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VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 05.08.2016 - 2 K 1365/14

Zur Rechtmäßigkeit der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h am Autobahndreieck Spreeau (BAB 12)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 105 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf die Bundesautobahn 12 zwischen der Anschlussstelle Friedersdorf und dem Dreieck Spreeau in Fahrtrichtung Autobahnkreuz Schönefeld.

Der fragliche Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass die Bundesautobahn 12 an dieser Stelle einer Brücke unterführt wird, sodann mit einer Steigung in einer Rechtskurve verläuft und unmittelbar anschließend mit einer Linkskurve mit Gefälle in die Bundesautobahn 10 einmündet.

Aufgrund von Anordnungen des Beklagten im Jahr 2007 wurde an vorgenannter Stelle das Verkehrszeichen 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h) beidseitig als Reiter auf einem vorhandenen Verkehrszeichen Z 105 (Doppelkurve, hier mit Zusatz „Viele Unfälle“) angebracht, mit erster Anordnung zunächst befristet bis Ende September 2007, sodann auf unbestimmte Zeit. In der Begründung zu den Anordnungen heißt es jeweils, die Anordnung sei erforderlich geworden zur Gefahrenabwehr wegen Standfestigkeitsproblemen der Schutzplanke.

An 07. Juli 2013 überschritt der Kläger mit einem Fahrzeug die aufgrund des vorbezeichneten Verkehrszeichens zulässige Höchstgeschwindigkeit, weshalb ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. Mit Schreiben vom 01. August 2013 erhob der Kläger bei dem M… d… Widerspruch gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung, der nach Weiterleitung am 13. August 2013 bei dem Beklagten einging.

Die Festlegung einer Geschwindigkeitsbegrenzung im fraglichen Bereich sei ein behördlicher Willkürakt, der offensichtlich allein darauf abziele, aus autofahrerfeindlichen Motiven den fließenden Verkehr zu behindern. Insbesondere handele es sich nicht um einen Bereich mit Unfallhäufung. Die Aufstellung des Verkehrszeichens sei auch ermessensfehlerhaft, da nicht nachgewiesen sei, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung der Verkehrssicherheit diene. Auch sei eine Interessenabwägung offensichtlich nicht erfolgt. Die Geschwindigkeitsbeschränkung diene allein fiskalischen Interessen, denn es handele sich um einen Autobahnabschnitt, der aufgrund seiner langegezogenen Tangente bei durchschnittlichen Autofahrern nicht zum Bewusstsein führe, sich in einer Tempo-80-Zone zu bewegen. Es handele sich des Weiteren um eine breite Autobahn, auf der der Verkehr fließen müsse. Die Geschwindigkeitsbegrenzung sei hier nicht geeignet, einen zügigen Verkehrsfluss herbeizuführen. Vielmehr führe sie zu Staus. Bei einer konstant langsamen Geschwindigkeit leide außerdem die Konzentration des Autofahrers, was ein erhöhtes Unfallrisiko zur Folge habe. Auch ein ökologischer Gewinn durch die Geschwindigkeitsbegrenzung sei schließlich nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 20. August 2013 bat der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers um Mitteilung, ob der Kläger den fraglichen Streckenbereich häufig befahre und wann er erstmalig in den Geltungsbereich des Verkehrszeichens gelangt sei. Der Kläger verwies daraufhin mit Schreiben vom 22. August 2013 auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Am 22. Januar 2014 hat der Kläger gegen das Land Brandenburg, vertreten durch d…, bei dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 an das erkennende Gericht verwiesen hat.

Zur Zulässigkeit seiner Klage verweist der Kläger auf § 75 VwGO. Zur Begründetheit trägt er die Argumente aus seinem Widerspruchsschreiben vor.

Der Kläger beantragt,

den Verwaltungsakt der Beklagten, mit dem auf der BAB 10 Abschnitt 81 Kilometer 0,0 Tangente von BAB 12 zu BAB 10 in FR AK Schönefeld eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h angeordnet wird, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Klage bereits für unzulässig. Die Klage sei gegen den falschen Klagegegner erhoben worden. Es liege auch keine Untätigkeit im Sinne des § 75 VwGO vor, da der Kläger trotz entsprechender Anfrage nicht mitgeteilt habe, wann er erstmals in den Geltungsbereich des angegriffenen Verkehrszeichens gelangt sei. Insofern sei der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

Die Klage sei zudem unbegründet. Der Beklagte habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Bei der A12 handele es sich um eine vielbefahrene Transitstrecke. Der Schwerlastanteil betrage durchschnittlich 25,7 %. Die durchschnittliche Verkehrsbelegung liege bei 34.822,22 Kfz täglich. Auf dem Verbindungsast, in dem sich das streitgegenständliche Verkehrszeichen befinde, betrage das Verkehrsaufkommen zum Dreieck Spreeau kommend sogar 41.100 Kfz täglich, auf die A10 einfahrend dann 64.600 Kfz täglich. In der Vergangenheit sei es in dem Kurvenbereich zu schweren Unfällen gekommen, wobei wiederholt die Leitplanke durchbrochen worden sei. Die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung sei zur Gewährleistung der Standfestigkeit der Schutzplanke und – im Zusammenhang mit dem Verkehrszeichen 105 – zur Erhöhung der Verkehrssicherheit als Reaktion auf die Unfallhäufung erfolgt. Die Geschwindigkeitsreduzierung habe sich in der weiteren Beobachtung als erfolgreich erwiesen. Die Zahl der Unfälle habe sich erheblich verringert. Dies sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung in Kombination mit dem Gefahrzeichen ihre Verkehrssicherungsfunktion erfüllt habe und die Verkehrsteilnehmer ihr Fahrverhalten den besonderen Gefahren im Tangentenbereich angepasst hätten. Zudem habe die Reduzierung auf 80 km/h die Anpassung der Differenzgeschwindigkeiten zur Folge, so dass auf dem Verbindungsast ein gleichmäßiger Verkehrsfluss von Pkw- und Schwerlastverkehr gewährleistet sei und im Zusammenwirken mit der Fahrbahnmarkierung (durchgezogene Linie) riskante Fahrspurwechsel im Übergang zur A10 verhindert werden.

Dem hält der Kläger entgegen, dass ein behördliches Einschreiten nicht schon bei einer geringen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässig sei. Vielmehr müsse eine konkrete Gefahr gegeben sein. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei nach dem Vortrag des Beklagten allenfalls hinsichtlich des Schwerlastverkehrs erforderlich, nicht aber für den Pkw-Verkehr, der die langgezogene Tangente ohne weiteres mit einer höheren Geschwindigkeit als 80 km/h durchfahren könne.

Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 24. Juni 2016 unter Hinweis auf den Unterschied zwischen dem sog. Rechtsträger- und dem sog. Behördenprinzip um Klarstellung hinsichtlich der Frage gebeten, wer Klagegegner sein soll. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 30. Juni 2016 mitgeteilt, das sich die Klage gegen den Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg richten soll. Das Land Brandenburg sei unbewusst gewählt worden, weil davon ausgegangen wurde, dass dieses der richtige Beklagte sei.

Das Gericht hat außerdem das Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung eingeholt.

Gründe

Das Gericht konnte nach §§ 87a Abs. 2, Abs. 3, 101 Abs. 2 VwGO aufgrund entsprechender Einverständnisse der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden.

Das Rubrum war von Amts wegen zu berichtigen. Richtiger Klagegegner ist nicht das Land Brandenburg, sondern gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m § 8 Abs. 2 BbgVwGG der L…. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO genügt zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde. Die Regelung findet entsprechende Anwendung, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Klage gegen den Rechtsträger gerichtet, richtiger Klagegegner aber die Behörde ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 78 Rn. 9). Zwar kommt eine Rubrumsberichtigung nur in Betracht, wenn eine falsche Bezeichnung des Beklagten vorliegt. Hat der Kläger seine Klage hingegen bewusst gegen den von ihm angeführten Beklagten gerichtet, scheidet eine Umstellung der Klage aus. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn der Kläger hat auf Anfrage des Gerichts klargestellt, dass er seine Klage allein aus Unkenntnis gegen das Land Brandenburg gerichtet hat.

Die hier gegen eine Verkehrsverbot, mithin gegen einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG gerichtete (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32/09 –, Rn. 12, juris) und somit als Anfechtungsklage statthafte Klage ist zulässig.

Der Kläger ist klagebefugt. Es erscheint zumindest möglich, dass die klagegegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung den Kläger in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Als Verkehrsteilnehmer kann der Kläger geltend machen, dass die Voraussetzungen einer Verkehrsbeschränkung aus § 45 StVO nicht gegeben sind oder die Behörde bei der Ermessensausübung seine Interessen nicht rechtsfehlerfrei mit den Interessen der Allgemeinheit und den Interessen anderer Verkehrsteilnehmer abgewogen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1993, Az.: 11 C 35.92).

Die durch das Verkehrszeichen 274 bekannt gegebene Geschwindigkeitsbeschränkung war im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden. Die Frist für die Anfechtung eines Verkehrsverbotes, das durch Verkehrszeichen bekannt gegeben wird, beginnt für einen Verkehrsteilnehmer zu laufen, wenn er zum ersten Mal auf das Verkehrszeichen trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32/09 –, Rn. 12 ff., juris). Wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit (s.u.) unterstellt das Gericht zu Gunsten des Klägers, dass dies hier am 07. Juli 2013 der Fall war. Da ein Verkehrszeichen ohne Rechtsbehelfsbelehrung aufgestellt wird, beträgt die Widerspruchsfrist vorliegend gemäß §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr. Der am 13. August 2013 bei dem Beklagten eingegangene Widerspruch wahrt diese Frist nach Maßgabe der vorgenannten Prämisse.

Da über den Widerspruch des Klägers binnen angemessener Frist nicht entschieden worden ist, bedurfte es gem. § 75 VwGO nicht der weiteren Durchführung des Vorverfahrens nach § 68 ff. VwGO vor Klageerhebung. Das Gericht war – entgegen seiner ursprünglich geäußerten Auffassung – auch nicht nach § 75 S. 3 VwGO gehalten, das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist auszusetzen. Der Kläger teilte dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 22. August 2013 mit, dass er ordnungswidrigkeitsrechtlich wegen einer Übertretung der klagegegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung am 07. Juli 2013 belangt worden sei. Damit war dem Beklagten zwar noch nicht vollständig der entscheidungserhebliche Sachverhalt bekannt, denn es blieb weiter im Unklaren, ob der Kläger gegebenenfalls bereits früher auf das streitgegenständliche Verkehrszeichen getroffen ist. Indes hätte der Beklagte insofern nochmal nachfragen, nach Maßgabe der materiellen Beweislast entscheiden oder den Widerspruch jedenfalls als unbegründet zurückweisen können. Nichts von alledem unternahm der Beklagte indes.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Verkehrsverbot ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das klagegegenständliche Verkehrsverbot ist § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken. Diese Vorschrift stellt seit jeher die Rechtsgrundlage für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen dar, die durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zwar modifiziert und konkretisiert, aber nicht ersetzt wird. Das bedeutet namentlich, dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO - bei Vorliegen der dort aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen - prinzipiell im Ermessen der zuständigen Behörden stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. April 2001 – 3 C 23/00 –, Rn. 21, juris)

§ 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Beschränkungen des fließenden Verkehrs auf Autobahnen eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den voranstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. April 2001 – 3 C 23/00 –, Rn. 23, juris).

Was zunächst die besonderen örtlichen Verhältnisse anbelangt, die eine "besondere" Gefahrenlage hervorrufen können, hat das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach bereits entschieden, dass sie schon allein aufgrund einer erheblichen – im sogenannten DTV-Wert und dem Anteil des sogenannten Schwerlastanteils ausgedrückten – Verkehrsbelastung gegeben sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04. Juli 2007 – 3 B 79/06 –, Rn. 6, juris; vgl. auch VG Hannover, Urteil vom 27. April 2010 – 7 A 1820/08 –, Rn. 31, juris). Bereits der DTV-Wert, der hier nach den Angaben des Beklagten bei 41.100 Kfz täglich zum Dreieck Spreeau kommend und sogar mit 64.600 Kfz täglich auf die A10 einfahrend liegt, was sich mit der BASt Statistik 2010 ganz überwiegend deckt und von dem Gericht daher nicht bezweifelt wird sowie vom Kläger auch nicht bestritten wurde, liegt zum Teil erheblich über dem mittleren DTV-Wert für Autobahnen im Jahr 2012 in Höhe von 47.100 Kfz täglich (vgl. http://www.bast.de/DE/Presse/2014/presse-16-2014.html). Der Schwerlastanteil von 14,1 % (AS Freienbrink nach AD Spreeau) bzw. 21,8 % (AD Spreeau nach AS Friedersdorf), der von dem Beklagten sogar mit 25,7 % angegeben wird, liegt zudem erheblich über dem Bundesdurchschnitt (vgl. insofern und zu den weiteren genannten Zahlen: BASt Statistik 2010, abrufbar unter: http://www.bast.de/nn_42248/DE/Statistik/Verkehrsdaten-Downloads/2010/Manuelle-Zaehlung-2010.html).

Hier kommen die oben beschriebenen Besonderheiten der Streckenführung (Doppelkurve mit Steigung und Gefälle) hinzu, die – wie der Berichterstatter aus eigener Anschauung weiß, denn er befährt die maßgebliche Strecke regelmäßig selbst – dazu führen, dass nur eine eingeschränkte Einsehbarkeit des vorausfahrenden Verkehrs gegeben ist. Hindernisse, gerade solche, die sich am Übergang zwischen Rechtskurve/Steigung und Linkskurve/Gefälle, mithin auf dem Gipfel der entsprechenden Dammaufschüttung befinden, sind erst spät erkennbar, da die entsprechende Sichtachse außerdem durch Pfeiler und Aufschüttungen des dort befindlichen Brückenbauwerks verbaut ist.

Es liegt auf der Hand, dass auch diese Besonderheiten der Streckenführung bereits für sich allein, insbesondere aber in Verbindung mit der überdurchschnittlichen Verkehrsbelastung ohne weiteres besondere örtliche Verhältnisse im vorgenannten Sinne zu begründen vermögen.

Vergleichbares gilt für das Erfordernis, wonach das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung durch die vorzufindende Gefahrenlage erheblich überstiegen werden muss. Aus den vorstehend dargestellten örtlichen Besonderheiten ist die offensichtliche Befürchtung abzuleiten, dass, sähe die zuständige Straßenverkehrsbehörde von jeglicher gefahrenvermindernder Tätigkeit ab, alsbald mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden, womit das Vorliegen einer konkreten Gefahr belegt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04. Juli 2007 – 3 B 79/06 –, Rn. 7, juris).

Hinsichtlich der auf der Rechtsfolgenseite des § 45 StVO notwendigen Ermessensausübung ist festzustellen, dass das den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Ermessen grundsätzlich weit gefasst und gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist (§ 114 VwGO). Ein Ermessen steht der Behörde insbesondere zu, soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll. Dabei ist zwar der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen; dieser Grundsatz ist verletzt, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch weniger weitgehende Anordnungen gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. April 2001 – 3 C 23/00 –, Rn. 22, juris). Aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens ist aber der Straßenverkehrsbehörde vorbehalten festzulegen, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht.

Nach diesem Maßstab sind mildere Mittel vom Kläger mit der wegen der sonach bestehenden Einschätzungsprärogative des Beklagten erforderlichen Substanz weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Die vorliegende Geschwindigkeitsbeschränkung ist zunächst einmal überhaupt geeignet. Auch insofern kommt dem Beklagten eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32/09 –, Rn. 38, juris). Die Richtigkeit der Einschätzung des Beklagten wird vorliegend durch die Reduzierung der Unfälle bestätigt. Der Beklagte hat hierzu Unterlagen der Polizei und der Autobahnunfallkommission vorgelegt, die dem Gericht keinen Anlass zu Zweifeln oder einer weiteren Sachverhaltsaufklärung geben.

Betrachtet man die den verkehrsrechtlichen Anordnungen beigefügte Begründung, die auf Standfestigkeitsprobleme der Leitplanke abstellt, so könnte zwar die Reparatur bzw. der Austausch der Leitplanke eine gegenüber der Geschwindigkeitsbeschränkung vorrangige – weil weniger weitgehende – Maßnahme sein. Zum einen ist aber bereits fraglich, ob der Kläger darauf überhaupt einen Anspruch hätte (siehe zum vergleichbaren Fall der Umgestaltung und Erweiterung der Fahrbahn als milderes Mittel: BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32/09 –, Rn. 44, juris, das einen entsprechenden Anspruch verneint), zum anderen hat der Beklagte als Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkung nachgeschoben, dass sie auch – im Zusammenhang mit dem Verkehrszeichen 105 – zur Erhöhung der Verkehrssicherheit als Reaktion auf eine Unfallhäufung erfolge, insbesondere um eine Anpassung der Differenzgeschwindigkeiten im Übergang zur Bundesautobahn 10 zu erzielen und somit riskante Fahrspurwechsel zu vermeiden. Ein solches Nachschieben von Gründen ist jedenfalls bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ohne weiteres zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 63). Ob daher noch eine bloße Ermessensergänzung im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO vorliegt oder ein vollständiger, von § 114 Satz 2 VwGO nicht gedeckter Ermessensaustausch, kann somit dahinstehen, denn § 114 Satz 2 VwGO kommt nur dann eigenständige Bedeutung zu, wenn Ermessenserwägungen nach Klageerhebung nachgeschoben werden und das Widerspruchsverfahren in diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist. Hier war das Widerspruchsverfahren indes ausnahmsweise bei Klageerhebung noch nicht abgeschlossen. Es wurde auch nicht im Laufe des Klageverfahrens aber vor dem Zeitpunkt des Nachschiebens von Gründen abgeschlossen, sondern überhaupt nicht.

Was den vom Kläger geäußerten Vorschlag angeht, die Geschwindigkeitsbeschränkung allein auf den Schwerlastverkehr zu begrenzen, so handelt es sich dabei schon nicht um ein gleich geeignetes und somit milderes Mittel, denn für den Schwerlastverkehr gilt ohnehin bereits von Gesetzes wegen nur eine zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 80 km/h. Die vom Kläger vorgeschlagene Lösung wäre daher nicht nur nicht gleich tauglich, sondern überhaupt nicht tauglich, zumal der vom Beklagten bestimmte Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkung, an der die Frage des milderen Mittels zu messen ist, hier gerade auch in einer Anpassung der Differenzgeschwindigkeiten liegt.

Soweit der Kläger meint, der Pkw-Verkehr könnte den fraglichen Bereich ohne weiteres mit mehr als 80 km/h durchfahren, verkennt er die dem Beklagten gerade in diesem Punkt zustehende Einschätzungsprärogative. Diesem Einwand wäre daher nur dann weiter nachzugehen gewesen, wenn der Kläger zumindest ansatzweise den Nachweis einer ersichtlich sachfremden und damit unvertretbaren Maßnahme geführt hätte (vgl. zu dieser Anforderung an den Gegenvortrag des klagenden Verfahrensbeteiligten: BVerwG, Urteil vom 05. April 2001 – 3 C 23/00 –, Rn. 33, juris; BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 32/09 –, Rn. 36, juris), was hier nicht der Fall ist.

Soweit der Kläger behauptet, die Geschwindigkeitsbeschränkung sei allein aus fiskalischen Interessen angeordnet worden, so ist dieser Einwand derart pauschal und substanzlos, dass ihm ebenfalls hier nicht weiter nachzugehen war. Vergleichbares gilt für den Übrigen Vortrag des Klägers. Lediglich zu dem Einwand, bei einer konstant langsamen Geschwindigkeit leide die Konzentration des Autofahrers, sei ergänzend angemerkt, dass dieses Argument hier schon deshalb nicht stichhaltig ist, weil es lediglich um einen Streckenabschnitt von wenigen hundert Metern geht.

Sonstige Ermessensfehler sind von dem Kläger weder vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich.

Nach alledem war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu entscheiden. § 161 Abs. 3 VwGO ist in der vorliegenden Konstellation nicht einschlägig, weil das Gericht vor Bescheidung des Widerspruchs durch den Beklagten entschieden hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 161 Rn. 35).

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Lukas Jozefaciuk