LG Düsseldorf, Urteil vom 16.02.2016 - 1 O 142/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1 zu 97% und die Klägerin zu 2 zu 3%. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen die Klägerin zu 1 zu 89 % und die Klägerin zu 2 zu 11 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2, 3 und 4 trägt die Klägerin zu 1.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin zu 2 darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.02.2011 gegen 0.11 Uhr auf der BAB 57, Gemarkung E, Fahrtrichtung L, ereignete.
Die Klägerin zu 1 war zum Unfallzeitpunkt Haftpflicht-, Kasko- und Frachtversicherer des Sattelzuges E2-C - amtliche Kennzeichen X (Zugmaschine) und XX (Sattelauflieger), der Klägerin zu 2. Der Sattelauflieger war beladen mit sog. Alublech-Coils (insgesamt im Folgenden D2-Transporter). Die Beklagte zu 1 war der Haftpflichtversicherer des von dem Beklagten zu 2 geführten Sattelzuges, bestehend aus Zugmaschine E2-D, amtliches Kennzeichen, XXX und dem Sattelauflieger XXXX. Dabei handelt es sich um einen Autotransporter (im Folgenden insgesamt: Autotransporter). Die Beklagte zu 4 war der Haftpflichtversicherer des von dem Beklagten zu 3 geführten Lkw N, amtliches Kennzeichen XXXXX und dem Auflieger XXXXXX (im Folgenden insgesamt: E3-Fahrzeug).
Die Unfallstelle befindet sich auf einer Brücke. Unter der Brücke lagerten zum Unfallzeitpunkt Plastikrohre. Diese wurden kurz vor dem Unfallzeitpunkt durch Unbekannte angezündet. Dadurch kam es, nicht nur unter der Brücke, sondern auch auf der darüber liegenden Autobahn zu einer starken Rauchentwicklung. Ob und wie weit die Sicht dadurch eingeschränkt war, ist streitig.
In dieser Nacht kam es auf der BAB 57, Gemarkung E, im Bereich der Rauchentwicklung, in beiden Fahrrichtungen zu einem Massenunfall. Der Fahrer des D2-Transporters brachte das von ihm geführte Fahrzeuggespann jedoch unfall- und schadenfrei zum Stillstand.
Auf den zum Stillstand gekommenen D2-Transporter fuhr als erster der Beklagte zu 2 auf. Dieser hatte noch versucht nach links auszuweichen, so dass der Autotransporter mit seiner vorderen rechten Ecke die linke hintere Ecke des D2-Transporters touchierte.
Kurz darauf fuhr der Beklagte zu 3 mit E3-Fahrzeug zunächst auf den Autotransporter, der nach links ausgewichen war, und dann unmittelbar mit der Fahrzeugfront rechts auf den D2-Transporter auf.
Alle drei Fahrzeuge erlitten Beschädigungen durch die Kollisionen. Das Maß der jeweiligen Verursachungsbeiträge ist streitig; auch an den Alucoils entstanden Beschädigungen, deren Ursache streitig ist.
An dem D2-Transporter entstand ein Schaden in Höhe von 30.438,65 EUR. Diesen Schaden macht die Klägerin zu 1 geltend. An den geladenen Alucoils wurde nach dem Unfall und nach dem Abtransport von der Unfallstelle ein Schaden in Höhe von 31.521,75 EUR durch einen Sachverständigen festgestellt. Dafür entstanden Sachverständigenkosten in Höhe von 844,10 EUR. Der Klägerin zu 2 entstanden durch den Ausfall des D2-Transporters weitere Schäden, deren Höhe streitig ist. Bezüglich der Aufstellung der Schäden durch die Klägerin zu 2 wird auf die Anlage K 2 der Klägerin zu 2 verwiesen.
Mit Schreiben vom 15.01.2013 hat die Klägerin zu 1 die Beklagte zu 1 aufgefordert, den Schaden an dem D2-Transporter bis zum 29.01.2013 zu begleichen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.02.2013 wurde erneut eine Frist bis zum 25.02.2013 gesetzt. Die Beklagte zu 1 zahlte nicht.
Für die beschädigten Alucoils kam die Klägerin bislang nicht auf, auch den Sachverständigen hat sie nicht bezahlt.
Mit Schreiben vom 18.02.2013 wurde die die Beklagte zu 4 durch die Klägerin zu 1 zum Ausgleich des Schadens aufgefordert. Die Beklagte zu 4 zahlte nicht.
Die Beklagte zu 1 wurde hinsichtlich des Schadens der Klägerin zu 2 mit anwaltlichem Schreiben vom 12.04.2012 unter Fristsetzung zum 26.04.2012 zur Zahlung aufgefordert. Die Beklagte zu 1 zahlte nicht.
Die Klägerin zu 1 trägt vor, das von ihr versicherte Fahrzeug sowie dessen Ladung sei durch beide Auffahrvorgänge beschädigt worden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe seien ihr Kosten in Höhe von 1.307,81 EUR entstanden. Sie trägt weiter vor, es habe auch keine höhere Gewalt und auch kein unabwendbares Ereignis vorgelegen. Die Beklagten könnten sich nicht unter Berufung auf die starke Rauchentwicklung exkulpieren. Da sich der Unfall zur Nachtzeit ereignet habe, haben die Fahrer jederzeit mit Sichthindernissen rechnen müssen. Ferner sei der Unfall für die Beklagten zu 2 und 3 vermeidbar gewesen, wenn sie mit der notwendigen Aufmerksamkeit und mit einer den Sichtverhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren wären. Die Fahrer hätten dann - wie der Fahrer des D2-Transporters - rechtzeitig bremsen und den Unfall vermeiden können. Zu Lasten der Beklagten zu 1 und 2 spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins, da der Beklagte zu 2 auf das von der Klägerin versicherte Fahrzeug auffuhr. Auch zu Lasten der Beklagten zu 3 und 4 spreche der Beweis des ersten Anscheins, da auch dieser auf den D2-Transporter auffuhr. Den Fahrer des D2-Transporters treffe kein Verschulden. Für Sicherungsmaßnahmen bezüglich des betreffenden Lkw habe keine Zeit mehr bestanden, bis es zur weiteren Kollision gekommen sei. Die Parteien hafteten nach § 830 BGB, so dass dahingestellt bleiben könne, welchen Schadensbeitrag jeweils der Beklagte zu 2 und 3 geleistet haben.
Die Klägerin zu 1 beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 30.438,65 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2013 nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,81 EUR brutto zu zahlen,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von dem Schaden der unfallbedingt beschädigten Ladung auf dem Sattelauflieger ihrer VN mit dem Kennzeichen XXXXXXX in Höhe von 31.521,75 EUR nebst Sachverständigenkosten für die Schadensfeststellung in Höhe von weiteren 844,10 netto freizustellen.
Die Klägerin zu 2 trägt vor, alle von ihr in der Anlage K 2 dargestellten Schäden seien unfallbedingt entstanden. Ferner seien ihr für die außergerichtliche anwaltliche Vertretung Kosten in Höhe von 579,60 EUR entstanden. Die Beklagte zu 1 könne sich nicht durch ein Berufen auf höhere Gewalt entschuldigen. Nicht nur das klägerische Fahrzeug, auch ein davor befindlicher Milchtransporter seien unbeschädigt zum Stehen gekommen. Bei der notwendigen Umsicht sei dies auch dem Fahrer des auffahrenden Fahrzeuges möglich gewesen. Der Unfall sei daher auch nicht unabwendbar gewesen. Ein Verschulden des klägerischen Fahrers habe ebenfalls nicht vorgelegen. Es habe keine Zeit mehr bestanden, sein Fahrzeug abzusichern.
Die Klägerin zu 2 hat zunächst beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 7.777,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2012 zu bezahlen und die Beklagte zu 1 zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 579,60 EUR freizustellen.
Mit Schriftsatz vom 26.07.2013 hat die Klägerin zu 2 die Klage in Höhe von 763,80 EUR zurückgenommen.
Sie beantragt nun,
die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 7.013,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2012 zu bezahlen;
die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die sie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 579,60 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten zu 1 und 2 tragen vor, der Unfall sei durch höhere Gewalt verursacht worden. Bei der durch die brennenden Rohre entstandenen Rauchwolke habe es sich um ein unvorhersehbares Ereignis gehandelt, welches nicht aus dem Straßenverkehr stammte. Die Brandstiftung sei ein einmaliger Vorfall mit Ausnahmecharakter. Die Sichtbehinderung sei bei der Annäherung nicht zu erkennen gewesen. Selbst wenn N das Vorliegen höherer Gewalt verneine, sei der Unfall jedenfalls unabwendbar gewesen. Der Beklagte zu 2 habe weder Anlass noch Möglichkeit gehabt, seine Fahrweise auf die Hindernisse einzustellen. Die Rauchwolke sei unvermittelt aufgetaucht, denn weder der Brand noch die Wolke seien auf der unbeleuchteten Straße vorher zu erkennen gewesen. Es liege erhebliches Mitverschulden des klägerischen Fahrers vor. Dieser habe sein Fahrzeug weder auf dem rechten Seitenstreifen zum Stillstand gebracht, noch sein stehendes Fahrzeug abgesichert. Zur Schadenshöhe tragen sie vor, es sei zu einer Schadensvertiefung durch die zweite Kollision gekommen, so dass nicht der gesamte Schaden auf ihre Kollision zurückzuführen sei. Der Schaden an den Alucoils sei durch das Löschwasser sowie nachträgliches Eindringen von Feuchtigkeit entstanden.
Die Beklagten zu 3 und 4 tragen vor, durch den Aufprall des E3-Fahrzeuges seien keine weiteren Schäden an dem D2-Transporter entstanden. Es sei nicht einmal zu einer Schadensintensivierung gekommen. Der Schaden stamme allein aus der Kollision mit dem Autotransporter. Es habe sich außerdem auch die Betriebsgefahr des D2-Transporters realisiert, da dieser nachts auf der Autobahn bis zum Stillstand abgebremst wurde.
Ferner sei der Schaden an den Alucoils auf Löschwasser und eintretenden Regen und nicht auf die Kollision zurückzuführen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I, M, C2, T und durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.11.2015 Bl. 250 ff. d. A. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der jeweiligen Parteien verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Den Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, §§ 7, 17, 18 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 115, 86 VVG.
1.
Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeuges, wenn bei dessen Betrieb [...] eine Sache beschädigt wird, verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Nach § 17 Abs. 1 StVG hängt, wenn ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde und die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach § 17 Abs. 2 StVG gilt die Haftung nach Abs. 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander, wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist.
Die Ersatzpflicht ist jedoch schon ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird § 7 Abs. 2 StVG. Die Verpflichtung zum Ersatz ist darüber hinaus ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat, § 17 Abs. 3 StVG.
Hier liegt ein Fall höherer Gewalt vor, welche zwar nicht ausschließlich den Unfall verursacht hat, durch die der Unfall für die beteiligten Fahrzeugführer jedoch ein unabwendbares Ereignis darstellte.
Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (König, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 7 StVG, Rn. 32).
Der Begriff "unabwendbares Ereignis” meint nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S. von § 276 BGB hinaus (BGH, Urteil vom 18. 1. 2005 - VI ZR 115/04). Hierbei kommt es allerdings nicht nur darauf an, wie ein "Idealfahrer" in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 17 StVG, Rn. 8).
Beide Umstände sind hier - aufeinander aufbauend - vorliegend gegeben. Die durch die brennenden Rohre entstandene Rauchwolke an sich hat zwar nicht die Fahrzeuge beschädigt, wie dies zum Beispiel bei einer anderen Naturkatastrophe unmittelbar geschehen könnte. Jedoch hat diese bedingt, dass der Unfall für die Fahrzeugführer unabwendbar war.
Davon ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung überzeugt, § 286 ZPO.
Für das Gericht steht fest, dass die unter der Unfallstelle brennenden Plastikrohre eine solche Rauchentwicklung verursacht haben, dass die Sichtweite auf der von den beteiligten Fahrzeugführer genutzten Autobahn plötzlich gegen null ging. Diese dunkle Wolke war für die herannahenden Fahrzeugführer nicht im Herannahen zu erkennen, sondern erst als sie sich bereits in der Wolke befanden, bzw. als diese sich plötzlich, kurz vor den Fahrern im Scheinwerferkegel zeigte. Dies haben die Zeugen I, M und C2 übereinstimmend und ergiebig bestätigt.
Der Zeuge I (selbst Fahrzeugführer im streitgegenständlichen Massenunfall) hat bekundet, in eine Rauchwolke gefahren zu sein, die er erst bemerkt habe, als sie sich plötzlich im Scheinwerferlicht gezeigt hatte. Er sei dann in einen Milchlaster reingefahren.
Der Zeuge M (selbst Fahrzeugführer im streitgegenständlichen Massenunfall) hat geschildert, er sei in eine Wolke hineingefahren und habe abgebremst. Diese Wolke habe sich wie eine Wand dargestellt. In diese sei er reingefahren und habe dann erst abgebremst, weil er die Wand vorher nicht gesehen habe. Die Sichtbehinderung sei unterschiedlich gewesen. Es habe Zeitpunkte gegeben, da habe N fast nichts gesehen und zu anderen Zeitpunkten habe N andere Lkw und Pkw erkennen können. Zu der Dauer der Dunkelheit durch die Wolke konnte er angeben, dass er in die Wolke hineingefahren sei, zum Stehen gekommen sei und anschließend ausgestiegen sei. In dieser Zeit habe absolute Dunkelheit geherrscht. Erst danach habe es sich etwas aufgehellt. Es habe auch nach verbranntem Plastik gestunken. Er habe diverse Kollisionen gehört, aber keine gesehen.
Der Zeuge C2 (selbst Fahrzeugführer im streitgegenständlichen Massenunfall) hat ebenfalls bekundet, in eine schwarze Wand hinein gefahren zu sein und sodann eine Notbremsung durchgeführt zu haben. Die Wolke habe er erst in dem Augenblick wahrgenommen, als er schon drin gewesen sei. Sein Fahrzeug habe sich nach der Notbremsung gedreht. Als es zum Stillstand gekommen war, habe er sein Fahrzeug verlassen und sich ca. 100m von der Unfallstelle entfernt. Er habe in dieser Zeit mitbekommen, dass es zu weitere Zusammenstößen gekommen sei. Dies habe er aber nicht gesehen, sondern nur gehört, da wegen der Wolke nichts zu erkennen war.
Die Zeugin T konnte keine Angaben zu der Rauchwolke machen, da sie angab, durch ein Küsschen an den Fahrer des Fahrzeugs, in dem sie saß, abgelenkt gewesen zu sein. Ihre Aussage ist insoweit unergiebig.
Die Aussagen der Zeugen I, M und C2 sind glaubhaft. Die Zeugen haben jeweils frei aus ihrer Erinnerung, in sich schlüssig und widerspruchsfrei die damaligen Vorgänge geschildert. Obwohl der Massenunfall damals auch durch die Presse publik gemacht wurde, haben die Zeugen allein ihre eigene Wahrnehmung an die Situation geschildert. Dies zeigte sich daran, dass die Aussagen jeweils individuelle Abweichungen aufzeigten und Details enthielten, die die Zeugen persönlich erlebt haben konnten. Gründe, die für eine Aussagetendenz zugunsten oder zulasten einer Partei sprechen könnten, sind für keinen der Zeugen ersichtlich. Diese drei vernommenen Zeugen sind jeweils auch nicht mit den streitgegenständlichen Fahrzeugen in Kontakt gekommen, so dass auch keine Ansprüche zwischen den hiesigen Zeugen und den hiesigen Parteien im Raum stehen, die das Aussageverhalten beeinflusst haben könnten.
Ferner hat der Beklagte zu 3, der Fahrer des E3-Fahrzeuges, im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, er habe vor sich noch Bremslichter aufleuchten gesehen. Neben der Fahrbahn habe er ein oranges Licht wahrgenommen, welches für ihn eine Gefahr darstellte. Plötzlich seien die Bremslichter verschwunden, woraufhin er vom Gas gegangen sei. Die Wolke habe er dann erst wahrgenommen, als er in sie hinein gefahren sei. Die Sichtweite sei ungefähr so weit gewesen, wie sein Arm reicht.
Auch dies bestätigt die Überzeugung des Gerichtes, dass zum Unfallzeitpunkt eine dichte Rauchwolke vorhanden war, die die Sichtweite gegen Null eingeschränkt hat.
Die zum Unfallzeitpunkt über der Fahrbahn schwebende Rauchwolke stellt höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG dar. Die Rauchwolke entstand, weil unter der Brücke betriebsfremde Dritte Plastikrohre in Brand gesetzt hatten. Dies stellt eine Straftat dar und ist nach menschlicher Einsicht weder zu erwarten noch nach der Erfahrung vorhersehbar. Durch einen Fahrzeugführer kann ein solches Verhalten auch nicht verhindert werden. Es ist von einem Fahrzeugführer nicht zu erwarten, Sicherungsmaßnahmen jenseits der von ihm befahrenen Strecke zu treffen, damit keine (Umwelt-) Einflüsse seine Fahrt behindern. Eine solche Straftat ist selten und damit auch nicht im Hinblick auf ihre Häufigkeit in Kauf zu nehmen.
Aufgrund dieser Rauchwolke war der Massenunfall für die beteiligten Fahrzeugführer ein unabwendbares Ereignis. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und dem Inhalt der Beweisaufnahme fest, dass diese Rauchwolke für herannahende Fahrzeugführer nicht zu erkennen war, bevor sie in die Wolke eingetaucht sind (s. o.). Die Fahrer konnten deshalb nicht eher eine Bremsung einleiten. Es lagen auch keine anderen Umstände vor, die die Fahrer zu einem anderen Fahrverhalten hätten veranlassen müssen. Auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt durch die Fahrer hätte der Unfall nicht abgewendet werden können. Die Fahrer haben sachgemäß, geistesgegenwärtig und erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt i.S. von § 276 BGB hinaus gehandelt. Auch ein "Idealfahrer" wäre in diese Gefahrenlage geraten. Fahrfehler sind keinem der beteiligten Fahrer vorzuwerfen.
Das Bedürfnis eines so frühen Abbremsens, welches die Kollisionen verhindert hätte, war hier für auch nicht für einen Idealfahrer bei größtmöglicher Sorgfalt erkennbar. Auch ein solcher Idealfahrer hätte nicht eher als die Beklagten zu 2 und 3 abgebremst. Es hat für die Beklagten zu 2 und 3 nicht erkennbar eine Verkehrslage vorgelegen, die eine verkehrsbedingte Bremsung insoweit erfordert hat, dass die Zusammenstöße verhindert worden wären. Die Fahrbahn war nach Aussage aller Zeugen trocken, es herrschte kein Nebel und kein stärkerer Wind. Die Autobahn war nicht dicht, sondern eher spärlich befahren. Die Sicht war - so zumindest der Eindruck der Zeugen - ausreichend.
Die die beteiligten Fahrzeugführer haben - wie bereits wiedergegeben - die Rauchwolke jeweils erst bemerkt, als sie in diese hinein gefahren sind. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Rauchwolke nicht bereits aus einer solchen Entfernung zu erkennen war, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge noch verkehrsbedingt abbremsen konnten. Zum Unfallzeitpunkt war es unstreitig Mitternacht im Februar. Der streitgegenständliche Streckenabschnitt der Autobahn ist unstreitig unbeleuchtet. Er führt durch ein ländliches Gebiet, von dem keine Beleuchtung der Autobahn der erfolgt. Es war, dies gaben auch die Zeugen an, tiefschwarze Nacht. Der durch brennendes Plastik entstehende Rauch ist regelmäßig schwarz. Dieser hat sich damit auch nicht optisch gegenüber dem Nachthimmel abgehoben. Alle Fahrer haben berichtet, die Wolke erst gesehen zu haben, als sie in sie hineingefahren waren bzw. als sie so nah war, dass sie sich in den grundsätzlich leicht nach unten zeigenden Scheinwerferkegeln abgezeichnet hat.
Die Dunkelheit alleine ist kein ausreichender Grund dafür, die Geschwindigkeit merklich zu reduzieren. Wer auf der Autobahn mit Abblendlicht fährt, braucht seine Geschwindigkeit nicht der Reichweite des Abblendlichts anzupassen, wenn die Schlussleuchten des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs klar erkennbar sind und ein ausreichender Abstand von ihm eingehalten wird, § 18 Abs. 6 StVO. Dies war hier der Fall. Bis zu dem Einfahren in die Wolke waren die vorausfahrenden Fahrzeuge an ihren Rückleuchten zu erkennen. Dies haben die vernommenen Zeugen jeweils bekundet.
Zwar hat der Beklagte zu 3 selbst erklärt, die Rücklichter des Vorausfahrenden plötzlich nicht mehr gesehen zu haben. Jedoch hat er sich auch in dieser Situation nicht falsch verhalten. Vielmehr hat er ebenfalls wie ein Idealfahrer gehandelt, in dem er "Gas weggenommen" hat. Eine intensivere Abbremsung war zum Einen nicht erkennbar erforderlich. Denn aufgrund der Wolke konnte er den vor ihm befindlichen, stehenden D2-Transporter nicht sehen. Zum Anderen hätte diese auch dem ordnungsgemäßen Verhalten auf einer Autobahn widersprochen. So lange nicht erkennbar eine Gefahrenlage vorliegt, ist das Halten auf der Autobahn verboten, § 18 Abs. 8 StVO. Auf einer trockenen Fahrbahn, ohne - erkennbare - Sichtbehinderungen, sollte außerdem die für die jeweilige Bauart vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen von jedenfalls 60 km/h, § 18 Abs. 1 StVO, eingehalten werden. Das bloße Verschwinden von Rücklichtern stellt für sich alleine noch kein ausreichendes und vor allem eindeutiges Gefahrenanzeichen dar, dass eine Vollbremsung angezeigt wäre. Auch das von dem Beklagten zu 2 beschriebene orange Licht neben der Fahrbahn durfte keinen Idealfahrer zu einer Vollbremsung veranlassen. Eine Vollbremsung hätte das unkalkulierbare Risiko geborgen das hinter ihm fahrende Pkw auffahren.
Auch die weiteren Umstände des Falles zeigen, dass auch kein Idealfahrer beim Waltenlassen äußerster Vorsicht anders gefahren wäre. Die auftretende Dunkelheit erschien zu plötzlich, als dass zuvor anders hätte reagiert werden müssen. Auch wurden die notwendigen Abstände durch die Beklagten zu 2 und 3 eingehalten und dennoch konnte der Unfall nicht vermieden werden.
Dies zeigen die beiden Kollisionsverhalten der von den Beklagten zu 2 und 3 geführten Fahrzeuge. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Auswertung der Tachoscheiben der beteiligten Fahrzeuge zeige, dass der Beklagten zu 2 den von ihm geführten Autotransporter zunächst von ca. 88 km/h dann auf 83 km/h und sodann auf 56 km/h abgebremst habe, bevor er eine intensive Abbremsung eingeleitet habe. Dies sei jedoch erst geschehen, als der D2-Transporter vor ihm einen Abstand von 28m aufgewiesen habe. Die Kollisionsgeschwindigkeit habe bei 50 bis 51 km/h gelegen. Die Auswertung der Tachoscheibe des von dem Beklagten zu 3 geführten E3-Fahrzeuges bestätigt die Angaben die Beklagten zu 3 im Rahmen seiner Anhörung. Nach Angaben des Sachverständigen sei das E3-Fahrzeug von zunächst konstant 89 km/h innerhalb von ca. neun Sekunden auf 53 km/h verlangsamt worden. Dies entspreche einer Verzögerung durch "Gas wegnehmen". Mit dann 51 km/h, also ohne weitere Abbremsung, sei das E3-Fahrzeug dann auf den D2-Transporter aufgefahren.
Der Autotransporter sei ca. binnen zwei Sekunden nach dem Abstellen des Coil-Transportes mit diesem kollidiert. Das E3-Fahrzeug sei binnen weiterer 3 Sekunden mit dem D2-Transporter kollidiert. Aufgrund dieser Umstände ließe sich die Abläufe in einem Zeit-Weg-Diagramm miteinander verknüpfen.
Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, aus der dynamischen Verknüpfung in dem Zeit-Weg-Diagramm resultiere eindeutig, dass sowohl der Beklagte zu 2 als auch der Beklagte zu 3 zu dem jeweils vorausfahrenden Lastzug den erforderlichen Sicherheitsabstand allemal eingehalten haben.
Der Sachverständige hat auf Nachfrage des Gerichtes noch die hypothetische Berechnung aufgestellt, wie lang der Bremsweg gewesen wäre, wenn zum Einen die Rauchwolke sofort im Schein des Scheinwerfers als solche zu erkennen gewesen wäre und zum Anderen dann sofort eine sog. Vollbremsung eingeleitet worden wäre. Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, der E3-Transporter habe, bei unterstellter modernster Bremsanlage und perfekten Bedingungen, einen Anhalteweg von gut 48m gehabt. Bei einer Scheinwerferreichweite von 45m wäre das E3-Fahrzeug damit auch erst nach drei Metern "in der Wolke" und nicht davor zum Stehen gekommen.
Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Als Diplom-Ingenieur ist der Sachverständige für die vorliegende Begutachtung qualifiziert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Zudem ist das Gutachten ausführlich, systematisch aufgebaut und auch für den technischen Laien gut nachvollziehbar. Im Rahmen der mündlichen Erstattung des Gutachtens hat der Sachverständige die an ihn gerichteten Beweisfragen umfassend und nachvollziehbar beantwortet
Ein so plötzliches Abbremsen, wie von dem Sachverständigen in seiner hypothetischen Berechnung unterstellt, war außerdem ohnehin - wie oben bereits dargelegt - wegen des Anhalteverbotes auch bzw. gerade für einen Idealfahrer nicht angezeigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass es dem Fahrer des klägerischen Coil-Transportes gelungen ist, sein Fahrzeug ohne Beschädigungen verkehrsbedingt anzuhalten. Da eine Rauchwolke kein homogenes Gebilde darstellt, ist es nicht auszuschließen, dass der Fahrer des D2-Transporters selbst noch eine bessere Sicht hatte und ein Auffahren auf den vor ihm stehenden Milchtransporter dadurch verhindern konnte. Zudem mag es sich um einen glücklichen Zufall gehandelt haben.
Des Weiteren zeigt auch das Ausmaß der Beschädigungen an dem E3-Fahrzeug, dass keine frühere, besser Reaktion des Fahrers möglich gewesen ist. Nach einer Randbemerkung des Sachverständigen W, habe der Beklagte zu 3 großes Glück, gehabt überlebt zu haben. Die Beschädigungen an dem Fahrzeug und die ermittelte Aufprallgeschwindigkeit von ca. 50 km/h ließen für sich genommen auch den Schluss zu, der Fahrer sei bei dem Unfall tödlich verletzt worden. Da keine Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Suizid auf Seiten des Beklagten zu 3 zu erkennen sind, ist auch daraus der Schluss zu ziehen, dass der Beklagte zu 3 die Gefahrenquelle, den abgestellten D2-Transporter - nicht sehen konnte. Andernfalls wäre es zu erwarten gewesen, dass er sein Fahrzeug intensiver abbremst, um sein eigenes Leben zu retten.
2.
Wegen der angenommenen höheren Gewalt und der daraus resultierenden Unabwendbarkeit der jeweiligen Kollisionen waren die jeweiligen Verursachungsbeiträge hier nicht mehr gegen einander abzuwägen. Es kann daher dahinstehen, ob dem Fahrer des D2-Transporters ein eigenes Verschulden, z. B. mangelnde Absicherung seines Fahrzeuges, vorzuwerfen ist. Ein etwaiger Anscheinsbeweis für ein zu dichtes Auffahren ist ohnehin - wie vorstehende dargelegt - widerlegt.
3.
Mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen kann auch dahinstehen, wodurch der Schaden an den geladenen Alucoils letztendlich entstanden ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO und ergibt sich wie folgt:
Klägerin zu 1
Klägerin zu 2
Rücknahme: 763,80 EUR
Verlust
Gewinn
Verlust
Gewinn
Beklagte zu 1
62.805,50 EUR
0,00 EUR
7.013,66 EUR
0,00 EUR
Verlust
Verlust
62.805,50 EUR
7.777,46 EUR
Quote der Angriffe gegen B 1
89 %
11 %
Beklagter zu 2
62.805,50 EUR
0,00 EUR
Nicht angegriffen
Beklagter zu 3
62.805,50 EUR
0,00 EUR
Beklagte zu 4
62.805,50 EUR
0,00 EUR
Fiktiver Verluste gegen alle Beklagten
251.222,00 EUR
7.777,46 EUR
Summe der fiktiven Gesamtverluste
258.999,46 EUR
Kostenquote, Gerichtskosten
97 %
3%
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
Die Streitwerte werden wie folgt festgesetzt:
- Angriffe der Klägerin zu 1 gegen die Beklagten zu 1, 2, 3 und 4: 62.805,50 EUR
- Angriff der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 1: 7.777,46 EUR.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.