VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.03.2016 - 9 K 3927/15
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vergleiche: Urteil vom 3. März 2011- 3 C 1/10 -, BVerwGE 139, 120), nach der ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis keine Löschung von Punkten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG zur Folge hat, gilt entsprechend in den Fällen, in denen der spätere Fahrerlaubnisinhaber bereits vor Erteilung der Fahrerlaubnis mit weniger als 18 Punkten zu bewertende Verkehrszuwiderhandlungen begangen und die Straßenverkehrsbehörde aus den konkreten Verstößen Eignungsbedenken abgeleitet hat, die der spätere Fahrerlaubnisinhaber durch Beibringung eines die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestätigenden medizinischpsychologischen Gutachtens ausgeräumt hat, übertragbar ist.
§ 4 Abs. 3 StVG n.F. ist nur auf ab dem 1. Mai 2014 erteilte Fahrerlaubnisse anwendbar und gilt nicht für Fälle, in denen eine Fahrerlaubnis vor dem 1. Mai 2014 ersterteilt wurde.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am 10. Juni 19xx geborene Kläger beging nachfolgende Verkehrsverstöße:
Datum der Tat
Datum der Rechtskraft
Datum der Speicherung
Punkte (alt)
Tatvorwurf
12.10.2008
04.02.2009
27.03.2009
Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
26.02.2010
24.04.2010
11.05.2010
Rotlicht missachtet, außer Acht lassen der besonderen Vorsicht
03.04.2010
13.10.2010
09.11.2010
Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
10. 05.2011
15.06.2011
04.07.2011
Anordnung der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs trotz mangelhafter Reifen
Nach Beantragung der Erteilung der Fahrerlaubnis und Vorlage eines zur Frage, ob er auch zukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, erstellten, seine Kraftfahreignung bestätigenden medizinischpsychologischen Gutachtens wurde ihm am 20. Dezember 2012 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt.
Am 1. Mai 2014 wurden die im Verkehrszentralregister gespeicherten Verkehrszuwiderhandlungen in das Fahreignungs-Bewertungssystem eingeordnet und mit 7 Punkten bewertet.
Nachfolgend wurde folgende Verkehrsordnungswidrigkeit eingetragen:
Datum der Tat
Datum der Rechtskraft
Datum der Speicherung
Punkte (neu)
Tatvorwurf
21.07.2014
30.09.2014
21.10.2014
Rotlicht missachtet
Aufgrund dieses Verkehrsverstoßes wurde der Kläger unter dem 22. Januar 2015 wegen Erreichens von 5 Punkten ermahnt. Dabei wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit hin, durch freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar das Punktekonto zu verringern.
Danach wurde folgende Entscheidung in das Fahreigungsregister eingetragen:
Datum der Tat
Datum der Rechtskraft
Datum der Speicherung
Punkte (neu)
Tatvorwurf
09.05.2014
17.12.2014
09.02.2015
verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons
Aufgrund dieses Verkehrsverstoßes verwarnte die Beklagte den Kläger wegen Erreichens von 6 Punkten (neu) mit Schreiben vom 18. März 2015, und wies ihn zum einen auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar ohne die Möglichkeit des Punktabzugs und zum anderen auf den Entzug der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 8 Punkten hin.
Sodann wurden für den Kläger im Fahreignungsregister die folgenden Entscheidungen eingetragen:
Datum der Tat
Datum der Rechtskraft
Datum der Speicherung
Punkte (neu)
Tatvorwurf
13.06.2014
27.01.2015
09.03.2015
verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons
22.11.2014
24.04.2015
22.06.2015
verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons
06.01.2015
29.05.2015
29.06.2015
verbotswidriges Benutzen eines Mobiltelefons
Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Zur Begründung führte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten aus: Die zum Entzug der Fahrerlaubnis führenden Punkte beruhten auf vor der Verwarnung liegenden Verkehrszuwiderhandlungen und hätten auf einen Schlag zur Erreichung von 8 Punkten geführt. Er bitte um Bewertung seiner Verkehrszuwiderhandlungen mit insgesamt 7 Punkten.
Die Beklagte entzog dem Kläger die Fahrerlaubnis mit Ordnungsverfügung vom 5. August 2015. Sie setzte Gebühren und Auslagen in Höhe von 129,45 € fest.
Danach wurde für den Kläger folgende Entscheidung im Fahreignungsregister eingetragen:
Datum der Tat
Datum der Rechtskraft
Datum der Speicherung
Punkte (neu)
Tatvorwurf
12.08.2014
24.07.2015
06.08.2015
Geschwindigkeitsverstoß
Der Kläger hat am 10. September 2015 Klage erhoben. Eine Begründung der Klage ist unterblieben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf ihre Ordnungsverfügung.
Gründe
Der Vorsitzende der Kammer kann über den Rechtsstreit als Einzelrichter befinden, nachdem dieser mit Beschluss der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2015 auf den Einzelrichter übertragen worden war, § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, §113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Vorliegend ist das der 5. August 2015. Rechtsgrundlage für die Entziehung ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in der Fassung vom 28. November 2014 (im Folgenden: n. F., ansonsten a.F.). Hiernach gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignung-Bewertungssystem ergeben. In diesem Fall ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Behörde ist bei dieser Entscheidung kein Ermessen eingeräumt. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG n. F. hat die Behörde für das Ergreifen der Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzen zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat.
Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt, dem 6. Januar 2015, ergaben sich für den Kläger neun Punkte nach dem Fahreignung-Bewertungssystem.
Sie setzten sich zusammen aus 12 (alten) Punkten und einem neuen Punkt, die zusammen 5 neue Punkte ergaben, sowie weiteren 4 (neuen) Punkten.
Die 12 alten Punkte resultierten aus den beiden Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Nach der Umrechnungstabelle für die Einordnung von Personen in das Fahreignungs-Bewertungssystem gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG n.F. werden aus 12 (alten) Punkten 5 (neue) Punkte. Da die Umrechnung als solche nicht zu Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde führen darf (vgl. § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG n.F.), nahm die Beklagte, die in der Vergangenheit weder eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. noch eine Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG n.F. ausgesprochen hatte, die Verkehrszuwiderhandlung vom 21. Juli 2014 am 22. Januar 2015 zum Anlass den Kläger nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 StVG n.F. zu ermahnen und sämtliche Eintragungen mit 5 Punkten zu bewerten. Die unter dem 9. Februar, 9. März, 24. April und 29. Juni 2015 begangenen Handyverstöße wurden - zutreffend - mit je einem Punkt bewertet, so dass sich insgesamt 9 Punkte ergaben. Nach Bekanntwerden des Handyverstoße vom 9. Februar 2015 verwarnte die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß.
Weder § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG a.F. noch § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG n.F. stehen der Berücksichtigung der 12 Punkte wegen zweifachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entgegen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG a.F. waren Punkte zu löschen, die auf vor einer Fahrerlaubnisentziehung oder Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 Strafgesetzbuch begangenen Zuwiderhandlungen beruhten. Diese Vorschrift erfasst bereits nach ihrem Wortlaut nicht den vorliegenden Fall, da derartige Maßnahmen gegenüber dem Kläger bisher nicht getroffen wurden. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den - hier gegebenen - Fall der Begehung von punktebewehrten Verkehrszuwiderhandlungen vor Ersterteilung der Fahrerlaubnis ist nicht veranlasst.
Nach Auffassung des Gerichts ist durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2011 (- 3 C 1.10 -, BVerwGE 139, 120, juris) hinreichend geklärt, dass ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis - jedenfalls in den Fällen, in denen vor Erreichen von 18 Punkten auf die Fahrerlaubnis verzichtet wird -, keine Löschung von Punkten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG zur Folge hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im angeführten Urteil (juris Rdn. 10 ff.) ausgeführt:
"Diese Regelung (Anm. hier: § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG a.F.) kann weder durch analoge Anwendung noch ... im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Fälle eines Fahrerlaubnisverzichtes erstreckt werden.
1. Eine Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) scheidet nicht bereits deshalb aus, weil dem Kläger ohne seinen Verzicht die Fahrerlaubnis nicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG (Anm. a.F.) wegen des Erreichens von mindestens 18 Punkten im Verkehrszentralregister, sondern nach § 11 Abs. 8 FeV wegen Nichtvorlage eines zu Recht angeforderten medizinischpsychologischen Gutachtens entzogen worden wäre. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) beschränkt schon nach seinem Wortlaut die dort vorgesehene Löschung von Punkten nicht auf "punktsysteminterne" Fahrerlaubnisentziehungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG(Anm. a.F.). Zusätzlich verdeutlicht die Gesetzesbegründung, dass von der Regelung auch andere als durch den Punktestand bedingte Fahrerlaubnisentziehungen wegen fehlender Fahreignung erfasst werden sollen (BRDrucks 821/96 S. 72).
2. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) auf Verzichtsfälle sind jedoch nicht erfüllt, weil es insoweit an einer nicht beabsichtigten (planwidrigen) Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber hat, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Löschung von Punkten in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) bewusst auf die Fälle einer Entziehung der Fahrerlaubnis sowie einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB beschränkt. Dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahrberechtigung außerdem auch durch einen Verzicht verlieren kann, hat er dabei nicht übersehen. So heißt es in der Gesetzesbegründung ausdrücklich, dass es zur Löschung der Punkte nur im Fall der Entziehung, nicht aber beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis kommt (BRDrucks 821/96 S. 72). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 4 StVG (Anm. a.F.) einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis an anderer Stelle durchaus berücksichtigt und dort - anders als hier - jedenfalls bestimmten Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung gleichgestellt. So ist gemäß § 4 Abs. 11 Satz 2 StVG (Anm. a.F.) vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht nur in den Fällen der Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern unter anderem auch dann nachzuweisen, wenn der Betroffene einer solchen Entziehung durch den Verzicht auf die Fahrerlaubnis zuvorgekommen ist.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zwingt Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung der Löschungsregelung; die vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) vorgesehene Differenzierung zwischen einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und deren Entziehung ist sachlich gerechtfertigt.
Die Fahrerlaubnisentziehung und der Verzicht auf die Fahrerlaubnis sind eigenständige Verlusttatbestände. Während die Fahrerlaubnisentziehung an bestimmte rechtliche Voraussetzungen anknüpft, namentlich an die von der Fahrerlaubnisbehörde oder von einem Strafgericht festgestellte mangelnde Kraftfahreignung des Betroffenen, ist der Verzicht nicht in derselben Weise rechtlich gebunden, sondern hängt allein von der Willensentschließung des Betroffenen ab. Dessen Entscheidung kann von sehr unterschiedlichen Motiven getragen sein; sie können von der eigenen Einsicht in die mangelnde Kraftfahreignung, etwa aus Altersgründen oder wegen gesundheitlicher Mängel, bis hin zu der Absicht reichen, die negativen Folgewirkungen einer Fahrerlaubnisentziehung zu vermeiden. So darf gemäß § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG (Anm. a.F.) eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erteilt werden; nach § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) ist unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anzuordnen. Eine vorangegangene Fahrerlaubnisentziehung ist auch nach §§ 11, 13 und 14 FeV Grund für Eignungszweifel und damit Anlass für die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens vor der Neuerteilung. Mit Blick auf diese über die Fahrerlaubnisentziehung hinauswirkenden Vorgaben für eine Neuerteilung kam es dem Gesetzgeber ersichtlich darauf an, einem "taktisch geschickten" Verzicht des Fahrerlaubnisinhabers auf seine Fahrerlaubnis vorzubeugen (vgl. etwa Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004, § 4 StVG Rn. 15a). Der Gesetzgeber hat deshalb die Löschung der bisher im Verkehrszentralregister angefallenen Punkte, die das Korrelat für die mit der Fahrerlaubnisentziehung erfolgte Sanktionierung der bisherigen Zuwiderhandlungen bildet, den rechtlich klar abgegrenzten Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung vorbehalten. Das ist mit Blick auf seine Typisierungsbefugnis nicht zu beanstanden, zumal die unterschiedliche Behandlung von Verzicht und Entziehung ohnehin dadurch relativiert wird, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG (Anm. a.F.) nur die Punkte als solche gelöscht werden, die eingetragenen Entscheidungen dagegen solange im Verkehrszentralregister bleiben, bis sie tilgungsreif sind (BRDrucks 821/96 S. 72). Wegen der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen und Motivlagen verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht dazu, hinsichtlich der Motivation des verzichtenden Fahrerlaubnisinhabers und einer daraus möglicherweise resultierenden Missbrauchsgefahr weiter zu differenzieren. Das wäre außerdem unweigerlich mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und Beweisproblemen verbunden, die auch mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Eingrenzung nicht in zufriedenstellender Weise zu bewältigen sind. Erst recht ist der Gesetzgeber durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gehalten, die mit einem Verzicht für den Betroffenen verbundenen Vorteile, die neben der Vermeidung einer behördlichen oder strafgerichtlichen Feststellung seiner mangelnden Kraftfahreignung auch in der Ersparnis von Verwaltungsgebühren liegen, noch um die Vorteile zu vermehren, die dem von einer Fahrerlaubnisentziehung Betroffenen jedenfalls in Form einer damit einhergehenden Löschung von Punkten zugute kommen."
Das Gericht, dass zuvor anderer Auffassung war,
vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21. Juli 20109, 9 L 564/09,
schließt sich diesen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts aus Gründen der Wahrung der Rechtseinheit an und ist der Auffassung, dass diese Rechtslage auf die Fälle wie dem vorliegenden, in denen der spätere Fahrerlaubnisinhaber bereits vor Erteilung der Fahrerlaubnis mit weniger als 18 Punkten zu bewertende Verkehrszuwiderhandlungen begangen und die Straßenverkehrsbehörde aus den konkreten Verstößen Eignungsbedenken ableitet hat, die der spätere Fahrerlaubnisinhaber durch Beibringung eines die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestätigendem medizinischpsychologischen Gutachtens ausgeräumt hat, übertragbar ist. Denn bezüglich der zuvor begangenen Verkehrszuwiderhandlungen tritt durch einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis die gleiche Situation ein wie bei Verkehrszuwiderhandlungen vor Ersterteilung einer Fahrerlaubnis.
So im Ergebnis auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2015, 10 S 2417/14.
Ob dies in Fällen anders zu beurteilen ist, in denen die Verkehrszuwiderhandlungen mit mehr als 18 Punkten eingetragen sind und im Hinblick hierauf ein die Fahreignung bestätigendes medizinischpsychologisches Gutachten gefordert wird, kann vorliegend dahinstehen, weil diese Fallgestaltung von der gegebenen abweicht.
Auch § 4 Abs. 3 StVG n.F. verwehrt im Fall des Klägers nicht den Rückgriff auf vor der positiven medizinischpsychologischen Begutachtung und der in ihrem Gefolge neu erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B begangenen und mit Punkten ins Fahreignungsregister eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen. Zwar führt diese zum 1. Mai 2014 in Kraft getretene Regelung dazu, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Löschung von zuvor angesammelten Punkten zur Folge hat. Diese Regelung ist aber nur auf ab dem 1. Mai 2014 erteilte Fahrerlaubnisse anwendbar und gilt nicht für Fälle wie dem vorliegenden, in denen eine Fahrerlaubnis vor dem 1. Mai 2014 erteilt wurde. Die Übergangsvorschriften in § 65 Abs. 3 StVG n.F. regeln diesen Fall nicht. Ihnen ist aber zu entnehmen, dass die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe und damit die sie bildenden Punkte für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde zu legen sind (vgl. § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG n.F.). Den Fall, dass Verkehrszuwiderhandlungen nach altem, nicht aber nach neuem Recht punktebewehrt sind, hat der Gesetzgeber in § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. zugunsten des neuen Rechts geregelt und ausdrücklich angeordnet, dass diese Verkehrszuwiderhandlungen - und damit auch ihre Punkte - zu löschen sind. Alle anderen bereits eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen werden in "das Fahreignungs-Bewertungssystem überführt" (vgl. § 65 Abs. 3 Satz 1 StVG n.F.) und werden nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG ausdrücklich bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 StVG a.F. getilgt und gelöscht. Wenn also vor dem 1. Mai 2014 ins Verkehrszentralregister eingetragene Verkehrszuwiderhandlungen ins neue Fahreignungs-Bewertungssystem überführt werden, gelten für diese also die Tilgungs- und Löschungsvorschriften nach altem Recht fort. Damit gilt für sie also nicht die Löschungsvorschrift in § 4 Abs. 3 StVG n.F. sondern bis zum 30. April 2019 ausschließlich die Löschungsvorschriften in § 29 StVG a.F. Nicht einmal § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG a.F. ist damit anwendbar. Dies ist aber auch unschädlich, da auf eine nach dem 1. Mai 2015 erfolgende Neuerteilung der Fahrerlaubnis § 4 Abs. 3 StVG n.F. unmittelbar Anwendung findet.
Der Kläger hat das Stufensystem ordnungsgemäß durchlaufen. Er wurde mit Schreiben vom 22. Januar 2015 nach Erreichen von fünf Punkten gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 1 StVG n. F. ermahnt und auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar hingewiesen. Die Beklagte verwarnte ihn mit Schreiben vom 18. März 2015 nach Erreichen von 6 Punkten gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 StVG n.F. Sie wies ihn erneut auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar ohne die Möglichkeit des Punktabzuges hin und unterrichtete ihn über die vorgesehen Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 8 Punkten im Fahreignungsregister.
Die Tatsache, dass der Kläger die zum Erreichen von acht Punkten führenden Taten bereits vor Erhalt der Verwarnung begangen hatte und der Verwarnung somit keine wirkliche Warnfunktion zukam, ist unbedenklich. Die Gesetzesänderung des § 4 StVG zum 1. Mai 2014 bzw. zum 5. Dezember 2014 sieht zum effektiven Schutz der Verkehrssicherheit eine ausdrückliche Zuwendung zum sog. Tattagprinzip vor, nachdem Verkehrsverstöße bereits zum Zeitpunkt der Begehung zu berücksichtigen sind, auch wenn sie erst später rechtskräftig geahndet wurden,
vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 3 C 3.07.
Das lässt sich auch im Wortlaut des § 4 Abs. 5 S. 5 StVG n. F. mit dem Zeitpunkt der "Begehung" als entscheidender Zeitpunkt zum Ergreifen der Maßnahme eindeutig erkennen.
Vgl. Bundestagsdrucksache 18/2775, S. 9/10
Die in dem Bescheid enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Die Festsetzung der Gebühren und Auslagen ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Die Verwaltungsgebühr in Höhe von 125,00 € hält sich auch in dem von § 1 Abs. 1 GebOSt i.V.m. Nr. 206 der Anlage zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (Anlage GebOSt) gesetzten Rahmen von 33,20 € bis 256,- €. Für die Meldung an das Zentrale Fahrerlaubnisregister dürfen nach Gebürennr. 126.2 1,00 € erhoben werden. Die Zustellkosten in Höhe von 3,45 € sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt vom Kläger zu tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).