LG Bonn, Urteil vom 28.09.2016 - 1 O 454/13
Tenor
1.
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 6.568,97 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 189,21 € freizustellen.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger zu 70 % die durch die Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung infolge des Verkehrsunfallereignisses vom 10.11.2012 entstandenen und künftig entstehenden Rückstufungsschäden zu ersetzen.
3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70% und der Beklagte zu 2) zu 30%.
5.
Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall am 10.11.2012 gegen 13:17 Uhr auf der Kreuzung L2 Str./U-Str. in C.
Der Kläger befuhr mit seinem Pkw D, amtliches Kennzeichen $$-&& ..., die L2 Straße aus Fahrtrichtung N kommend in Richtung Innenstadt. Die Ampelanlage auf der Kreuzung L2 Str./U-Straße. zeigte für ihn "Grün", so dass er in die Kreuzung einfuhr.
Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem Polizeifahrzeug des Beklagten zu 2), einem W, amtliches Kennzeichen $$$-...#, unter Einsatz von Sonderfahrrechten die U-Straße. und fuhr bei "Rot" in den Kreuzungsbereich ein. Dort kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge. Die Fahrerseite des Pkw des Klägers wurde in Höhe der hinteren Tür sowie des hinteren Seitenteils stark eingedrückt und zum Teil aufgerissen.
Der Kläger nahm nach dem Unfall seine Vollkaskoversicherung in Anspruch. Mit seiner Klage macht er darüber hinaus folgende Schadenspositionen geltend:
Selbstbeteiligung Vollkaskoversicherung
Kostenpauschale
Sachverständigenkostenzuzüglich Mehrwertsteuer
Nutzungsausfall
Kosten Ab- und Anmeldung
Rechnung Physiotherapie
Insgesamt
300,00 €
25,00 €
737,75 € + 68,50 €
896,21 €
75,60 €
350,00 €
2.451,06 €
Der Beklagte zu 2) regulierte hierauf unter Zugrundelegung eines Mitverschuldens in Höhe von 50 % einen Betrag von 1.225,53 € sowie weitere 517,88 €.
Neben dem verbleibenden Betrag von 707,65 € macht der Kläger mit seiner Klage folgende weitere Schadensposten geltend:
Mehrbeitrag Vollkaskoversicherung
Fahrtkosten Physiotherapie
Nutzlos aufgewendete Kosten Wellnessaufenthalt
Insgesamt
473,40 €
32,50 €
155,80 €
661,70 €
Auf diese Kosten zahlte der Beklagte zu 2) ebenfalls unter Annahme einer 50%igen Haftungsquote 196,92 €, wobei hinsichtlich des Mehrbeitrags Vollkaskoversicherung insgesamt nur 118,35 € und hinsichtlich der Kosten des Wellnessaufenthalts nur 124,64 € angesetzt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Kostenberechnung des Beklagten zu 2) vom 10.09.2013 (Anlage K 7) genommen.
Schließlich macht der Kläger mit seiner Klage ein Schmerzensgeld von 20.000 € geltend, worauf der Beklagte zu 2) einen Betrag von 2.000 € zahlte.
Die Klageforderung berechnet sich damit aus den noch offenen Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen von 707,65 €, 464,78 € und 18.000 €.
Auf die vorgerichtlich geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.085,04 € regulierte der Beklagte zu 2) einen Betrag von 462,13 €.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine alleinige Haftung der Beklagten gegeben sei und ihm damit auch die noch nicht beglichenen Schadenspositionen zustünden. Der Beklagte zu 2) habe zudem zu Unrecht die Kosten für den Wellnessurlaub um 20 % gekürzt und den Mehrbeitrag für die Vollkaskoversicherung nur auf ein halbes Jahr bezogen.
Der Kläger ist ferner der Ansicht, der geltend gemachte Schmerzensgeldbetrag von 20.000 € abzüglich der gezahlten 2.000 € sei angemessen. Hierzu behauptet er, er habe bei dem Unfall einen Abriss der linken Bizeps-Sehne erlitten, was zur Folge habe, dass er seinen Beruf als selbstständiger Handwerker nicht mehr in der bisherigen Form ausüben könne, da er im linken Arm nicht mehr die notwendige Kraft besitze, um schwere Türen und Fenster einzusetzen. Diese Arbeiten machten etwa 80 % seiner Tätigkeit aus. Lediglich Reparaturaufträge bei denen er den linken Arm nicht schwer belasten müsse, könne er noch alleine ausführen. Angesichts der Einschränkungen im linken Arm sei mit einer Erwerbsminderung auf Dauer von 30 % zu rechnen.
Hinsichtlich des Unfallgeschehens behauptet der Kläger, das Polizeifahrzeug sei mit mehr als 50 km/h in den Kreuzungsbereich eingefahren. Er habe das Martinshorn erst auf der Höhe der Ampelanlage auf der Kreuzung hören, aber nicht sofort lokalisieren können. Um bei einem Abbremsen nicht mitten auf der Kreuzung stehen zu bleiben, habe er sich dazu entschlossen, über die Kreuzung hinwegzufahren, um diese freizuhalten.
Der Kläger hat ursprünglich seine Klage auch gegen den Beklagten zu 1) gerichtet. Die erkennende Kammer hat durch Teilurteil vom 25.06.2014 (Bl... d. A.) die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen.
Der Kläger, der seine behaupteten Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) weiterverfolgt, hat mit Schriftsatz vom 13.05.2016, der Beklagten zu 2) zugestellt am 24.05.2016 seine Klage hinsichtlich des Antrags zu 2) erweitert.
Der Kläger beantragt nunmehr,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 19.172,43 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen sowie ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 623,91 € freizustellen;
2. festzustellen, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm die durch die Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung infolge des Verkehrsunfallereignis vom 10.11.2012 entstandenen und künftig entstehenden Rückstufungsschaden zu ersetzen.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land ist der Ansicht, die erfolgte Regulierung von 50 % sei angemessen, da der Kläger nicht die notwendige Aufmerksamkeit im Straßenverkehr habe walten lassen, wenn er als einziger das Martinshorn erst zu spät hörte. Es behauptet, der Beklagte zu 1) habe sich im Schritttempo in die Kreuzungsanlage hineingetastet.
Das Gericht hat Beweis durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen F, S T, C2 T, L, X und I erhoben. Zum Ergebnis der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 verwiesen.
Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten. Wegen des Inhaltes wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Q vom 03.06.2015 sowie das orthopädisch/unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. med. C3 vom 26.02.2016 verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, die Sitzungsprotokolle sowie auf die zu den Akten gereichten Anlagen verwiesen. Die Akten der Staatsanwaltschaft C Aktenzeichen ...# Js .../... und ...# Js ...#/... waren beigezogen.
Gründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1.
Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 6.568,97 € aus § 7 Abs. 1 StVG.
Der Anspruch aus § 7 StVG steht selbstständig neben dem Amtshaftungsanspruch und wird durch § 839 BGB nicht verdrängt (BGH, Urt. Vom. 13.12.1990, III ZR 14/90). Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB greift vorliegend nicht ein, da der Kläger Schäden geltend macht, die von der Versicherung nicht getragen werden.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der § 7 StVG sind erfüllt. Das beklagte Land ist Halter des Fahrzeugs bei dessen Betrieb Rechtsgüter des Klägers verletzt wurden.
Ein Fall von höherer Gewalt lag für den Beklagten zu 2) nicht vor. Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist (Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVG, 24. Auflage 2016, § 7 Rn.18). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich gerade das (typische) Risiko des Straßenverkehrs realisiert hat. Damit ist auch für den Kläger kein Fall des § 7 Abs. 2 StVG gegeben.
Gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Beteiligten umfassend gegeneinander abzuwägen. Nach der Sach- und Rechtslage trägt der Kläger danach zu 30 % seinen Schaden selbst.
Für keine der Parteien lag ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 StVG vor. Für den Unabwendbarkeitsnachweis reicht es aus, dass der Unfall auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierbei kommt es allerdings nicht nur darauf an, wie ein "Idealfahrer" in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein "Idealfahrer" überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (vgl. Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVG, §17 Rn.8, m. w. N.).
Der Beklagte zu 1) ist nicht mit der äußerst notwendigen Sorgfalt in den Kreuzungsverkehr eingefahren. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der erhobenen Beweise fest. Die Zeugen C2 und S T haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Polizeiwagen mit ziemlicher Geschwindigkeit in Richtung der Kreuzung gefahren, dann stark abgebremst und dann mit ca. 30 km/h, mit mehr als Schrittgeschwindigkeit, in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Die detailreichen, in sich schlüssigen Aussagen decken sich auch mit den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Q, der die Kollisionsgeschwindigkeit mit 36,2 km/h (+/- 5 Km/h) berechnet hat. Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen auch die Parteien nicht entgegen getreten sind. Insofern liegt kein vorsichtiges Herantasten des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs, des vormaligen Beklagten zu 1), in den Kreuzungsbereich vor.
Auch der Kläger konnte den Beweis eines unabwendbaren Ereignisses nicht führen. Er konnte insbesondere nicht nachweisen, dass die Sonderrechte für ihn nicht früher wahrnehmbar und zu lokalisieren waren. Die Bekundung der Zeugin I, dass sie als Beifahrerin des Klägers von einem Martinshorn oder Blaulicht nichts mitbekommen, bzw. das Martinshorn erst kurz vor dem Unfall wahrgenommen habe, rechtfertigt noch nicht die Annahme, der Kläger hätte auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht die Möglichkeit gehabt, das Martinshorn am Fahrzeug des Beklagten rechtzeitig wahrzunehmen. Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Martinshorn und das Blaulicht bereits einige Zeit vor dem Einfahren des Beklagtenfahrzeugs in die Kreuzung eingeschaltet waren und von den Verkehrsteilnehmern auch wahrnehmbar waren. Die Zeugen L, C2 und S T haben diesbezüglich übereinstimmend bekundet, dass sie schon einige Zeit vor der Ampel das Blaulicht gesehen und das Martinshorn gehört haben und dementsprechend reagieren, also anhalten konnten. Die Kammer hat im Rahmen der ihr nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung berücksichtigt, dass nach dem Aussagen zumindest die Zeugen C2 und S T ortskundig waren und damit das Martinshorn wohl schneller einordnen und lokalisieren konnten. Gleichwohl sind Gründe, warum allein der Kläger nicht dazu in der Lage gewesen sein soll, das Martinshorn rechtzeitig wahrzunehmen, nicht ersichtlich. Aus den Lichtbildern der Unfallstelle geht hervor, dass die Kreuzung gut einsehbar ist. Auch nach den Feststellungen des Sachverständigen Q hätte der Kläger das in den Kreuzungsbereich einfahrende Beklagtenfahrzeug ca. 60m vor der Haltelinie der Kreuzung in seiner Fahrtrichtung erkennen können.
Die Abwägung der Verursachungsbeiträge gem. §§ 17 Abs.1 und 2 StVG führt zu der oben angegebenen Haftungsquote von 30% zulasten des Klägers und 70% zulasten des Beklagten zu 2).
Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Einsatzfahrzeug, welches unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung einfährt, ohne dass dessen Fahrer die gebotene Sorgfalt walten lässt und einem Kraftfahrer, der trotz rechtzeitig wahrnehmbaren Blaulicht und Martinshorn das Wegerecht des Einsatzfahrzeuges nicht beachtet, so hängt die Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile vom jeweiligen Einzelfall ab, wobei der Geschwindigkeit des Einsatzfahrzeuges entscheidende Bedeutung beikommt (KG, Urteil vom 13. 3. 2003 - 12 U 257/01).
Der Fahrer, der Sonderrechte in Anspruch nimmt, hat sich beim Einfahren in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung davon zu überzeugen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen haben. So lange der Fahrer nicht auf die Gewährung freier Fahrt durch alle anderen an sich bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer vertrauen kann, muss er sich notfalls im Schritttempo an die Kreuzung tasten (OLG Hamm, Urteil vom 13.12.1996, 9 U 143/96).
Dies hat der Beklagte zu 1) nach Auffassung des Gerichts nicht in ausreichendem Maße getan. Aufgrund der Zeugenaussagen und des Gutachtens des Sachverständigen Q ist das Gericht der Überzeugung, dass der Beklagte zu 1) im Eingangsbereich der Kreuzung abgebremst hat, mit einer über der Schrittgeschwindigkeit liegenden Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren ist und das Beklagtenfahrzeug im Kollisionszeitpunkt eine Geschwindigkeit von 36,2 km/h (+/- 5 km/h) hatte. Diese Geschwindigkeit war angesichts der konkreten Verkehrssituation zu hoch. Ausweislich der Lichtbilder handelt es sich um eine mehrspurige, komplexe Kreuzung mit unterschiedlicher Ampelschaltung. Hätte der Fahrer des Einsatzfahrzeuges, der vormalige Bekl. zu 1., sich der Situation entsprechend vorsichtig in den Kreuzungsbereich hineingetastet, bis er sich davon überzeugt hatte, dass sich alle Kraftfahrer auf der L2 Straße auf die geänderte Situation eingestellt hatten, wäre es nicht zum Unfall gekommen.
Aber auch der Kläger hat den Unfall verschuldet. Er hat gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen, dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu verschaffen.
Wer sich beim Ertönen des Einsatzhorns unmittelbar vor einer Kreuzung befindet und nicht weiß oder erkennen kann, woher das Einsatzfahrzeug kommt, darf nicht in die Kreuzung einfahren; er handelt nicht schuldhaft, wenn er zunächst mitten auf der Fahrbahn sofort anhält. Andererseits handelt derjenige, der sich gerade in einer Kreuzung befindet, richtig, wenn er diese noch räumt, außer, wenn er die freie Bahn nur dadurch schaffen kann, dass er in der Kreuzung sofort anhält (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 38 Rn.4). Der Kläger hat nach seinen Ausführungen das Martinshorn erst in Höhe der Ampelanlage gehört, konnte nicht lokalisieren aus welcher Richtung es kam und ist dennoch in die Kreuzung eingefahren. Auch die Feststellung des Sachverständigen Q, wonach der Kläger selbst bei rechtzeitiger Reaktion aufgrund des Anhalte- und Bremsweg die Kollision aus technischer Sicht nicht hätte vermeiden können, führt bei der hier gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht zu einer vollständigen Entlastung des Klägers. Ein wahrnehmungsbereiter und in der verkehrserforderlichen Weise aufmerksamer Fahrer muss dafür Vorsorge treffen, dass er ganz allgemeine Verkehrssignale frühzeitig wahrnehmen kann. Der Kläger konnte, wie bereits dargestellt, nicht den Nachweis führen, dass die Sonderrechte für ihn nicht früher wahrnehmbar waren.
Dem Kläger steht damit unter Berücksichtigung einer Mitverursachungsquote von 30 % der ausgeurteilte Zahlungsanspruch in Höhe von 6.568,97 € zu.
Für die zwischen den Parteien rechnerisch unstreitigen Schadenspositionen Selbstbeteiligung Vollkasko, Kostenpauschale, Sachverständigengutachten, Mehrwertsteuer, Nutzungsausfall, Kosten Ab- und Anmeldung, Rechnung Physiotherapie (gesamt 2.451,06 €) errechnet sich bei einer 70%igen Haftfungsquote zu Lasten der Beklagten zu 2) und unter Berücksichtigung der bereits gezahlten 517,88 € ein noch zu zahlender Betrag von 490,21 € (2.451,06 € x 70% abzüglich der bereits gezahlten 50 % i.H.v. 1.225,53 €).
Hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbeitrags Vollkaskoversicherung hat der Beklagte zu 2) entgegen der Annahme des Klägers nicht den Betrag für ein halbes Jahr ersetzt, sondern ist ausweislich der Anlagen K 5 und K 6 davon ausgegangen, dass die Vollkaskoversicherung von 113,93 € auf 350,63 € erhöht wurde. Auf den Differenzbetrag i. H. v. 236,70 € hat er unter Annahme einer 50%igen Haftungsquote bereits 118,35 € erstattet. Bei der anzunehmenden Haftungsquote von 70 % ist damit noch ein Betrag von 47,34 € offen (236,70 x 70 % abzüglich der bereits gezahlter 50 %).
Für die Fahrtkosten Physiotherapie errechnet sich unter Annahme einer 70%igen Haftungsquote zulasten des Beklagten zu 2) ein noch zu zahlender Restbetrag von 6,50 € (32,50 € x 70 % abzüglich bereits gezahlter 50 %)
Bezüglich der Kosten für den geplanten Wellnessaufenthalt hat der Beklagte zu 2) zu Recht einen Abzug von 20 % vorgenommen. Auch wenn sich der Unfall am Vortrag des Reiseantritts (geplant 11.11.2012) ereignet hat, war der Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gehalten, die Reise noch zu stornieren. In diesem Fall wären nur Kosten in Höhe von 124,64 € angefallen. Bei einer 70%igen Haftungsquote ergibt sich damit ein noch zu zahlender Betrag von 24,92 € (124,64 € x 70 % abzüglich bereits gezahlten 50 %).
Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zum Ausgleich der ihm aus dem Unfallereignis entstandenen immateriellen Schäden im Sinne von § 253 Abs. 2 und § 11 S. 2 StVG in Höhe von 8.000 € abzüglich bereits gezahlter 2.000 €, also insgesamt in Höhe von 6.000 € zu.
Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll den vom Verletzten erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen. Er tritt als selbstständiger Anspruch neben den Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und ist nicht etwa ein bloßer Rechnungsposten innerhalb eines Gesamtanspruchs (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 253 Rn.4). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere von Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Heilbehandlung, den Zeitraum einer Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (OLG Brandenburg, Urt. V. 23.07.2013, 6 U 95/12).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die Kammer ein Schmerzensgeld in der oben genannten Höhe für angemessen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger bei dem Verkehrsunfall einen Abriss der langen Bizepssehne im linken Arm erlitten hat, die derzeit zu einer Kraftminderung und endgradigen Funktionsstörung im Bereich des linken Arms führt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist mit 10 % anzusetzen.
Die Kammer folgt damit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C3, der die verbleibenden Verletzungsfolgen sowie die Unfallursächlichkeit dieser Symptome einleuchtend begründet hat. Auch die Parteien sind den Ausführungen des Sachverständigen letztlich nicht entgegen getreten, so dass hierauf vollinhaltlich Bezug genommen wird.
Der Schmerzensgeldbetrag in der tenorierten Höhe rechtfertigt sich aufgrund der Schwere und insbesondere der dauerhaften Folgen der Verletzung. Auch wenn das Sachverständigengutachten die Behauptung des Klägers, dass eine dauerhafte Erwerbsminderung von 30 % vorliegt, nicht bestätigt hat, führt die erlittene Verletzung dennoch in einem hohen Maß zu einer Beeinträchtigung des Klägers im beruflichen Alltag. Insofern ist nicht nur auf die von dem Sachverständigen angesetzte 10%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern vielmehr auf die konkrete Beeinträchtigung des Klägers in seinem täglichen Arbeitsleben abzustellen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass für den spezifischen Beruf des Klägers als Monteur von Türen und Fenstern, insbesondere beim Tragen schwerer Lasten, sowie beim Einbauen der Türen und Fenster eine deutliche Einschränkung vorhanden ist. Die Verletzungsfolgen treffen den Kläger damit deutlich empfindlicher, als es bei einem nicht körperlich fordernden Beruf der Fall wäre. Erschwerend und schmerzensgelderhöhend hat die Kammer zudem berücksichtigt, dass der Kläger durch die Verletzung ebenso in Freizeitaktivitäten, in denen das Tragen und Bewegen schwerer Lasten mit dem linken Arm gefordert wird, eingeschränkt ist.
Nach alldem ist ein Gesamtbetrag von 8.000 € zum Ausgleich der vom Kläger erlittenen Verletzungen auch unter dem Aspekt der Wiedergutmachung des erlittenen Unfalls angemessen, auf den die Beklagtenseite bereits 2.000,00 € gezahlt hat.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB.
Die gleichsam durch den beschriebenen Schadensfall verursachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers sind als Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach den §§ 249 Abs.1, 251 Abs.1 BGB dem Grunde nach im Wege der Freistellung ersatzfähig.
Der Höhe nach waren diese Kosten ausgehend von einem der ursprünglich begründeten Forderung entsprechenden Gegenstandswert von 6.568,97 € auf eine 1,3 Geschäftsgebühr (526,50 €) nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, mithin 650,34 € zu reduzieren. Abzüglich der bereits gezahlten 461,13 € ergibt sich ein Gesamtbetrag von 189,21 €.
2.
Der Feststellungantrag auf Ersatz des Rückstufungsschadens ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden zu bejahen, da noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen der Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird. Soweit der Antrag des Klägers den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte der Kläger den Schaden zwar beziffern. Die Feststellungsklage ist insgesamt dennoch zulässig, da sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH Urt. v. 25.04.2006, VI ZR 36/05).
Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich des Höherstufungsschadens zu. Die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung ist für den Kläger auch Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1991 - VI ZR 140/91).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
Streitwert: Bis zu 22.000 €
(19.172,43 € für den Antrag zu 1) und 2.000 € für den Antrag zu 2))