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VG Aachen, Beschluss vom 02.05.2018 - 3 L 334/18

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Recht-schutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist wegen fehlender Erfolgsaussicht, die sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt, abzulehnen (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -).

2. Der ? sinngemäß gestellte ? Antrag,

die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 K 818/18 erhobenen Klage gleichen Rubrums gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2018 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

In formeller Hinsicht begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist insbesondere hinreichend schriftlich begründet, vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Angesichts der aus der Ungeeignetheit eines Kraftfahrers für die Allgemeinheit resultierenden erheblichen Gefahren bedurfte es bei den in Rede stehenden Zweifeln an der Fahrtauglichkeit des Antragstellers und seiner fehlenden Bereitschaft, an der Beseitigung dieser Zweifel mitzuwirken, über die erfolgte Begründung hinaus keiner weiteren Ausführungen.

Die in materieller Hinsicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verwaltungsakte und dem privaten Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung bis zur abschließenden Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, fällt zu seinen Lasten aus.

Die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2018 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

Als rechtliche Grundlage für die darin angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Antragsgegnerin zutreffend § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit §§ 46 und 11 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -) herangezogen. Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.

Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller derzeit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.

Vorliegend durfte die Antragsgegnerin gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers schließen, da der Antragsteller das durch die Antragsgegnerin geforderte Gutachten nicht vorgelegt hat.

Dabei ist der Schluss auf die Nichteignung nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist,

vgl.              Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - juris, Rn. 18 ff.; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 2017 - 16 E 1138/15 - juris,     Rn. 6 f. m. w. N.

Daran besteht vorliegend kein Zweifel.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens im Rahmen des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens abzustellen,

vgl.              Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - juris, Rn. 14.

Die Gutachtenanforderung erweist sich als formell rechtmäßig.

Nach § 11 Abs. 6 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchungen in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat.

Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Gutachtenanforderung vom 4. Mai 2017 gerecht. Die Antragsgegnerin gibt die bei dem Antragsteller diagnostizierten Erkrankungen und die zugestandene Medikation vollständig wieder. Eine nähere Darlegung der einzelnen Atteste, denen die Erkrankungen entnommen werden kann, erscheint im vorliegenden Einzelfall nicht erforderlich, da der Antragsteller den entsprechenden Feststellungen zum Krankheitsbild im Rahmen des Erörterungstermins bei der Antragsgegnerin am 3. Mai 2017 nicht entgegengetreten ist. Weiter gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf, ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation oder eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, der die Anforderungen nach Anlage 14 zur FeV erfüllt, vgl. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und 5 FeV. Auch die Formulierung der konkreten vom Gutachter zu beantwortenden Fragestellung begegnet keinen Bedenken. Schließlich wies die Antragsgegnerin auch darauf hin, dass der Antragsteller die zu übersendenden Unterlagen (Fahrerlaubnisakte) vor der Übersendung an den Gutachter einsehen kann (§ 11 Abs. 6 S. 2 HS 2 FeV); sie setzte eine angemessene Frist von 8 Wochen (§ 11 Abs. 6 S. 2 HS 1 FeV) und fügte hinzu, dass sie bei Nichtvorlage des Gutachtens binnen der gesetzten Frist auf die Nichteignung des Antragstellers schließen darf, § 11 Abs. 8 S. 2 FeV.

Die Gutachtenanforderung erweist sich auch materiell als rechtmäßig.

Die Antragsgegnerin konnte sich insoweit auf § 11 Abs. 2 S. 1 FeV berufen. Nach dieser Vorschrift kann die Fahrerlaubnisbehörde vom Inhaber der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens fordern, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen dessen körperliche oder geistige Eignung begründen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 (der FeV) hinweisen, vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 FeV.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanforderung lagen Tatsachen vor, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründen konnten. Diese wurden auch nicht entkräftet.

Nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 FeV ist "bei allen Manien und sehr schweren Depressionen" die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeug der Gruppe 1 (Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T) nicht gegeben. Gleiches gilt nach Nr. 9.6.2 bei einer "Dauerbehandlung mit Arzneimitteln" im Falle einer "Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß".

In der Person des Antragstellers lagen zum einen Tatsachen vor, die auf das Vorliegen einer psychischen (geistigen) Störung im genannten Sinne schließen ließen. Daneben begründete auch die erwiesene Dauerbehandlung mit Arzneimitteln Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers.

Am 21. Oktober 2014 wurde der Antragsteller in einen Verkehrsunfall verwickelt und entfernte sich unerlaubt vom Unfallort. Gegen den daraufhin erlassenen Strafbefehl legte er Einspruch ein und bat in der Folge mehrfach - jeweils unter Vorlage ärztlicher Atteste - um eine Verlegung des Verhandlungstermins, da er nicht in der Lage sei, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Einem ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. O.       K.     vom 19. Juni 2015 ist insoweit zu entnehmen, dass der Antragsteller an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F.32.2G), Zwangsgedanken (F42.0G) und einer generalisierten Angststörung (F.41.1G) leide. Zu einer im Wesentlichen deckungsgleichen Einschätzung gelangte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L.         im Rahmen eines Attests vom 17. August 2015. Einem Attest des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie Dr. Q.      vom 14. September 2015 zufolge habe dieser die psychiatrische Behandlung des Antragstellers, die zuvor von Dr. X.       in Mönchengladbach durchgeführt worden sei, übernommen. Er bestätige die Diagnosen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, Zwangsgedanken und einer generalisierten Angststörung. Im Rahmen eines Erörterungstermins bei der Antragsgegnerin am 3. Mai 2017 gab der Antragsteller an, an den Erkrankungen, die in den ärztlichen Attesten genannt seien, weiterhin zu leiden. Er sei seit ca. zweieinhalb Jahren in Psychotherapie und nehme Medikamente. Er nehme morgens drei und abends drei Tabletten Clomipramin mit je 25 mg und zwei Tabletten Lorazepam mit je 2,5 mg abends. Seine Medikamente seien über die Zeit immer wieder neu eingestellt worden. Die aktuelle Dosis nehme er seit ca. drei Monaten.

Das zugestandene kombinierte Leiden an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F.32.2G), Zwangsgedanken (F42.0G) und einer generalisierten Angststörung (F.41.1G) vermag Bedenken gegen die geistige Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 zu begründen. Dem steht nicht entgegen, dass in Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV nur "sehr schwere" Depressionen genannt sind. Die attestierenden Ärzte stützen sich bei ihrer Diagnose     - wie anhand des Klammerzusatzes ersichtlich - auf die ICD-10-Klassifizierung (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), die von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wird. Die bei dem Antragsteller diagnostizierte schwere depressive Episode bildet den stärksten klassifizierten Krankheitsgrad ab. Eine "sehr schwere" depressive Episode kennt die ICD-10-Klassifizierung nicht,

vgl. www.icdcode.de; siehe auch: Beblo/Lautenbacher, Neuropsychologie der Depression, 2006, S. 1 f.; Ihle/Groen/Walter/Esser/Petermann, Depression, 2012, S. 3 ff.

Auch die vom Antragsteller angegebene Medikation ließ den Schluss auf eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß zu. So lässt sich dem zum Verwaltungsvorgang genommenen Beipackzettel zu dem Medikament Clomipramin Sandoz 75 mg entnehmen, dass dieses bei üblicher Dosierung von 75 - 150 mg täglich (dies entspricht der durch den Antragsteller angegebenen Dosierung) zu Schläfrigkeit, verschwommenem Sehen oder psychischen Wirkungen führen kann, die eine erhöhte Vorsicht bei der Teilnahme am Straßenverkehr erforderlich machen. Zu Lorazepam 2,5 mg lässt sich dem Beipackzettel entnehmen, dass der behandelnde Arzt die Entscheidung darüber treffe, inwieweit eine aktive Teilhabe am Straßenverkehr oder andere gefahrvolle Tätigkeiten möglich seien.

Zwar mögen die Auswirkungen der bei dem Antragsteller diagnostizierten psychischen Erkrankungen durch die verabreichten Medikamente gemildert oder unterbunden sein, bzw. umgekehrt die Nebenwirkungen der Medikamente bei einem Absetzen nicht mehr auftreten. Eine solche isolierte Betrachtung würde jedoch den Wechselwirkungen zwischen Medikamenteneinnahme und zugrundeliegender Erkrankung nicht gerecht und vermag den begründeten Verdacht der Nichteignung nicht auszuräumen.

Auch der Einwand des Antragstellers, dass die vorstehenden Erkrankungen nicht mehr vorliegen würden und er aufgrund der Behandlung als geheilt anzusehen sei, greift nicht durch.

Er verweist insoweit zunächst auf eine fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. G. X.        vom 6. Juli 2017 der zufolge sich der Antragsteller dort bis zum 30. September 2016 in Behandlung befunden habe. Nach dem 30. September [2016] sei keine Verordnung von Medikamenten mehr erfolgt. Dabei werden die Gründe für die Einstellung der Behandlung nicht mitgeteilt. Dieses Attest erweist sich bereits deshalb als nicht ergiebig, da der Antragsteller selbst im Rahmen des Erörterungstermins bei der Antragsgegnerin am 3. Mai 2017 angegeben hatte, weiterhin in Behandlung zu sein und Medikamente einzunehmen.

Weiter verweist er auf eine fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B.        vom 29. September 2017, der zufolge sich der Antragsteller seit dem 2. Mai 2015 bis einschließlich 29. September 2017 dort in Behandlung befinde; er sei wieder gesund und geheilt und habe keine psychische[n] Erkrankungen oder gesundheitliche Beschwerden. Auch diese Bescheinigung vermag die erheblichen Zweifel hinsichtlich der Fahreignung des Antragstellers nicht zu widerlegen. Legt man den durch Dr. B.        angegebenen Behandlungszeitraum seit Mai 2015 zugrunde, ergibt sich anhand der weiteren ärztlichen Atteste und Stellungnahmen, die der Antragsteller während dieses Zeitraums an öffentliche Stellen gereicht hat, dass er wegen seiner Erkrankungen von insgesamt 5 Ärzten, davon 3 Fachärzten für Psychotherapie (Dr. X.        , Dr. Q.      und Dr. B.        ) und dies zum Teil während sich überschneidender Zeiträume behandelt wurde. Es entsteht der Eindruck, dass sich das Krankheitsbild im Falle des Antragstellers entweder als besonders schwerwiegend darstellt oder dass er bewusst darauf hinwirkt, stets nur diejenigen Informationen zu offenbaren, die seinen Interessen in der konkreten Verfahrenssituation entsprechen. Bei einer solchen Sachlage vermag die zuletzt vorgelegte Bescheinigung des Dr. B.        , anhand derer sich nicht nachvollziehen lässt, wie es nach langanhaltender Krankheit zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands gekommen ist, die geschilderten Zweifel nicht zu widerlegen. Im Übrigen ist zu betonen, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Aufklärungsmaßnahme nach § 11 FeV nicht darauf ankommt, ob die als Möglichkeit in Betracht gezogene Erkrankung tatsächlich vorliegt; dies kann und muss vielmehr erst durch die angeordnete Untersuchung geklärt werden. Vielmehr reicht es aus, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer fahreignungsrelevanten Erkrankung bestehen,

vgl.              Oberverwaltungsgericht Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. November 2014 - 16 A 2711/13 - juris, Rn. 10.

Soweit sich die Antragsgegnerin vor diesem Hintergrund im Rahmen der Gutachtenanforderung vom 4. Mai 2017 gezwungen sah, Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, ist dies nicht zu beanstanden.

Zwar steht die Forderung eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 S. 1 FeV grundsätzlich im Ermessen der Behörde,

vgl.              Bundesverwaltungsgericht, Urteilt vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - juris, Rn. 34 ff. zu § 11 Abs. 3 FeV; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - 11 CS 17.2201 - juris, Rn. 19 zu § 11 Abs. 2 FeV.

Der Umfang der erforderlichen Ermessenserwägungen ist dabei abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls und den Anforderungen, die sich aus der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage des § 11 Abs. 2 bis 4 FeV ergeben. Sie werden regelmäßig bereits in die Prüfung einfließen, ob konkrete und hinreichend gewichtige Eignungszweifel vorliegen. Ergibt die Würdigung der Behörde, dass die festgestellten Tatsachen nach Art und Gewicht aussagekräftige Anzeichen für aufklärungsbedürftige Eignungszweifel sind, wird ohne das Vorliegen besonderer Umstände kaum Anlass dafür bestehen, dass die Behörde ihre diesbezüglichen Überlegungen nochmals im Rahmen einer ausdrücklich als solche bezeichneten Ermessensausübung wiederholt. Denn wenn durch konkrete Tatsachen begründete Zweifel an der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers bestehen, hat die Behörde im Interesse der Verkehrssicherheit im Regelfall weitere Ermittlungen anzustellen. Je gewichtiger die Eignungsbedenken sind, desto geringer wird das Entschließungsermessen der Behörde; bei Vorliegen von erheblichen Eignungszweifeln dürfte es regelmäßig auf Null reduziert sein,

vgl.              Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. März 2013  - 10 S 54/13 - juris, Rn. 5; Urteil vom 3. September 2015 - 10 S 778/14 - juris, Rn. 38, sowie zuletzt: Urteil vom 11. Oktober 2017 - 10 S 746/17 - juris, Rn. 38 f. jeweils zu § 11 Abs. 3 FeV; Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 3 L 204/15 - juris, Rn. 18; Dauer, in: Hentscher/König/ders., Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 24; kritisch im Fall eines medizinischpsychologischen Gutachtens: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - juris, Rn. 36 f.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien verbleibt angesichts der durch mehrere Atteste unterschiedlicher Fachärzte bestätigten obigen Diagnose und der im Raum stehenden Medikamenteneinnahme im konkreten Fall kein Raum für eine Ausübung des behördlichen Ermessens zugunsten des Antragstellers.

Ist demnach in der Person des Antragstellers der Entziehungstatbestand des § 46 Abs. 1 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 und 2 FeV sowie der Anlage 4 zur FeV als erfüllt anzusehen, ist die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnisbehörde rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet.

Die weitere Interessenabwägung geht ebenfalls zu Lasten des Antragstellers aus.

In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen,

vgl.              etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2015 - 14 L 3652/15 - juris, Rn. 53 f., m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 ? 16 B 1124/13 - juris, Rn. 9.

Besondere Umstände, aufgrund derer vorliegend ausnahmsweise eine abweichende Bewertung veranlasst sein könnte, sind weder dargetan noch sonst erkennbar.

Auch im Übrigen bleibt der Aussetzungsantrag ohne Erfolg. Rechtliche Bedenken gegen die in der Ordnungsverfügung vom 17. Januar 2018 getroffenen sonstigen Entscheidungen bestehen ebenfalls nicht.

Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins binnen sechs Tagen beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV.

Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsgeldandrohung für den Fall der Nicht- oder nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des Zwangsgeldes von 500,- € steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck, den Antragsteller zur Abgabe seines Führerscheins zu bewegen (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach der Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl.              u.a. OVG NRW, Beschluss vom 20. November 2012 - 16 A 2172/12 - juris, Rn. 17,

der sich die Kammer anschließt, ist für ein Hauptsacheverfahren wegen Entziehung einer Fahrerlaubnis ungeachtet der erteilten Fahrerlaubnisklassen stets der Regelstreitwert (5.000,- €) und für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren die Hälfte dieses Betrages (2.500,- €) als Streitwert anzusetzen. Die ? unselbständige - Zwangsgeldandrohung wird bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt.

Lukas Jozefaciuk