -, juris Rn. 22.

Die Vorschrift setzt die Zulässigkeit der Klage und damit eine bestehende Klagebefugnis voraus, die bei Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG anzunehmen sein dürfte.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.07.2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 8.

Der Kläger kann aber eine Verletzung des § 4 Abs. 1 UmwRG nicht mit Erfolg rügen, weil der Anwendungsbereich des UmwRG nicht eröffnet ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG findet das Gesetz Anwendung auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann. Soweit es die Errichtung und den Betrieb einer einzigen WEA betrifft, kann eine Pflicht zur Durchführung einer UVP schon deshalb nicht bestehen, weil eine Pflicht zur Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG nur dann besteht, wenn das Vorhaben eine Windfarm mit mindestens drei Anlagen betrifft. Dies ist hier nicht der Fall.

Eine Pflicht zur Vorprüfung oder Durchführung einer UVP besteht auch nicht unter Berücksichtigung weiterer vorhandener oder geplanter Anlagen im Umfeld des Anlagenstandortes, die aufgrund eines engen Zusammenhanges i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG mit der hier streitgegenständlichen Anlage eine Windfarm i.S.d. der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG bilden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer auf Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 88 zur immissionsschutzrechtlichen Nachbarklage, und Urteil vom 28.11.2007 - 8 A 2325/06 -, juris Rn. 47 zur baurechtlichen Nachbarklage,

so dass sich auch die Frage der UVP-Pflicht des streitigen Vorhabens nach dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung richtet. Zu diesem Zeitpunkt waren andere Anlagen, die zusammen mit der hier streitigen Anlage als Windfarm angesehen werden müssten, weder vorhanden noch lagen Genehmigungsanträge hierfür vor. Ein Genehmigungsantrag für die in der Nachbargemeinde S. -X. geplanten sieben weiteren WEA wurde vielmehr erst im Dezember 2014 und damit nach Erlass des das Verwaltungsverfahren (spätestens) abschließenden Änderungsbescheides vom 17.11.2014 gestellt.

Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die WEA der Beigeladenen zusammen mit den sieben zwischenzeitlich genehmigten Anlagen in S. -X. auf Grund ihres Abstandes - der Mindestabstand zur nächstgelegenen WEA 5 in S. -X. beträgt 1.460 m - oder kumulierender Wirkungen für Schutzgüter i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG eine Windfarm bilden.

Vgl. zum Begriff der Windfarm: OVG NRW, Beschluss vom 23.07.2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 69 ff.

Die Rechtsauffassung des Klägers, die Genehmigung nur einer WEA hätte einer (standortbezogenen) Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG bedurft, weil sie auf Grund der Standortwahl die Errichtung weiterer WEA in der Konzentrationszone 1 ausschließe, sich somit wie die Errichtung von drei möglichen Anlagen in dieser Zone auswirke (vgl. Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 7), geht fehl. Die Pflicht zur Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. der Anlage 1 zum UVPG besteht nur dann, wenn mindestens drei Anlagen in einem engen Zusammenhang i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 2 UVPG stehen und - wie oben bereits ausgeführt - auf Grund kumulativer Wirkungen für Schutzgüter des UVPG als Windfarm zu betrachten sind. Im Sinne des UVP-Rechts ist es unerheblich, ob bei einer anderen Standortwahl die Errichtung von drei Anlagen möglich wäre. Entscheidend ist allein, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben UVP-pflichtig ist. Dies ist hier - wie oben bereits dargelegt - nicht der Fall.

Auch die vom Kläger zitierte neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Klagebegründung vom 23.10.2015, Seite 1), rechtfertigt keine ihm günstigere Beurteilung.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.10.2015

- C-137/14 - (Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland), abrufbar in juris -

festgestellt, dass Vorschriften des UmwRG und des VwVfG zur Präklusion (§ 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG) und zur Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern (§ 46 VwVfG) mit der UVP-Richtlinie in der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Fassung,

vgl. Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im Folgenden: UVP-RL),

nicht zu vereinbaren sind. Die für unionsrechtswidrig erkannten Vorschriften sind hier aber nicht entscheidungserheblich, weil weder eine Präklusion von Einwendungen noch die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Streit steht. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen mehrere WEA aufgrund ihrer kumulierenden Wirkung i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 UVPG eine Windfarm bilden, verhält sich die Entscheidung nicht.

5.

Die weiter vom Kläger geltend gemachten Einwände betreffen Vorschriften, die keinen nachbarschützenden Charakter haben. Ob die Genehmigung unter Verstoß gegen diese Vorschriften ergangen ist, kann deshalb dahingestellt bleiben. Der Kläger würde jedenfalls hierdurch nicht in subjektiven, eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a.) Dies gilt zunächst hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Einwände, Belange des Naturschutzes, insbesondere des Artenschutzes und des Landschaftsschutzes (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 10 ff.), seien im Genehmigungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Nachbarschutz wird im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ausschließlich über das Gebot der Rücksichtnahme und die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB genannten Belange gewährt. Bei den in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes und des Denkmalschutzes handelt es um Belange, deren Beachtung allein öffentlichen Interessen dient. Ein Nachbar kann sich auf die Verletzung derartiger Belange nicht berufen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.07.1999 - 4 B 38/99 -, juris.

Eine Erweiterung des subjektiven Rechtsschutzes für einen Nachbarn als Teil der betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG kann in dieser Hinsicht auch nicht aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG abgeleitet werden. Nach § 4 Abs. 3 UmwRG können natürliche und juristische Personen zwar rügen, dass eine erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, weil etwa erhebliche Auswirkungen auf Schutzgüter des § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG nicht geprüft werden. Die Berufung auf derartige Mängel setzt aber eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bzw. UVP-Vorprüfung voraus, die - wie oben bereits ausgeführt - hier nicht bestand.

Ein hiervon unabhängiges Recht des Einzelnen, Umweltbelange geltend zu machen, besteht nach dem UmwRG nicht. Es ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Die UVP-RL und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention gebieten eine Auslegung des nationalen Rechts, die die durch die UVP-RL verliehenen Verfahrensrechte als individualschützend anerkennt und ihre prozessuale Durchsetzbarkeit gewährleistet. Im Lichte dieser Regelungen sind der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG nur hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen Rügerechte zuzuerkennen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 55 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 07.11.2013 (Altrip) - C-72/12 -, juris Rn. 36, 38 und 47.

Es ist unionsrechtlich dagegen nicht geboten, Privaten ein allgemeines Rügerecht gegenüber der Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften einzuräumen.

b.) Ebenso wenig kann der Kläger geltend machen (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 6), das Vorhaben sei rechtswidrig, weil nach der im Verfahren erfolgten Standortverschiebung der Rotor über die im Flächennutzungsplan festgesetzte Konzentrationszone hinausrage. Soweit der Kläger hierzu ergänzend im Verfahren 11 K 2074/14 ausführt hat (vgl. die dortige Klagebegründung vom 08.10.2014, Seite 13), die Ausschlusswirkung eines "qualifizierten" Flächennutzungsplanes habe nach der Rechtsprechung

- vgl. BverwG, Urteil vom 26.04.2007 - 4 CN 3.06 - und Beschluss vom 23.10.2008 - 4 BN 16.08 -, jeweils juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 09.10.2008 - 12 KN 12/07 -, juris -

nachbarschützende Wirkung, trifft dies nicht zu. In der vom Kläger zitierten Entscheidung weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass mit der Einführung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Gemeinde in die Lage versetzt werden sollte, die bauliche Entwicklung privilegierter Vorhaben im Außenbereich planerisch zu steuern. Vorhaben sind seitdem nicht mehr nur dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, sondern auch dann, wenn für sie durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine "Ausweisung" an anderer Stelle erfolgt ist. Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen auf der Ebene der Vorhabenzulassung rechtliche Außenwirkung. Das gibt der Gemeinde für privilegierte Außenbereichsvorhaben ein neuartiges Instrument der verbindlichen Standortplanung an die Hand.

Vgl. BverwG, Urteil vom 26.04.2007 - 4 CN 3.06 -, juris Rn. 16.

Die mit der Darstellung von Konzentrationszonen zugleich verbundene negative Ausschlusswirkung soll demnach nur die Rechtsposition der Gemeinde verbessern, aber für private Dritte keine Abwehrrechte begründen. Dies wird im Übrigen auch durch den Wortlaut des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB deutlich: Danach können derartige Festsetzungen von Konzentrationszonen in einem Flächennutzungsplan einem privilegierten Vorhaben (nur) als öffentlicher Belang entgegengehalten werden.

Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der vom Kläger zitierten weiteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2008. Auch dort wird nur die bereits im Urteil vom 26.04.2007 geäußerte Rechtsauffassung bestätigt, dass Flächennutzungspläne i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Außenwirkung entfalten und damit Gegenstand einer Normenkontrolle i.S.d. § 47 VwGO sein können. Zum Nachbarschutz verhält sich diese Entscheidung nicht.

Soweit der Kläger meint, er werde durch die Abweichung vom Flächennutzungsplan "als Betroffener des Schutzgutes Mensch" beeinträchtigt (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 8) und hätte deshalb "beteiligt" werden müssen, will er wohl auf eine sich aus § 9 UVPG ergebende Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit hinweisen. Eine derartige Pflicht bestand indes nicht, da das Vorhaben nicht dem UVPG unterliegt. Auf die Ausführungen unter a.) wird Bezug genommen.

c.) Der Einwand des Klägers (Klagebegründung vom 06.10.2014, Seite 7), die Gemeinde habe im Verfahren ihr Einvernehmen zur Standortverschiebung nicht erteilt und dieses habe sich nur auf den ursprünglichen Standort bezogen, ist schon in der Sache falsch, weil die Gemeinde mit Schreiben vom 26.06.2014 der Standortverschiebung zugestimmt hat (BA IV Teil 2 Bl. 71 zu 11 K 2054/14). Im Übrigen gilt auch insoweit, dass mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 BauGB allein Belange der Gemeinde gewahrt werden sollen. Ein Privater kann sich auf die Verletzung des gemeindlichen Einvernehmens deshalb nicht berufen.

Vgl. BverwG, Urteil vom 06.12.1967 - IV C 94.66 -, juris.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Prozesskostenrisiko beteiligt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Lukas Jozefaciuk