VG Berlin, Urteil vom 11.03.2016 - 1 K 59.14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihm erteilter versammlungsrechtlicher Auflagen.
Am 9. September 2012 meldete der Kläger für den 10. August 2013 eine Versammlung zum Thema „Hanfparade 2013 – Meine Wahl: Hanf legal!“ an. Das Konzept sah für den Zeitraum von 11 bis 17 Uhr eine einstündige Auftaktkundgebung und einen Demonstrationszug durch die Berliner Innenstadt vor sowie für den Zeitraum von 17 bis 22 Uhr eine Abschlussveranstaltung in der Straße des 17. Juni. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung sollten unter anderem eine Bühne mit einem Backstagebereich sowie Informations-, Verkaufs- und Versorgungsstände errichtet werden.
Zu den näheren Einzelheiten erfolgten zwischen dem Kläger und der Versammlungsbehörde am 23. Juli 2013 und am 26. Juli 2013 Veranstaltergespräche sowie diverse Korrespondenz. Insoweit wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs des Beklagten einschließlich der darin enthaltenen Gesprächsprotokolle verwiesen.
Am 31. Juli 2013 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit dem er unter anderem das Aufstellen und Betreiben von Verkaufsständen und des „Berliner Wassertischs“ im Rahmen der Abschlussveranstaltung untersagte, sofern nicht die erforderlichen Erlaubnisse der zuständigen Ordnungsbehörden vorliegen. Weiterhin wurde die Einrichtung eines abgezäunten Backstagebereichs, insbesondere das Aufstellen von Pavillons, ohne entsprechende behördliche Erlaubnisse untersagt (Ziff. 1. des Bescheides vom 31. Juli 2013). Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids wurde angeordnet.
Am 5. August 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Auflagenbescheid vom 31. Juli 2013 hinsichtlich dessen Ziff. 1. ein. Am gleichen Tag beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Berlin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 9. August 2013 abgelehnt (Az.: VG 1 L 230.13).
Die Versammlung fand am 10. August 2013 statt, wobei auf einen Backstagebereich verzichtet wurde. Ein Verkauf von Waren und Lebensmitteln erfolgte nicht bzw. wurde durch Polizeikräfte vor Ort unterbunden.
Am 6. März 2014 erhob der Kläger Klage. Der Kläger ist der Auffassung, bei der Hanfparade handle es sich um eine Versammlung, die als solche erlaubnisfrei sei. Es sei nicht zulässig, einzelne Nutzungen herauszutrennen und für diese das Vorliegen einer Sondernutzungserlaubnis zu fordern. Versorgungsstände seien für die Durchführung der Versammlung funktional notwendig, da angesichts der Dauer der Versammlung die Verpflegung der Teilnehmer sichergestellt sein müsse. Das Verbot des „Berliner Wassertisches“ komme einer Inhaltskontrolle gleich; es sei nicht Sache des Beklagten, zu entscheiden, welche Meinungen der Kläger vertreten dürfe. Die im Rahmen der Privatisierung der Wasserversorgung diskutierte Frage der Bürgerbeteiligung sei auch in der Hanfbewegung ein wichtiges Thema. Zudem sei Wasser zur Kultivierung der Hanfpflanze notwendig. Ein Backstagebereich sei schließlich zur Unterbringung von Bühnentechnik erforderlich.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Auflagenbescheid vom 31. Juli 2013 betreffend die Versammlung „Hanfparade 2013 – Meine Wahl: Hanf legal!“ am 10.8.2013 hinsichtlich der Auflage zu 1. rechtswidrig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den Bescheid vom 31. Juli 2013. Versorgungsstände seien für die Durchführung der Versammlung nicht funktional notwendig. In der Nähe des Kundgebungsortes der Abschlussveranstaltung seien ausreichende Verpflegungsmöglichkeiten vorhanden. Ferner habe es jedem Teilnehmer freigestanden, eigene Verpflegung mit sich zu führen. Bei dem Stand des Berliner Wassertisches handle es sich um ein eigenständiges Promotions- bzw. Informationsvorhaben. Da kein Zusammenhang mit dem Thema der Versammlung, der Legalisierung von Cannabis, bestehe, sei dieser nicht ohne Sondernutzungserlaubnis zulässig. Auch hinsichtlich des Backstagebereichs sei ein funktionaler Bezug zur Versammlung nicht dargetan und nicht erkennbar. Es sei nicht ersichtlich, welche Bühnentechnik dort untergebracht werden müsse.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO– analog statthaft, da sich der Auflagenbescheid vom 31. Juli 2013 mit der Durchführung der Versammlung am 10. August 2013 und damit vor Klageerhebung erledigt hat. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Dieses ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2012 – 6 C 12/11 –, juris). Der Kläger veranstaltet regelmäßig – in der Regel einmal jährlich – eine „Hanfparade“. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im Rahmen dieser Versammlung Imbiss-, Verkaufs- und Informationsstände sowie ein Backstagebereich zulässig sind, hat sich dabei in den vergangenen Jahren regelmäßig gestellt und war bereits Gegenstand mehrerer Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes vor dem Verwaltungsgericht Berlin (vgl. VG 1 L 188.12; VG 1 L 230.13; VG 1 L 225.14; VG 1 L 254.15). In der mündlichen Verhandlung am 11. März 2016 hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, auch bei künftigen Versammlungen Versorgungsstände und einen geschützten Technik- bzw. Künstlerumkleidebereich hinter der Bühne einsetzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Beklagte in Zukunft vergleichbare Auflagenbescheide erlassen wird. Ein Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend auch daraus, dass ein Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 Abs. 1 GG gewährten, besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit in Rede steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 6 C 23/06 –, juris). Aus der damit gegebenen Möglichkeit eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs ergibt sich ebenfalls ein schützenswertes ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (vgl. BVerwG, Urteil 29. April 1997 – 1 C 2/95 –, juris).
Der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO bedurfte es nicht, da der Widerspruchsbehörde im Fall der Erledigung des Verwaltungsakts während des Vorverfahrens keine Sachentscheidungskompetenz mehr zukommt (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87 –, NJW 1989, 2486; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 29. EL Oktober 2015, § 113, Rn. 97).
Da sich die Auflagen bereits mit dem Ende der Versammlung und mithin vor Eintritt der Bestandskraft erledigt haben, war die Klage nicht an die Einhaltung einer Klagefrist gebunden (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7/98 –, NVwZ 2000, 63).
II. Die Klage ist unbegründet, da Ziff. 1. des Auflagenbescheids vom 31. Juli 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Auflagen ist § 15 Abs. 1 VersammlG. Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit i.S.d § 15 Abs. 1 VersammlG umfasst die gesamte Rechtsordnung (BVerwG, Urteil vom 8. September 1981 - 1 C 88/77 –, NJW 1982, 1008; Beschluss der Kammer vom 7. September 2004 – 1 A 249.04 –, BeckRS 2004, 28745) und damit auch die straßen- und straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Die Anforderungen des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts bilden einen geradezu typischen Konfliktbereich im Spannungsfeld Versammlungsfreiheit – öffentliche Sicherheit. Der Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers allein nach Maßgabe des § 15 VersammlG erfolgen (BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 – 7 C 50/88 –BVerwGE 82, 34 ff; Beschluss der Kammer vom 04. August 2012 – VG 1 L 195.12, SR 2.12 –, juris).
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit i.S.d. § 15 Abs. 1 VersammlG besteht, wenn entgegen § 11 Abs. 1 BerlStrG eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung öffentlichen Straßengrundes ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgt. Zwar zählt die Benutzung öffentlicher Wege und Straßen für Versammlungen zum erlaubnisfreien Gemeingebrauch (Groscurth, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2015, S. 233). Dies gilt jedoch nur, soweit die Nutzung der Straße für die Durchführung der Versammlung erforderlich ist (VG Berlin, Beschluss vom 7. September 2004 – 1 A 249.04 -, BeckRS 2004, 28745; Groscurth, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2015, S. 234; Kanther, NVwZ 2001, 1239). Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet es nach ständiger Rechtsprechung keinen Bedenken, für einzelne Ausstattungsgegenstände oder sonstige Elemente, die – funktional oder symbolisch – nicht unmittelbar dem Versammlungszweck dienen, eine ordnungsbehördliche, insbesondere straßenrechtliche Erlaubnis zu fordern (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –; OVG Berlin, Beschluss vom 08. Juli 1999 – 1 SN 63.99 –; VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Dezember 1993 – 1 S 1957/93 –; Beschlüsse der Kammer vom 8. August 2014 – VG 1 L 225.14 –, vom 9. August 2013 – VG 1 L 230.13 – und vom 9. August 2012 – VG 1 L 188.12 –; juris). Aufgrund des hohen Ranges der Versammlungsfreiheit haben gegenläufige Rechte Dritter (z.B. Anwohner, Verkehrsteilnehmer und Gewerbetreibende) häufig zurückzutreten. Dies ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn und soweit eine durch Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz –GG– geschützte kollektive Meinungskundgabe und Meinungsbildung erfolgt. Tätigkeiten, die der demokratischen Meinungsbildung nicht wesensimmanent sind, sind von dem jeweils einschlägigen Freiheitsrecht geschützt und unter dessen Voraussetzungen einschränkbar. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es damit verfassungsrechtlich unbedenklich, den Begriff der Versammlung nicht weiter auszudehnen, als es zur Schutzgewährung nach Art. 8 Abs. 1 GG erforderlich ist (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –, juris; Kanther, NVwZ 2001, 1239). Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 (VG 1 K 354.11). In diesem Verfahren war allein die Frage zu entscheiden, ob die Abschlussveranstaltung der „Hanfparade 2011“ nach ihrem Gesamtgepräge als Versammlung anzusehen war. Dies hat die Kammer bejaht, ohne damit festzustellen, dass jedes einzelne Element dieser Veranstaltung, unabhängig von seinem inneren Zusammenhang mit dem Versammlungszweck, den Schutz des Art. 8 GG genießt und damit erlaubnisfrei zulässig ist.
Das Aufstellen von Verzehr- und Verkaufsständen gehört in der Regel nicht zu den durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten und deshalb auch nach dem Versammlungsgesetz ohne Erlaubnis zulässigen Tätigkeiten (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –; OVG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 1999 – 1 SN 63.99 –, LKV 1999, 372; VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Dezember 1993 – 1 S 1957/93 –, NVwZ-RR 1994, 370; Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 – VG 1 K 354.11 –; Beschlüsse der Kammer vom 9. August 2013 – VG 1 L 230.13 – und vom 9. August 2012 – VG 1 L 188.12; Groscurth, in: Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2015, S. 235). Denn solche erwerbswirtschaftlichen oder auf die Versorgung der Versammlungsteilnehmer gerichteten Betätigungen stehen grundsätzlich nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem durch Art. 8 Abs. 1 GG garantierten Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung schützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315 ff; BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 – 7 C 50/88 –, BVerwGE 82, 34 ff).
Auch die vorliegend vom Kläger gewünschten Stände waren für die Durchführung der Versammlung nicht funktional notwendig, so dass der Beklagte diese gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG untersagen konnte. Dies gilt unabhängig davon, ob dort Produkte mit Bezug zum Thema Hanf verkauft werden sollten oder sonstige Waren (vgl. Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 – VG 1 K 354.11 – und Beschluss der Kammer vom 9. August 2013 – VG 1 L 230.13 –, juris; anders noch Beschluss der Kammer vom 28. August 1998 – VG 1 A 383.98 –, auszugsweise zitiert in: LKV 1999, 373). Nach dem Veranstaltungskonzept sollte Herstellern szenenaher Produkte die Möglichkeit gegeben werden, sich zu präsentieren (vgl. Bl. 54 und Bl. 59 des Verwaltungsvorgangs). Eine solche Präsentation von Waren ist jedoch einseitig als Verkaufsangebot angelegt, verfolgt kommerzielle Zwecke und ist für die kollektive Meinungsbildung und –äußerung nicht erforderlich (Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 – VG 1 K 354.11 –, juris). Auch Imbissstände, an denen nach dem Konzept des Klägers hanfhaltige sowie konventionelle Lebensmittel angeboten werden sollten (vgl. Bl. 54 des Verwaltungsvorgangs), waren für die Durchführung der Versammlung nicht funktional notwendig und daher nicht erlaubnisfrei zulässig. Soweit der Kläger geltend macht, eine Versorgung der Teilnehmer mit Nahrung und Getränken habe während der Dauer der Versammlung nicht auf andere Weise sichergestellt werden können, so dass die Stände zur Durchführung der Versammlung zwingend geboten gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Den Veranstaltungsteilnehmern stand es frei, eigene Verpflegung von Anfang an mitzuführen oder in unmittelbarer Nähe befindliche anderweitige Versorgungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 9. August 2013 – VG 1 L 230.13 – und vom 9. August 2012 – VG 1 L 188.12 –, juris). Jedenfalls einer Eigenverpflegung mit Essen (z.B. mit mitgebrachten Broten, Müsliriegeln etc.) stehen mögliche polizeiliche Taschenkontrollen auf als Wurfgeschosse einsetzbare Gegenstände nicht entgegen. Hinsichtlich einer Versorgung mit Trinkwasser wäre eine Abgabe zum Selbstkostenpreis durch den Veranstalter denkbar (vgl. hierzu das Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 – VG 1 K 354.11 –, juris). Stände mit einem diversifizierten Getränkeangebot sind dagegen nicht erforderlich, um die Teilnahme an der Versammlung allein physisch zu gewährleisten. Im Verlauf der Wegstrecke quer durch die Berliner Innenstadt (vgl. zur Marschroute Bl. 50 des Verwaltungsvorgangs) stehen weiterhin zahlreiche Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien, Imbissstände, Cafés und Restaurants zur Verfügung, die von den Versammlungsteilnehmern genutzt werden können. Auch im Bereich des Abschlusskundgebungsortes auf der Straße des 17. Juni zwischen dem Platz des 18. März und der Yitzhak-Rabin-Straße existieren ausreichende Versorgungsmöglichkeiten. Zu nennen ist etwa die „Starbucks“-Filiale am Pariser Platz, der Imbissstand „Wurst am Brandenburger Tor“ in der Ebertstraße oder das vegan-vegetarische Restaurant „Samadhi“ in der Wilhelmstraße 77.
Dabei wird nicht verkannt, dass die Veranstaltung des Klägers durch Imbiss- und Verkaufsstände an Attraktivität gewinnen und möglicherweise Teilnehmer auch zu einem längeren Verweilen einladen könnte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Gegenstände, die lediglich dem Komfort und der Bequemlichkeit der Versammlungsteilnehmer dienen, zur Meinungskundgabe aber nicht erforderlich sind, nicht dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterfallen (vgl. auch den Beschluss der Kammer vom 4. August 2012 – VG 1 L 195.12, SR 2.12 – zu einem Regen- und Sonnenschutz sowie Stühlen). Sofern der Kläger solche Gegenstände, insbesondere Verkaufsstände, nutzen möchte, steht es ihm frei, hierfür die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 BerlStrG zu beantragen.
Der Beklagte konnte gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG auch das Aufstellen und Betreiben des Standes des „Berliner Wassertisches“ untersagen, sofern nicht die erforderlichen ordnungsbehördlichen Erlaubnisse vorliegen. Zwar soll dort – nach den Angaben des Klägers im zweiten Veranstaltergespräch (vgl. Bl. 67 des Verwaltungsvorgangs) – Wasser unentgeltlich angeboten werden und ist ein solches Angebot in der Regel versammlungsbezogen, weil damit typischerweise der Zweck verfolgt wird, die Teilnahme an der Veranstaltung zum Zwecke der Meinungsbildung und -kundgabe physisch zu gewährleisten (vgl. bereits oben sowie Urteil der Kammer vom 11. Dezember 2012 – VG 1 K 354.11 –, juris zur Ausgabe von Wasser zum Selbstkostenpreis). Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die Ausgabe von Wasser dazu genutzt werden sollte, um auf den Bürgerentscheid zur Privatisierung der Wasserbetriebe aufmerksam zu machen und über diese Thematik zu diskutieren (vgl. Bl. 67 des Verwaltungsvorgangs). Zweck dieses Standes sollte es damit aber nicht sein, Meinungsbildung und -kundgabe in Bezug auf das Versammlungsthema, die Legalisierung von Hanf (vgl. hierzu Bl. 1 des Verwaltungsvorgangs) zu ermöglichen. Ein hinreichender Zusammenhang mit dem Versammlungsthema kann auch nicht daraus konstruiert werden, dass zur Kultivierung der Hanfpflanze Wasser benötigt wird, denn zur Bewässerung von Hanfpflanzen sollte das Wasser vorliegend nicht verwendet werden. Lebende Hanfpflanzen sollten nach dem Konzept des Klägers ausweislich des ersten Veranstaltergesprächs gar nicht eingesetzt werden (vgl. Bl. 51 des Verwaltungsvorgangs). Auch aus der Tatsache, dass erfolgreiche Bürgerbeteiligung auch in der „Hanfbewegung“ ein wichtiges Thema sein mag, ergibt sich nichts anderes; denn dieser Zusammenhang ist allenfalls ein entfernter, der damit den Schutz der Versammlungsfreiheit nicht auszulösen vermag (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –, juris). Davon, dass ein Informations- und Diskussionsangebot zur Privatisierung der Wasserversorgung für die Durchführung einer Versammlung zur Legalisierung von Cannabis funktional notwendig sein könnte, kann keine Rede sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Stand dem Beklagten aufgrund des Erfolgs der Initiative politisch unerwünscht war und deswegen zurückgedrängt werden sollte, wie der Kläger meint, sind schließlich in keiner Weise ersichtlich.
Der Stand des „Berliner Wassertischs“ stellt auch nicht seinerseits eine Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG dar und ist daher auch nicht aus diesem Grund erlaubnisfrei. Politische Informationsstände sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich keine Versammlungen (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1978 – 7 C 5/78 –, BVerwGE 56, 63 ff; BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1976 – 1 BvR 279/76 –, juris). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Stand aus Sicht eines unbeteiligten Beobachters seinem Gesamtgepräge nach auf eine kollektive Meinungskundgabe gerichtet ist und nicht lediglich zufällig des Weges kommenden Einzelpersonen ein einseitiges Informationsangebot gemacht werden soll (vgl. Urteil der Kammer vom 8. März 2006 – VG 1 A 129.03 –, juris; von Alemann/Scheffczyk, JA 2013, 407). Vorliegend ist jedoch letzteres der Fall; der Stand des „Berliner Wassertisches“ sollte darauf abzielen, Teilnehmer der Hanfparade anzusprechen und diese auf die Anliegen der Bürgerinitiative aufmerksam zu machen. Es sollte keine gerade zur Thematik der Privatisierung der Wasserversorgung veranlasste Gruppenbildung erfolgen, da sich die versammelten Personen zu einem anderen Zweck zusammengefunden hatten. Eine Verbindung zu einem beliebigen Zweck reicht für die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG jedoch nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –, juris).
Schließlich konnte der Beklagte auch die Einrichtung eines abgezäunten Backstagebereichs mit zwei Pavillons ohne entsprechende ordnungsbehördliche Erlaubnisse gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG untersagen. Auch diese Gegenstände sind zur Verwirklichung des Versammlungszwecks für die kollektive Meinungsäußerung weder funktional noch symbolisch wesensnotwendig. Zwar ist eine Bühnentechnik bei Großveranstaltungen zur Unterstützung der Meinungskundgabe erforderlich; dies bedeutet jedoch nicht, dass jede begehrte Infrastruktur dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfällt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 – OVG 1 S 108.12 –; Beschluss der Kammer vom 28. September 2012 – VG 1 L 254.12 –, juris). Die Einrichtung einer Bühne und eines separaten sog. „FOH“ („Front of house“) - Zeltes zur Unterbringung der Verstärkeranlage sowie der Regeltechnik für die Licht- und Tonanlage wurde vom Beklagten nicht beanstandet und konnte vom Kläger ohne gesonderte straßenrechtliche Erlaubnis genutzt werden. Welche (weitere) Technik in dem Backstagebereich untergebracht werden soll, die nicht durch eine Abdeckung oder Absperrung mittels „Flatterband“, gegebenenfalls mit Unterstützung durch Ordner, geschützt werden kann, konnte vom Kläger nicht angegeben werden. Hinsichtlich des Generators konnte der Kläger dem Argument des Beklagten, dass jener aufgrund der Abgase und der Abwärme nicht in einem Zelt untergebracht werden kann, nichts entgegen setzen. Auch die vom Kläger ins Feld geführten Instrumente von Musikern können durch Abdeckungen geschützt werden. Die Tatsache, dass ein Backstagebereich der bequemeren Durchführung des Bühnenprogramms und der Annehmlichkeiten von Rednern und Künstlern dient, führt nicht dazu, dass dieser wesensnotwendiger Bestandteil der Versammlung wird (vgl. Beschluss der Kammer vom 28. September 2012 – VG 1 L 254.12 –, juris). Auch insofern stand es dem Kläger frei, eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis einzuholen, sofern er auf den Einsatz eines Backstagebereichs nicht verzichten möchte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
5.000,00 Euro
festgesetzt.