OLG Hamm, Beschluss vom 22.09.2015 - 27 U 47/15
Gemäß § 45 Luftverkehrsgesetz haftet auch ein nicht gewerblich tätiger Pilot mit einer Privatpilotenlizenz als Luftfrachtführer für Schäden, die seine vereinbarungsgemäß beförderten Passagiere beim Absturz des Flugzeuges erleiden.
Tenor
I.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern.
II. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die erfolgte Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 7.670,44 € nebst näher genannter Zinsen erweist sich als zutreffend.
Die Ausführungen des Landgerichts weisen keinen Rechtsfehler auf und auch hinsichtlich der feststellten Tatsachen bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen. Das Landgericht ist - ohne dass die Berufung durchgreifende Einwände gegen die getroffenen Feststellungen vorbringt - mit nachvollziehbaren Erwägungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte nach § 75 LuftVG zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes verpflichtet ist.
I. Die Ausführungen des Landgerichts unter Ziffer 1.) bis Ziffer 6.) der angefochtenen Entscheidung - die sich auf die Forderung in der Hauptsache beziehen - begegnen keine Bedenken. Sie sind vielmehr überzeugend. Entgegen der vom Beklagten auch in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung lag insbesondere eine rechtsgeschäftliche Beförderung durch den verstorbenen Vater des Beklagten (nachfolgend nur: Pilot) als Luftfrachtführer im Sinne des § 75 LuftVG vor.
1.) Das Landgericht hat eingehend dargelegt, dass in Abgrenzung zur Gefälligkeit eine rechtsgeschäftliche Beförderung vorliegt.
Im Rahmen des § 75 LuftVG scheiden einzig Beförderungen, die nicht aus Vertrag geschuldet sind, insbesondere Gefälligkeiten, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift aus. Rechtsgeschäftliche Beförderungen, ob unentgeltlich, entgeltlich oder gewerblich unterfallen demgegenüber dessen Anwendungsbereich (jeweils mit weiteren Nachweisen: Müller-Rostin in Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand: Dezember 2014, § 45 LuftVG, Rn.5 f.; Staudinger in Kölner Kompendium des Luftrechts, Band 3, Rn.492).
In diesem Zusammenhang stellen sich die vom Beklagten vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 16.07.2013 und 19.06.2013 als für die Beurteilung unerheblich dar. Auf die Abgrenzung von gewerblichen und nichtgewerblichen Flügen im Hinblick auf Gastflüge und den Umfang der Zulässigkeit einer Beförderung von Fluggästen gegen Entgelt durch Inhaber von Privatpilotlizenzen kommt es nicht an.
Die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Beförderung bedürfen keiner Ergänzungen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehende Begründung in der angefochtenen Entscheidung.
2.) Der Pilot war auch Luftfrachtführer im Sinne des § 45 Abs.1 LuftVG.
Luftfrachtführer ist, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, wer sich durch Vertrag im eigenen Namen verpflichtet, Personen oder Sachen auf dem Luftwege zu befördern (Müller-Rostin, a.a.O., Rn.6 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Die Ausführungen des Beklagten zu einem möglichen "Geheißcharter" werden dem Sachverhalt nicht gerecht. Als Luftfrachtführer ist vorliegend jedenfalls der Pilot anzusehen. Dies ist maßgeblich.
Die Betrachtungsweise des Beklagten beruht auf einer - den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werdenden - "künstlichen" Aufspaltung der vertraglichen Verhältnisse. Der Zeuge F traf nämlich bei zutreffender Würdigung der Umstände des Einzelfalls "auf Seiten der Passagiere" die Vereinbarung mit dem Piloten als "zur Beförderung verpflichtete Person". Inhalt der Vereinbarung war, dass der Pilot gegen eine Kostenbeteiligung den Zeugen F auf die Insel Langeoog fliegen und anschließend von dort Familienmitglieder nach Arnsberg fliegen sollte.
Hierdurch hatte der Zeuge F sich aber nicht "gegenüber seinen Familienangehörigen" zur Durchführung einer Beförderung auf dem Luftweg rechtsgeschäftlich verpflichtet. Einzig der Pilot hatte sich gegenüber dem Zeugen F zu einer derartigen Beförderung der Familienangehörigen (für den Rückflug) verpflichtet.
Insoweit sind auch die Ausführungen des Landgerichts dazu zutreffend, dass ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt. Die Ersatzpflicht des § 75 Abs.1 LuftVG knüpft im Fall eines Unfalls allein an die Eigenschaft als Fluggast, also an das Vorliegen einer vereinbarungsgemäß beförderten Person, an und macht den Fluggast zum Anspruchsteller (siehe hierzu: Müller-Rostin, a.a.O., Rn.11 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Nur am Rande ist auszuführen, dass der Zeuge F bei diesem Sachverhalt auch nicht als weiterer Luftfrachtführer im Sinne des § 48a LuftVG oder als ausführender oder vertraglicher Luftfrachtführer im Sinne des § 48b LuftVG anzusehen ist, wobei es hierauf nicht einmal ankommt. Die von dem Beklagten vorbehaltene Streitverkündung hat nämlich keinen Einfluss auf die Beurteilung der fehlenden Erfolgsaussicht der Berufung.
3.) Soweit der Beklagte das Fehlen von Feststellungen zu einer verkehrstypischen Gefahr vermisst, ist dies unverständlich.
Erfasst ist als Unfall jedes auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmtes unerwartetes Ereignis mit flugbedingtem Bezug zu verstehen (Gieseke in Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: Juni 2013, § 45, Rn.3). Das Vorliegen dieser Voraussetzung stand in Bezug auf den Absturz zu keinem Zeitpunkt im Streit. Sämtliches Tatsachenvorbringen führt jedenfalls zum Vorliegen eines Unfalls.
Soweit der Beklagte dies nunmehr erstmalig in der Berufungsinstanz bestreiten wollte, wäre er hiermit nach § 529 Abs.1 Nr.2 ZPO i. V. m. § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO offensichtlich ausgeschlossen.
II. Ein Grund für eine Aussetzung des Verfahrens ist nicht gegeben.
Der Senat ist nicht nach § 148 ZPO zur Aussetzung verpflichtet, da er nicht letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art.267 AEUV ist. Innerstaatliches Rechtsmittel im dortigen Sinn stellt auch die Nichtzulassungsbeschwerde da (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 30. Auflage, § 148, Rn.3b).
Eine Vorlage an den EuGH nach Art.267 AEUV (vormals Art.234 EGV) hat zudem nicht zu erfolgen, da sich keine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt. Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung des § 75 LuftVG oder der Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung bestehen nicht. Eine Haftung nicht gewerblich tätiger Privatpiloten nach und im Umfang der dortigen Regelung wegen der Beförderung von Personen ist unbedenklich.
Der Senat sieht daher auch keine Veranlassung von sich aus die Sache dem EuGH vorzulegen.
III. Auf die Gebührenermäßigung der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.