VG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2015 - 14 K 2414/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am 00.00.0000 geborene Kläger wehrt sich mit seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der Kläger wurde am Freitag, dem 30. Mai 2014 um 15:12 Uhr im Rahmen einer Verkehrskontrolle in X. angehalten. Da Anzeichen von Drogenkonsum festgestellt wurden (gerötete Bindehäute, verkleinerte Pupillen, Tränenflüssigkeit auf den Augen) wurde ein Drogenschnelltest durchgeführt, der auf Tetrahydrocannabinol positiv verlief. Daraufhin wurde dem Kläger nach richterlicher Anordnung eine Blutprobe entnommen. In der Anlage zur Ordnungswidrigkeitenanzeige ist im "Sachverhalt" hierzu folgendes wörtlich vermerkt: "Die zuständige RAG’in T. ordnete fernmündlich um 16:12 Uhr die Blutentnahme an. Herrn G. musste mehrfach körperlicher Zwang angedroht werden, um die Blutentnahme durchzusetzen". Außerdem ist vermerkt, dass der Kläger von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache.
Bei der Untersuchung der um 16:39 Uhr entnommenen Blutprobe wurden ausweislich des Gutachtens des Institutes für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums E. vom 18. Juli 2014 folgende Werte festgestellt:
Tetrahydrodannabinol (THC): 4,9 ng/ml;
11-OH-THC (THC-Metabolit): 2,3 ng/ml;
THC-COOH (THC-Metabolit): 160 ng/ml;
Nach den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. E1. spreche die festgestellte Menge an Cannaboiden für einen regelmäßigen, also täglichen oder nahezu täglichen Konsum von Cannabisprodukten.
Die Beklagte erlangte von diesem Vorfall durch Schreiben des Ordnungsamts vom 13. Oktober 2014 Kenntnis, mit dem mitgeteilt wurde, dass aufgrund des rechtskräftigen Bußgeldbescheides ab dem 11. Februar 2015 ein einmonatiges Fahrverbot wirksam werde.
Der Kläger war bereits vom Amtsgericht X. mit Urteil vom 9. Mai 2012 (11 Ds 10 Js 1264/11 (38/11)) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt worden. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Kläger am 8. November 2011 in X. 0,8 g Marihuana mit sich führte. Das Gericht führte in den Gründen aus, dass es eine Geldstrafe verhängt habe, obwohl der Kläger bereits bei Begehung der Tat unter Bewährung gestanden habe. Es wertete allerdings die Tat als einen für sich genommen geringfügigen Verstoß, begangen mehr als drei Jahre nach Beginn der Bewährungszeit und rund 14 Monate nach der letzten Straftat des Angeklagten.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an. Der Kläger nahm am 22. Dezember 2014 durch eine persönliche Vorsprache bei der Beklagten sein Anhörungsrecht wahr. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 bestellten sich die Rechtsanwälte Dr. X1. und andere als Verfahrensbevollmächtigte. Nach erhaltener Akteneinsicht und zweimaliger Bitte nach Fristverlängerung nahmen sie indes in der Sache nicht Stellung.
Mit Ordnungsverfügung vom 24. Februar 2015, zugestellt am 27. Februar 2015, entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis, ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an und forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes von 750,00 Euro auf, den Führerschein unverzüglich nach Bekanntgabe der Ordnungsverfügung abzugeben. Außerdem setzte sie mit Bescheid vom 24. Februar 2015 eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 183,50 Euro fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, weil er regelmäßig Cannabis konsumiere, so dass er zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht geeignet sei.
Der Kläger hat am 26. März 2015 Klage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Mit der Klageerhebung hat der Kläger ein Attest der Praxis für Urologie"N. -E2. " in X. vom 23. März 2015 vorgelegt. Als Diagnose wird angegeben: "Zustand nach THC- Abusus". Als Ergebnis des Drogenscreenings im Urin vom 20. März 2015 ist angegeben: "THC negativ". Zur Begründung führt der Kläger aus, dass er kein regelmäßiger Konsument von Cannabis sei. Er sei auch nicht drogenabhängig, wie sich aus dem vorgelegten Attest vom 23. März 2015 ergebe, das alle Drogenscreenings mit negativem Befund ausweise. Ein regelmäßiger Cannabiskonsum sei von der Beklagten auch nicht dargelegt worden. Jedenfalls sei die Eignung des Klägers als wiederhergestellt anzusehen.
Der Kläger beantragt,
die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 24. Februar 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid und führt ergänzend aus, dass durch das auf Veranlassung des Klägers am 20. März 2015 durchgeführte Drogenscreening nicht der Nachweis erbracht werden könne, dass die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen als wiederhergestellt angesehen werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger unter dem Eindruck des drohenden Fahrerlaubnisentzuges eine Konsumpause eingelegt habe.
Mit Beschluss der Kammer vom 3. September 2015 ist das Verfahren der Vorsitzenden zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden.
Mit Beschluss vom 7. September 2015 ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt worden, dass viel für einen regelmäßigen Konsum des Klägers spreche. Zum einen ergebe sich dies aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsklinik E. . Zum anderen folge dies auch aus dem seitens des Klägers selbst vorgelegten Attestes vom 23. März 2015, aus denen sich die Diagnose "Zustand nach THC- Abusus" ergebe.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, dass die Blutentnahme ohne richterliche Anordnung und unter Anwendung körperlichen Zwanges erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 24. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 26.07 -, Rn. 16, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 2. April 2012 - 16 B 356/12 -, Rn. 6, juris.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -). Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist u.a. derjenige regelmäßig zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen, der regelmäßigCannabis konsumiert.
Wie sich aus dem rechtskräftigen Prozesskostenhilfebeschluss vom 7. September 2015 ergibt, konnte die Beklagte zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung von einem regelmäßigen Cannabiskonsum des Klägers ausgehen. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen auf den Inhalt des Beschlusses vom 7. September 2015 verwiesen.
Aufgrund des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung wird ergänzend ausgeführt, dass ausweislich des polizeilichen Protokolls vom 30. Mai 2015 eine richterliche Anordnung für die Blutentnahme vorlag. Sollte sich der Kläger aufgrund seines Vortrages auf ein Beweisverwertungsverbot wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO berufen wollen, so würde dies seiner Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn ein Verwertungsverbot im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren führt nicht zur Unverwertbarkeit der jeweiligen Erkenntnisse im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren. Während nämlich Beweisverwertungsverboten im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, sind im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren maßgeblich auch Rechtsgüter einer unbestimmten Zahl Dritter, namentlich Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, zu beachten. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären oder wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit Kraftfahr ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Mai 2015- 16 B 426/15 - juris.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).