OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2018 - 4 A 1517/16
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne der § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 ? 1 BvR 830/00 ?, NVwZ 2000, 1163 = juris, Rn. 15.
Das Zulassungsvorbringen stellt die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht schlüssig in Frage. Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 11.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 27.5.2015 betreffend die Förderperiode 2010 ist im noch aufrechterhaltenen Umfang rechtmäßig.
Der aufgehobene Zuwendungsbescheid vom 28.9.2010 ist entgegen der Ansicht der Klägerin von Anfang an rechtswidrig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gewesen. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die mit Antrag vom 28.1.2010 begehrte Zuwendung, weil sie nach der an der Förderrichtlinie ausgerichteten Zuwendungspraxis der Beklagten nicht zum Kreis der Zuwendungsberechtigten gehörte. Nach bereits erfolgter Bewilligung einer Zuwendung ist nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht maßgeblich, was die Behörde bei ihrer Erklärung gedacht hat (innerer Wille), sondern wie der Bürger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.1983 ? 7 C 70.80 ?, DVBl. 1983, 810 = juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 11.5.2016 ? 4 A 1983/13 ?, juris, Rn. 11 ff., m. w. N.
Für die Klägerin war aus dem Bewilligungsbescheid für das Jahr 2010, aus der einschlägigen Förderrichtlinie sowie aus der Aufforderung zur Übersendung eines Nachweises über gewerblichen Güterkraftverkehr (oder Werkverkehr) vom 19.8.2010 erkennbar, dass die Beklagte den Kreis der Zuwendungsberechtigten auf diejenigen Unternehmen festgelegt hat, die als antragstellendes Unternehmen Güterkraftverkehr im Sinne des § 1 GüKG durchführen. Die Beklagte hat mit dem Erlass des Zuwendungsbescheides vom 28.9.2010 gegenüber der Klägerin deutlich gemacht, dass sie ihre Zuwendungspraxis an den Vorgaben der einschlägigen Förderrichtlinie ausrichtet. Die Beklagte hat der Klägerin eine Zuwendung für die Zeit vom 28.1.2010 bis 31.12.2010 (Bewilligungszeitraum) gemäß der Richtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung über die Förderung der Sicherheit und der Umwelt in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen vom 19.10.2009 (BAnz. S. 3743 ff.) in der Fassung der Änderung vom 19.5.2010 (BAnz. S. 2062) - "Deminimis"-Förderrichtlinie - bewilligt. Dabei hat sie Bezug genommen auf den Antrag vom 28.1.2010, in dem angegeben war, dass das antragstellende Unternehmen gewerblichen Güterkraftverkehr betreibe (Ziffer 2a des Antrags), und der die Erklärung enthielt, dass das antragstellende Unternehmen Güterkraftverkehr im Sinne des § 1 GüKG durchführe (Ziffer 5.1 1. Spiegelstrich des Antrags). Gleichzeitig hat das antragstellende Unternehmen bestätigt, dass es die "Demiminis"-Förderrichtlinie zur Kenntnis genommen habe und als verbindlich anerkenne. Nach Nr. 3.1 der "Deminimis"-Förderrichtlinie gehören zum Kreis der Zuwendungsberechtigten Unternehmen, die Güterkraftverkehr im Sinne von § 1 GüKG betreiben. Nach § 3 Abs. 1 GüKG ist der gewerbliche Güterkraftverkehr erlaubnispflichtig und im Falle der fehlenden Erlaubnis mit einer Geldbuße bewehrt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG). Da ein illegaler Betrieb nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden kann, stand nach dem objektiven Empfängerhorizont fest, dass nur ein Unternehmen Zuwendungen erhalten kann, das selbst über die erforderliche güterkraftverkehrsrechtliche Erlaubnis verfügt. Zwar war in dem Antrag als antragstellendes Unternehmen zunächst nicht die Klägerin, sondern die G. U. GmbH & Co. KG benannt. Die Klägerin hat aber mit Schreiben vom 21.7.2010 klargestellt, dass sie die Antragstellerin sei und sich damit die in dem Antrag gemachten Erklärungen zu Eigen gemacht. Ferner machte die Beklagte der Klägerin durch die Aufforderung zur Übersendung eines Nachweises über gewerblichen Güterverkehr (oder Werkverkehr) vom 19.8.2010, sowie einem entsprechenden telefonischen Hinweis vom 7.9.2010 deutlich, dass die Bewilligung von Zuwendungen für den Güterkraftverkehr die erforderliche güterkraftverkehrsrechtliche Erlaubnis voraussetzt.
Die Klägerin verfügte im Förderzeitraum jedoch nicht über eine auf sie ausgestellte erforderliche Erlaubnis für den gewerblichen Güterkraftverkehr im Sinne von §§ 1, 3 GüKG. Entgegen dem Zulassungsvorbringen erstreckt sich die der G. GmbH & Co. KG unter dem 7.4.2000 erteilte Erlaubnis nicht auf die Klägerin. Die Erlaubnis nach § 3 GüKG wird personen- bzw. unternehmensbezogen erteilt. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 2 GüKG in der seinerzeit geltenden Fassung, wonach die Erlaubnis einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland hat, für die Dauer von bis zu fünf Jahren erteilt wird. Ein Unternehmen in diesem Sinne wurde nach der seinerzeit geltenden Rechtslage europarechtlich definiert als jede natürliche Person, jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck, jede Vereinigung oder jeder Zusammenschluss von Personen ohne Rechtspersönlichkeit und mit oder ohne Erwerbszweck sowie jedes staatliche Organ, unabhängig davon, ob dieses über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder von einer Behörde mit Rechtspersönlichkeit abhängt.
Vgl. Art. 1 der Richtlinie 92/26/EG des Rates vom 29.4.1996 (ABl. Nr. L 124 vom 23.5.1996, S. 1); sowie ähnlich nunmehr in Art. 2 Nr. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates (ABl. Nr. L 300 vom 14.11.2009, S. 51).
Daraus ist zu schließen, dass Gesellschaften mit und ohne eigene Rechtspersönlichkeit jeweils Unternehmer sein können, also auch teilrechtsfähige Personengesellschaften wie die Kommanditgesellschaft. Dass zwischen diesen unterschiedlichen Gesellschaftsformen bei der Erlaubniserteilung zu differenzieren ist, bestätigt Randnummer 8 der gemäß § 23 Abs. 1 GüKG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsrecht vom 8.4.2009 (GüKVwV, BAnz. S. 1476 ff.). Diese Vorschrift sieht dabei u. a. vor, dass Kommanditgesellschaften (Buchstabe e) und Kapitalgesellschaften (Buchstabe f), die ein Güterkraftverkehrsgewerbe betreiben, Unternehmer im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes sind. Auch Randnummern 16 und 17 GüKVwV verdeutlichen die Personen- bzw. Unternehmensgebundenheit der Erlaubnis. Danach ist sowohl bei einer Rechtsformänderung ein neues Erteilungsverfahren als auch bei einer reinen Namensänderung eine Berichtigung der Erlaubnis erforderlich.
Vgl. zur Rechtsformänderung OVG NRW, Beschlüsse vom 12.9.2016 ? 4 A 1613/15 ?, juris, Rn. 5 f., und vom 12.6.2014 ? 4 A 488/14 ?, juris, Rn. 3; BR-Drs. 940/08 vom 3.12.2008, Seite 12.
Allein der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass der der G. GmbH und Co. KG erteilten Erlaubnis eine Anzahl von Abschriften beigefügt wurde, die der Summe der auf sie und der G. GmbH und Co. KG zugelassenen Fahrzeuge entspricht, ändert ? auch wenn die Ausstellung einer Erlaubnisurkunde für die Klägerin nur versehentlich unterblieben ist ? nichts daran, dass die Erlaubnis nur der G. GmbH und Co. KG erteilt wurde. Der Senat vermag auch die Einschätzung der Klägerin nicht zu teilen, die ihr erteilte Erlaubnis leide allenfalls unter einem heilbaren Schreibfehler. Denn die von ihr vorgelegte Erlaubnis wurde nicht ihr, sondern der G. GmbH und Co. KG erteilt, die eine solche Erlaubnis auch beantragt hatte. Diese wies deswegen auch keinen Schreibfehler auf. Es fehlt vielmehr gänzlich an einer der Klägerin erteilten Erlaubnis. Auch wenn die Klägerin darauf vertraut haben sollte, die erteile Erlaubnis gelte auch für sie, wird sie dadurch nicht zur Inhaberin der Erlaubnis. Denn § 3 GüKG erfordert die tatsächliche Erteilung einer Erlaubnis. Deswegen ist ferner unerheblich, ob zugunsten der Klägerin die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis vorlagen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.3.2018 ? 4 A 185/16 ?, juris, Rn. 14.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin gleichwohl davon ausgehen durfte, die Beklagte werde ihr die Zuwendung auch ohne die erforderliche Erlaubnis gewähren, liegen nicht vor. Insbesondere lässt sich dies nicht aus dem Umstand schließen, dass die Beklagte der Klägerin die Zuwendung bewilligt hat, obwohl diese auf die Aufforderung, einen Nachweis darüber einzureichen, dass sie gewerblichen Güterverkehr oder Werkverkehr betreibt, nur die nicht mehr gültige Erlaubnisurkunde vom 13.3.1986 der "G. GmbH & Co." eingereicht hatte. Denn aufgrund des vorher gewechselten Schriftverkehrs zur Frage, ob die Klägerin oder die G. GmbH & Co. KG Antragstellerin sei sowie der Aufforderung zur Erbringung eines Nachweises, dass sie Güterkraftverkehr betreibt, war für die Klägerin erkennbar, dass es der Beklagten darauf ankam, dass sie selbst (und nicht die G. GmbH & Co. KG) über eine gültige Erlaubnis zur Durchführung von Güterkraftverkehr verfügt. Der Klägerin war ferner ? ungeachtet dessen, dass es sich bei der vorgelegten Erlaubnis der G. GmbH & Co. schon nicht um die ihr erteilte Erlaubnis handelte ? bekannt, dass die von ihr vorgelegte Erlaubnis keine Gültigkeit mehr hatte. Dies ergibt sich schon daraus, dass die G. GmbH & Co. KG diese im Jahr 2000 in eine neue Erlaubnis umgetauscht hat. Die Klägerin musste aus den vorgenannten Umständen damit rechnen, dass die Beklagte bei der Bearbeitung ihres Zuwendungsantrags und Überprüfung der Zuwendungsvoraussetzungen lediglich übersehen hat, dass sie keine ihr die Ausübung von Güterverkehr gestattende Erlaubnis vorgelegt hat.
Dementsprechend gibt das Zulassungsvorbringen auch nichts Durchgreifendes dafür her, dass der Klägerin entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichts Vertrauensschutz im Sinne von § 48 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG zukommen könnte. Auch insoweit hat sie die Annahme des Verwaltungsgerichts, Vertrauensschutz sei gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ausgeschlossen, nicht in Frage gestellt. Denn sie hat weder dargelegt noch belegt, dass ihre Angaben im Zuwendungsantrag entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts korrekt und vollständig gewesen sein könnten. Dass die Klägerin davon ausging, die der G. GmbH und Co. KG erteilte Erlaubnis berechtige auch sie zum Betreiben von Güterverkehr, musste im Rahmen der Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt werden. Für die Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ist ein Verschulden nicht erforderlich.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.5.1996 ? 3 C 13.94 ?, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris, Rn. 48, m. w. N., und vom 20.10.1987 ? 9 C 255.86 ?, BVerwGE 78, 139 = juris, Rn. 17, m. w. N; OVG NRW, Beschluss vom 30.10.2018? 4 A 151/17 ?, juris, Rn. 13.
Ist ein Vertrauensschutz bereits gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ausgeschlossen, so kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG gehandelt hat.
Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang von Belang, ob der Beklagten aufgrund der Bewilligung der Zuwendung trotz Vorlage einer nicht mehr gültigen Erlaubnis für den gewerblichen Güterkraftverkehr gegebenenfalls der Vorhalt eigener grober Fahrlässigkeit gemacht werden könnte. Eine Mitverantwortung der Behörde kann verlorenen Vertrauensschutz nicht wieder begründen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.1996 ? 3 C 13.94 ?, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris, Rn. 50, m. w. N.
Auch im Übrigen sind Ermessensfehler der Beklagten nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere handelt es sich bei einer fehlenden güterkraftverkehrsrechtlichen Erlaubnis nicht nur um eine marginale Unstimmigkeit, sondern um das Fehlen der Berechtigung zur Durchführung gewerblichen Gütertransportverkehrs im Sinne von §§ 1, 3 GüKG und damit der Berechtigung für die beantragte Zuwendung, die nach der Verwaltungspraxis der Beklagten der Bewilligung einer Zuwendung entgegensteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.