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VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.10.2018 - 7 K 9245/17

Widerruf einer Gemeinschaftslizenz zum grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr wegen Unzuverlässigkeit

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr.

Dem Kläger wurde die Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr erstmalig im Jahr 2003 erteilt und im Folgenden verlängert. Im September bzw. Oktober 2013 wurde der Beklagten bekannt, dass für den Kläger bei der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG Verkehr) sowie dem Hauptzollamt E. Betragsrückstände in Höhe von jeweils rund 5.000,00 Euro sowie beim Finanzamt I. Steuerrückstände in Höhe von rund 8.700,00 Euro zu verzeichnen waren. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger gleichwohl die bis zum 24. Oktober 2023 befristete Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr und ermahnte ihn wegen Verstößen gegen die Pflichten eines Verkehrsleiters unter Verweis auf die Möglichkeit, bei erneuten Verstößen die Gemeinschaftslizenz zu entziehen.

Im Jahr 2017 wurde der Beklagten bekannt, dass für den Kläger bei der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG Verkehr) Beitragsrückstände in Höhe von rund 15.000,00 Euro sowie Steuerschulden beim Fachbereich Finanzen der Beklagten in Höhe von rund 23.000,00 Euro und beim Finanzamt I. in Höhe von rund 47.000,00 Euro entstanden waren. Die Beklagte pfändete im März 2017 das Konto des Klägers, da dieser einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht nachgekommen war. Zudem teilte das Finanzamt I. mit, dass die Vollstreckung gegen den Kläger im Wesentlichen erfolglos verlaufen sei und er Zahlungen zudem teilweise nur verspätet geleistet habe.

Nach Anhörung widerrief die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 1. August 2017 die dem Kläger erteilte Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr (Ziffer 1), zog die Lizenz mit zwölf beglaubigten Kopien ein (Ziffer 2), gab dem Kläger auf, diese unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen nach Zustellung abzuliefern (Ziffer 3), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 an (Ziffer 4), gab dem Kläger auf, den Geschäftsbetrieb unverzüglich einzustellen (Ziffer 5), drohte für den Fall der Nichtrückgabe der Lizenzurkunden ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro an (Ziffer 6), setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 400,00 Euro fest (Ziffer 7) und erhob Auslagen in Höhe von 2,32 Euro. Zur Begründung führte sie aus, es seien nachträgliche Tatsachen eingetreten, die den Kläger als unzuverlässig erscheinen ließen. Die Unzuverlässigkeit ergebe sich allein schon aus der Tatsache, dass er illegal Ausländer beschäftigt habe, was mit einem Bußgeld in Höhe von 500,00 Euro geahndet worden sei. Zudem sei er aus finanziellen Gründen unzuverlässig. Er habe nicht das erforderliche Eigenkapital für die zwölf Fahrzeuge in Höhe von rund 64.000,00 Euro nachgewiesen. Zudem ergäben sich aktuell nach Schuldnermeldungen Steuer- bzw. Beitragsrückstände bei der Beklagten in Höhe von rund 18.000,00 Euro, beim Finanzamt I. in Höhe von rund 35.000,00 Euro und bei der BG Verkehr in Höhe von rund 8.000,00 Euro.

Der Kläger hat am 8. August 2017 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Es sei unrichtig, dass er illegale Ausländer beschäftige. Die Steuerbescheide, auf denen die Rückstände beruhen würden, seien rechtswidrig. Deren Rechtmäßigkeit sei auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 1. August 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen im Bescheid.

Die Kammer hat den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im zugehörigen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az. 7 L 2511/17) mit Beschluss vom 31. August 2018 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers hat das OVG NRW mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 verworfen (Az. 13 B 1186/17).

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. Mai 2018 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Das Gericht konnte in der Sache mündlich verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da er mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit durch Ladung seines Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß zum Termin geladen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO). Ein Erscheinen des Klägers war nicht abzuwarten, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung dem Gericht telefonisch mitgeteilt hatte, dass weder er noch der arbeitsunfähig erkrankte Kläger persönlich zum Termin erscheinen würden; ein Attest über eine Verhandlungsunfähigkeit des Klägers wurde nicht vorgelegt.

Die Einzelrichterin legt den wörtlich auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides gerichteten schriftsätzlich angekündigten Antrag des Klägers als Antrag auf Aufhebung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 1. August 2017 aus. Insoweit gilt, dass das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist (§ 88 VwGO). Nach dem erkennbaren Begehren des Klägers ist die Klage auf Aufhebung des Verwaltungsaktes gerichtet und als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Eine nach dem Wortlaut des angekündigten Antrags in Frage kommende Feststellungsklage wäre hingegen unzulässig, da die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage - hier: Anfechtungsklage - verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Die so ausgelegte Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Widerruf der güterkraftverkehrsrechtlichen Gemeinschaftslizenz durch Bescheid vom 1. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Insoweit bezieht sich die Einzelrichterin auf die Begründung des Verwaltungsaktes, der sie im Wesentlichen folgt, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist im Übrigen und im Hinblick auf das Klagevorbringen auszuführen:

Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der dem Kläger am 25. Oktober 2013 erteilten Gemeinschaftslizenz ist § 3 Abs. 5 Satz 2 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG). Danach ist eine Erlaubnis zum gewerblichen Güterverkehr zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr und den Kabotageverkehr vom 28. Dezember 2011 (GüKGrKabotageV) ist § 3 Abs. 5 GüKG auf Gemeinschaftslizenzen i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 entsprechend anwendbar. Nach § 3 Abs. 2 GüKG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 b) der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 muss der Kraftverkehrsunternehmer u.a. zuverlässig sein. Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit legen nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 die Mitgliedstaaten fest. Insoweit regelt § 2 Abs. 1 der Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr vom 21. Dezember 2011 (GBZugV), dass ein Unternehmer nur zuverlässig ist, wenn keine Tatsachen vorliegen, dass bei Führung des Unternehmens gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird (Nr. 1) oder bei dem Betrieb die Allgemeinheit geschädigt oder gefährdet wird (Nr. 2).

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides nicht mehr gegeben. Er ist in diesem Zeitpunkt aufgrund der Verletzung seiner Zahlungs- und Erklärungspflichten gegenüber öffentlichrechtlichen Gläubigern als unzuverlässig anzusehen gewesen. Hierdurch hat er sowohl gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen als auch die Allgemeinheit geschädigt.

Im Zeitpunkt des Widerrufs bestanden bei der Berufsgenossenschaft Verkehr laut Mitteilung vom 28. Juni 2017 Beitragsrückstände in Höhe von rund 8.000,00 Euro. Durch diese Verletzung der Zahlungspflichten werden zum einen Versicherungsansprüche der Arbeitnehmer beeinträchtigt, zum anderen das Vermögen des Versicherungsträgers geschädigt und die übrigen Versicherten höher belastet.

Im Fachbereich Finanzen der Beklagten bestanden Rückstände in Höhe von rund 18.000,00 Euro, die im Wesentlichen aus fälligen Gewerbesteuern sowie Zinsen, Säumniszuschlägen und Mahngebühren bestanden. Das Finanzamt I. teilte darüber hinaus unter dem 28. Juni 2017 Steuerschulden von rund 35.000,00 Euro mit. Sämtliche Steuern waren bereits vor Erlass der Ordnungsverfügung fällig. Zudem führte das Finanzamt I. bereits in der Mitteilung vom 10. März 2017 aus, dass die Vollstreckung im Wesentlichen erfolglos verlaufen sei. Zahlungen leistete der Kläger zudem teilweise nur verspätet.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich, ob die Steuerforderungen materiell rechtmäßig sind. Dies ist weder von der Verwaltungsbehörde noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Maßgeblich ist allein, dass die Steuern fällig und zu entrichten waren.

Vgl. zum Zuverlässigkeitsbegriff in § 35 GewO: BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juni 1994 - 1 B 114.94 -, juris, Rn. 10, vom 12. Januar 1996 - 1 B 177.95 -, juris, Rn. 5 und vom 12. März 1997 - 1 B 72.97 -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 10. November 1997 - 4 A 156/97 -, juris, Rn. 18 und Beschluss vom 25. März 2015 - 4 B 1480/14-, juris, Rn. 8.

Dies ist, wie oben dargelegt, der Fall. Im Übrigen hat der Kläger nicht konkret dargelegt, dass die Steuerbescheide tatsächlich mit Einspruch bzw. Klage angefochten worden seien und dass er - was allein die Fälligkeit betreffen würde - insofern eine Aussetzung der Vollziehung (gem. § 361 Abgabenordnung bzw. § 69 Finanzgerichtsordnung) erwirkt habe.

Es war für die hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu treffende Prognoseentscheidung im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs nicht ersichtlich, wie der Kläger die erheblichen Rückstände insbesondere beim Finanzamt tilgen will. Ein Sanierungskonzept hat der Kläger nicht ansatzweise dargelegt und bereits zuvor mit dem Fachbereich Finanzen der Beklagten geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten.

Ob der Kläger aufgrund dieser Umstände auch als nicht mehr leistungsfähig i.S.d. Art. 3 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 anzusehen war oder - was der Kläger bestreitet - "illegale Ausländer" beschäftigte, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

Bei nachträglichem Eintreten der die Unzuverlässigkeit begründenden Tatsachen ist die Genehmigung zu widerrufen, ohne dass der Behörde ein Ermessen zusteht.

Bezüglich der Rechtmäßigkeit der übrigen Ziffern des Bescheides vom 1. August 2017 bezieht sich die Einzelrichterin auf dessen Begründung, der sie folgt, § 117 Abs. 5 VwGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung.

Lukas Jozefaciuk