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OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.03.2016 - 8 B 64/16

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 22. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.800,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Anordnung einer Fahrtenbuchauflage offensichtlich rechtmäßig ist, nicht in Frage.

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

1. Die pauschalen Zweifel der Antragstellerin am Vorliegen eines ordnungsgemäß nachgewiesenen Verkehrsverstoßes, die die Antragstellerin nach Angaben der Beschwerde erst im Hauptsacheverfahren näher ausführen will, genügen bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.

2. Soweit die Beschwerde die weiteren Voraussetzungen für die Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage in Frage stellt, rechtfertigt das Vorbringen in der Sache keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Die Feststellung des Fahrzeugführers ist unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Bußgeldbehörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, DÖV 1979, 408 = juris Rn. 16, und vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, BayVBl. 1983, 310 = juris Rn. 7, sowie Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104 = juris Rn. 4, und vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193 = juris Rn. 21; und Beschluss vom 10. Juni 2015 - 8 A 1638/14 -, n.v.

Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Fahrzeughalter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, DÖV 1979, 408 = juris Rn. 18, sowie Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -, DAR 1987, 393 = juris Rn. 2.

Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Die vorgenannte Obliegenheit des Fahrzeughalters besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob dem Halter ein (aussagekräftiges) Foto vorgelegt wird, denn ein Foto ist für die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht erforderlich und kann oftmals auch gar nicht gefertigt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193 = juris Rn. 25, sowie Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - 8 B 481/13 -, n.v., vom 13. Januar 2011 - 8 A 1998/10 -, vom 22. März 2004 - 8 A 2384/03 -, und vom 29. April 2003 - 8 A 3435/01 - juris Rn. 13.

Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Aufklärungsmaßnahmen zu betreiben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466 = juris Rn. 7, sowie Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104 = juris Rn. 4 f., und vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris Rn. 4; Dauer, in: Hentschel/König/ders., Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31a StVZO Rn. 5; Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 6. Aufl. 2012, Rn. 325.

Aus welchen Gründen der Halter keine Angaben zur Sache macht, ist dabei unerheblich. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt vor allem nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Oktober 2007 - 8 B 1042/07 -, NZV 2008, 52 = juris Rn. 6, vom 28. Oktober 2013 - 8 A 562/13 -, juris Rn. 14., vom 11. November 2013 - 8 B 1129/13 -, juris Rn. 12 ff., und vom 14. November 2013 - 8 A 1668/13 -, juris Rn. 14.

Sendet der Halter den ihm übersandten Anhörungsbogen nicht an die Bußgeldbehörde zurück und macht er auch im Übrigen keine Angaben zur Sache, rechtfertigt dies bereits regelmäßig, auf seine fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung zu schließen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2015 - 8 A 198/15 -, Seite 7 des Beschlussabdrucks, n.v., vom 5. April 2006 - 8 B 274/06 -, Seite 3f. des Beschlussabdrucks, n.v., und vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 -, juris Rn. 11; OVG Nds., Beschluss vom 2. November 2004 - 12 ME 413/04 -, juris Rn. 5.

Gemessen an diesen Grundsätzen war hier die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Die Bußgeldbehörde war nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht in der Lage, den Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen S. - , mit dem am 6. September 2015 um 15:03 Uhr in Q. -C. eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 30 km/h um - nach Toleranzabzug - 35 km/h) begangen worden war, zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Entscheidend hierfür ist, dass die Antragstellerin bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung am 6. Dezember 2015 (vgl. § 26 Abs. 3 StVG) keine Angaben zur Sache gemacht hat und der Bußgeldbehörde auch sonst keine Ermittlungsansätze vorgelegen haben, die erfolgversprechend gewesen wären.

Sachdienliche Angaben der Antragstellerin sind im vorliegenden Fall entgegen ihrem Vortrag nicht daran gescheitert, dass das Beweisfoto keine eindeutige Identifizierung ermöglicht. Das ergibt sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen selbst, wonach die Antragstellerin gewusst habe, dass nur sie als Fahrerin in Betracht kam, weil sie die alleinige Nutzerin des Fahrzeugs sei.

Die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person war der Antragstellerin auch nicht deshalb unzumutbar, weil dies mit ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schweigerecht unvereinbar gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Halter eines Fahrzeugs auch dann nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren entweder als Betroffener sein "Schweigerecht" nach § 55 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 163a Abs. 1, 3 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO oder als Zeuge sein Recht zur Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerung (§ 46 Abs. 1, 2 OWiG i.V.m. §§ 161a Abs. 1 Satz 2, 52 ff. StPO) geltend gemacht hat. Ein "doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage bzw. das Zeugnis zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. März 1986 - 7 B 40.86 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 14 = juris Rn. 3; vom 17. Juli 1986 - 7 B 234.85 -, NJW 1987, 143, juris Rn. 6, vom 1. März 1994 - 11 B 130.93 -, VRS 88, 158, juris Rn. 4, vom 22. Juni 1995 - 11 B 7.95 -, BayVBl. 1996, 156 = juris Rn. 2 ff., und vom 11. August 1999 - 3 B 96.99 -, NZV 2000, 385 = juris Rn. 3; vgl. auch Gehrmann, ZfSch 2002, 213, 214; Beck/Berr, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 6. Aufl. 2012, Rn. 334; Dauer, in: Hentschel/König/ ders., Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 31a StVZO Rn. 7 m. w. N.

Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2015 - 8 B 198/15 -, n.v.; OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 4164/96 -, juris Rn. 40, sowie Beschlüsse vom 5. September 2005 - 8 A 1893/05 -, NZV 2006, 53 = juris Rn. 26, vom 10. Januar 2006 - 8 A 4773/05 -, juris Rn. 16, vom 21. April 2008 - 8 B 482/08 -, juris Rn. 7, vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 -, juris Rn. 6, und vom 14. November 2013 - 8 A 1668/13 -, juris Rn. 10,

sowie der Rechtsprechung weiterer Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe.

Vgl. u. a. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 28. April 1999 - 7 A 10772/99 -, ZfSch 2000, 131; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30. November 1999 - 10 S 2436/99 -, NZV 2001, 448 = juris Rn. 3; Hess. VGH, Urteil vom 22. März 2005 - 2 UE 582/04 -, NJW 2005, 2411 = juris Rn. 29; Nds. OVG, Beschluss vom 2. November 2006 - 12 LA 177/06 -, ZfSch 2007, 119 = juris Rn. 24; Saarl. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2007 - 1 B 121/07 -, juris Rn. 19; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 1. April 2009 - 4 LA 10/09 -, juris Rn. 8; OVG M.-V., Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 M 200/11 -, juris Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juni 2013 - 11 CS 13.1079 -, juris Rn. 16; Sächs. OVG, Beschluss vom 19. August 2013 - 3 B 360/13 -, juris Rn. 7.

Der Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung am 6. Dezember 2015 tatsächlich keine sachdienlichen Angaben gemacht hat, steht nicht entgegen, dass die Bußgeldbehörde das Verfahren bereits am 30. Oktober 2015 gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Sachdienliche Angaben hätte die Antragstellerin - wenn sie tatsächlich bereit gewesen wäre, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken - auch nach der Verfahrenseinstellung durch die Bußgeldbehörde bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung jederzeit machen können, da ein Strafklageverbrauch durch die Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht eintritt und die Bußgeldbehörde selbst bei gleicher Sach- und Rechtslage zu jeder Zeit berechtigt gewesen wäre, das Verfahren wieder aufzunehmen.

Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juli 2003 - 4 Ss OWi 468/03 -, juris Rn. 19; Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage 2013, § 170 Rn. 9; Sing/Vordermayer, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 1. Auflage 2014, § 170 Rn. 20; Moldenhammer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, § 170 Rn. 23.

Die Antragstellerin hätte also, um die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne des § 31a StVZO und die angekündigte Anordnung der Fahrtenbuchauflage zu verhindern, auch noch nach Erhalt der Anhörungen des Antragsgegners zum beabsichtigten Erlass einer Fahrtenbuchauflage vom 10. November 2015 bzw. vom 24. November 2015 gegenüber der Bußgeldbehörde Angaben zum Fahrer oder zum in Betracht kommenden Personenkreis machen können. Die von der Antragstellerin beanstandete, ihrer Auffassung nach zu kurze Stellungnahmefrist im Verfahren der Fahrtenbuchauflage war für die Unmöglichkeit, die Ordnungswidrigkeit zu ahnden, nicht ursächlich und begründet schon deshalb kein Ermittlungsdefizit. Der Antragsgegner hatte keinerlei Anlass für die Annahme, die Antragstellerin werde den verantwortlichen Fahrer im Verwaltungsverfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage noch benennen. Denn ihr Prozessbevollmächtigter hatte bereits im Bußgeldverfahren Akteneinsicht erhalten und daraufhin mitgeteilt, falls kein besseres Beweisfoto vorgelegt werden könne, beantrage er die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Dies ist erkennbar als endgültige Reaktion zu werten. Soweit die Antragstellerin suggeriert, im Falle einer länger als bis zum 4. Dezember 2015 bemessenen Stellungnahmefrist zum Erlass der Fahrtenbuchauflage hätte sie sich in der 50. Kalenderwoche voraussichtlich als verantwortliche Fahrerin benannt, hätte darin keine ausreichende Mitwirkung mehr gelegen. Denn einer Ahndung der Ordnungswidrigkeit stand nach dem 6. Dezember 2015 der Eintritt der Verfolgungsverjährung entgegen, der im Anwendungsbereich des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung bei Verkehrsverstößen darstellt.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30. November 2010 - 10 S 1860/10 -, NJW 2011, 628 = juris Rn. 8 f.

Von einer tatsächlichen Bereitschaft der Antragstellerin, vor Eintritt der Verfolgungsverjährung den verantwortlichen Fahrer noch mitzuteilen, ist nach ihrem eigenen Vorbringen nicht auszugehen. Im Übrigen war für die anwaltlich vertretene Antragstellerin, die bereits im Bußgeldverfahren zeitnah zu dem Verkehrsverstoß angehört worden ist, auch ohne erneute Fristsetzung durch den Antragsgegner ohne weiteres erkennbar, dass Angaben zum Fahrer oder zum in Betracht kommenden Personenkreis spätestens bis zum 4. Dezember 2015 gegenüber der Bußgeldbehörde abgegeben werden mussten.

Da die Antragstellerin mithin keinen Beitrag zur Fahrerfeststellung geleistet hat, war die Behörde zu weitergehenden Ermittlungsmaßnahmen nicht verpflichtet.

3. Der Antragsgegner hat das ihm zukommende Ermessen in rechtsfehlerfreier Weise ausgeübt, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Der Erlass einer Fahrtenbuchauflage für einen Zeitraum von neun Monaten wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verlangt das Vorliegen eines Verkehrsverstoßes von einigem Gewicht. Ein nur einmaliger unwesentlicher Verstoß, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Ungeeignetheit des Kraftfahrers zulässt, genügt zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht. Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist dabei an dem in Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung niedergelegten Punktesystem zu orientieren. Dabei ist - auch bei einem erstmaligen Verstoß - bereits ab einem Punkt von einer erheblichen Zuwiderhandlung auszugehen.

Vgl. zur früheren Rechtslage nur: BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, BVerwGE 98, 227 = juris Rn. 9, OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279= juris Rn. 21, 38, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94/99 -, NZV 2000, 386 = juris Rn. 2; zur aktuellen Rechtslage nunmehr OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 8 A 1030/15 -, juris Rn. 7 ff.

Dies gilt umso mehr nach der Reform des Punktesystems zum 1. Mai 2014, wonach Punkte nur noch für Verstöße vergeben werden, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.

Vgl. BT-Drs. 18/12636, S. 1, 17.

Der hier in Rede stehende Verkehrsverstoß war entgegen der Auffassung der Antragstellerin von erheblichem Gewicht. Nach der lfd. Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zur FeV i. V. m. Nr. 11.3.6 der Anlage zur BKatV war die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften mit einem Punkt im Fahreignungsregister einzutragen. Bei einem derartigen Sachverhalt ist eine Fahrtenbuchauflage von neun Monaten weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 8 A 1030/15 -, juris Rn. 7 ff.

Anders als die Antragstellerin meint, ist die Fahrtenbuchauflage auch nicht ungeeignet, den ihr zugedachten Zweck zu erfüllen. Sie ermöglicht eine Ahndung künftiger Ordnungswidrigkeiten, wenn der Fahrer erneut nicht festgestellt werden kann, weil die Antragstellerin diesen nicht benennt. Dass sie im vorliegenden Verfahren angegeben hat, alleinige Nutzerin ihres Fahrzeugs zu sein, reicht für sich allein ersichtlich nicht aus, um künftige Verkehrsverstöße mit diesem Fahrzeug mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit ihr als Fahrerin zuzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat an Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013,

vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013; abzurufen auch unter http://www.BVerwG.de/medien/pdf/ streitwertkatalog.pdf,

und legt für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,- Euro zu Grunde. Angesichts der Vorläufigkeit dieses Verfahrens ist dieser Wert um die Hälfte herabzusetzen, vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Lukas Jozefaciuk