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VG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2016 - 14 L 1867/16

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 6974/16 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2016 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Begründungserfordernis. Die Antragsgegnerin war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Dem stehen auch möglicherweise formelhaft klingende Wendungen angesichts der Vielzahl vergleichbarer Verfahren und der jeweils sehr ähnlich gelagerten widerstreitenden Interessen nicht entgegen.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19. März 2012 - 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern, Beschluss vom 15. Juni 2009 - 11 CS 09.373 -, Rn. 19, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2012- 6 L 1971/11 -, Rn. 2, juris.

Das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können - gerade im Gefahrenabwehrrecht - durchaus zusammenfallen, wobei die Frage, ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, keinen Aspekt des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darstellt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2012 - 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8. August 2008 - 13 B 1122/08 -, Rn. 4, 6, juris.

In materieller Hinsicht erweist sich die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2016 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung, FeV). Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Davon ist auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Dies kann gemäß Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV bei Bewegungsbehinderungen der Fall sein. Außerdem darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Kraftfahreignung ausgehen, wenn der Betroffene sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein (rechtmäßig) angefordertes Gutachten nicht (rechtzeitig) beibringt.

Danach ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. Denn die Antragstellerin ist der nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5, § 11 Abs. 6 FeV rechtmäßigen Begutachtungsaufforderung nicht nachgekommen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die an einen Fahrerlaubnisbewerber bzw. -inhaber zu stellenden notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach der Anlage 4 oder 5 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung der Eignung eines Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeuges ein Gutachten, z.B. eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV) anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen.

Eine Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV dient der Klärung von Eignungszweifeln, so dass für die auf § 11 Abs. 2 FeV gestützte Anordnung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, erforderlich aber auch ausreichend ist, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Die tatsächlichen Feststellungen müssen den Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. "Bedenken" in diesem Sinne verlangen tatsächliche Hinweise auf Umstände, die für die Verkehrssicherheit in so hohem Maße bedeutsam sind, dass die bisher für die Eignungsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen fachlich überprüft werden müssen.

Vgl.OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. April 2005 - 12 ME 540/04 -, ZfS 05, S. 575;VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 S 475/04 -, VRS 108, S. 127 ff.;Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., 2015, § 11 FeV, Rdnr. 23.

Andererseits reicht ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus (keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme "ins Blaue" hinein).

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 C 13/01 -, NJW 2002, 78 f. und juris.

Hiervon ausgehend erweist sich die Gutachtensanforderung vom 11. Februar 2016 als materiell rechtmäßig. Es bestanden zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich hinreichende Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass bei der Antragstellerin ein körperlicher Mangel i. S. der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, der Bedenken an ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermochte.

Denn anlässlich einer Verkehrskontrolle haben Polizeibeamte am 2. Februar 2016 hinsichtlich der am 00.00.1932 geborenen Antragstellerin folgendes wörtlich festgestellt: "Anzumerken hierbei ist, dass Frau H. mit dem Gehstock kaum in der Lage war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Von der Fahrertüre bis zum Kofferraum benötigte sie mehr als 30 Sekunden, wobei die Füße, wenn überhaupt, nur minimal hochgehoben wurden. Zudem musste sie sich permanent am Fahrzeug festhalten.

Angesprochen auf die augenscheinliche körperliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gab sich Frau H. wenig einsichtig und erwiderte, dass das Autofahren besser gehen würde als das Laufen.

Bei dem späteren Losfahren und Einfädeln in den fließenden Verkehr zeigten sich weitere körperliche Defizite. Der Seitenblick fehlte, das leicht schräg stehende Fahrzeug wurde zunächst mit einem Rad auf den Gehweg gelenkt, da Frau H. es augenscheinlich nicht schaffte, das Lenkrad im normalen, gleichmäßigen und kreisförmigen Bewegungen in Fahrtrichtung einzuschlagen."

Aufgrund dieses Berichts ist jedenfalls zweifelhaft, ob bei der Antragstellerin noch eine uneingeschränkte Fahrtauglichkeit gegeben ist. Diese Überprüfung ist allein durch das angeordnete Gutachten möglich. Die Antragstellerin hatte sich auch zunächst mit der Überprüfung einverstanden erklärt (Erklärung vom 7. März 2016), das Gutachten letztlich aber nicht vorgelegt.

Die Begutachtung durch einen Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV) vornehmen zu lassen, ist nicht zu beanstanden. Da bei der gegebenen Sachlage eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, konnte die Antragsgegnerin die ärztliche Untersuchung auch anordnen.

Die Gutachtenaufforderung genügt auch den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV, da sie sowohl die Rechtsgrundlagen nennt als auch die konkreten Fragestellungen enthält. Ebenso wird die Antragstellerin auf die Folgen der Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen.

Da die Antragstellerin das geforderte Gutachten nicht vorgelegt hat, hat die Antragsgegnerin nach § 11 Abs. 8 FeV zu Recht die fehlende Kraftfahreignung der Antragstellerin unterstellt und dies zum Anlass der Entziehung der Fahrerlaubnis genommen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Weigerung der Vorlage mit beachtlichen Gründen erfolgte.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001 - 19 B 814/01 - Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht 2002, S. 427 (428/431); Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., 2015, § 11 FeV, Rdnr. 51 ff.

Die Interessenabwägung fällt auch im Übrigen zulasten der Antragstellerin aus. Denn in aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, Rn. 50 ff., juris; BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 - 2 BvQ 30/00 -, Rn. 4, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 - 16 B 944/12 -, Rn. 11, juris; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Rn. 7, juris.

Rechtliche Bedenken gegen die in der Ordnungsverfügung vom 12. Mai 2016 getroffenen sonstigen Entscheidungen bestehen ebenfalls nicht.

Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Androhung unmittelbaren Zwangs ist gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Interesse an der Fahrerlaubnis der betroffenen Klassen wird in Klageverfahren nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Rn. 9, juris,

der das Gericht folgt, mit dem Auffangwert des GKG angesetzt. Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag um die Hälfte.

Lukas Jozefaciuk