OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.03.2018 - 4 A 183/16
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 17.12.2015 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 33.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne der §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 ff. = juris, Rn. 15.
Das Zulassungsvorbringen stellt die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht schlüssig in Frage. Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 7.3.2014 und der Widerspruchsbescheid vom 4.11.2014 betreffend die Förderperiode 2010 sind rechtmäßig.
Der aufgehobene Zuwendungsbescheid vom 1.9.2010 ist entgegen der Ansicht der Klägerin von Anfang an rechtswidrig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gewesen. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die mit Antrag vom 29.3.2010 begehrte Zuwendung, weil sie nach der an der Förderrichtlinie ausgerichteten Zuwendungspraxis der Beklagten nicht zum Kreis der Zuwendungsberechtigten gehörte. Nach bereits erfolgter Bewilligung einer Zuwendung ist nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht maßgeblich, was die Behörde bei ihrer Erklärung gedacht hat (innerer Wille), sondern wie der Bürger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.1983 - 7 C 70.80 -, DVBl. 1983, 810 = juris, Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 11.5.2016 - 4 A 1983/13 -, juris, Rn. 11-13, m. w. N.
Für die Klägerin war sowohl aus dem Bewilligungsbescheid für das Jahr 2010 als auch aus der einschlägigen Förderrichtlinie erkennbar, dass die Beklagte den Kreis der Zuwendungsberechtigten auf diejenigen Unternehmen festgelegt hat, die als Betreiber gewerblichen Güterkraftverkehrs eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 GüKG innehaben. Die Beklagte hat mit dem Erlass des Zuwendungsbescheides vom 1.9.2010 gegenüber der Klägerin deutlich gemacht, dass sie ihre Zuwendungspraxis an den Vorgaben der einschlägigen Förderrichtlinie ausrichtet.
Die Beklagte hat der Klägerin eine Zuwendung für die Zeit vom 29.3.2010 bis 31.12.2010 (Bewilligungszeitraum) gemäß der Richtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung über die Förderung der Sicherheit und der Umwelt in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen vom 19.10.2009 (BAnz. S. 3743 ff.) in der Fassung der Änderung vom 19.5.2010 (BAnz. S. 2062) - "Deminimis"-Förderrichtlinie - bewilligt. Dabei hat sie Bezug genommen auf den Antrag der Klägerin vom 29.3.2010, in dem diese angekreuzt hatte, dass sie gewerblichen Güterkraftverkehr betreibe (Ziffer 2a des Antrags), und erklärt hatte, als antragstellendes Unternehmen Güterkraftverkehr im Sinne des § 1 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) durchzuführen (Ziffer 5.1 1. Spiegelstrich des Antrags). Gleichzeitig hatte die Klägerin bestätigt, dass sie die "Deminimis"-Förderrichtlinie zur Kenntnis genommen habe und als verbindlich anerkenne. Nach Nr. 3.1 der "Deminimis"-Förderrichtlinie gehören zum Kreis der Zuwendungsberechtigten Unternehmen, die Güterkraftverkehr im Sinne von § 1 GüKG betreiben. Nach § 3 Abs. 1 GüKG ist der gewerbliche Güterkraftverkehr erlaubnispflichtig und im Falle der fehlenden Erlaubnis mit einer Geldbuße bewehrt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1b GüKG). Da ein illegaler Betrieb nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden kann, stand nach dem objektiven Empfängerhorizont fest, dass nur ein Unternehmen Zuwendungen erhalten kann, das selbst über die erforderliche güterkraftverkehrsrechtliche Erlaubnis verfügt.
Die Klägerin verfügte im Förderzeitraum jedoch unstreitig nicht über eine auf sie ausgestellte erforderliche Erlaubnis für den gewerblichen Güterkraftverkehr im Sinne von §§ 1, 3 GüKG.
Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist ihr die der L. -I. GmbH erteilte Erlaubnis nicht zuzurechnen. Die Erlaubnis nach § 3 GüKG wird personen- bzw. unternehmensbezogen erteilt. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 2 GüKG, wonach die Erlaubnis einem Unternehmer, dessen Unternehmen seinen Sitz im Inland hat, für die Dauer von bis zu zehn Jahren erteilt wird. Randnummer 8 Buchstabe f der gemäß § 23 Abs. 1 GüKG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsrecht vom 8.4.2009 (GüKVwV, BAnz. S. 1476 ff.) bestimmt hierzu, dass unter anderem Kapitalgesellschaften, die ein Güterkraftverkehrsgewerbe betreiben, Unternehmer im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes sind. Auch Randnummern 16 und 17 GüKVwV verdeutlichen die Personen- bzw. Unternehmensgebundenheit der Erlaubnis. Danach ist sowohl bei einer Rechtsformänderung ein neues Erteilungsverfahren als auch bei einer reinen Namensänderung eine Berichtigung der Erlaubnis erforderlich.
Vgl. zur Rechtsformänderung OVG NRW, Beschlüsse vom 12.9.2016 ? 4 A 1613/15 ?, juris, Rn. 5 f., und vom 12.6.2014 ? 4 A 488/14 ?, juris, Rn. 3; BR-Drs. 940/08 vom 3.12.2008, Seite 12.
Der Verweis auf die in Nr. 3.3.1 der erst am 1.10.2014 in Kraft getretenen Richtlinie über die Förderung der Sicherheit und Umwelt des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen vom 11.8.2014 (BAnz AT 25.8.2014 B5) vorgenommene Definition des Unternehmensbegriffs vermag ungeachtet ihrer fehlenden Anwendbarkeit inhaltlich nicht zu überzeugen. Nr. 3.3.1 dieser Richtlinie enthält für verbundene, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheiten die Fiktion eines einzigen Unternehmens. Sie ändert jedoch nichts an dem gesetzlichen Erfordernis der Erlaubnis für das jeweilige antragstellende Unternehmen.
Ob zugunsten der Klägerin die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis vorlagen, ist dabei unerheblich, weil § 3 GüKG die tatsächliche Erteilung einer Erlaubnis erfordert. Ebenfalls ist unbeachtlich, ob die Klägerin tatsächlich Werkverkehr im Sinne von § 1 Abs. 2 GüKG durchführt. In ihrem Antrag vom 29.3.2010 hatte sie unmissverständlich angegeben, dass sie ausschließlich gewerblichen Güterkraftverkehr durchführt. Dementsprechend war das Zuwendungsverhältnis durch den auf diesen Antrag hin ergangenen Zuwendungsbescheid dahingehend konkretisiert, dass eine Zuwendung gestützt auf die Zuwendungsberechtigung aufgrund der Durchführung gewerblichen Güterkraftverkehrs gewährt wurde. Im Übrigen ist auch nicht angemeldeter Werkverkehr illegal und damit nicht förderfähig. Werkverkehr darf nach § 15a Abs. 2 GüKG erst aufgenommen werden, wenn er angemeldet ist. Die fehlende Anmeldung ist ebenfalls bußgeldbewehrt (§ 19 Abs. 1 Nr. 12a GüKG). Eigenen Angaben zufolge hat die Klägerin jedoch ihren Werkverkehr nicht angemeldet.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin gleichwohl davon ausgehen durfte, die Beklagte werde ihr die Zuwendung auch ohne die erforderliche Erlaubnis gewähren, liegen nicht vor. Insbesondere lässt sich aus der Erteilung des Abrechnungsbescheides vom 22.3.2013 für das Förderjahr 2012 nicht entnehmen, dass die Beklagte auf die Erfüllung der Voraussetzung nach Nr. 3.1 der Förderrichtlinie verzichtet. Aus der Antwort der Klägerin vom 18.3.2013 auf die Aufforderung der Beklagten, den Nachweis für die Durchführung des Güterkraftverkehrs vorzulegen, ergab sich nicht eindeutig, dass die Klägerin die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt. Weder hatte sie deutlich mitgeteilt, dass sie über keine Erlaubnis verfügt, noch konnte die Beklagte allein der Antwort entnehmen, dass es in Bezug auf das konkrete Zuwendungsverhältnis auf die Frage der Durchführung von ? wegen fehlender Anmeldung ohnehin illegalem ? Werkverkehr gar nicht ankommt.
Das Zulassungsvorbringen gibt nichts Durchgreifendes dafür her, dass der Klägerin entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichts Vertrauensschutz im Sinne von § 48 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG zukommen könnte. Ein Vertrauensschutz der Klägerin ist gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ausgeschlossen. Denn sie hat den Erlass des Zuwendungsbescheides durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Auf Grund ihrer falschen Angabe, dass sie selbst gewerblichen Güterkraftverkehr durchführt, obwohl sie eigenen Angaben zufolge ausschließlich Werkverkehr betreibt, ist ihr die Förderung zugesagt worden. Dass der Klägerin die Verwaltungspraxis der Beklagten unbekannt gewesen sein könnte, musste im Rahmen der Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt werden. Es kam nicht auf die Kenntnis einer Verwaltungspraxis, sondern ausschließlich auf die Abgabe ordnungsgemäßer Erklärungen bei Antragstellung an. Auch im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Ermessenserwägungen der Beklagten zu Recht als rechtsfehlerfrei erachtet. Insbesondere handelt es sich bei der fehlenden güterkraftverkehrsrechtlichen Erlaubnis für die Klägerin nicht nur um einen formalen Antragsfehler. Der Klägerin fehlte ? ohne eine auf sie lautende Erlaubnis ? die Berechtigung zur Durchführung gewerblichen Gütertransportverkehrs im Sinne von §§ 1, 3 GüKG und damit die Berechtigung für die von ihr gerade hierfür beantragte Zuwendung.
Der Einwand, die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG sei bereits vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 7.3.2014 abgelaufen, verfängt nicht. Nach dem Normzweck des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW handelt es sich bei der Jahresfrist nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Aufhebungsbefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Voraussetzungen des § 48 VwVfG gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend zu beurteilen, und daraus die richtigen Schlüsse zieht.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.6.2012 - 2 C 13.11 -, BVerwGE 143, 230 = juris, Rn. 27 bis 29, m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 19.5.2016 ? 4 B 1329/15 -, juris, Rn. 14, und vom 31.5.2016 ? 4 B 1360/15 -, juris, Rn. 28.
Diese Kenntnis hatte die Beklagte frühestens mit dem reaktionslosen Ablauf der in der Anhörung vom 30.1.2014 zur beabsichtigten Aufhebung des Zuwendungsbescheides für das Förderjahr 2010 gesetzten Anhörungsfrist.
Ebenso wenig bietet das Zulassungsvorbringen Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Rechts zur Aufhebung. Verwirkung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist der Fall, wenn der Betroffene infolge eines bestimmten Verhaltens der Behörde darauf vertrauen durfte, dass diese ein Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, er ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Ein derartiger Vertrauenstatbestand kann auch durch Unterlassen des gebotenen Tuns seitens der Behörde ausgelöst werden. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn dem Betroffenen bewusst war, der Behörde stehe eine Befugnis zur Rücknahme des Verwaltungsaktes zu.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.1.2017 ? 4 A 1998/14 ?, ZfWG 2017, 182 = juris, Rn. 17 ff., m. w. N.
Hiervon ausgehend ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass der Klägerin bereits vor der Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung des Zuwendungsbescheides bewusst gewesen sein könnte, dass dieser rechtswidrig und daher zurückzunehmen war. Auch aus dem noch im März 2013 erfolgten Erlass des Abrechnungsbescheides für das Förderjahr 2012, nachdem die Klägerin auf die erstmalige konkrete Aufforderung der Beklagten zur Vorlage eines Nachweises der Durchführung von Güterkraftverkehr reagiert hatte, lässt sich aus den oben genannten Gründen kein Vertrauen auf den Bestand der Zuwendung herleiten.
Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Sache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten liegen dann vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint. Dies ist der Fall, wenn das Zulassungsvorbringen Anlass zu Zweifeln gibt, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 - 4 A 528/16 -, juris, Rn. 25 f., m. w. N.
Das ist hier nicht der Fall. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass sich die aufgeworfenen Fragen bereits im Zulassungsverfahren ohne Weiteres in dem aufgezeigten Sinn beantworten lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.