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OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2016 - 9 U 207/15

Ein erstinstanzliches Urteil kann - unter Zurückweisung der Sache - aufzuheben sein, wenn es unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist, weil das erstinstanzliche Gericht bei einem streitigen Unfallhergang angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben und ein verkehrsanalytisches Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. September 2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 24.02.2011 gegen 11.30 Uhr in der C-Straße in C im Bereich der Kreuzung mit der I Straße ereignete. Der Beklagte zu 2) war daran als Fahrer des vom Beklagten zu 3) gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw Opel Astra beteiligt.

Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Beklagte zu 2) die C-Straße in Fahrtrichtung der querenden I Straße. Die Straße verläuft zunächst in jeder Fahrtrichtung einspurig, ca. 100 m vor der Kreuzung teilt sich die Spur jedoch in eine Links-Geradeaus- und Rechtsabbiegerspur. Hinter der Kreuzung hatte sich ein Rückstau gebildet. Auf der Geradeausspur stand der Zeuge E mit seinem Sattelzug, der Beklagte zu 2) hinter ihm, ein oder zwei Fahrzeuge von ihm getrennt. Der Beklagte zu 2) beabsichtigte, nach links in die I Straße abzubiegen. Zu diesem Zweck scherte er nach links aus und benutzte die Gegenspur, um die rechts befindliche Fahrzeugkolonne zu passieren und die Linksabbiegerspur zu erreichen. Der Kläger versuchte zur gleichen Zeit, die Fahrbahn der C-Straße als Fußgänger zu passieren. Er war zwischen dem vom Zeugen E geführten Lkw und dem vor diesem befindlichen Fahrzeug des Zeugen C1 hindurchgegangen, um die Gegenspur der C-Straße zu passieren. Hierbei wurde er von der rechten Vorderkante des vom Beklagten zu 2) gefahrenen Opel Astra erfasst und gegen das Fahrzeug des Zeugen C1 geschleudert, von wo er auf die Fahrbahn stürzte.

Der Kläger erlitt ein Polytrauma mit Pneumothorax links, eine Lungenkontusion, eine Mehretagenfraktur des Unterschenkels sowie eine Fraktur der vierten Rippe und eine Ulnaschaftfraktur links. Er befand sich in der Zeit vom 24.02. bis zum 21.03.2011 in stationärer Behandlung und war bis zum 30.05.2012 arbeitsunfähig.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe bei unklarer Verkehrslage mit hoher Geschwindigkeit unter Überfahrung der durchgezogenen Linie überholt. Er hat die Auffassung vertreten, ihn treffe daher ein hälftiges Verschulden an dem Unfall.

Er hat weiter behauptet, er leide noch immer an Schmerzen im Bereich der Rippen bei Drehbewegungen des Oberkörpers. Er habe am Kopf eine kahle Stelle zurückbehalten, die zu Entzündungen neige. Im Bereich des Beins sei die Beweglichkeit des Sprunggelenks eingeschränkt. Auch seine Gehfähigkeit sei eingeschränkt, da er nicht in der Lage sei, längere Strecken als einen Kilometer zurückzulegen. Sein Knie sei druckempfindlich, die grobe Kraft der Hand eingeschränkt. Bei längerer Belastung werde sie schmerzhaft. Er könne im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit, in der er häufig mit dem Hammer umgehen müsse, nur unter Einschränkungen aktiv sein. Unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers sei ein Schmerzensgeld von nicht weniger als 5.000,00 Euro angemessen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verpflichten, ein Schmerzensgeld an ihn zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und zu erkennen, dass dieses ab dem 17.06.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist;

2.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren, derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen;

3.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den materiellen Schaden aus dem Schadensereignis vom 24.02.2011 zu ersetzen, soweit dieser nicht an Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist und übergeht.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben gegenüber der Klageforderung die Einrede der Verjährung mit der Begründung erhoben, die Ansprüche seien Ende 2014 verjährt, die Zustellung der Klageschrift an die Beklagten verspätet.

Auf der Linksabbiegerspur hätten sich keinerlei Fahrzeuge befunden. Da es auch keinen Gegenverkehr gegeben habe, sei es für den Beklagten zu 2) gefahrlos möglich gewesen, links an dem Sattelzug vorbeizufahren. Währenddessen sei auch die den Verkehr im Kreuzungsbereich regelnde Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Beklagten zu 2) von rot auf grün umgesprungen, weshalb der vor dem Sattelzug befindliche Verkehr bereits angerollt sei. Als er auf gleicher Höhe mit der Zugmaschine gewesen sei, sei plötzlich und unerwartet, insbesondere für den Beklagten zu 2) unvorhersehbar, der Kläger von rechts kommend im Laufschritt auf die Fahrbahn des Beklagten zu 2) gekommen. Zum Unfallzeitpunkt habe er sich bereits ordnungsgemäß auf der linken Fahrspur befunden.

Das Landgericht Bielefeld hat den Kläger und den Beklagten zu 2) zum Unfallhergang angehört und sodann die Klage mit Urteil vom 29.09.2015 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 2) sei nicht festzustellen. Es möge sein, dass dieser beim Ausscheren nach links über eine durchgezogene Linie gefahren sei. Diese schütze jedoch den Gegenverkehr und nicht einen Fußgänger in der Position des Klägers. Der Beklagte zu 2) habe auch nicht damit rechnen müssen, dass vor dem auf der mittleren Spur stehenden Lkw ein Fußgänger hervortreten werde, der unmittelbar auf seine Fahrbahn laufe. Den Kläger treffe ein derart hohes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls, dass demgegenüber die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 3) vollständig zurücktrete. Der Kläger habe in grober Weise gegen § 25 Abs. 3 StVO verstoßen, wonach ein Fußgänger Fahrbahnen nur unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs überqueren dürfe und zwar, wenn die Verkehrslage es erfordere, nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen oder innerhalb von Markierungen oder auf Fußgängerüberwegen. Ein solcher sei in 80 m Entfernung vorhanden gewesen. Der Kläger habe den Fahrzeugverkehr überhaupt nicht beachtet, obgleich er die Örtlichkeit seit Jahrzehnten kenne und daher, wie gerichtsbekannt sei, wissen müsse, dass an dieser Stelle häufig Pkws zunächst die Gegenfahrbahn benutzen und auf die Linksabbiegerspur in einen Bereich auffahren, in welchem diese noch keine volle Fahrzeugbreite aufweise.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Ausgangsanträge mit der klarstellenden Maßgabe weiterverfolgt, dass die Beklagten für 50 % seines materiellen Schadens und für den immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % haften.

Außerdem beantragt er hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Bielefeld.

II.

Die Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als auf seinen Hilfsantrag hin das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen ist, weil das Verfahren des ersten Rechtszugs an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig wird.

1.

Das erstinstanzliche Urteil ist unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zustande gekommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet und durch Zeugnis von vier Zeugen unter Beweis gestellt, dass sich der Beklagte zu 2) unter Benutzung der Gegenfahrbahn mit hoher Geschwindigkeit der Kollisionsstelle genähert habe. Zumindest die Zeugin L hat ausweislich der auch dem Senat vorliegenden Bußgeldakte des Ordnungsamts C, AZ: #...#, schriftlich mitgeteilt, dass sich das Fahrzeug des Beklagten mit hoher Geschwindigkeit genähert habe. Der Kläger selbst kann aufgrund seiner Position hinter dem Lkw des Zeugen E naturgemäß keine Angaben zu der Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges machen. Jedenfalls wäre insoweit dem Beweisantrag durch Zeugenvernehmung nachzukommen gewesen. Des Weiteren wäre angesichts des hier vorliegenden Personenschadens sowie der in der Ermittlungsakte dokumentierten Unfallspuren die Einholung eines verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des Unfallhergangs nicht nur naheliegend, sondern von Amts wegen geboten gewesen, zumal auch die Beklagtenseite ausweislich Bl. 51 GA von der Durchführung einer solchen Beweisaufnahme ausgegangen ist.

Die ohne die gebotene Sachaufklärung angestellte Argumentation des Landgerichts, die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 3) habe hinter dem hohen Verschulden des Klägers an der Entstehung des Unfalls zurückzutreten, überzeugt daher nicht und ist rechtsfehlerhaft.

Es lässt sich den Entscheidungsgründen zudem nicht entnehmen, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung bedacht hat, dass der Fahrverkehr trotz Vorrangs gegenüber dem überquerenden Fußgänger Rücksicht schuldet. Wer innerorts eine stehende Kolonne auf der Gegenfahrbahn überholt, muss mit überquerenden Fußgängern rechnen, die nur auf den Gegenverkehr achten (Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., München 2015, § 25 StVO, Rndr. 38). So hat etwa das Kammergericht Berlin (Urteil vom 17.11.1977, 12 U 1224/77) entschieden, dass ein Kraftfahrer, der auf einer belebten Großstadtstraße eine verkehrsbedingt ins Stocken geratene Fahrzeugkolonne unter Benutzung der Gegenfahrbahn überhole, seine Geschwindigkeit der Erfahrungstatsache anpassen müsse, dass für ihn zunächst nicht sichtbare Fußgänger ihre Aufmerksamkeit nach Erreichen der Fahrbahnmitte in erster Linie auf möglichen Fahrzeugverkehr von rechts konzentrierten. Gegenüber der groben Fahrlässigkeit eines unvorsichtig Überholenden und der erhöhten Betriebsgefahr seines Kfz könne das im verkehrswidrigen Queren einer haltenden Fahrzeugkolonne liegende Mitverschulden des verletzten Fußgängers nur zu einer Mithaftungsquote von einem Drittel führen.

Die Entscheidung bezieht sich des weiteren in ihrer Begründung auf ein Urteil des 3. Strafsenats des Kammergerichts vom 29. Mai 1975, in der Folgendes ausgeführt wird:

"Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Fußgänger bei dichtem Verkehr zwischen haltenden und langsam fahrenden Fahrzeugen hindurch die Straße überschreiten. Bedingt die Verkehrssituation in einem solchen Fall, dass der Kraftfahrer infolge der ihm die Sicht nehmenden, dicht an der Fahrbahnmitte stehenden Fahrzeuge etwaige Fußgänger erst im Bereich der Fahrbahnmitte erkennen kann, so muss er weiterhin berücksichtigen, dass diese - entsprechend dem Rechtsfahrgebot des § 2 StVO - erfahrungsgemäß ihre Aufmerksamkeit nunmehr zumindest auch, wenn nicht überwiegend, auf möglichen Verkehr von rechts konzentrieren ... Der Angeklagte hätte daher eine Geschwindigkeit einhalten müssen, die es ihm ermöglichte, jederzeit auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen, die die für ihn linke Fahrbahnhälfte überquerten."

Auch das Oberlandesgericht München (Urteil vom 16.09.1994, Az. 10 U 1708/94) hat in einer vom BGH nicht zur Revision angenommenen Entscheidung ausgeführt, ein Fahrzeugführer, der auf einer stark befahrenen Ausfallstraße im Stadtzentrum die durchgezogene Mittellinie einer vierspurigen Fahrbahn überfahre, um an den stehenden Fahrzeugen vorbei auf der freien Gegenfahrbahn zur Linksabbiegerspur einer nahegelegenen Kreuzung zu gelangen, handele grob verkehrswidrig. Ein Fußgänger, der die vierspurige Fahrbahn zwischen den haltenden Fahrzeugen überquere, dürfe an einer durchgezogenen Mittellinie seine Aufmerksamkeit auf den von rechts kommenden Verkehr konzentrieren und darauf vertrauen, dass auf der Gegenfahrbahn kein Fahrzeug von links komme.

Außerdem hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2000 (Az. VI ZR 126/99) darauf hingewiesen, dass es bei der Frage der Vermeidbarkeit eines Zusammenstoßes mit einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger nicht allein darauf ankomme, ob der Fahrer des Fahrzeuges vor der späteren Unfallstelle noch hätte zum Stehen hätte kommen können. Ein Unfall könne in solchen Fällen auch dann verhindert werden, wenn Zeit bleibe, das Fahrzeug so weit abzubremsen, dass es den Punkt, an dem der Fußgänger die Fahrbahn kreuzt, erst erreiche, nachdem dieser ihn schon wieder verlassen habe. Der Möglichkeit einer Vermeidbarkeit in diesem Sinne müsse vor allem dann nachgegangen werden, wenn Sekundenbruchteile genügen, um den Fußgänger aus der Gefahrenzone zu bringen. Dabei bedürfe es auch der Erörterung, ob und inwieweit eine rechtzeitige Ausweichlenkung zur Vermeidung des Zusammenstoßes hätte beitragen können. Außerdem hat der Bundesgerichtshof in der in Bezug genommenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass auch zu prüfen sei, ob der Unfall durch ein rechtzeitiges Abbremsen des Fahrzeuges wenigstens in seinen Folgen für den Geschädigten in erheblicher Weise hätte abgemildert werden können.

Auch wenn der Kläger im vorliegenden Fall Anlass gehabt hätte, nicht nur nach rechts, sondern auch nach links zu schauen, weil sich der Unfall im Bereich der zumindest beginnenden Linksabbiegerspur ereignet hat und somit auch mit von links nahendem Verkehr zu rechnen war, der möglicherweise vorzeitig und unter Inanspruchnahme der Gegenspur auf die Linksabbiegerspur fahren wollte, wie es hier tatsächlich geschehen ist, betrifft dies allenfalls die Frage der beiderseitigen Verschuldensanteile. Selbst wenn sich ein Verschulden des Beklagten zu 2) an der Entstehung des Unfalls wegen unangepasster Geschwindigkeit nicht feststellen lassen sollte, so dürfte doch das von ihm durchgeführte Fahrmanöver jedenfalls dagegen sprechen, dass die Betriebsgefahr hinter einem Verschulden des Klägers gänzlich zurücktritt.

2.

Die Beklagten können sich auch nicht gegenüber der Forderung auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 214 Abs. 1 BGB berufen. Denn die Forderung des Klägers ist nicht verjährt.

Der Unfall geschah im Jahre 2011, so dass die normale dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, die gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt, Ende 2011 zu laufen begann und unter normalen Umständen Ende 2014 vollendet gewesen wäre.

Eine Hemmung der Verjährung, die gemäß § 115 Abs. 2 VVG in dem Zeitraum eintritt, der zwischen der Anmeldung des Anspruchs bei der Versicherung und deren endgültiger Entscheidung liegt, führt hier nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist, weil die Entscheidung der Beklagten zu 1) hier noch im Jahre 2011 erfolgt ist, eine Hemmung der Verjährung jedoch nicht vor Beginn der Verjährungsfrist eintreten kann.

Allerdings entfaltet die Zustellung der Klage an alle drei Beklagten Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage am 30. Dezember 2014. Denn die Zustellung ist bei allen drei Beklagten "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.

Eine Zustellung erfolgt demnächst, wenn sie innerhalb einer den Umständen nach angemessenen, selbst längeren Frist stattfindet und die Partei alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat (Musielak-Wittschier, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 167, Rdnr. 6). Dabei sind vom Zustellungsbetreiber bewirkte Verzögerungen unschädlich, soweit sie einen Zeitraum von maximal 14 Tagen gegenüber der Normdauer betreffen (BGH NJW 2004, 3775).

Den Gerichtskostenvorschuss braucht der Kläger grundsätzlich nicht selbst zu berechnen und einzuzahlen, sondern kann zunächst die Anforderung des Gerichts abwarten (BGH NJW 1993, 2811 ff). Die Gerichtskostenanforderung durch das Gericht erfolgte am 05.01.2015, die Zahlung am 12.01.2015, so dass hierdurch keine Verzögerung eingetreten ist.

Der Beklagten zu 1) wurde die Klage sodann am 19.01.2015 und somit rechtzeitig zugestellt.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) verzögerte sich die Zustellung zunächst dadurch, dass der Klageschrift nicht die notwendigen Abschriften für die beiden übrigen Beklagten anlagen; dies ist grundsätzlich vom Zustellungsbetreibenden zu vertreten (BGH VersR 1974, 1106). Das Landgericht forderte die weiteren Abschriften mit Verfügung vom 14.01.2015 an. Dieser Hinweis ging laut Geschäftsstellenvermerk am 16.01.2015 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers raus. Die erforderlichen Abschriften wurden am 23.01.2015 nach der Anforderung eingereicht. Die Zustellung an den Beklagten zu 2) erfolgte sodann am 29.01.2015. Mithin betrug die vom Kläger zu vertretende Verzögerung nur zehn Tage gegenüber dem Zustelldatum an die Beklagte zu 1), welches als das Datum anzusehen ist, das einem normalen Verfahrensablauf entspricht.

Dem Beklagten zu 3) wurde die Klageschrift über seine Prozessbevollmächtigten erst am 05.03.2015 zugestellt. Jedoch auch dies ist noch als "demnächst" im Sinne des

§ 167 ZPO anzusehen. Zwar hatte der Kläger die Adresse des Beklagten zu 3) in der Klageschrift mit "H-Straße in C" angegeben, obwohl sich aus der amtlichen Ermittlungsakte ergibt, dass der Beklagte zu 3) in der H-Straße in W wohnte. Dieser Fehler ist jedoch letztlich nicht kausal für die weiter eingetretene Verzögerung geworden, da sich nämlich herausgestellt hat, dass der Beklagte zu 3) zwischenzeitlich anderweitig nach C verzogen war. Der Kläger war jedoch nicht verpflichtet, vor Erhebung der Klage zu ermitteln, ob die ihm bekannte Adresse noch zutreffend war (BGH, NJW 1993, 2614 f.). Außerdem hätte das Landgericht die am 05.03.2015 veranlasste Zustellung an die Prozessbevollmächtigten aller drei Beklagten, die sich bereits am 28.01.2015 gemeldet hatten, bereits zu diesem früheren Zeitpunkt veranlassen können, so dass die Zustellung dann unabhängig von der fraglichen Adresse rechtzeitig gewesen wäre. Aus diesem Grunde ist die verzögerte Zustellung an den Beklagten zu 3) nicht durch die fehlerhafte Adressenangabe der Klageschrift verursacht worden.

3.

Der Verfahrensfehler des Landgerichts führt zur Notwendigkeit einer aufwändigen Beweisaufnahme durch die Vernehmung von vier Zeugen sowie die Einholung eines verkehrsanalytischen und ggf. eines medizinischen Sachverständigengutachtens, was den Senat zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht berechtigt, § 538 Abs.2 Nr. 1 ZPO.

4.

Das zurückverweisende Urteil war für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 31. Auflage, 4538, Rn. 59).

Lukas Jozefaciuk