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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2016 - 9 B 550/16

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 18,25 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, durch den das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Mautnacherhebungsbescheid vom 28. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2016 abgelehnt hat, nicht durchgreifend in Frage.

1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache bei der Erhebung öffentlicher Abgaben auf Antrag des Abgabepflichtigen die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides bestehen, wenn aufgrund einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Die hiernach erforderliche Prognose über die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren hat notwendigerweise nur vorläufigen und summarischen Charakter, da sie mit den begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu treffen ist. Daraus folgt, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen noch schwierige Rechtsfragen vertieft oder gar abschließend geklärt werden können. Kann ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden und ist keine unbillige Härte i. S. d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO geltend gemacht, bleibt es bei der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO festgelegten gesetzlichen Interessenbewertung, wonach öffentliche Abgaben grundsätzlich vor einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit zu zahlen sind.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. März 1998- 9 B 144/98 -, StGR 1998, 154, vom 13. Januar 2012 - 9 B 1259/11 -, und vom 28. Mai 2013- 9 B 418/13 -, jeweils m.w.N.

Dies zugrunde gelegt lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass ein Obsiegen des Antragstellers im Klageverfahren wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen.

a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Benutzung der Bundesstraße 200 auf einem gebührenpflichtigen Abschnitt durch ein Müllfahrzeug des Antragstellers der Mautpflicht unterliegt, weil dieses im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 BFStrMG ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sei. Insoweit sei - anders als im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 BFStrMG ("für den Güterkraftverkehr eingesetzt") - bei der Bestimmung des Güterkraftverkehrsbegriffs nicht auf die Ausnamevorschriften des § 2 GüKG zurückzugreifen. Demgegenüber hält der Antragsteller mit der Beschwerde daran fest, dass das Tatbestandsmerkmal "Güterkraftverkehr" in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG unterschiedslos unter Berücksichtigung von § 2 GüKG auszulegen sei. Demzufolge setze er seine Fahrzeuge nicht im Güterkraftverkehr ein, da er eine Anstalt öffentlichen Rechts sei und Abfall im Rahmen der ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben transportiere (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 GüKG).

b) Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel im oben genannten Sinne an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nacherhebungsbescheides zu begründen. Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand spricht vielmehr alles dafür, dass es für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Güterkraftverkehr" in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG nicht unmittelbar auf das güterkraftverkehrsrechtliche Begriffsverständnis ankommt und - abgesehen davon - insoweit für den Rechtsbegriff des Güterkraftverkehrs nach § 1 GüKG die Anwendungsausnahmen in § 2 GüKG unerheblich sind.

aa) § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG nimmt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Güterkraftverkehr" das Güterkraftverkehrsgesetz selbst nicht in Bezug. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich, dass der Gesetzgeber insoweit auch nicht an das national-, sondern an das unionsrechtliche Begriffsverständnis angeknüpft hat, das schon deswegen - unabhängig davon, dass das Bundesfernstraßenmautgesetz der Umsetzung von Unionsrecht dient - in erster Linie für die Auslegung maßgeblich ist.

Das Autobahnmautgesetz als Vorgängerregelung des Bundesfernstraßenmautgesetzes hat den Begriff "Güterkraftverkehr" zur Umschreibung der mautpflichtigen Fahrzeuge ursprünglich nicht verwendet, sondern diesen durch einen Verweis auf die Fahrzeugdefinition in Art. 2 Buchstabe d der Richtlinie 1999/62/EG in seiner spezifischen unionsrechtlichen Bedeutung in das deutsche Recht übernommen (§ 1 ABMG in der Fassung vom 5. April 2002). An dieser Rechtslage sollte sich insoweit durch die spätere Ersetzung des Verweises durch eine (teilweise) Übernahme des Richtlinienwortlauts in § 1 Abs. 1 ABMG nichts ändern; der Gesetzgeber wollte lediglich die durch die Richtlinie ermöglichte Ausdehnung der Mautpflicht auf Fahrzeuge ab einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen (vgl. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 1999/62/EG) nicht in deutsches Recht umsetzen.

Vgl. BT-Drs. 16/2718, S. 10.

Sie sollte auch mit der Ablösung des Autobahnmautgesetzes durch das Bundesfernstraßenmautgesetz nicht verändert werden.

Vgl. BT-Drs. 17/4979, S. 21 f.

Die unionsrechtliche Verwurzelung des Tatbestandsmerkmals "Güterkraftverkehr" schließt allerdings nicht aus, dass zu seiner Auslegung auf die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 GüKG zurückgegriffen werden kann. Güterkraftverkehr ist danach (jedenfalls) die geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2009- 9 A 3082/08 -, juris (Rn. 65); OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2009- 1 B 16/08 -, juris (Rn. 21).

Denn durch die Erfassung der geschäftsmäßigen bzw. entgeltlichen Beförderung wird dem Zweck der Richtlinie, Verzerrungen im wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten zu beseitigen (vgl. Erwägungsgrund 1, Art. 6 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 1999/62/EG), Genüge getan.

bb) Der Rückgriff auf das güterkraftverkehrsrechtliche Begriffsverständnis dürfte allerdings nicht bedeuten, dass im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG die Ausnahmen nach § 2 Abs. 1 GüKG zu prüfen wären. Dagegen spricht bereits, dass § 2 GüKG für die Bestimmung des Inhalts des Rechtsbegriffs "Güterkraftverkehr" im Sinne des § 1 GüKG ohne Bedeutung ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist daher auch die Beförderung von Gütern durch juristische Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben als Güterkraftverkehr im Rechtssinne anzusehen. § 2 Abs. 1 GüKG nimmt seinem Wortlaut nach bestimmte näher bezeichnete Beförderungsvorgänge von der Anwendung des Gesetzes aus. Diese Regelungstechnik setzt voraus, dass es sich dabei um Tatbestände handelt, die grundsätzlich als geschäftsmäßiger oder entgeltlicher Güterkraftverkehr nach § 1 Abs. 1 GüKG anzusehen sind und eben deshalb eigentlich - d.h. ohne eine entsprechende Ausnahme - dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes unterliegen würden. Hiervon ist erkennbar auch der Gesetzgeber ausgegangen, der einerseits im Unterschied zur früheren Rechtslage auf die Aufnahme des Rückens von Holz in § 2 Abs. 1 GüKG ausdrücklich verzichtet hat, weil "dieses schon keine Güterbeförderung im Sinne des § 1 GüKG" darstelle. Andererseits hat er die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 GüKG genannten Beförderungen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen, weil sie als geschäftsmäßig aber nicht als Werkverkehr im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 GüKG anzusehen und deshalb jedenfalls aufgrund der Auffangregelung in § 1 Abs. 4 GüKG begrifflich als gewerblicher Güterkraftverkehr einzuordnen sind.

Vgl. BT-Drs. 13/9314, S. 16; ferner zur Bedeutung von § 1 Abs. 4 GüKG: Lammich/Pöttinger, Gütertransportrecht, GüKG § 1 Rn. 38 (Stand: Mai 2004).

Vor allem aber ist nicht ersichtlich, dass aus unionsrechtlichen Gründen eine Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände nach § 2 GüKG im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG auf der Ebene des Tatbestandsmerkmals "Güterkraftverkehr" geboten wäre. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die in § 2 GüKG genannten Beförderungen deshalb von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen sind, weil sie verkehrswirtschaftlich unbedeutend sind.

Vgl. Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht, GüKG § 2 Nr. 1 (Stand: Oktober 2016).

Das Unionsrecht erfasst derartige Konstellationen jedoch nicht bereits durch eine Einschränkung des Rechtsbegriffs "Güterkraftverkehr", sondern durch die Ermäßigungs- bzw. Befreiungsmöglichkeiten nach Art. 7 Abs. 4 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 sowie Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 1999/62/EG.

cc) Unbeschadet dessen dürfte es nicht in Betracht kommen, im Rahmen § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 BFStrMG ein inhaltlich anderes, nämlich unter Berücksichtigung von § 2 GüKG zu ermittelndes Verständnis des Tatbestandsmerkmals "Güterkraftverkehr" zugrundezulegen als bei der Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 BFStrMG.

So aber VG Köln, Urteile vom 20. Mai 2011- 14 K 7547/09 -, juris, und vom 9. Dezember 2014- 14 K 24/11 -, juris.

Dafür spricht zunächst schon die Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG, nach der dieses Tatbestandsmerkmal gleichsam "vor die Klammer" der beiden Alternativen ("bestimmt sind" bzw. "eingesetzt werden") gezogen ist, was in beiden Fällen einen identischen Bedeutungsgehalt impliziert. Zudem spricht der Sinn und Zweck der Einbeziehung von Fahrzeugen, die im Güterkraftverkehr eingesetzt werden, in die Mautpflicht gegen ein solches differenziertes Begriffsverständnis. Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 BFStrMG in Umsetzung des geänderten unionsrechtlichen Fahrzeugbegriffs bestimmte Fahrzeugkombinationen, die bisher von der Mautpflicht ausgenommen waren, mit den bereits mautpflichtigen Fahrzeugen bei einer Verwendung im Güterkraftverkehr gleichstellen.

Vgl. BT-Drs. 16/10388, S. 9.

Diesem grundsätzlichen Gleichstellungszweck würde es gerade zuwiderlaufen, wenn allein im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 BFStrMG infolge der Anwendung des § 2 GüKG bestimmte Fahrzeuge bloß wegen der Eigenart des Transportvorgangs wieder ausgenommen würden.

Abgesehen davon sprechen auch systematische Erwägungen gegen eine Heranziehung des § 2 GüKG im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BFStrMG bei beiden Alternativen. Denn die Regelung in § 1 Abs. 2 BFStrMG über die Mautbefreiung wäre anderenfalls weitgehend überflüssig. Dies gilt etwa mit Blick auf § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BFStrMG, weil Beförderungen durch Schaustellerbetriebe schon dem Anwendungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 GüKG unterfallen.

Vgl. Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht, GüKG § 2 Nr. 8 (Stand: Oktober 2016).

Nichts anderes ergibt sich für die Befreiungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 BFStrMG in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 GüKG, weil es sich jeweils um Fahrzeuge von juristischen Personen des öffentlichen Rechts handeln dürfte, die Güter im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben transportieren. Desgleichen wäre der Befreiungstatbestand nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BFStrMG wegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 GüKG grundsätzlich nicht notwendig.

Insoweit zutreffend VG Köln, Urteil vom 18. November 2014 - 14 K 2741/11 -, juris (Rn. 38).

Zwar lässt sich der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Autobahnmautgesetzes entnehmen, dass im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 BFStrMG die Ausnahmen nach § 2 GüKG zu berücksichtigen sein sollen.

Vgl. BT-Drs. 16/10388, S. 9.

Selbst wenn diese nicht näher begründete Ansicht tatsächlich als (historischer) Wille des Gesetzgebers - verstanden als Gesamtheit der inhaltlich an der Gesetzgebung beteiligten Verfassungsorgane - anzusehen sein sollte, wäre er für die Normauslegung unbeachtlich. Denn er stünde - wie dargelegt - in Widerspruch zu Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck und Systematik von § 1 BFStrMG. Maßgeblich für die Normanwendung ist jedoch das, was der Gesetzgeber tatsächlich im Gesetz geregelt hat, nicht was er den Materialien nach zu regeln meinte.

Vgl. zu Letzterem etwa BVerfG, Beschluss vom 16. August 2001 - 1 BvL 6/01 -, NVwZ-RR 2002, 117.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk