OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2016 - I-1 U 79/15
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.04.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.564,39 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zu 32% und der Beklagten zu 68% zur Last.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zunächst auf die Darstellung des Tatbestandes im angefochtenen Urteil des Landgerichtes Bezug genommen.
Der Kläger begehrt in diesem Verfahren Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 03.09.2012 gegen 19.00 Uhr in Duisburg auf der F.-E.-S. ereignete. Der Kläger war Eigentümer eines beim Unfall beschädigten Pkw BMW, damals geführt durch den Zeugen E.. Das andere am Unfall beteiligte Fahrzeug war ein VW Passat, welches bei der Beklagten pflichtversichert war und damals vom inzwischen verstorbenen Herrn K. gesteuert wurde. Halterin war dessen Ehefrau, die Zeugin K.-K..
Der Zeuge E. setzte das Fahrzeug des Klägers damals auf der linken Fahrspur auf der Höhe der Halteline einer Fußgänger-Ampel zurück. Dabei kam es zum Zusammenstoß mit dem VW Passat der Zeugin K.-K..
Der VW Passat des Zeugen K. war zur gleichen Zeit aus der Querstraße "M." nach links in die F.-E.-S. abgebogen, was zwischen den Parteien in zweiter Instanz nicht mehr streitig war. Dies geschah entgegen eines dort ausgeschilderten Gebotes, ausschließlich rechts abzubiegen. Auch überfuhr der Zeuge K. dabei eine auf der Fahrbahn aufgebrachte durchgezogene Linie. Zur Veranschaulichung wird auf das als Anlage B1 eingereichte Lichtbild verwiesen (Bl. 63 GA).
Der Höhe nach macht der Kläger in diesem Rechtsstreit auf Grund fiktiver Abrechnung Netto-Reparaturkosten in Höhe von 5.001,28 Euro sowie die Kosten eines vorgerichtlich eingeholten Parteigutachtens des Dr. (SU) Dipl. Ing. P. vom 04.09.2012 (969,17 Euro) und eine allgemeine Unfallpauschale von 25 Euro geltend. Zudem verlangt er tatsächlich entstandene Mietwagenkosten in Höhe von 419,20 Euro Brutto.
Der Kläger hat vorgetragen: Der Zeuge E. sei rückwärts gefahren, um rückwärts einzuparken. Auf der linken Spur sei er deshalb gefahren, weil die rechte Fahrspur ganz überwiegend von parkenden Fahrzeugen besetzt gewesen sei. Der Zeuge E. habe sich damals beim Zurücksetzen zwar durch eine doppelte Rückschau vergewissert, dass kein Fahrzeug hinter ihm gewesen sei. Mit dem von der - zudem verbotenen - Seite kommenden Fahrzeug des Zeugen K. habe er jedoch nicht rechnen müssen und dieses Fahrzeug auch, insbesondere im Zeitpunkt seiner zweiten Rückschau, gar nicht wahrnehmen können. Der Unfall sei für ihn, den Kläger, deshalb unabwendbar gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen: Die Verursachung des Unfalles sei allein dem Zeugen E. zuzuschreiben, für die Beklagtenseite hingegen unvermeidbar gewesen: Der vom Zeugen K. geführte VW Passat hätte bei der Kollision bereits gestanden und dort auf Grund der Rotlicht anzeigenden Verkehrsampel gewartet. Der Zeuge E. hingegen sei zunächst trotz des Rotlichtes über die zur Ampel gehörige Haltelinie gefahren und im Bereich des dort vorgesehenen Fußgänger-Überweges zum Stehen gekommen. Sodann habe er plötzlich zurückgesetzt, offenbar um seinen Pkw wieder hinter die Haltelinie zurückzuführen, gewissermaßen seinen Rotlichtverstoß "ungeschehen" und den Fußgänger-Überweg wieder frei zu machen. Dabei sei er mit dem bereits stehenden Fahrzeug des Zeugen K. kollidiert. Der Zeuge K. habe sogar noch gehupt, um den Zeugen E. zu warnen, der hierauf jedoch nicht reagiert habe.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.564,38 Euro nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Als Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Die Klage sei teilweise begründet. Der Anspruch des Klägers beruhe auf § 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG. Für beide damaligen Fahrer sei der Unfall nicht unabwendbar gewesen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung gemäß § 17 StVG seien die jeweiligen Verursachungsbeiträge in etwa gleichwertig, weshalb eine 50%ige Haftungsquote der Beklagten angemessen sei.
Auf der einen Seite habe der Zeuge E. gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Nach der Beweisaufnahme stehe für das Landgericht fest, dass der Zeuge damals mit dem Ziel rückwärts gefahren sei, in eine Parklücke rückwärts einzuparken. Sein Verschulden an der Kollision ergebe sich auf Grund eines Anscheinsbeweises. Auf der anderen Seite habe der verstorbene Fahrer K. gegen § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit den Zeichen 209 sowie 295 verstoßen. Nach der Beweisaufnahme stehe nämlich fest, dass der Fahrer K. verbotenerweise aus der Seitenstraße "M." gekommen sei.
Gegen dieses Urteil vom 10.04.2015 wendet sich der Kläger teilweise mit seiner form- und fristgerechten Berufung. Mit dieser nimmt er inzwischen eine eigene Haftungsquote von 25% hin und begehrt die teilweise Abänderung des landgerichtlichen Urteils um weitere 25% zu seinen Gunsten.
Mit der Berufung hält der Kläger seinen erstinstanzlichen Sachvortrag aufrecht. Der Unfall sei für ihn bzw. den Fahrer E. unvermeidbar gewesen. Das Landgericht habe in seinem Urteil die Pflichten des § 9 Abs. 5 StVO überspannt: Der Zeuge E. habe sich sogar durch den Zeugen R. einweisen lassen - mehr hätte von ihm nicht erwartet werden können. Zudem habe der Zeuge E. das abbiegende Fahrzeug des Zeugen K. nicht sehen können. Dies wäre überhaupt nur möglich gewesen, wenn der Zeuge E. in den linken Seitenspiegel geschaut hätte und auch dann wäre das Fahrzeug des Zeugen K. erst in einem Zeitpunkt sichtbar geworden, als es nur noch 5 Meter entfernt gewesen sei. Ein Blick in den Seitenspiegel sei auch unmöglich gewesen, da ein Fahrer beim Rückwärtsfahren über die rechte Schulter und in den Rückspiegel sehen müsse.
Der Kläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Duisburg vom 10.04.2015 die Beklagte zu verurteilen, an ihn - über die bereits in erster Instanz zugesprochenen Beträge hinaus - weitere 1.195,22 Euro sowie weitere 266,39 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2012, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages die angefochtene Entscheidung und tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.
Die Beklagte stellt zudem in einem Punkt die tatsächlichen Feststellungen des Urteils in Frage, indem sie bezweifelt, dass der Zeuge R. den Fahrer E. eingewiesen habe. Eine Verständigung zwischen dem Fahrer und dem angeblichen Einweiser habe nicht stattgefunden.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise, in Höhe von 1.000,01 Euro, begründet.
Denn das angefochtene klageabweisende Urteil spricht ihm zu Unrecht (§ 546 ZPO) nur einen Anspruch in Höhe einer 50%igen Quote zu. Im Rahmen einer gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung aller Verursachungsbeiträge erscheint eine Haftungsquote von 1/3 (für den Kläger) zu 2/3 (für die Beklagte) angemessen.
Hieraus ergibt sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.564,39 Euro, welcher vom Landgericht bereits in Höhe von 2.564,38 Euro zugesprochen worden war. Zur Zahlung der oben erwähnten Differenz (1.000,01 Euro) war die Beklagte daher im zweiten Rechtszug noch zu verurteilen.
Im Einzelnen:
A.
Der Anspruch des Klägers beruht auf § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, da der Kläger auch gegenüber der Halterin gemäß § 7 Abs. 1 StVG zur Geltendmachung von Schadensersatz berechtigt wäre.
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG sind erfüllt. Der Anspruch entstand zum einen bei dem Betrieb des Fahrzeuges.
Zum anderen war das Unfallgeschehen für Halterin und Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges auch kein unabwendbares Unfallereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Denn ein die Straßenverkehrsordnung beachtender Idealfahrer wäre nicht entgegen der ausgeschilderten Anordnung, nach rechts abzubiegen (Zeichen 209 zu § 41 StVO), nach links in die F.-E.-S. abgebogen, wodurch der Unfall erst möglich geworden war.
B.
Steht mithin die grundsätzliche Haftung der Beklagten fest, bestimmt sich das Ausmaß der Mithaftung des Klägers gemäß §§ 17 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 17 Abs. 1 StVG.
Die diesbezügliche Voraussetzung, dass nämlich auch der Kläger seinerseits kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ist gegeben. Diese seine Haftung beruht ebenfalls auf § 7 StVG. Denn zum einen war er im Unfallzeitpunkt Halter seines Fahrzeuges.
Zum anderen war auch für den Kläger und den damaligen Fahrer seines BMW, den Zeugen E., der Unfall nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG:
1.
Denn eine Unabwendbarkeit kann nur dann angenommen werden, wenn der Unfall auch für einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer in derselben Situation nicht zu vermeiden gewesen wäre (Senat, Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 19/11, zitiert nach Juris; BGHZ 117, 337). Zwar darf ein solcher Idealfahrer grundsätzlich auf ein Unterlassen grober Verkehrsverstöße durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen, muss aber mit nicht nur unerheblichen Fehlern und Verstößen anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und sich hierauf einrichten (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 17 Rdn 22 m.w.N. und Fundstellen aus der Rechtsprechung). Diesen besonders hohen Anforderungen war der das Fahrzeug des Klägers damals führende Zeuge E. nicht gerecht geworden. Denn er hatte sich nicht auf die Möglichkeit eines aus der Seitenstraße kommenden Linksabbiegers eingestellt und deshalb trotz seiner Rückwärtsfahrt den Verkehrsraum zu dieser Seite hin nicht beachtet.
2.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass sich der Zeuge E. in der damaligen Situation im Sinne von § 9 Abs. 5 letzter Halbsatz StVO habe einweisen lassen, weshalb ihm kein Vorwurf gemacht werden könne.
Denn zum einen befreit ein Einweisenlassen den Führer des rückwärtsfahrenden Kraftfahrzeuges schon nicht von seiner eigenen Sorgfaltspflicht (KG Berlin, Urteil vom 09.07.1987, 12 U 6926/86, zitiert nach Juris; Hentschel/König/Dauer, § 9 StVO Rn. 51).
Doch war es - entgegen der Annahme des Landgerichtes - auch nicht zu einem Einweisen gekommen. Insofern bestehen konkrete Zweifel (§ 529 ZPO) an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen. Denn die Beweisaufnahme hat dies nicht ergeben:
a.
Zwar hat der Zeuge R. bekundet: "Es war so, dass ich de[m] Zeugen E. gewunken habe, damit er in die Parklücke einfahren sollte." (Seite 6 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 18.10.2013, Bl. 116 GA). Doch es lässt sich nach den weiteren Bekundungen des Zeugen R. nicht feststellen, dass zwischen dem Fahrer E. und dem Zeugen R. je ein Kommunikationsprozess im Sinne eines Einweisens in Gang gesetzt worden wäre. Denn zum einen war es vorher bereits zum Unfall gekommen, wie der Zeuge selbst angab: "[...] in dem Moment ist es dann auch schon zur Kollision gekommen. [...] Das ging so schnell, das[s] ich nichts gesehen habe." (a.a.O.). Und zum anderen sah sich der Zeuge R. offenbar selbst nicht als Einweiser an, da er nach seinem bekundeten einmaligen Winken dem Fahrzeug des Klägers keine Beachtung mehr gezollt hatte: "Den Unfall selbst habe ich jedoch nicht beobachtet." (a.a.O.).
b.
Vor allem aber hatte der Zeuge E. als Fahrer des Fahrzeugs des Klägers das Winken des Zeugen R. offenbar nie wahrgenommen: In seiner Zeugenaussage hat er diesen nicht einmal erwähnt (Protokoll vom 18.10.2013, dort Seite 2- 5, Bl. 112 f. GA).
C.
Bei der nun vorzunehmenden Abwägung nach § 17 StVG kommt es nach dem Gesetz insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei ist nach diesen Vorschriften in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten bzw. deren Fahrzeuge zur Schadensentstehung beigetragen haben, wobei das auf der einen oder anderen Seite vorhandene individuelle Verschulden der Fahrzeuglenker nur einen Faktor der Abwägung darstellt. Im Rahmen dieser Bewertung sind nur unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH NZV 1996, 231; Senat, Urteil vom 08.10.2011, I-1 U 17/11; OLG Hamm DAR 2004, 90). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Nachteil gereichen und aus denen er die nach der Abwägung günstigen Rechtsfolgen für sich herleiten will (BGH a.a.O.).
1.
Hinsichtlich des Klägers sind die nachfolgenden Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen:
a.
Zu seinen Lasten ist die besonders erhöhte Betriebsgefahr seines Fahrzeuges anzurechnen. Diese Erhöhung war damals - auch ursächlich für den Unfall - dadurch eingetreten, dass er im fließenden Verkehr entgegen der Fahrtrichtung rückwärts gefahren war, was typischerweise größere Unfallgefahren in sich birgt.
b.
Dabei hatte der Zeuge E., der das Fahrzeug des Klägers damals führte, gegen die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO verstoßen.
aa.
Die aus dieser Vorschrift herrührenden Pflichten eines Verkehrsteilnehmers sind besonders hoch: Er muss dafür Sorge tragen, dass eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen ist. Ein Fahrer muss sich dabei nicht nur zu Beginn seiner Rückwärtsfahrt, sondern auch währenddessen ständig davon überzeugen, dass anderen Personen im Straßenverkehr durch sein Verhalten kein Schaden droht. Nur überblickbarer und mit Gewissheit freier Raum darf rückwärts befahren werden. Er muss dabei sicherstellen, dass nicht nur der Gefahrraum hinter seinem Kfz, sondern auch an den Seiten freibleibt. Es darf nur so langsam gefahren werden, dass man erforderlichenfalls sofort anhalten kann (wohl allg. Ansicht, vgl. Senat, Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 19/11; Urteil vom 10. Mai 2011, I-1 U 149/10, Urteil vom 10.03.2008, I-1 U 188/07; Hentschel/König/Dauer, § 9 StVO Rn. 51; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 9 Rdn 69; OLG Nürnberg NZV 1991, 67).
bb.
Diesen Maßstäben war der Zeuge E. in der damaligen Situation nicht gerecht geworden, da er den seitlichrechten Bereich hinter seinem Pkw nicht beobachtet hatte und gleichwohl rückwärts gefahren war. Auf die Betrachtungen des Sachverständigen und des Klägers, in welche Spiegel der Zeuge E. damals hätte schauen müssen oder können, kommt es nicht an. Falls der Zeuge E. sich die für sein Fahrmanöver notwendige vollständige Sicht nicht selbst verschaffen konnte (dies einmal unterstellt), hätte er sich einweisen lassen müssen, § 9 Abs. 5, letzter Halbsatz. Dies war hier nicht geschehen (siehe oben).
cc.
Wäre der Zeuge E. diesen Pflichten nachgekommen, hätte er den Unfall mit dem VW Passat des Zeugen K. auch vermeiden können. Bei einer vollständigen Sicht über den gesamten rückwärtigen Verkehrsraum hätte er den VW Passat rechtzeitig gesehen und - eine angemessene Schrittgeschwindigkeit unterstellt - auch rechtzeitig bremsen können.
2.
Auf Seiten der Beklagten sind die nachfolgenden Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen:
a.Zwar war dem Fahrer K. ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht vorzuwerfen. Insofern übernimmt der Senat die diesbezüglichen überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen (Gutachten Seite 17 und 18) und macht sich diese zu Eigen: Es ist davon auszugehen, dass der verstorbene Zeuge K. in dem Moment nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, als sich das Fahrzeug des Klägers in rückwärtiger Fahrtrichtung in Bewegung setzte.
b.
Doch war die allgemein von dem Fahrzeug der Zeugin K.-K. ausstrahlende Betriebsgefahr zu berücksichtigen, welche wegen des im Folgenden aufzuzeigenden verkehrswidrigen Verhaltens des Fahrzeugführers, das sich auch auf den Unfall ausgewirkt hat, erheblich erhöht war.
c.
Zum einen hat der Zeuge K. die Vorschrift des § 41 StVO in Verbindung mit dem Zeichen 295 schuldhaft missachtet, indem er bei seinem Abbiegen in die F.-E.-S. die dort auf der Fahrbahn befindliche durchgezogene Linie überfuhr.
Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass eine solche durchgezogene Trennlinie auf der Fahrbahn allein dem Schutz des Gegenverkehrs zu dienen bestimmt ist (Urteil vom 10.05.2011, I-1 U 149/10, zitiert nach Juris; ebenso Heß in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 2 StVO Rdn. 92 f.) und hält hieran fest.
Doch hatte sich durch dieses Überfahren der durchgezogenen Linie die Betriebsgefahr des Fahrzeuges deutlich erhöht. Denn die übrigen Verkehrsteilnehmer (wie vorliegend der Zeuge E.) rechnen üblicherweise nicht mit einem solchen Verkehrsverstoß und richten ihr eigenes Verhalten daher an der Erwartung aus, dass die durchgezogene Trennlinie von den anderen Verkehrsteilnehmern respektiert wird (Senat, Urteil vom 10.05.2011, I-1 U 149/10; BGH NJW-RR 1987, 1048; LG Saarbrücken NJW-RR 2013, 401; OLG Köln NZV 1990, 72).
d.
Darüber hinaus hat der Zeuge K. gegen die Vorschrift des § 41 StVO in Verbindung mit dem Zeichen 209 schuldhaft verstoßen. Denn er war aus der Querstraße "M." kommend entgegen dem dort ausgeschilderten Gebot, nur nach rechts abzubiegen, nach links in die F.-E.-S. abgebogen.
Auch hierdurch war die Betriebsgefahr des vom Zeugen K. geführten Kraftfahrzeuges erheblich erhöht worden. Denn es bestand die naheliegende Gefahr, dass andere Verkehrsteilnehmer mit einem so verkehrswidrigen Verhalten nicht rechnen und daher auf die Gefahr eines Unfalls mit dem VW Passat des Zeugen K. nicht genügend achten würden (siehe dazu bereits oben). Eben diese Gefahr hatte sich dann auch in dem Verkehrsunfall verwirklicht. Denn der Zeuge E. kannte das vom Zeugen K. missachtete Gebot, aus der Seitenstraße nur nach rechts abzubiegen, da er nur wenige Querstraßen vom Unfallort entfernt seinen Wohnsitz hat (in der R.straße). Auf Grund dessen war er irrtümlich davon ausgegangen, dass aus der Seitenstraße kein linksabbiegender Verkehr kommen würde (siehe bereits oben).
D.
Bei der Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles im Rahmen des § 17 StVG gelangt das Gericht unter Berücksichtigung der vorstehend aufgelisteten jeweiligen Verursachungsbeiträge zu der Auffassung, dass eine Haftungsquote für den Kläger von 1/3 und für die Beklagte von 2/3 angemessen ist.
Zu Lasten der Beklagten wirkt sich die durch die Verkehrsverstöße des Zeugen K. erheblich erhöhte Betriebsgefahr des VW Passat aus.
Zu Lasten des Klägers war neben der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr der Verstoß des Zeugen E. gegen § 9 Abs. 5 StVO zu berücksichtigen.
Zwar wiegen Verstöße gegen diese Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO in der Regel besonders schwer, weil hierdurch vom Normadressaten die höchste Vorsicht abverlangt wird. Der vorliegende Sonderfall rechtfertigt gleichwohl eine Gewichtung zum Nachteil der Beklagten. Denn auch wenn der Zeuge E. als gewissenhafter Verkehrsteilnehmer den seitlichen Rückraum (aus dem der Zeuge K. verbotswidrig gefahren kam) vorsichtshalber hätte beobachten müssen: Wäre der Zeuge K. dem ausgeschilderten Gebot gefolgt, nur nach rechts abzubiegen, hätte er nie in den Gefahrenbereich des rückwärtsfahrenden Zeugen E. gelangen können.
E.
Der Höhe nach steht dem Kläger insgesamt (inklusive Rechtsanwaltskosten) ein Schadensersatzanspruch von 3.564,39 Euro gegenüber der Beklagten zu.
Der Gesamtschaden setzt sich dabei zusammen aus den unmittelbaren Schadensersatzpositionen (nachfolgend Ziffer 1) sowie den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (nachfolgend Ziffer 2).
1.
Die unmittelbaren Schadensersatzpositionen valutieren in Höhe von insgesamt 4.855,90 Euro. Sie ergeben aus den Feststellungen und Ausführungen des Landgerichtes zur Schadenshöhe (Urteil S. 7, Bl. 226 GA), die vom Kläger in zweiter Instanz nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Die genannte Summe setzt sich zusammen aus: Reparaturkosten in Höhe von 3.618,97 Euro Netto, Gutachterkosten von 969,17 Euro, Mietwagenkosten in Höhe von 242,76 Euro sowie der Unfallpauschale von 25 Euro.
2/3 hiervon (siehe oben) sind 3.204,89 Euro.
2.
Vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten errechnen sich darüber hinaus in Höhe von 359,50 Euro.
Auf Basis des ihm zustehenden Schadensersatzanspruches in Höhe von 3.204,89 Euro (siehe oben) betrug (nach damaligem Recht) die 1,3fachen Geschäftsgebühr 282,10 Euro. Zuzüglich Auslagenpauschale (20 Euro) und 19% Mehrwertsteuer ergibt sich der Gesamtbetrag von 359,50 Euro.
3.
Zusammengenommen ergibt sich der oben genannte Betrag von 3.564,39 Euro (3.204,89 Euro Euro + 359,50 Euro).
Dem Kläger war indes durch das Urteil des Landgerichtes bereits ein Betrag in Höhe von 2.564,38 Euro zugesprochen worden. Der Differenzbetrag von 1.000,01 Euro (3.564,39 Euro abzüglich 2.564,38 Euro) steht dem Kläger noch zu.
Soweit der Kläger in zweiter Instanz die Zahlung weiterer 1.461,61 Euro begehrt, war die Klage mithin teilweise (in Höhe von 461,60 Euro) abzuweisen.
F.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB und dem vorgerichtlichen Mahnschreiben vom 09.10.2012 unter Fristsetzung zum 16.10.2012.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht gegeben ist.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.195,22 Euro.
Dr. S.
Dr. S.
H.